Pro:
Gutes Abbild des viktorianischen Englands, Mystery-Ansätze
Kontra:
leider kommt das Teil nicht richtig aus den Puschen und ist zu offensichtlich gestrickt ;-)
Empfehlung:
Ja
In letzter Zeit habe ich es offensichtlich mit Romanen, die im kirchlichen Umfeld stattfinden, schon wieder fand ein solcher den Weg über die lokale Weltbild Filiale in meine Hände. Dank des anstachelnden Klappentexts machte „Die schwarze Kathedrale“ einen überaus interessanten Eindruck. Im Original heißt der Roman übrigens wesentlich treffender „The Unburied“ nämlich „Der (oder Die) Ausgebuddelte(n)“, was der Handlung auch eher gerecht wird. Über misslungene deutsche Titelverballhornungen rege ich mich aber schon lange nicht mehr auf. Solange der Inhalt mich zu fesseln vermag ist das eher zweitrangig, doch frage ich mich doch schon manchmal, welch Geistes Kinder sich die teils beknackten Eindeutschungen einfallen lassen...kann/muss man das lernen?...muss man dafür möglichst sprachunbegabt sein oder eine gewisse Debilität von Geburt an mitbringen? Lesen diese Typen überhaupt irgendwann mal die Bücher...oder können die am Ende gar nicht Lesen? Wir werden es wohl nie erfahren *seufz* - Das Phänomen betrifft ja nicht nur Verlags-Analphabeten, sondern auch die Gestalten, die Texte auf DVD-Hüllen etc. verbocken...Sei's drum, sollen sich andere darüber den Kopf zerbrechen, kümmern wir uns lieber ausführlich um das vorliegende Buch und natürlich seinen Inhalt, den man für 9,90 € geboten bekommt...
Der Steckbrief
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Titel: „Die schwarze Kathedrale“
Original-Titel: „The Unburied“
Autor: Charles Palliser
Genre: Viktorianischer Krimi
Ersterscheinungsjahr: 1999 (Phoenix House / London)
Deutsche Übersetzung: Sigrid Langhaeuser
Erschienen: 2000 (Droemer / München) *
Seiten: 480*
ISBN: 3 – 8289 – 7022 - 2
Ausführung: HC mit Schutzumschlag *
Preis: ca. 9.90 € *
*) meine Version des Buches ist eine vergünstigte Lizenz-Ausgabe (2002) von Weltbild. Das Cover unterscheidet sich völlig von dem oben Gezeigten. Der schwarz/weiß gehaltene Einband zeigt ein mit menschlichen Knochen behangenes Kirchenschiff an dessen Ende befindet sich ein helles Kirchenfenster mit einem Kruzifix davor.
Zur Story
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Dr. Edward „Ned“ Courtine, seines Zeichens Referent und Lehrer für anglikanische Historie in Cambridge schlägt in der Vorweihnachtszeit 1881 gleich drei Fliegen mit einer Klappe. Er hat schon lange seinem Ex-Studienkollegen und altem Freund Austin Fickling versprochen ihn in dessen Wahlheimat Thurchester zu besuchen. In der englischen Kleinstadt befindet sich zudem eine berühmte Kathedrale, in dessen Bibliothek er ein bestimmtes Manuskript zu finden hofft, dass seine Theorie über mittelalterlichen König Alfred stützt. Wenn er das Manuskript tatsächlich findet kann ihm das einige seiner Kollegen gehegte Bild der anglikanischen Geschichte ändern und ihm sogar einen Lehrstuhl einbringen. Ausserdem will Courtine sowieso über Weihnachten zu seiner Nichte und Thurchester liegt genau auf dem Weg, was liegt also näher als all das miteinander zu verquicken und einen 1 Wöchigen Zwischenstopp dort einzulegen? Er und Fickling haben sich nach einem Streit vor 20 Jahren nicht mehr gesehen und das Wiedersehen verläuft sehr seltsam, Courtine wirft seinem ehemaligen Kumpel (wenngleich er das nicht zeigt) insgeheim immer noch vor ihn und seine (Ex-)Frau damals auseinander gebracht zu haben.
Das Warum und Wieso bleibt zunächst im Dunkeln, Courtines Wunden reißen schon allein wegen Ficklings sehr komischen und widersprüchlichen Verhalten alsbald wieder auf. Jeder in dieser provinziellen und kleinbürgerlichen Stadt scheint irgendwas zu verbergen zu haben, desweiteren sind sich die Bewohner untereinander alle nicht wirklich grün. Gerüchte, Getuschel und teils offene Anfeindungen sind quasi an der Tagesordnung – da gönnt der eine dem anderen nicht die Wurst auf dem Brot. Courtine hat als Außenstehender einen erhabenen Blick auf diese Leute, doch muss er sich mit allen gut halten, schliesslich möchte er ja freien Zugang zur Bibliothek haben. Gleichzeitig will er herausfinden, welches Geheimnis seinen alten Freund Austin umgibt, der sich mal aufgekratzt, mal wortkarg schroff gibt und öfters des Nächtens wer-weiß-wohin verschwindet. Bald geht es rund um die geschichtsträchtige Kathedrale aber nicht mehr um persönliche Animositäten, nicht um alte historische Folianten, nicht um rätselhafte Schauergeschichten aus der Geschichte des Bauwerks, sondern um handfesten Mord an einem Banker und das Auftauchen des Leichnams eines verschwunden geglaubten Mörders direkt aus der Vergangenheit in der Kathedrale selbst...
