Pro:
gute Schauspieler, starke Gags, sozialkritisch
Kontra:
letzte Staffeln schwach
Empfehlung:
Ja
Roseanne war sicher eine der erfolgreichsten Sitcoms der 90-er Jahre und auf jeden Fall eine der Serien, die man als jugendlicher TV-Junkie fast auswendig kannte, da sie zusammen und im Wechsel mit der Cosby-Show, der Schrecklich netten Familie und den Simpsons allabendlich auf Pro7 lief. Grund genug sie sich ein Jahrzehnt später mal wieder anzuschauen und zu merken, dass einem als Teenager doch vieles entging, was heute um so mehr auffällt.
Inhalt
Roseanne und Dan Connor sind ein Arbeiter-Ehepaar und leben mit ihren drei Kindern in einem Einfamilienhaus in der fiktiven Kleinstadt Lanford, nahe Chicago. In der ersten Staffel arbeitet Dan als selbstständiger Trockenmaurer und Roseanne in einer Plastik-Fabrik. In den folgenden sieben Jahren verlieren beide mehrmals ihre Jobs und machen Phasen der Arbeitslosigkeit durch. Akkordarbeit, Bedienung, Putzfrau, Telefonverkauf, Maurer, Handwerker oder Mechaniker - jeder Unterschichtenjob scheint mal dran zu kommen.
Becky ist die älteste Tochter und befindet sich anfangs gerade in der Pubertät und entdeckt die Jungs. Sie geht viel aus, kleidet und schminkt sich gerne, ist gut in der Schule. In den ersten Staffeln sind die Konflikte zwischen ihr und ihren Eltern der Motor der Handlung. Sie hat Wünsche, die sich oft nicht realisieren lassen, verliebt sich in einen "Punk" namens Mark, den Roseanne nicht ausstehen kann und brennt schließlich in der Mitte der Serie mit ihm durch. Später kommt sie zurück und wohnt mit Mark bei ihren Eltern und fängt auch an, sich mit schlechten Jobs durchzuschlagen.
Nach Beckys Weggang nimmt das mittlere Kind, Darlene, eine zentralere Rolle in der Serie ein. In den ersten Staffeln ist sie ein freches Mädchen, das sich mehr für vermeintliche Jungensachen wie Sport interessiert und schlecht in der Schule ist, das komplette Gegenteil von Becky. Später macht sie eine depressive Pubertät durch und entwickelt einen gleichgültigen und beißenden Zynismus, der Hintergrund einiger der besten und komischsten Folgen ist. Überhaupt ist Darlene die sicher interessanteste Figur der Serie. Schließlich lernt sie einen zurückhaltenden und unsicheren Jungen namens David kennen, Marks Bruder, mit dem sich bis zum Schluss der Serie eine enge Beziehung entwickelt.
Das jüngste Kind und der einzige Sohn D.J. (Abk. für David Jacobs) ist in den ersten Staffeln noch zu klein, um wirklich die Handlung zu tragen und sorgt mehr durch kleinere Storylines und Begebenheiten für Unruhe und Komik. Erst am Schluss der Serie gewinnt auch dieser Charakter Profil, fängt an, Mädchen nach zu laufen und Interessen zu entwickelt.
Die wichtigste "Nebenfigur" ist Roseannes Schwester Jackie, die ein enges Verhältnis verbindet. Jackie ist alleinstehend und weiß nicht was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Sie hat im Verlauf der Neun Staffeln mehrere Freunde und sicher genauso viele Jobs wie Roseanne, allerdings sucht sie sich "exotischere" Jobs aus, wie Polizistin, Schauspielerin oder Truck-Fahrerin, wobei sie öfters erkennen muss, dass sie doch nicht das richtige gefunden hat.
Die Serie besticht weiter durch ein umfangreiches Ensemble an Nebendarstellern, die regelmäßig wieder auftauchen: Roseannes und Dans Eltern, Roseannes Freundinnen Crystal und Nancy, der homosexuelle Chef und spätere Geschäftspartner Roseannes Leon usw.
