Die schwarze Kathedrale (Taschenbuch) / Charles Palliser Testberichte
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Pro & Kontra
Vorteile
- spannender krimi
- in Teilen gelungen / Mordfall wirkt interessant ...
- Atmosphäre
- Gutes Abbild des viktorianischen Englands, Mystery-Ansätze
Nachteile / Kritik
- verwirrend
- ... die Auflösung ist dann aber mehr als enttäuschend / langatmig geschrieben / viele unnötige Passagen / sehr steifer Stil / verwirrend
- manchmal komplizierte Handlung
- leider kommt das Teil nicht richtig aus den Puschen und ist zu offensichtlich gestrickt ;-)
Tests und Erfahrungsberichte
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die schwarze kathedrale
30.08.2007, 16:41 Uhr von
margy
Ich lese sehr viel. In anderen Foren schreibe ich unter dem Namen Trolles.4Pro:
spannender krimi
Kontra:
verwirrend
Empfehlung:
Ja
Zum Buch:
Erschienen: 12.2005
Aus der Reihe: «Knaur Taschenbücher»
ISBN-10: 3-426-63229-2
ISBN-13: 9783426632291
Übersetzt von:Sigrid Langhaeuser
Einband: kartoniert
Sonstiges: 18 cm
Erschienen bei: Droemer/Knaur
Seitenzahl: 480
Gewicht: 421 g
Preis: 8,95 €
Auf dem Buchumschlag meines Werkes steht die Kathedrale in schwarzer Farbe vor einem rotgelben Hintergrund.
Zum Autor:
Charles Palliser: Charles Palliser, geboren in Massachusetts, USA, unterrichtete Moderne Literatur und Creative Writing an Universitäten in den USA, in Glasgow und London. Seit dem Erscheinen seines internationalen Bestsellers "Quincunx" lebt er in London und widmet sich ausschließlich dem Schreiben.
Inhaltsangabe:
"England 1881: Eine entsetzliche Entdeckung reißt das kleine Städtchen Thurchester kurz vor Weihnachten aus seiner Idylle. In der Kathedrale wird die Leiche eines lebendig eingemauerten Mannes entdeckt. Bald darauf kommt noch mehr Mysteriöses ans Licht: Manipulationen, gefälschte Dokumente und tief verwurzelte Zwietracht. Dann geschieht ein weiterer Mord ..."
Inhalt:
Es ist die Zeit vor Weihnachten 1881. Es friert und es ist bitterkalt. Edward Courtine, Historiker und Dozent der Uni Cambridge, reist nach Thurchester. Die Einladung für diese Reise erhielt er von einem Mathelehrer dieser Uni, Austin Fickling. Sie waren einst beste Freunde, doch das ist Jahre her. Hier in Thurchester steht eine riesige schwarze Kathedrale, die den Mittelpunkt der Stadt bildet. Die Oberen der Kirche untereinander sind verfeindet, giften sich an, spinnen Intrigen gegeneinander. Fickling scheint auch darin integriert zu sein, findet Courtine, denn er traut seinen Beobachtungen. Ein Mord geschieht, dann ein weiterer, bei der eine jahrhundertealte Leiche aus den Mauern ausgegraben wird. Courtine entwickelt detektivische Fähigkeiten und versucht, hinter die Geheimnisse zu kommen und die Mordfälle aufzuklären.
Meinung:
"Die schwarze Kathedrale" von Charles Palliser ist ein Krimi, der aus 3 Geschichten besteht und zusammengeflochten wird. Die Story beinhaltet uralte Geheimnisse, Verschwörungen und Morde, Intrigen, die gegeneinander gesponnen werden, dunkle Machenschaften, es geht um Kirchenfürsten, die 2 Gesichter haben, um Betrug und Verrat.
Der Roman ist, da er aus 3 Geschichten besteht, wie ein Puzzlewerk, aus lauter Bruchstücken zusammengesetzt. Es entstehen aus diesem Grund auch Zeitsprünge, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen, was sehr verwirrend ist.
Davon aber abgesehen fand ich den Krimi voller Atmosphäre und auch spannend mit den eingefädelten Geschichten.
Der Stil des Schreibens ist ausgezeichnet und hervorragend, da die Personen bzw. die Figuren Charakter aufzeigen, die zwielichtig sind und von denen sie erst im Laufe der Geschichte selbst etwas bemerken.
Auch die Erzählung Thurchester, einer Bischofsstadt im Süden Englands, der Einwohner und deren Motive. die Handlungen er-schienen mir plastisch und sehr fantasiereich und überaus fesselnd.
Mir persönlich hat es großen Spaß gemacht, diesen Roman zu lesen, ziehe allerdings einen Punkt von der Gesamtbewertung ab, da einige Stellen sehr verworren und verwirrend waren.
Edward Courtine, Historiker und Dozent der Uni Cambridge: Obwohl er beruflich sehr eingebunden ist, ist der Rest des Alltags eher öde und sein Leben eine einzige Lüge. Während der Zeit in Thurchester bemerkt er das allerdings erst, dass er ein selbstgefälliger Mensch ist und seine Überzeugungen falsch. weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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topfmops, 03.09.2007, 18:11 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
Och nöh, nicht schon wieder!! Diese Vorschriften über meine Lesegeschwindigkeit nerven.
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Dreimal Mord in einem Buch
Pro:
Atmosphäre
Kontra:
manchmal komplizierte Handlung
Empfehlung:
Ja
- Die schwarze Kathedrale von Charles Palliser -
Das Buch:
Der Historiker Ned Courtine besucht kurz vor Weihnachten 1881 seinen Schul bzw- Studienfreund Austin Fickling in dem kleinen Ort Thurchester, wo letztgenannter an einer Schule als Matehamtik Lehrer in bescheidenen Verhältnissen lebt und arbeitet. Das Bild dieses Ortes wird dominiert und überschattet von der riesigen Kathedrale und dunklen, engen Gassen und einer seltsam unheilschwangeren Atmosphäre.
Zwischen den beiden ( ehemaligen ) Freunden steht eine Angelegenheit von vor 20 Jahren, die die Freundschaft zerstört hat, so dass sich Courtine fragt, warum ihn Fickling überhaupt eingeladen hat. Er hat nur eine Erklärung : Fickling will die Sache aus der Welt schaffen. Die "Sache" erschließt sich dem Zuschauer jedoch erst im Laufe der Zeit.
Dort angekommen, kümmert sich Fickling jedoch nur vordergründig bemüht um seinen "Freund", doch scheint er wesentlich wichtigeres zu tun zu haben, so z.B. Ausflüge mitten in der Nacht.
