Pro:
Landschaftlich ein wunderbares Terrain, sehr viel Natur & Sehenswürdigkeiten, viel Industriegeschichte
Kontra:
Innenstadt herunter Gewirtschaftet. Viele leer stehende Gebäude, Verkorkste Verkehrspolitik, irrsinnige Planungen zu Bebauungsplänen
Empfehlung:
Ja
• Vorwort
Und wieder einmal habe ich mir vorgenommen, einen meiner doch sehr alten Berichte aus den Katakomben des Ciao Kellers hervor zu kramen, mit dem Ziel, aus diesen Stümperhaft zusammen gestampften Sätzen einen ordentlichen Bericht werden zu lassen. Schließlich nähere ich mich dort auf Ciao meinem vierten Geburtstag, und da will ich doch auch einmal bei mir aufräumen. So kommt es, dass dieser Bericht nun lesenswert sein soll und ich ihn auch hier auf Yopi poste.
Von meinem alten Bericht wird deshalb nachher wohl nicht viel übrig bleiben, worum ich aber dann noch nicht einmal traurig sein werde.
• Wie, Remscheid?
Wenn ich mit jemand spreche, der Remscheid nicht als Stadt direkt kennt, fragt mich logischer Weise zuerst einmal, wo überhaupt Remscheid liegt. Wir hier im „Bergischen Land“ bilden mit den drei Hauptstädten Wuppertal, Remscheid und Solingen so eine Art Dreieck, welches weit über die Grenzen hinaus bekannt ist. Nicht nur Bundesweit sind wir ein Begriff, sondern auch in unseren Nachbarländern wie Holland, Frankreich und den Beneluxstaaten.
Wer natürlich mit der Bezeichnung Bergisches Land auch nix anfangen kann, dem sei gesagt, dass wir mehr oder minder zwischen Köln und Düsseldorf liegen. Köln ist kaum mehr als 30 Kilometer von uns entfernt und durch „unsere“ Autobahn, der A1 sehr schnell zu erreichen. Ich denke, dass sollte zur Kartographischen Orientierung reichen.
Traurige Berühmtheit machten wir an jenem Donnerstag, dem 8.Dezember 1988. An diesem Tag stürzte ein amerikanischer Kampfjet mitten in unsere Stadt und verfehlte dabei „zum Glück“ nur knapp die Innenstadt mit all seinen Geschäften und Einkaufspassagen. So waren als Bilanz „nur“ 8 Tote und zahlreiche Verletzte zu beklagen. Nicht auszudenken, wenn der Jet in unsere Einkaufszentrum, dem „Allee-Center“ gestürzt wäre, wo täglich tausende Menschen einkaufen, shoppen oder einfach nur Freunde treffen. Trotzdem hat dieses Unglück unsere Stadt verändert…
• Die Bürger / Dat Volk
Wir Remscheider haben die eigensinnige Angewohnheit, stets und immer über unsere Stadt zu schimpfen. Aber ich glaube, dass tun andere Bewohner von anderen Städten genauso. Deshalb glaube ich vielmehr, dass dieses eher als „Volkskrankheit“ schon „typisch deutsch“ ist.
Letzt endlich bin ich als "waschechter" Remscheider „Sturkopp“ doch auch irgendwie stolz auf meine Stadt. Auch wenn andere hierüber meine Meinung nicht teilen. Warum das so ist, möchte ich kurz schildern, da wir vom landschaftlichen Aspekt zum Beispiel eine traumhafte Lage genießen, können wir mit recht und Ordnung für unsere "Bergisches Land" prahlen. Remscheid wird ringsherum gesäumt von weitläufigen Waldflächen, zahlreichen Talsperren und Naherholungsgebieten. Radfahrer, Wanderer und Sportbegeisterte werden bei uns von der Natur zu 100 Prozent verwöhnt.
An Sehenswürdigkeiten haben wir zusammen mit den Nachbarstädten ebenfalls so einiges zu bieten. Nicht zuletzt die Müngstener Brücke, Deutschlands höchste Eisenbahnbrücke aus Stahl, die Solingen mit Remscheid verbindet, dürfte zumindest den meisten bekannt sein.
• Äußeres
Besucher, die unsere Stadt zu ersten Male aufsuchen, werden zunächst einmal ihre Nase rümpfen beim Anblick unserer Stadt und sich zwangsläufig die Frage stellen, was denn nun so besonders hier sein soll, denn eine Schönheit im Architektonischen Sinne sind wir mit Sicherheit nicht gerade. Aber was können wir als Bürger schon für eine verkorkste Planungspolitik unserer Stadtherren, die insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren aufgrund der damals bestehenden Wohnungsnot für eklatante „Verschandelungen“ sorgten. Wohnklötze in Massen wurden damals aus dem Boden gestapft, ohne auf die Folgen zu achten. Im Resultat „prahlen“ diese Betonburgen heute dann im strahlenden Sonnenschein und sorgen nicht nur bei dem Bewohner auf Dauer für Frust.