Konzept und Handlung
Die Figuren und Handlungen der Serie entwickeln sich im Unterschied zu anderen bis dahin produzierten Sitcoms in einer betont realistischen Umgebung. Die Themen der Serie entspringen keiner gutbürgerlichen pseudomoralischen Idealwelt wie beispielsweise in der Cosby-Show oder einer reinen Klischeefabrikation wie in der schrecklich netten Familie. Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, überkommende Moralvorstellungen und Generationskonflikte sind ständige Rahmenbedingung der Serie und drohen nicht nur die Familie in Krisen zu stürzen, sondern tun es immer wieder. Die Verarbeitung dieser Probleme in einer Sitcom konnte durch einen sehr offenen und lauten Charakter des Humors realisiert werden, wie er der Stand-up-Komikerin Roseanne Barr sowieso schon eigen war. Die witzigsten Szenen der Serie sind Streitgespräche, in denen laut treffsichere Sprüche und Flüche raus geschrien werden. Die Emotionen der Figuren werden auf diese Weise ohne hemmende gutbürgerliche Verhaltensnormen ausgedrückt.
Der Handlungsverlauf ist dementsprechend auch nicht auf Happy-Ends am laufenden Band aus oder verliert sich in Flirtgeschichten. Das Leben der Connors ist ein Auf und Ab mit der Konjunktur. Gute Jobs gehen verloren, schlechte Jobs müssen angenommen werden. Der Versuch, sich durch einen Bike-Job selbständig zu machen, misslingt. Der Laden geht pleite. Es werden Hypotheken auf das Haus aufgenommen usw. Aber es gibt auch Glücksfälle wie Erbschaften oder Zeiten gut gehender Verdienste. Doch letztlich bleibt das Leben ein einziges Risiko und ein Job nach dem anderen. Damit einher geht die Möglichkeit oder das Unvermögen, der Familie und den Kindern Wünsche und Bedürfnisse zu stillen. Besonders die ersten Staffeln sind davon geprägt wie Becky mit der finanziellen Lage nicht klar kommt, sie in ihrem pubertären Egoismus nicht begreift, und Dinge einfordert, die sich ihre Eltern nicht leisten können, was wiederum den Eltern die Seele schwer macht.
In den späteren Staffeln beruhigen sich die Konflikte mit den Kindern, da diese ihre eigenen Wege gehen (Becky heiratet Mark, Darlene und David studieren und heiraten am Ende ebenfalls und bekommen ein Kind) und Roseanne mit Jackie, Nancy und Leon ein Diner aufbaut, das gut läuft. Insbesondere in den letzten Staffeln wird so Raum geschaffen für andere Themen. So werden Diskriminierungen gegen Homosexuelle und Afroamerikaner oder das "weiße" Selbstverständnis der USA gegenüber den Indianern behandelt. Sehr stark werden Frauenemanzipationsfragen angesprochen.
Die neunte Staffel gehört fast gar nicht mehr zu der Handlung der Serie. Die Familie gewinnt im Lotto, die Geldsorgen und das Arbeitsleben sind wie weg gewischt. Die letzten Folgen beschäftigen sich überwiegend mit der ignoranten Oberschicht, dem Schönheitswahn und den Klischees des amerikansichen Fernsehens. In der letzten Folge allerdings erklärt Roseanne die gesamte Staffel zu einer Fiktion, die sie sich ausdachte, um mit dem Tod Dans fertig zu werden, der am Ende der 8. Staffel einen Herzinfarkt erleidet hat. So geht das Auf und Ab weiter, ohne Happy Ends am laufenden Band...