So hat Courtine Zeit, sich der Geschichte der Katehdrale und einem historischen, bis dato nicht geklärten Mordfall im Umfeld dieser Kathedrale zu widmen. Der Domschatzmeister William Bourgoyne verstarb 1641 und sein Tod konnte nie geklärt werden. Kaum ist Courtine zum ersten mal in der Katehdrale, taucht auch schon im Rahmen von Renovierungsarbeiten hinter einer riesigen Steinplatte eine scheinbar lebendig eingemauerte 200 Jahre alte Leiche auf. Die Lösung dieses alten Rätsels erscheint für alle freigegeben.
Darüber hinaus hofft Courtine im Archiv des Domkapitels Unterlagen über einen längst verstorbenen König zu finden, dessen Auffinden ihm historischen Ruhm und eine bessere Stellung an der Uni verschaffen könnten.
Der dritte Fall ist aktuell und zieht Courtine immer mehr in geheimnisvolle Vorgänge hinein. Der alte Mister Stonex, Bankier, bei dem Courtine und Fickling noch am abend zuvor die Ehre hatten Essen zu dürfen, ist erschlagen, und bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet aufgefunden worden. Der Alte galt als sonderbar und empfing nie Besuch. Warum aber ausgerechnet am abend vor seinem Tod den fremden Mister Courtine ? Ein Rätsel, dass Courtine gezwungen ist zu lösen, um nicht selbst verdächtiger zu werden, als er schon ist.
Der Histiroker macht sich daran, alle drei Angelegenheiten gleichzeitig zu lösen und ist gezwungen zu erkennen, dass sich sein alter Freund, der nachts im Hause und im Ort herum schleicht offensichtlich selbst in eine üble Geschichte verstrickt hat.
Am Ende muß Courtine erkennen, dass es einen ganz anderen Grund für diese Einladung zur scheinbaren Auffrischung einer eingeschlafenen und zerstörten Freundschaft gegeben hat...in diesem Winter kurz vor Weihnachten 1881.
Charles Palliser gelingt es hervorragend, wie auch schon in seinem Ertlingswerk Quicunx das historische englische Leben des ausgehenden 19. Jh. darzustellen. Ein viktorianischer Roman par exellence mit düsteren Bildern, flackerndem Kerzen- und Gaslicht, dunklen Gassen und darüber thronend wie das Schwert des Damokles, die Kathedrale, die mehr als nur ein Geheimnis birgt.
Fazit:
Die Geschichte ist kompliziert, da hier drei Mordfälle in einem aufgearbeitet werden. Jeweils unterschiedliche Handlungen und Situationen dieser Taten beschrieben werden müssen. Dazu kommt, das in diversen Gesprächen Courtines mit Dritten immer wieder verschieden Variationen der Morde und ihrer Motive durchgespielt werden, so dass das Lesen eine hohe Konzentration fordert. Der, der bereit ist, diese zu leisten, wird belohnt mit einer, nach anfänglichen Startschwierigkeiten fesselnden Story, die eigentlich immer mehr zu einem klassischen Krimi im Stile eines "who dunnit " wird. Mir gefällt so etwas persönlich gut und wer solche Stories mag, wird nicht enttäuscht.
Die Charaktere sind hier durchaus gut und nachvollziehbar gezeichnet. Der Historiker und Gelehrte Courtine, der sich für etwas Besseres hält als den Mathe Lehrer Fickling und glaubt es im Leben zu etwas gebracht zu haben, wobei sich im Laufe der Geschichte heraus stellt, das dies mehr Schein als Sein ist. Der haßerfüllte und egoistische Fickling, der darauf brennt, hier sag ich besser nichts mehr...
Dies sind eigentlich die beiden Hauptpersonen, deren unbewältigter Konflikt stets greifbar ist und noch entscheidende Auswirkungen haben wird. weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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2Bee, 08.05.2006, 00:20 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
Hey! Super Bericht! sehr hilfreicht! Hier dein <b>>{(((((((((((°></b> <br/>Gruß Tim
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Krimi oder Milieustudie?
Pro:
in Teilen gelungen / Mordfall wirkt interessant ...
Kontra:
... die Auflösung ist dann aber mehr als enttäuschend / langatmig geschrieben / viele unnötige Passagen / sehr steifer Stil / verwirrend
Empfehlung:
Nein
Der Name Charles Palliser sagte mir bis vor kurzem rein gar nichts. Zufällig stieß ich dann auf sein 1999 erschienenes Werk „Die schwarze Kathedrale“ (Originaltital: „The Unburied“), welches vom Spiegel als „ein schaurig-schönes Krimistück altenglischer Machart“ gelobt wurde. Dieses Lob und der interessant klingende Inhalt waren dann ausschlaggebend dafür, dass ich mir das Buch für 6,95€ beim Bertelsmann Club bestellte.
„Die schwarze Kathedrale“ ist wie ein Tatsachenbericht aufgebaut. Ein gewisser Dr. Edward Courtine, seines Zeichens Historikreferent an der Universität Cambridge besucht seinen ehemaligen Freund Austin Fickling in der englischen Kleinstadt Thurchester. Courtine gab Fickling vor vielen Jahren die Schuld daran, dass seine Ehe gescheitert ist, glaubt aber, er sei bereit dazu, die Freundschaft neu aufzubauen. Außerdem befindet sich in eben dieser Stadt höchstwahrscheinlich ein Dokument, dass neue Erkenntnisse über König Alfred bringen könnte und Thurchester liegt auf dem Weg zu Courtines Nichte, bei der er das Weihnachtsfest verbringen möchte.
Mittelpunkt der Stadt Thurchester ist eine riesige Kathedrale, in der zur Zeit Umbauarbeiten stattfinden, welche kurze Zeit später einen bei lebendigem Leibe eingemauerten Toten zu Tage fördern. Courtine merkt schnell, dass in dieser Stadt scheinbar jeder etwas zu verbergen hat und auch sein Besuch bei Fickling gestaltet sich als äußerst schwierig, da dieser sich sehr merkwürdig und widersprüchlich verhält und scheinbar gar nicht auf eine Versöhnung aus ist. Als dann auch noch der reiche Mr. Stonex, ein Banker, brutal ermordet wird, versetzt dies die Bürger der Stadt in helle Aufruhr …
Palliser gestaltet sein Buch, wie schon erwähnt, zu einem Tatsachenbericht aus. Neben dem Erzähler Edward Courtine, der die 4 Tage seines Besuchs in Thurchester beschreibt, gibt es auch einen fiktiven Herausgeber namens Philip Barthram, der sich in einem Prolog und Epilog zu Wort meldet und einige Unklarheiten beseitigt oder Tatsachen deutlich macht. Den Prolog habe ich nach dem vollständigen Lesen des Buches nochmals gelesen und diesen dann erst wirklich verstanden. Vor dem Lesen der Lektüre wirkt diese Einleitung etwas verwirrend.