Im Gegensatz dazu können wir jeden Besucher auch einzigartige, sowie imposante Bauwerke aus der Geschichte zeigen, die Remscheid weit über unsere Grenzen hinaus bekannt gemacht haben. Als ein paar Beispiele nenne ich immer wieder gerne Schloß Burg, welches offiziell zwar zu Solingen gehört, aber gerade aus Remscheid jedes Wochenende zahlreiche Besucher beschert. Remscheid selbst glänzt mit seiner alle ersten Trinkwassertalsperre, die schon vor über einhundert Jahren ihren Dienst aufnahm.
War es doch auch Wilhelm Conrad Röntgen, der Erfinder der Röntgenstrahlen, der unserer Stadt zu einem gewissen Ruhm verholfen hat. So findet sich seine Geschichte in einem ansehnlich gestalteten Röntgenmuseum in Remscheid Lennep wieder.
Geprägt wird unsere Stadt natürlich in erster Linie mit unserer Industrie und der Geschichte, die sie damit verbindet. Waren es doch unsere Vorfahren, die als erste die Wasserkraft der vielen Bäche und kleinerer Flüsschen nutzten, um mit dieser "geschenkten" Energie ihre Werkzeuge mittels „Hämmer & Kotten“ zu fertigen. Aus diesen Anfängen wurde einst Remscheid, das was es heute ist. Ein riesiger Industriestandort, der heute Weltbekannte Firmen wie Hazett, Gedore, Edscha, Keiper Recaro, Barmag oder Dirostahl beheimatet, um nur eine kleine Namhafte Gruppe zu nennen.
• Gegensätze
Die jüngere Generation verflucht wahrscheinlich dieses Image, gerade in Zeiten von Hightech und Servicedenken. Aber der "olle Sturkopp Remscheids", wie man ihm so lieb verspottet, steht zu seiner Heimatstadt. Nur, welche Perspektive hat die heranwachsende Generation heute noch in einer solchen „Arbeiterstadt“? Nehme ich mich als Standardmodell und vergleiche es mit den Anforderungen von heute. Ich hätte null Chancen, auch nur eine Lehrstelle zu finden. Weshalb glaube ich wieder einmal unsere Politiker gefordert sind, aus unserer Stadt das Beste heraus zu holen.
Viele der jüngeren Leute planen sehr schnell, von Remscheid weg zu ziehen, um für ihre Zukunft eine bessere Perspektive zu finden. Ich könnte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, einmal von hier weg zu ziehen. Zwar könnte ich jetzt noch Stunden über Vor- und Nachteile schreiben, dass ein Wegzug nicht viel bringen würde, doch gehört dieses Kapitel nicht hier hin. Um sich ein eigenes Bild von Remscheid zu machen, kann ich nur jeden ermutigen, unserer Stadt einmal einen Besuch zu widmen, um sich selbst ein Urteil zu bilden.
Und wer ohne Vorurteile vorbei kommt, wird schnell merken, dass wir auch für Unterhaltung, Freizeit und Sport jede Menge zu bieten haben. In fast jedem Stadtteil findet eigentlich jeder Besucher etwas zum stöbern oder gar zum entdecken.
So bietet Lennep eine historische und sehr schöne Altstadt. Als Zeitzeugen kann man noch heute Teile der alten Stadtmauer sehen, da Lennep damals eine Freie Kreisstadt war, bevor sie zu Remscheid eingemeindet wurde. Im fast genauso alten Lüttringhausen findet sich eine ähnlich schöne Altstadt wieder. Sehenswert sind immer noch die alten Fachwerkhäuser im alten Stil. Verkleidet mit altem bergischen Schiefer und der für unsere Gegend so typischen grünen Schlagläden.
• Mein Fazit
Mein Remscheid ist vielleicht keine Prunkstadt, schon gar nicht reich und mit vielen Banken wie Frankfurt oder so. Dafür sind wir Remscheider ehrliche Leute. Ein typischer Arbeiter eben, der früh zu Bett geht, um am nächsten Morgen wieder seinen Mann zu stehen.
Am Anfang sind wir Fremden oft ein wenig Verschlossen, oder wie „Fremde“ selbst eben sagen, so richtig Stur. Doch wenn wir jemanden einmal ins Herz geschlossen haben, dann bleiben wir bei unseren Freunden und halten jenem auch „die Stange“.
Vielleicht trifft man sich ja mal bei einer traditionellen "Bergischen Kaffeetafel" oder bei einer Zugfahrt über der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands, der "Müngstener Brücke".
Ich bedanke mich fürs lesen
Euer Micha
Remscheid, 10.06.2004 © Michael-at-Home
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