Bewertung
Obwohl das Grundkonzept der Serie eigentlich eher tragisch ist, hat die Serie es dennoch geschafft eine der besten Sitcoms aller Zeiten zu werden. Der kompromisslose und kritisch-humorvolle Umgang mit den sozialen Problemen des White Trash (abwertende Bezeichnung der amerikanischen weißen Arbeiterklasse) hebt die Serie von allen anderen Sitcoms ab. Nicht das sie lustiger wäre als andere erfolgreiche Sitcoms, das ist sie sicher nicht, aber sie ist anders und bietet viel mehr Identifikationsflächen für die meisten Menschen. Auch glaube ich, dass die treffenden Sprüche dieser Serie einem sehr viel länger im Gedächtnis bleiben als der häufig sinnentleerte reine Unterhaltungswettbewerb des sonstigen Fernsehprogramms. So zum Beispiel Roseannes selbstironische Bemerkung als sie an der Lottogewinnstelle sehr vorkommend behandelt wird: "Die Leute sind hier viel freundlicher als auf dem Arbeitsamt".
Roseanne ist eine gute sozialkritische Antwort auf die eher unpolitischen Bundys, Cosbys, Urkels usw. gewesen. Sie wollte zeigen, dass die Menschen andere Probleme haben als die, die das Good-feel-TV bis dahin so verkauft hat. Das Leben ist für die meisten Menschen kein Hollywoodtraum, wie er in den reichen Vierteln L.A.s oder den Wohnungen Manhattens gelebt wird. Die Probleme der meisten Menschen gehen eben doch über idealisierte Liebesgeschichten oder mittelmäßige Schulnoten ihrer Kinder hinaus.
Schauspielerisch ist der Serie gut besetzt. Roseanne Barr und John Goodman passen hervorragend zueinander, sowohl visuell wie von ihrer Art her. Auch die Kinder waren gut besetzt. Alicia Goranson spielt die pubertierende Becky sehr gut. Leider wird Becky in den letzten Staffeln von einer anderen Schauspielerin gespielt (Sarah Chalke), die sehr viel ruhiger ist und der man das für die Serie notwendiger Geschrei nicht abnimmt. Außerdem hat man stellenweise das Gefühl, das die Figur der Becky für die Autoren fast nur noch den Sinn hat, im Hintergrund eine Schönheit sitzen zu haben, während Roseanne, Dan und Darlene die Handlung tragen.
Laurie Metcalf ist vielleicht die beste Schauspierlerin der Serie, da sie verschiedene Macken Jackies sehr glaubhaft und lustig rüber bringt. Keine andere Figur der Serie bringt sich derart selbst durch maßlose Selbstüberschätzung in vielen kleinen Dingen in peinliche Situationen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die Serie leider zwei Staffeln zu lang war. Ab der 7. Staffel merkt man wie die Luft raus ist und die Serie einem nichts Neues mehr erzählen kann. Die Streitereien und Konflikte der letzten Staffeln wirken aufgesetzt und wirken nicht mehr überzeugend, worunter natürlich auch die Gags leiden.
Leider merkt man auch, dass die Autoren sich ab der 7. Staffel um mehr Handlungsstränge bemühen, die über mehrere Folgen laufen. Dabei nehmen sie wenig Rücksicht auf die Handlungen voriger Staffeln. Es entstehen kleinere Ungereimtheiten und Widersprüche in der Gesamthandlung. Roseanne Barr hätte die Serie daher auch gerne nach der 8. Staffel beendet, wurde aber vom Sender angehalten noch eine letzte Staffel zu drehen. Daher resultiert die dramaturgische Eigenart der 9. Staffel, die man unterschiedlich bewerten kann. Für sich genommen ist sie sicher interessant zu schauen, da sie einige interessante Themen verarbeitet, allerdings stellt sie einen krassen Bruch mit dem Stil der Serie dar und wirkt sehr aufgesetzt. Die letzte Folge mit ihrem radikalen Anti-Happy-End ist zumindest ein kreativer und auch den Zweck erfüllender Versuch, die Brücke zwischen den ersten Staffeln und der letzten zu schlagen.
Roseanne ist jedem zu empfehlen, der auch mal eine Sitcom mit politischen Standpunkt und Realitätssinn sehen will. Auch wenn die Serie durch ihren derben Humor nicht jedem gefallen wird und die Aussagen sicher nicht jeder teilen wird, kann sich an ihr zumindest jeder reiben. weiterlesen schließen
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