Die erzählte Geschichte an sich ist zwar interessant und in Teilen macht es auch wirklich Spaß den Bericht zu lesen, da Eindrücke und Gefühle in einigen Passagen sehr schön und nachvollziehbar geschildert werden. Thurchester mit seiner riesigen Kathedrale als Mittelpunkt wirkt wie aus einer anderen Welt, das sich der Moderne und neuen Erkenntnissen entzieht; immer noch steht die Kirche im Mittelpunkt, die allerdings zerstritten ist wie eh und je. Edward Courtine muss feststellen, dass Fickling, in früheren Zeiten noch strikt gegen den Glauben, inzwischen an Gott und die Erlösung glaubt, wodurch am ersten Abend eine Diskussion über Glauben und Nicht-Glauben entsteht, die im Ansatz zwar interessant ist, aber schnell eine der großen Schwächen von „Die schwarze Kathedrale“ ans Licht bringt: Palliser verliert sich extrem oft in sehr langen und teilweise komplexen Diskussionen oder Beobachtungen, die de facto nichts zur Spannung oder zum Fortbringen des Inhalt beitragen. Die Studie der Stadt mit ihren Bewohnern und Eigenheiten ist zwar durchaus gelungen, aber die Ausflüge in die Vergangenheit, die mittels Dokumenten und alten Schriften und Zitaten geschehen, sind nicht nur verwirrend, sondern langweilen nach einiger Zeit auch. Zudem entstehen neben einem Fall aus der Stadt Thurchester in der Vergangenheit (es geht hierbei um die Kirchenleute Freeth und Bugoyne) durch Courtines Suche nach dem Manuskript, das seine Theorien über den mittelalterlichen König Alfred beweisen soll und den Mord an Mr. Stonex noch zwei weitere Erzählstränge, bei denen man irgendwann zwangsläufig den Überblick verliert. Steigt man dann irgendwann durch die Namen und Ereignisse durch, muss man enttäuscht feststellen, dass alle drei nicht sehr zufrieden stellend beendet werden – gerade so als sei Palliser hier die Luft ausgegangen.
Der Mordfall an Mr. Stonex wirkt zwar recht kompliziert und ausgeklügelt, die Auflösung ist im Endeffekt aber eher Hausmannskost und liefert keine besonderen Überraschungen (zumindest hätte ich mit einem Knalleffekt gerechnet, die einfache Lösung habe ich einfach nicht gesehen). Gelungen ist hingegen die Beschreibung der verschiedenen Personen, jeder scheint etwas zu verbergen, dennoch muss Courtine sich mit jedem gut stellen, schließlich ist er ein Gast und will sein hohes Ansehen bewahren. Leider zerstört Palliser aber viel der aufgebauten Atmosphäre durch unnötige und langatmige Passagen, die seinen Roman schwer lesbar und zu unnötig schwerer Kost machen. Immer wenn man als Leser an Aufklärung oder Weiterführung der Geschichte interessiert ist, langweilt Palliser mit geschichtlichen Ergüssen oder Diskussionen, die so langatmig sind, dass es keinen Spaß macht, diese zu verfolgen, da die meisten von ihnen nichts zur Handlung beitragen, sondern eher wie ein Beitrag zur Studie der Bürger Thurchesters wirken. Hier wäre weniger sicherlich mehr gewesen.
Letztendlich konnte ich persönlich auch mit Pallisers Schreibstil in großen Teilen nicht viel anfangen. Da es sich um einen Bericht handelt, ist die Ich-Form die logische Folge. Der steife und etwas gehobene Stil Pallisers mag zwar durchaus zu einem Doktor passen, allerdings ist Palliser in großen Teilen zu ausschweifend und eben ein winziges Stückchen zu steif bzw. förmlich, sodass das Geschriebene – so lebendig es in einigen Teilen wirkt – steril und langweilig ist und man sich beinahe nach dem Ende sehnt. Durch die Ich-Form werden Gefühle naturgemäß etwas besser vermittelt und es wird Spannung erzeugt, da man logischerweise nicht weiß, was in den anderen Personen vorgeht – viel retten kann diese Tatsache jedoch nicht, da Palliser dies viel zu wenig ausspielt. Wem jedoch ein langatmiger und trockener, beinahe sachlicher Stil gefällt, der ist mit Palliser genau richtig bedient; ich für meinen Teil bleibe dann doch bei anderen Autoren, die mitreißender schreiben.
Anmerken möchte ich auch, dass der Anfang des Romans, der auf der Rückseite meiner Ausgabe abgedruckt ist, ein völlig falsches Licht auf die Geschichte wirft, da hier von einer Art wandelnden Toten die Rede ist. Zwar kann man es nach dem Lesen auch etwas anderweitig deuten, aber der unbedarfte Leser wird sicherlich überrascht sein, dass „Die schwarze Kathedrale“ mit dieser Thematik doch beinahe gar nichts am Hut hat.
Summa summarum bleibt mir nur zu sagen, dass es sich bei „Die schwarze Kathedrale“ von Charles Palliser um einen Roman handelt, den man absolut nicht gelesen haben muss. Palliser baut zwar in einigen Teilen Atmosphäre auf, zerstört diese jedoch oft postwendend und verliert sich in langatmigen Passagen, die nichts zur Handlung beitragen. Auch der sehr nüchterne und steife Stil sagt mir persönlich nicht sehr zu, sodass ich am Ende eine Wertung von 1 Stern vergebe (jedoch mit einer Tendenz zu einem zweiten Stern) – eine Empfehlung gibt es nicht.
