Pro:
- befriedigt voyeuristische Impulse
Kontra:
- befriedigt nur voyeuristische Impulse
Empfehlung:
Nein
Am vergangenen Donnerstag war es wieder so weit: Ich habe mich durchs Fernsehprogramm gezappt und bin beim Frauentausch hängen geblieben.
Das ist mir nicht zum ersten Mal passiert, aber es passiert mir nicht oft. Zum Glück, denn die Serie Frauentausch appelliert, fürchte ich, nicht an meine besten Seiten. Das ist ja auch nicht der Sinn der Sache, denn die Absicht einer Serie wie Frauentausch ist ja nicht, mich zu einem besseren oder auch nur einem gebildeteren Menschen zu machen, sondern mich zwischen den Werbeblöcken bei Laune zu halten. Das funktioniert mit massentauglicher Unterhaltung natürlich besser als beispielsweise mit einem Beitrag, der sich an Spezialisten für frühe ungarische Kunsttischlerei wendet.
Bei der Tauschfrau, die mich vor die Mattscheibe bannte, handelte es sich um eine reichlich altfränkisch wirkende Hauswirtschafterin aus dem Schwäbischen. Die Dame, die ich auf deutlich jenseits der 40 schätze, war Mutter von fünf Kindern im Alter zwischen geschätzten neun und 21 Jahren und nicht mehr mit dem Kindsvater bzw. einem der Kindsväter zusammen (ich weiß nicht, ob es sich in allen Fällen um den gleichen Delinquenten gehandelt hatte), sondern mittlerweile mit einem freundlichen, aber stets reichlich hilflos wirkenden Schuhmacher namens Rüdiger liiert. Gewohnt wurde gemeinsam, und zwar in einem Ort, der Burgberg geheißen haben könnte oder auch nicht.
Tauschfrau Nummer Zwo war eine russische IT-Spezialistin, die mit einem Diplom-Ingenieur namens Nikolaj verheiratet war. Die Dame war um die 40, wirkte aber eher jünger und hatte einen 18-jährigen Sohn namens Oleg sowie eine kleine Tochter von geschätzten drei Jahren.
Ins Einfamilienhaus in einem Ort namens Büdelsbach (oder so ähnlich) zog nun für eine Woche unsere altfränkische Mamsell ein. Die Dame wiederholte immer und immer wieder, sie sehr sehr „spirell“ eingestellt. Nicht nur einmal, sondern so oft, dass klar war: Verhören unmöglich. Sohn Oleg brachte es vor laufender Kamera mit feiner Ironie auf den Punkt: Er habe sich gedacht, dass der Ausdruck spirell ja eine sprachlich interessante Neuinterpretation des offensichtlich gemeinten Begriffs spirituell sei, die Höflichkeit habe es aber geboten, darüber nicht laut nachzudenken.
Überhaupt gingen Vater und Sohn mit der Situation sehr taktvoll um. Nur die Blicke, die sie sich heimlich zuwarfen, sprachen Bände, und dann und wann konnten sich die beiden wohl auch ein Grinsen und ein eindeutiges, sehr loriotsches "Aha!" nicht verkneifen.
Jedem Menschen mit einem auch nur halbwegs entwickeltem Sinn für realsatirischen Zündstoff wäre das nicht anders gegangen. Böse Menschen hätten die vollkommen arg- und planlos über die angeblichen Unterschiede zwischen Altem und Neuem Testament daherfaselnde Frau durch intensiveres Nachhaken noch viel schlimmer auflaufen lassen, als es so schon der Fall war. Wieder war es der Sohn, der den alltagsreligiösen Engeltick der Dame gegen Ende treffend als tragikomischen Mumpitz einer vom Alltag hoffnungslos überforderten Frau entlarvte, die auf der Suche nach einfachen Lösungen ist: Wer keine eigenen Entscheidungen treffen möchte, vertraut eben auf göttliche Eingebungen des Erzengels Michaels und die Macht des Pendelns (nein, hier sind leider wirklich keine Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte gemeint).
Derweil sorgte die pragmatische Swetlana im Alemannischen dafür, dass der seit einem Monat auf einer Luftmatratze nächtigende behinderte 15-jährige Sohn der Engelhörigen erst einmal ein neues Bett bekam. Dem schüchtern wirkenden Lebensgefährten Rüdiger waren die unverblümten Nachfragen nach tapetenlosen Fluren und ungeleerten Katzenklos zwar sichtlich peinlich, aber das änderte nichts daran, dass das Gros der Haus- und Erziehungsarbeit an seiner 21-jährigen Stieftochter Jenni hängen blieben. Die durfte neben ihrem Job als Kindergärtnerin daheim Streitigkeiten zwischen ihren jüngeren Brüdern schlichten und übernahm offensichtlich auch in anderen Situationen die Rolle der Familienmutter - und zwar so gewohnheitsgemäß und professionell, dass der Zuschauer ahnte: Die macht das nicht zum ersten Mal. Sondern seit Jahren.
Die Reaktion der leiblichen Mutter auf den verhaltenen Videogruß ihrer Familie war bezeichnend: Nachdem zwei der Söhne lautstark, kregel und gar nicht unsympathisch bekundeten, die Swetlana sei ganz prima und Engel-Mami müsse eigentlich gar nicht wiederkommen, schnappte Engel-Mutti ein, vergoss die hilflosen Tränen, die ihr wahrscheinlich schon ihr ganzes Leben lang dazu gedient hatten, ihre egoistischen Ziele durchzusetzen, und verwahrte sich dagegen, sich „als Rabenmutter darstellen“ zu lassen. Die Rest-Familie wirkte über weite Strecken so peinlich berührt, wie es eigentlich Frau Spirelli hätte sein müssen. Die ging freilich voll und ganz in ihrer Opfer-Rolle auf, und fabulierte unter Tränen von dem immensen Stress, unter dem sie stehe.
Nach Ablauf einer Woche kehrten die beiden Damen in ihre eigenen Familien zurück. Erfrischend unverblümtes Resümee der sichtlich frohen Swetlana: Am Abend müsse sie „erstmal saufen“ - wer bis hierhin vor der Mattscheibe ausgehalten hatte, konnte das verstehen. Und bei der von ihrem Haushalt überforderten Hauswirtschafterin? Wurde wahrscheinlich erstmal neuer englischer Segen fürs Heim erpendelt, und danach gab's wahrscheinlich Tränen und/oder Schläge für die Kinder. Und der Papierbogen, auf dem die Kinder ihre Wünsche an die Mutter formuliert hatten ("weniger mit den Engeln reden, mehr mit den Kindern", "keine Schläge mehr", "Jenni soll mehr Zeit für sich haben") ist wahrscheinlich flott in den Müll gewandert.
R e s ü m e e
Das wirklich Dumme an „Frauentausch“ ist, dass das Format rein auf Unterhaltung angelegt ist. Falls irgendeiner der unmittelbar Beteiligten aus seiner Mitwirkung irgendeine Art von Nutzen für sich ziehen kann, ist das ein netter Nebeneffekt – dass der sich sehr oft einstellt, glaube ich allerdings nicht. Viele der Menschen, die sich hier vor der Kamera zur Schau stellen, benötigen jedenfalls professionelle Hilfe und keinen “15 minute fame“. weiterlesen schließen
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