Pro:
Sehr bewegend, sehr gesellschaftskritsch, man lernt viel über die indische Gesellschaft, is halt einfach gut
Kontra:
Etwas komplizierter Schreibstil... Aber die Welt ist ja auch kompliziert, ne??
Empfehlung:
Ja
Die wichtigsten Personen des Buches:
Die Protagonisten des Buches sind die 6-Jährigen Zwillinge Esta(Junge) und Rahel(Mädchen), welche bei ihrer geschiedenen Mutter Ammu leben. Sie sind somit, wenn man so will Bastarde und werden dementsprechend behandelt.
Da Ammu geschieden und dazu noch eine Frau ist, gilt sie als Schande für Dorf und Familie.
Vermutlich als Reaktion auf die Weise wie man sie behandelt, hat sich Ammu einen äusserst zynischen Tonfall und eine Verbittertheit angewöhnt, die manchmal auch ihre Kinder zu spüren bekommen.
Aber die beiden sind so schnell durch nichts zu erschüttern. Da die beiden über eine extrem enge geschwisterliche Bande verfügen, sieht sich jeder, der einem von beiden etwas will, plötzlich zwei nicht auf den Kopf gefallenen Halbstarken gegenüber.
Eine weitere wichtige Person des Buches ist Chacko, der Bruder von Ammu und somit Onkel der Zwillinge. Obwohl auch er, wie seine Schwester geschieden ist, empfindet dies keiner als Schande oder dergleichen. Im Gegenteil man ist sogar sehr stolz auf Chacko, da er zumindest früher einmal mit einer Europäerin verheiratet gewesen ist.
Angesichts solcher offensichtlicher Doppelmoral, ist Ammus Zynismus nach und nach mehr nachzuvollziehen.
Ein großer Sympathieträger des Buches ist Velutha, der Paravan. Ein Paravan ist ein Unberührbarer und steht vom Wert im indischen Kastensystem nur wenig über einem Tier.
Eigentlich dürfte Velutha nicht einmal das Haus eines Berührbaren betreten, geschweige denn
Näheren Kontakt zu einem solchen unterhalten.
Da Velutha aber ein ausgezeichneter Handwerker ist und so gut wie alles reparieren kann und zudem noch höflich, hilfsbereit und bescheiden ist (ohne dabei jedoch kriecherisch zu wirken), nutzt man seine Dienste im Dorf nur allzu gerne.
Velutha spielt auch für die Zwillinge eine große Rolle, da er sich stets Zeit nimmt mit ihnen zu reden oder zu spielen und sie ihn deshalb schnell ins Herz schliessen.
Das Gegenteil davon ist, Baby Kochama, welche die Tante von Chaco und Ammu ist und die es liebt Zwietracht zwischen ihren Mitmenschen zu sähen. Baby Kochama guckt fast den ganzen Tag Fernsehen und wenn sie es nicht tut, dann unterstellt sie ihren Mitmenschen lautstark irgendwelche Abscheulichkeiten, obwohl es dafür überhaupt keine Anhaltspunkte gibt. Sie macht besonders Ammu das leben zur Hölle.
Eine der tragendsten Rollen in der Geschichte spielt, die kleine Sophie Mol, welche die Tochter von Chacko und seiner Exfrau ist.
Eines Tages wird angekündigt, dass sie aus England zu Besuch kommt. Diese Information versetzt die ganze Familie in Ausnahmezustand, denn schließlich ist Besuch aus Europa schon etwas Besonderes. Ab jetzt wird das Verhalten der Zwillinge noch genauer unter die Lupe genommen und ständig werden sie ermahnt :“Sagt so was niemals in der Gegenwart von Sophie Mol!“
Als Sophie dann ankommt ist sie eigentlich nicht mehr als ein ganz normales Mädchen, was vielleicht ein bisschen verwöhnt ist. Esta und Rahel hegen jedoch durch die Ermahnungen der Erwachsenen einen gewisse Voreingenommenheit gegenüber dem hohen Besuch, der genommen nicht älter ist als sie selbst, und wissen nicht wirklich wie sie sich nun verhalten sollen.
Sophie wertet diese Distanz als Abneigung und verhält sich in den nächsten Tagen eher zickig gegenüber den Zwillingen.
Irgendwann kommt es zur Aussprache und Sophie gesteht unter Tränen, dass sie sich einsam und ausgestossen fühlt und dass sie überhaupt keine Sonderbehandlung von den Erwachsenen will. Esta und Rahel haben Mitleid mit ihr und nehmen sie unerlaubterweise mit auf einen nächtlichen Bootsausflug, den sie eigentlich zu zweit unternehmen wollten.
Hier geschieht ein großes Unglück bei dem die kleine Sophie zu Tode kommt. Wie es so der Dorfmentalität entspricht, werden den Zwillingen natürlich nur die bösesten Absichten unterstellt, obwohl sie den Ausflug mit Sophie Mol eigentlich gut gemeint hatten.