Gruß, Stefan. weiterlesen schließen -
Schwarze Seelen
03.07.2003, 18:52 Uhr von
Tut_Ench_Amun
Der virtuelle Pharao existiert nun schon seit über 10 Jahren und macht das Netz mit seinem Geschr...Pro:
Gutes Abbild des viktorianischen Englands, Mystery-Ansätze
Kontra:
leider kommt das Teil nicht richtig aus den Puschen und ist zu offensichtlich gestrickt ;-)
Empfehlung:
Ja
In letzter Zeit habe ich es offensichtlich mit Romanen, die im kirchlichen Umfeld stattfinden, schon wieder fand ein solcher den Weg über die lokale Weltbild Filiale in meine Hände. Dank des anstachelnden Klappentexts machte „Die schwarze Kathedrale“ einen überaus interessanten Eindruck. Im Original heißt der Roman übrigens wesentlich treffender „The Unburied“ nämlich „Der (oder Die) Ausgebuddelte(n)“, was der Handlung auch eher gerecht wird. Über misslungene deutsche Titelverballhornungen rege ich mich aber schon lange nicht mehr auf. Solange der Inhalt mich zu fesseln vermag ist das eher zweitrangig, doch frage ich mich doch schon manchmal, welch Geistes Kinder sich die teils beknackten Eindeutschungen einfallen lassen...kann/muss man das lernen?...muss man dafür möglichst sprachunbegabt sein oder eine gewisse Debilität von Geburt an mitbringen? Lesen diese Typen überhaupt irgendwann mal die Bücher...oder können die am Ende gar nicht Lesen? Wir werden es wohl nie erfahren *seufz* - Das Phänomen betrifft ja nicht nur Verlags-Analphabeten, sondern auch die Gestalten, die Texte auf DVD-Hüllen etc. verbocken...Sei's drum, sollen sich andere darüber den Kopf zerbrechen, kümmern wir uns lieber ausführlich um das vorliegende Buch und natürlich seinen Inhalt, den man für 9,90 € geboten bekommt...
Der Steckbrief
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Titel: „Die schwarze Kathedrale“
Original-Titel: „The Unburied“
Autor: Charles Palliser
Genre: Viktorianischer Krimi
Ersterscheinungsjahr: 1999 (Phoenix House / London)
Deutsche Übersetzung: Sigrid Langhaeuser
Erschienen: 2000 (Droemer / München) *
Seiten: 480*
ISBN: 3 – 8289 – 7022 - 2
Ausführung: HC mit Schutzumschlag *
Preis: ca. 9.90 € *
*) meine Version des Buches ist eine vergünstigte Lizenz-Ausgabe (2002) von Weltbild. Das Cover unterscheidet sich völlig von dem oben Gezeigten. Der schwarz/weiß gehaltene Einband zeigt ein mit menschlichen Knochen behangenes Kirchenschiff an dessen Ende befindet sich ein helles Kirchenfenster mit einem Kruzifix davor.
Zur Story
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Dr. Edward „Ned“ Courtine, seines Zeichens Referent und Lehrer für anglikanische Historie in Cambridge schlägt in der Vorweihnachtszeit 1881 gleich drei Fliegen mit einer Klappe. Er hat schon lange seinem Ex-Studienkollegen und altem Freund Austin Fickling versprochen ihn in dessen Wahlheimat Thurchester zu besuchen. In der englischen Kleinstadt befindet sich zudem eine berühmte Kathedrale, in dessen Bibliothek er ein bestimmtes Manuskript zu finden hofft, dass seine Theorie über mittelalterlichen König Alfred stützt. Wenn er das Manuskript tatsächlich findet kann ihm das einige seiner Kollegen gehegte Bild der anglikanischen Geschichte ändern und ihm sogar einen Lehrstuhl einbringen. Ausserdem will Courtine sowieso über Weihnachten zu seiner Nichte und Thurchester liegt genau auf dem Weg, was liegt also näher als all das miteinander zu verquicken und einen 1 Wöchigen Zwischenstopp dort einzulegen? Er und Fickling haben sich nach einem Streit vor 20 Jahren nicht mehr gesehen und das Wiedersehen verläuft sehr seltsam, Courtine wirft seinem ehemaligen Kumpel (wenngleich er das nicht zeigt) insgeheim immer noch vor ihn und seine (Ex-)Frau damals auseinander gebracht zu haben.
Das Warum und Wieso bleibt zunächst im Dunkeln, Courtines Wunden reißen schon allein wegen Ficklings sehr komischen und widersprüchlichen Verhalten alsbald wieder auf. Jeder in dieser provinziellen und kleinbürgerlichen Stadt scheint irgendwas zu verbergen zu haben, desweiteren sind sich die Bewohner untereinander alle nicht wirklich grün. Gerüchte, Getuschel und teils offene Anfeindungen sind quasi an der Tagesordnung – da gönnt der eine dem anderen nicht die Wurst auf dem Brot. Courtine hat als Außenstehender einen erhabenen Blick auf diese Leute, doch muss er sich mit allen gut halten, schliesslich möchte er ja freien Zugang zur Bibliothek haben. Gleichzeitig will er herausfinden, welches Geheimnis seinen alten Freund Austin umgibt, der sich mal aufgekratzt, mal wortkarg schroff gibt und öfters des Nächtens wer-weiß-wohin verschwindet. Bald geht es rund um die geschichtsträchtige Kathedrale aber nicht mehr um persönliche Animositäten, nicht um alte historische Folianten, nicht um rätselhafte Schauergeschichten aus der Geschichte des Bauwerks, sondern um handfesten Mord an einem Banker und das Auftauchen des Leichnams eines verschwunden geglaubten Mörders direkt aus der Vergangenheit in der Kathedrale selbst...
Pharaos Meinung
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Was sich schön düster und mysteriös-spannend anhört ist in Wahrheit sehr dröge präsentiert, dabei fängt der eigentliche Roman mit einem guten Flair an. Ein verwunschenes Kleinstädtchen auf dem Land mit schrulligen Bewohnern und einer gespenstischen Kirche, die von Nebel umwabert ein schreckliches Geheimnis trägt, sogar eine ominöse Kapuzengestalt (angeblich ein ruheloser Geist) lustwandelt über den Kathedralenvorplatz. Das klingt ganz verlockend nach Altmeister Edgar Wallace. Leider verliert sich Palliser alsbald in seitenlangem Geschwafel von Courtines Theorie über König Alfred, sein Verhältnis zu Austin Fickling und den Begebenheiten die sich rund um das alte Gemäuer ranken – immer wenn ich dachte jetzt kommt der Clou oder es wird endlich der entscheidene Hinweis geliefert, wurde ich enttäuscht. Denn kaum etwas von dem überflüssigen Geschreibsel ist später von Bedeutung. Der Lesespass wird dadurch ganz erheblich gebremst und ich konnte mir ein zähneknirschenden: „Komm endlich zur Sache, Kerl!“ oft nur mit Mühe verkneifen ;-)
Schlicht gesagt, es passiert nichts weltbewegendes bis fast gegen Ende und dann muss sich der Autor Mühe geben die unnötig verworrenen Stränge zu einem Abschluss zu bringen, selbst der Mord an dem sonderlichen Bankier und das Auffinden einer eingemauerten Leiche in der Kathedrale finden erst im letzten Drittel statt, können diese Provinz-Posse aber auch nicht mehr retten. Das Bild der Stadt und seiner Bewohner porträtiert Palliser sehr genau – ZU genau um ehrlich zu sein – denn im Endeffekt ist es für den Mordfall ziemlich irrelevant, der (ich bin mal so frei und spoiler hier ein wenig *g*) nach dem Hauptteil der Geschichte ungesühnt und (fast) ungeklärt bleibt. Stattdessen werden Courtines persönliche Probleme mit Austin breit getreten und die viktorianische Gesellschaft um diese Zeit aufs Korn genommen (das allerdings sehr trefflich)...Gesellschaftliche Zwänge, Wer mit Wem und Wer nicht und immer wieder Verweise auf die ollen Kamellen der Vergangenheit *gähn*.