Pharaos Meinung
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Was sich schön düster und mysteriös-spannend anhört ist in Wahrheit sehr dröge präsentiert, dabei fängt der eigentliche Roman mit einem guten Flair an. Ein verwunschenes Kleinstädtchen auf dem Land mit schrulligen Bewohnern und einer gespenstischen Kirche, die von Nebel umwabert ein schreckliches Geheimnis trägt, sogar eine ominöse Kapuzengestalt (angeblich ein ruheloser Geist) lustwandelt über den Kathedralenvorplatz. Das klingt ganz verlockend nach Altmeister Edgar Wallace. Leider verliert sich Palliser alsbald in seitenlangem Geschwafel von Courtines Theorie über König Alfred, sein Verhältnis zu Austin Fickling und den Begebenheiten die sich rund um das alte Gemäuer ranken – immer wenn ich dachte jetzt kommt der Clou oder es wird endlich der entscheidene Hinweis geliefert, wurde ich enttäuscht. Denn kaum etwas von dem überflüssigen Geschreibsel ist später von Bedeutung. Der Lesespass wird dadurch ganz erheblich gebremst und ich konnte mir ein zähneknirschenden: „Komm endlich zur Sache, Kerl!“ oft nur mit Mühe verkneifen ;-)
Schlicht gesagt, es passiert nichts weltbewegendes bis fast gegen Ende und dann muss sich der Autor Mühe geben die unnötig verworrenen Stränge zu einem Abschluss zu bringen, selbst der Mord an dem sonderlichen Bankier und das Auffinden einer eingemauerten Leiche in der Kathedrale finden erst im letzten Drittel statt, können diese Provinz-Posse aber auch nicht mehr retten. Das Bild der Stadt und seiner Bewohner porträtiert Palliser sehr genau – ZU genau um ehrlich zu sein – denn im Endeffekt ist es für den Mordfall ziemlich irrelevant, der (ich bin mal so frei und spoiler hier ein wenig *g*) nach dem Hauptteil der Geschichte ungesühnt und (fast) ungeklärt bleibt. Stattdessen werden Courtines persönliche Probleme mit Austin breit getreten und die viktorianische Gesellschaft um diese Zeit aufs Korn genommen (das allerdings sehr trefflich)...Gesellschaftliche Zwänge, Wer mit Wem und Wer nicht und immer wieder Verweise auf die ollen Kamellen der Vergangenheit *gähn*.
Zum besseren Verständnis muss ich aber die Gliederung heranziehen: Der Anfang des Buches findet um 1920 herum statt (nach dem virtuellen Tod von Dr. Courtine), es ist ein kurzer Vorgriff auf die eigentliche Handlung, die erst nach dieser Einlage kommen wird. Der „Bericht“ über die Vorfälle ist in der Ich-Form geschrieben und stellt die Geschehnisse aus der Sicht von Courtine dar, wie er sie fiktiv „erlebt“ hat. Nach dem Augenzeugenbericht folgt dann der Epilog in welchem dann die letzten Puzzle-Teile an ihren Platz kommen, gefolgt von einem ausführlich geschilderten (visionären) Traum, den die Hauptfigur hatte (wie überaus ergreifend *hust*) und ein bitter nötiges Namensregister aller beteiligten Figuren. Ich mag solche Geschichten eh nicht sonderlich, wo schon von vorneherein feststeht, dass mittendrin alles nur Geplänkel ist und der Kracher erst im Epilog aus dem Hut gezogen wird...leider gibt es keinen Kracher und die endgültige Auflösung des lieblos inszenierten Rätsels (Welches Rätsel, die Auflösung war sowas von offensichtlich!?) ist reine Makulatur.
Fazit
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Was habe ich aus dem Roman gelernt? Briten sind spießbürgerlich von einer geradezu perfiden Höflichkeit beseelt, leben bevorzugt im Nebel (auch der Vergangenheit), lieben Gespenster und ungenießbares Essen...Na toll, das wusste ich auch schon vorher. Aber mal Butter bei die Fische: Streckenweise ist des Buch ganz interessant und hat einige gute Ansätze, die Palliser - als regelrechte Spassbremse - aber gleich wieder ruiniert, da hätte man wesentlich mehr draus machen können, um den anfänglichen Spannungsbogen auch konstant aufrecht zu erhalten. Die wirklich guten und akribischen Charakterisierungen der viktorianischen Kleinstadt-Gesellschaft und ihres (Un-)Rechtssystems können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Plot massig an Pace fehlt.
Zudem ist die Sache ziemlich leicht zu durchschauen, ich hatte mir nach nicht mal der Hälfte schon meine Theorie zurechtgelegt, die bedauerlicherweise erwartungsgemäß in beinahe allen Punkten zutraf – kein Ruhmesblatt für einen ausgewiesenen Thriller. Erschwerend kommt die akademisch-schwülstige „Von-Oben-Herab“-Schreibweise hinzu, die wohl Absicht ist, doch nach einer Zeit ordentlich auf den Senkel geht, da sie die ohnehin schon langatmige Geschichte weiter unnötig verkompliziert und zieht, was vor allem Gelegenheitsleser sicher abschrecken dürfte. Eine (bedingte) Empfehlung spreche ich trotzdem aus, denn selbst ein schlechtes Buch ist immer empfehlenswert, allerdings kann ich beim besten Willen nicht mehr als 2 Sterne erübrigen, dafür war mir persönlich der Unterhaltungswert (trotz einiger guter Ansätze) im Gesamtbild doch zu lau.
SoLong
Der Kleinstadt-Pharao
Warnhinweis:
Schnellklicker sollen nie wieder ein gutes Buch in die Hände bekommen...öööh...ihr könnt ja eh nicht lesen *oops*...hmmm...JETZT weiss ich endlich wer die deutschen Titel und Klappentexte erstellt... ;-) weiterlesen schließen
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