Zum besseren Verständnis muss ich aber die Gliederung heranziehen: Der Anfang des Buches findet um 1920 herum statt (nach dem virtuellen Tod von Dr. Courtine), es ist ein kurzer Vorgriff auf die eigentliche Handlung, die erst nach dieser Einlage kommen wird. Der „Bericht“ über die Vorfälle ist in der Ich-Form geschrieben und stellt die Geschehnisse aus der Sicht von Courtine dar, wie er sie fiktiv „erlebt“ hat. Nach dem Augenzeugenbericht folgt dann der Epilog in welchem dann die letzten Puzzle-Teile an ihren Platz kommen, gefolgt von einem ausführlich geschilderten (visionären) Traum, den die Hauptfigur hatte (wie überaus ergreifend *hust*) und ein bitter nötiges Namensregister aller beteiligten Figuren. Ich mag solche Geschichten eh nicht sonderlich, wo schon von vorneherein feststeht, dass mittendrin alles nur Geplänkel ist und der Kracher erst im Epilog aus dem Hut gezogen wird...leider gibt es keinen Kracher und die endgültige Auflösung des lieblos inszenierten Rätsels (Welches Rätsel, die Auflösung war sowas von offensichtlich!?) ist reine Makulatur.
Fazit
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Was habe ich aus dem Roman gelernt? Briten sind spießbürgerlich von einer geradezu perfiden Höflichkeit beseelt, leben bevorzugt im Nebel (auch der Vergangenheit), lieben Gespenster und ungenießbares Essen...Na toll, das wusste ich auch schon vorher. Aber mal Butter bei die Fische: Streckenweise ist des Buch ganz interessant und hat einige gute Ansätze, die Palliser - als regelrechte Spassbremse - aber gleich wieder ruiniert, da hätte man wesentlich mehr draus machen können, um den anfänglichen Spannungsbogen auch konstant aufrecht zu erhalten. Die wirklich guten und akribischen Charakterisierungen der viktorianischen Kleinstadt-Gesellschaft und ihres (Un-)Rechtssystems können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Plot massig an Pace fehlt.
Zudem ist die Sache ziemlich leicht zu durchschauen, ich hatte mir nach nicht mal der Hälfte schon meine Theorie zurechtgelegt, die bedauerlicherweise erwartungsgemäß in beinahe allen Punkten zutraf – kein Ruhmesblatt für einen ausgewiesenen Thriller. Erschwerend kommt die akademisch-schwülstige „Von-Oben-Herab“-Schreibweise hinzu, die wohl Absicht ist, doch nach einer Zeit ordentlich auf den Senkel geht, da sie die ohnehin schon langatmige Geschichte weiter unnötig verkompliziert und zieht, was vor allem Gelegenheitsleser sicher abschrecken dürfte. Eine (bedingte) Empfehlung spreche ich trotzdem aus, denn selbst ein schlechtes Buch ist immer empfehlenswert, allerdings kann ich beim besten Willen nicht mehr als 2 Sterne erübrigen, dafür war mir persönlich der Unterhaltungswert (trotz einiger guter Ansätze) im Gesamtbild doch zu lau.
SoLong
Der Kleinstadt-Pharao
Warnhinweis:
Schnellklicker sollen nie wieder ein gutes Buch in die Hände bekommen...öööh...ihr könnt ja eh nicht lesen *oops*...hmmm...JETZT weiss ich endlich wer die deutschen Titel und Klappentexte erstellt... ;-) weiterlesen schließen -
Viktorianisches History-Mystery der gelungenen Art
09.02.2003, 21:01 Uhr von
Hindenbook
Das wär's 'dank' der neuen AGB für mich bei Yopi.de. Mit der Einstellung der 'Zahlungen' kann ich...Pro:
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Kontra:
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Empfehlung:
Ja
An einem bitterkalten Tag in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1881 begibt sich Edward Courtine, Historiker und Dozent der Universität in Cambridge, auf eine Reise in das alte südenglische Städtchen Thurchester. Austin Fickling, der dort als Lehrer für Mathematik an einer kleinen Schule unterrichtet, hat ihn eingeladen. Courtine ist verblüfft; mehr als zwanzig Jahre hat er seinen ehemals besten Freund nicht mehr gesehen, den er mitverantwortlich dafür macht, dass seine Ehefrau ihn verliess. Aber er ist neugierig und einsam, und außerdem gibt es für ihn auch einen "dienstlichen" Grund, Thurchester einen Besuch abzustatten: In der Bibliothek des Domkapitels vermutet er ein altes Dokument, das eine unter Historikern lange offene Frage entscheiden und Courtine einigen Ruhm eintragen könnte - Ruhm, der ihm gut zupass käme, möchte er sich doch für ein hohes akademisches Amt bewerben.
Thurchester stellt sich als Ort heraus, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die riesige Kathedrale im Zentrum bestimmt das Stadtbild; wie sich herausstellt, nicht nur architektonisch. Courtine findet schnell heraus, dass es heftig gärt unter den Mitgliedern des mächtigen Domkapitels, das schon seit dem Mittelalter die Geschicke Thurchesters zu einem guten Teil bestimmt. Die geistlichen Herren sind einander spinnefeind. Ohne es zu ahnen, gerät Courtine in ein Spinnennetz alter Intrigen. Auch Fickling scheint in die Ereignisse verwickelt zu sein. Courtine fragt sich, wieso ihn der ehemalige Gefährte überhaupt eingeladen hat, denn Fickling macht kaum Anstalten, die alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Statt dessen ist er nervös und scheint mit Hoffen und gleichzeitig mit Bangen ein mysteriöses, kurz bevorstehendes Ereignis zu erwarten. Wohin schleicht Fickling des Nachts heimlich? Was geht in der abgesperrten Kathedrale vor sich? Wer ist der geheimnisvolle, reiche Mr. Steenix, der sein Haus wie eine Festung gesichert hat? Wieso lädt er, der sonst niemals Besuch empfängt, Courtine und Fickling großzügig dorthin ein - und wer bringt ihn noch am selben Abend auf brutale Weise um?
Noch hat sich der Schrecken über die Bluttat nicht gelegt, als ein zweites Verbrechen offenbart wird: Arbeiter finden bei Umbauarbeiten im Inneren der alten Kathedrale in einer Nische hinter einer steinernen Gedenktafel die Leiche eines Mannes - gefesselt, geknebelt und erstickt, nachdem man ihn bei lebendigem Leibe dort eingemauert hat. Das Entsetzen weicht der Verwunderung, als man erkennt, dass der Körper seit über zweihundert Jahren dort gelegen haben muss.
Der grausige Fund rührt an einem uralten Geheimnis Thurchesters. Zu den ungelösten Rätseln der Stadtgeschichte gehört der Tod des Domschatzmeisters William Burgoyne im Jahre 1641. Der mächtige Kirchenmann hatte sich wegen seiner kompromisslosen Amtsführung zahlreiche Feinde unter den übrigen Domkapitularen gemacht. Kurz nach seiner Ankündigung, ein unglaubliches Verbrechen in den Reihen der Domherren aufdecken zu wollen, begrub ihn in der Kathedrale ein Baugerüst und zerschmetterte seinen Körper bis zur Unkenntlichkeit. Nun stellt sich heraus, dass dieses Opfer gar nicht Burgoyne war, denn seine Leiche ist es, die in der Mauernische gefunden wurde.
Courtine bemüht sich verzweifelt, die Übersicht zu behalten. Er erkennt die zahlreichen Ungereimtheiten im Mordfall Steenix, den das Domkapitel in enger Zusammenarbeit mit dem pompös-unfähigen Polizeichef Antrobus auffällig hastig "geklärt" wissen möchte. Der "Schuldige" ist rasch gefunden - ein junger Mann, der Steenix täglich seine Mahlzeiten ins Haus brachte. Doch Courtine mag angesichts seiner eigenen unbeholfenen Ermittlungen an diese Erklärung nicht glauben. Er kommt allmählich einem groß angelegtem Komplott auf die Spur ...
"Die schwarze Kathedrale" stellt eine vorzügliche Mischung aus historischem Krimi und viktorianischem Schauerroman dar. Uralte Geheimnisse, Intrigen, Verschwörungen, finstere Machenschaften, zwielichtige Kirchenfürsten, Betrug, Verrat und Mord - das sind die Elemente, aus denen Charles Palliser seine Geschichte zusammensetzt. Dieses Rezept hat noch immer zuverlässig seine Wirkung getan und Langeweile an langen Leseabenden verscheucht. Auf die richtige Mischung kommt es dabei an, und Palliser ist ein guter Apotheker. Was wie eine klassische Geistergeschichte aus der Feder Henry (oder besser M. R.) James' beginnt, mündet in eine spannende und vertrackte Krimihandlung, wie sie Charles Dickens ersonnen haben könnte.
Palliser weiss als Historiker sein Fachwissen geschickt in den Dienst eines abenteuerlichen Thrillerpuzzles zu stellen. Die düsteren Geheimnisse von Thurchester werden schlüssig in der "offiziellen" Geschichte verankert. Freilich übertreibt es der Autor ein wenig: Er möchte nicht nur eine, sondern gleich drei Geschichten erzählen - vom Steenix-Mord 1881 (mit einer Coda 1919), vom Burgoyne-Rätsel 1641 und - wieder 1881 - von einer Intrige innerhalb der Historikerzunft. Nummer Eins ist fesselnd, wenn auch ein wenig zu verwickelt, um zu jedem Zeitpunkt einzuleuchten, Nummer Zwei spannungsreich und vorbildlich in der Entwicklung, Nummer Drei wahrscheinlich nur für den Fachmann wirklich von Interesse. Insgesamt fügen sich diese drei Handlungsstränge niemals zu einem harmonischen Ganzen. Es bleibt allerdings zu fragen, ob dies überhaupt in Pallisers Absicht lag. Die Ereignisse von 1641 weisen auffällige Parallelen zum Geschehen von 1881 auf. Das bleibt den Beteiligten allerdings stets verborgen. Letztlich bleibt auch der Steenix-Mord ein historisches Rätsel, wenn es dieses Mal auch nicht zweieinhalb Jahrhundert dauert, bis es gelöst werden kann. Die menschliche Geschichte ist eine Abfolge von Entscheidungen und daraus resultierenden Ereignissen. Ihre Ordnung und Wertung bleibt den Historikern überlassen. Sie sind freilich selbst nur Menschen; sie können sich irren, und sie können die Wahrheit auch verbiegen. Je schmaler die Datenbasis ist, desto höher wird die Möglichkeit eines Missverständnisses - und desto leichter wird es zu betrügen; Palliser belegt beides mit einer Fülle von Beispielen aus dem frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. Das ist auch für den Laien schlüssig und regt vielleicht ein wenig zum Nachdenken darüber an, was Geschichte und ihre Erforschung zu leisten vermag - und was sich mit ihrer Hilfe anrichten lässt, wenn man kundig und skrupellos genug ist.
Die Figuren der "Schwarzen Kathedrale" sind gut durchgezeichnet - und sehr "menschlich": Niemand ist, wie er oder sie auf den ersten Blick erscheint, und alle haben sie etwas zu verbergen. Davon ist Edward Courtine, der ehrenhafte Wissenschaftler, keineswegs ausgenommen. Sein scheinbar so erfülltes Leben erweist sich als trist und leer und darüber hinaus als Lüge, mit der er sich selbst zweieinhalb Jahrzehnte betrogen hat. Aber auch als Wissenschaftler ist er nicht so objektiv und unbestechlich, wie er sich selbst gern glauben machen möchte. In der Wolfsgrube des Domkapitels von Thurchester ist er allerdings nur eine Maus, die ebenso zutraulich wie ahnungslos ihrem Ende entgegentrollt. Im Schatten der baufälligen Kathedrale findet ein Kampf ganz anderer Größenordnung statt. Courtine muss erleben, wie das Kartenhaus seines Lebens und seiner selbstgefälligen Überzeugungen Stück für Stück zusammenfällt. Dabei meint Courtine, anders als sein Ex-Freund Fickling, mit beiden Beinen fest auf der Erde zu stehen. Das ausgehende 19. Jahrhundert ist eine Welt, in der die moderne Wissenschaft - davon ist Courtine, Kind der Aufklärung, fest überzeugt - schon bald alle Fragen erklären und alle Probleme lösen kann. Als Historiker müsste er es eigentlich besser wissen: Die Welt mag sich verändern, doch die Menschen bleiben dieselben, und die Konflikte der Vergangenheit lösen sich im Licht einer verheissungsvollen Gegenwart und strahlenden Zukunft nicht zwangsläufig in Wohlgefallen auf. Letztlich kann sich Courtine glücklich schätzen, dass man ihn "nur" betrügt; er kommt immerhin mit dem Leben davon und findet sogar die Kraft, seinem Leben endlich eine neue Richtung zu geben; wie wir aus dem fiktiven Nachwort zum "Courtine-Bericht" erfahren, hat er nicht nur die begehrte Stellung bekommen, sondern auch noch einmal geheiratet: fast ein Happy-End, und das einzige, das Palliser seinem Publikum gönnt.
Fazit: "Die schwarze Kathedrale" ist ein spannender, leicht sperriger Thriller, der die Vergangenheit nicht als blosse Schablone benutzt, sondern ihre besonderen Regeln achtet und logisch in die Handlung einzubeziehen weiß. Die häufigen Abschweifungen und einige Längen und tote Gleise in der Handlungsführung lassen sich deshalb leicht verschmerzen. Charles Palliser arbeitet als Schriftsteller weiterhin an sich. Der Fortschritt zu "Quincunx", seinem monumentalen, kaum lesbaren Erstling, ist deutlich: Die ausladenden Stimmungsbilder und Milieustudien einer untergegangenen Epoche werden zunehmend dem Bestreben untergeordnet, eine richtige Geschichte zu erzählen. Warten wir ab, wie Palliser auf seinem Weg weiter vorankommt!
(Copyright 09.02.2003/Dr. Michael Drewniok)
----- Zusammengeführt, Beitrag vom 2003-02-09 20:01:00 mit dem Titel Viktorianisches History-Mystery der gelungenen Art
An einem bitterkalten Tag in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1881 begibt sich Edward Courtine, Historiker und Dozent der Universität in Cambridge, auf eine Reise in das alte südenglische Städtchen Thurchester. Austin Fickling, der dort als Lehrer für Mathematik an einer kleinen Schule unterrichtet, hat ihn eingeladen. Courtine ist verblüfft; mehr als zwanzig Jahre hat er seinen ehemals besten Freund nicht mehr gesehen, den er mitverantwortlich dafür macht, dass seine Ehefrau ihn verliess. Aber er ist neugierig und einsam, und außerdem gibt es für ihn auch einen "dienstlichen" Grund, Thurchester einen Besuch abzustatten: In der Bibliothek des Domkapitels vermutet er ein altes Dokument, das eine unter Historikern lange offene Frage entscheiden und Courtine einigen Ruhm eintragen könnte - Ruhm, der ihm gut zupass käme, möchte er sich doch für ein hohes akademisches Amt bewerben.
Thurchester stellt sich als Ort heraus, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die riesige Kathedrale im Zentrum bestimmt das Stadtbild; wie sich herausstellt, nicht nur architektonisch. Courtine findet schnell heraus, dass es heftig gärt unter den Mitgliedern des mächtigen Domkapitels, das schon seit dem Mittelalter die Geschicke Thurchesters zu einem guten Teil bestimmt. Die geistlichen Herren sind einander spinnefeind. Ohne es zu ahnen, gerät Courtine in ein Spinnennetz alter Intrigen. Auch Fickling scheint in die Ereignisse verwickelt zu sein. Courtine fragt sich, wieso ihn der ehemalige Gefährte überhaupt eingeladen hat, denn Fickling macht kaum Anstalten, die alte Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Statt dessen ist er nervös und scheint mit Hoffen und gleichzeitig mit Bangen ein mysteriöses, kurz bevorstehendes Ereignis zu erwarten. Wohin schleicht Fickling des Nachts heimlich? Was geht in der abgesperrten Kathedrale vor sich? Wer ist der geheimnisvolle, reiche Mr. Steenix, der sein Haus wie eine Festung gesichert hat? Wieso lädt er, der sonst niemals Besuch empfängt, Courtine und Fickling großzügig dorthin ein - und wer bringt ihn noch am selben Abend auf brutale Weise um?
Noch hat sich der Schrecken über die Bluttat nicht gelegt, als ein zweites Verbrechen offenbart wird: Arbeiter finden bei Umbauarbeiten im Inneren der alten Kathedrale in einer Nische hinter einer steinernen Gedenktafel die Leiche eines Mannes - gefesselt, geknebelt und erstickt, nachdem man ihn bei lebendigem Leibe dort eingemauert hat. Das Entsetzen weicht der Verwunderung, als man erkennt, dass der Körper seit über zweihundert Jahren dort gelegen haben muss.
Der grausige Fund rührt an einem uralten Geheimnis Thurchesters. Zu den ungelösten Rätseln der Stadtgeschichte gehört der Tod des Domschatzmeisters William Burgoyne im Jahre 1641. Der mächtige Kirchenmann hatte sich wegen seiner kompromisslosen Amtsführung zahlreiche Feinde unter den übrigen Domkapitularen gemacht. Kurz nach seiner Ankündigung, ein unglaubliches Verbrechen in den Reihen der Domherren aufdecken zu wollen, begrub ihn in der Kathedrale ein Baugerüst und zerschmetterte seinen Körper bis zur Unkenntlichkeit. Nun stellt sich heraus, dass dieses Opfer gar nicht Burgoyne war, denn seine Leiche ist es, die in der Mauernische gefunden wurde.
Courtine bemüht sich verzweifelt, die Übersicht zu behalten. Er erkennt die zahlreichen Ungereimtheiten im Mordfall Steenix, den das Domkapitel in enger Zusammenarbeit mit dem pompös-unfähigen Polizeichef Antrobus auffällig hastig "geklärt" wissen möchte. Der "Schuldige" ist rasch gefunden - ein junger Mann, der Steenix täglich seine Mahlzeiten ins Haus brachte. Doch Courtine mag angesichts seiner eigenen unbeholfenen Ermittlungen an diese Erklärung nicht glauben. Er kommt allmählich einem groß angelegtem Komplott auf die Spur ...
"Die schwarze Kathedrale" stellt eine vorzügliche Mischung aus historischem Krimi und viktorianischem Schauerroman dar. Uralte Geheimnisse, Intrigen, Verschwörungen, finstere Machenschaften, zwielichtige Kirchenfürsten, Betrug, Verrat und Mord - das sind die Elemente, aus denen Charles Palliser seine Geschichte zusammensetzt. Dieses Rezept hat noch immer zuverlässig seine Wirkung getan und Langeweile an langen Leseabenden verscheucht. Auf die richtige Mischung kommt es dabei an, und Palliser ist ein guter Apotheker. Was wie eine klassische Geistergeschichte aus der Feder Henry (oder besser M. R.) James' beginnt, mündet in eine spannende und vertrackte Krimihandlung, wie sie Charles Dickens ersonnen haben könnte.
Palliser weiss als Historiker sein Fachwissen geschickt in den Dienst eines abenteuerlichen Thrillerpuzzles zu stellen. Die düsteren Geheimnisse von Thurchester werden schlüssig in der "offiziellen" Geschichte verankert. Freilich übertreibt es der Autor ein wenig: Er möchte nicht nur eine, sondern gleich drei Geschichten erzählen - vom Steenix-Mord 1881 (mit einer Coda 1919), vom Burgoyne-Rätsel 1641 und - wieder 1881 - von einer Intrige innerhalb der Historikerzunft. Nummer Eins ist fesselnd, wenn auch ein wenig zu verwickelt, um zu jedem Zeitpunkt einzuleuchten, Nummer Zwei spannungsreich und vorbildlich in der Entwicklung, Nummer Drei wahrscheinlich nur für den Fachmann wirklich von Interesse. Insgesamt fügen sich diese drei Handlungsstränge niemals zu einem harmonischen Ganzen. Es bleibt allerdings zu fragen, ob dies überhaupt in Pallisers Absicht lag. Die Ereignisse von 1641 weisen auffällige Parallelen zum Geschehen von 1881 auf. Das bleibt den Beteiligten allerdings stets verborgen. Letztlich bleibt auch der Steenix-Mord ein historisches Rätsel, wenn es dieses Mal auch nicht zweieinhalb Jahrhundert dauert, bis es gelöst werden kann. Die menschliche Geschichte ist eine Abfolge von Entscheidungen und daraus resultierenden Ereignissen. Ihre Ordnung und Wertung bleibt den Historikern überlassen. Sie sind freilich selbst nur Menschen; sie können sich irren, und sie können die Wahrheit auch verbiegen. Je schmaler die Datenbasis ist, desto höher wird die Möglichkeit eines Missverständnisses - und desto leichter wird es zu betrügen; Palliser belegt beides mit einer Fülle von Beispielen aus dem frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. Das ist auch für den Laien schlüssig und regt vielleicht ein wenig zum Nachdenken darüber an, was Geschichte und ihre Erforschung zu leisten vermag - und was sich mit ihrer Hilfe anrichten lässt, wenn man kundig und skrupellos genug ist.
Die Figuren der "Schwarzen Kathedrale" sind gut durchgezeichnet - und sehr "menschlich": Niemand ist, wie er oder sie auf den ersten Blick erscheint, und alle haben sie etwas zu verbergen. Davon ist Edward Courtine, der ehrenhafte Wissenschaftler, keineswegs ausgenommen. Sein scheinbar so erfülltes Leben erweist sich als trist und leer und darüber hinaus als Lüge, mit der er sich selbst zweieinhalb Jahrzehnte betrogen hat. Aber auch als Wissenschaftler ist er nicht so objektiv und unbestechlich, wie er sich selbst gern glauben machen möchte. In der Wolfsgrube des Domkapitels von Thurchester ist er allerdings nur eine Maus, die ebenso zutraulich wie ahnungslos ihrem Ende entgegentrollt. Im Schatten der baufälligen Kathedrale findet ein Kampf ganz anderer Größenordnung statt. Courtine muss erleben, wie das Kartenhaus seines Lebens und seiner selbstgefälligen Überzeugungen Stück für Stück zusammenfällt. Dabei meint Courtine, anders als sein Ex-Freund Fickling, mit beiden Beinen fest auf der Erde zu stehen. Das ausgehende 19. Jahrhundert ist eine Welt, in der die moderne Wissenschaft - davon ist Courtine, Kind der Aufklärung, fest überzeugt - schon bald alle Fragen erklären und alle Probleme lösen kann. Als Historiker müsste er es eigentlich besser wissen: Die Welt mag sich verändern, doch die Menschen bleiben dieselben, und die Konflikte der Vergangenheit lösen sich im Licht einer verheissungsvollen Gegenwart und strahlenden Zukunft nicht zwangsläufig in Wohlgefallen auf. Letztlich kann sich Courtine glücklich schätzen, dass man ihn "nur" betrügt; er kommt immerhin mit dem Leben davon und findet sogar die Kraft, seinem Leben endlich eine neue Richtung zu geben; wie wir aus dem fiktiven Nachwort zum "Courtine-Bericht" erfahren, hat er nicht nur die begehrte Stellung bekommen, sondern auch noch einmal geheiratet: fast ein Happy-End, und das einzige, das Palliser seinem Publikum gönnt.
Fazit: "Die schwarze Kathedrale" ist ein spannender, leicht sperriger Thriller, der die Vergangenheit nicht als blosse Schablone benutzt, sondern ihre besonderen Regeln achtet und logisch in die Handlung einzubeziehen weiß. Die häufigen Abschweifungen und einige Längen und tote Gleise in der Handlungsführung lassen sich deshalb leicht verschmerzen. Charles Palliser arbeitet als Schriftsteller weiterhin an sich. Der Fortschritt zu "Quincunx", seinem monumentalen, kaum lesbaren Erstling, ist deutlich: Die ausladenden Stimmungsbilder und Milieustudien einer untergegangenen Epoche werden zunehmend dem Bestreben untergeordnet, eine richtige Geschichte zu erzählen. Warten wir ab, wie Palliser auf seinem Weg weiter vorankommt!
(Copyright 09.02.2003/Dr. Michael Drewniok) weiterlesen schließen
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