Dies ist ein gutes Beispiel für die permanent stattfindenden Ungerechtigkeiten in diesem Buch.
Die Handlung:
Die Handlung des Buches ist äusserst unchronologisch aufgebaut und springt in einem Zeitraum von ca. 50 Jahren sehr oft hin und her. Der Großteil der Geschichte spielt sich jedoch in der frühen Kindheit der Zwillinge ab.
Das Buch spielt meisst in der indischen Stadt Ayemenen und wird aus der Sicht von den 6-Jährigen Zwillingen Rahel und Esta erzählt.
Die Handlung des Buches beginnt in der Gegenwart und man erfährt, dass eine junge Frau namens Rahel ihren Bruder in einer Stadt namens Ayemenen treffen möchte.
Nach und nach fügt sich ein Bild über die Situation zusammen. Man erfährt, dass die damals unzertrennlichen Zwillinge gegen ihren Willen getrennt worden sind. Die Stimmung in diesem Abschnitt ist düster und gedrückt.
Dann begibt sich die Autorin in die Vergangenheit:
Die beiden leben jetzt bei ihrer geschiedenen Mutter Ammu Kochama und erforschen wie es für Kinder dieses Alters üblich ist, täglich die Welt. Hierbei bekommen sie schon früh von den verschiedenen Konflikten der Erwachsenen mit und versuchen, jedoch mit wenig Erfolg, den Sinn dahinter zu finden.
Für indische Lebensverhältnisse dieser Zeit, lebt die Familie Kochama in relativ hohem Wohlstand, da sie über ein eigenes Haus verfügen und Ammus Bruder Chacko, nach England fliegen konnte um dort zu studieren. Er besitzt sogar ein Auto.
Nachdem die Handlung zunächst daraus besteht die unterschiedlichen Charaktere in typischen Alltagssituationen zu zeigen, baut die Autorin zunehmend noch weitere Sprünge in die Vergangenheit ein um bestimmte Geschehnisse aufzuzeigen.
Z.B. erfährt man hier etwas über das Verhältnis von Ammus und Chacos Eltern und wie dieses sich auf den Charakter der beiden ausgewirkt hat.
Das Verhältnis der beiden Geschwister ist sehr gespalten. Man merkt, dass Ammu ihrem Bruder die gesellschaftliche Anerkennung nicht gönnt, für die er zugebenermaßen nicht besonders viel getan hat. Ammu musste immer viel mehr kämpfen und bekommt dafür überhaupt keine Anerkennung. Ihr Bruder nimmt das wiederum überhaupt nicht wahr und stellt seine Schwester, die ihre Umwelt mit zynischen Kommentaren überhäuft, als verbitterte, verlassene Frau dar.
Chacko ist in Ayemenen Chef einer Firma für Einmachobst und nutzt seine Stellung dort relativ schamlos aus um sich an junge Frauen heranzumachen. Gleichzeitig sieht er sich aber auch als kommunistischen „Genossen“, der sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzt.
Die Handlung des Buches springt immer wieder in die Gegenwart zurück, wo Rahel versucht den verloren gegangenen Kontakt zu ihrem Bruder Esta wiederzugewinnen
.
In der Vergangenheit ziehen nach und nach die sprichwörtlichen dunklen Wolken auf.
Die Tochter Chackos kommt zu Besuch und stirbt währenddessen auf tragische Weise.
Ammu verliebt sich in den Paravan Velutha, was in einem Desaster endet.
Das sind alles Informationen, die aufgrund der teilweise rückblickenden Erzählperspektive schon ziemlich am Anfang genannt werden. Auf die näheren Umstände des ganzen werde ich jetzt jedoch nicht weiter eingehen, da ich sonst übles Spoiling betreibe und euch den Spaß am selber lesen nehme.
Das Buch gipfelt jedenfalls in einer Reihe von tragischen Ereignissen, die man wie gesagt teilweise schon am Anfang des Buches erfährt und die nach und nach erklärt werden. Teilweise erfährt man aber auch erst am Ende des Buches was sich genau zugetragen hat.
Ich muss sagen es ist nicht besonders einfach die Handlung dieses Buches auf wenige kurze Sätze zu reduzieren.
Meine Meinung:
Ich finde das Buch absolut super!! Ich habe bisher kaum ein Buch gelesen, in dem ich eine so authentische Schreibweise vorgefunden habe. Die Autorin schafft es perfekt eine absolut verkehrte Welt aus der Sicht von kleinen unvoreingenommenen Kindern zu beschreiben, denen quasi permanent Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stehen. Dadurch, dass die Kinder selber gar kein Interesse daran haben irgendwas oder irgendwen in ein schlechtes Licht zu rücken, wirkt ihre unschuldige, neutrale „Aufdeckung“ von Widersprüchen in ihrer Umwelt umso glaubhafter.
Nichts hätte die in diesem Buche stattfindende Heuchelei in der Erwachsenenwelt besser entlarven können.
Des Weiteren finde ich es super, wie die Autorin die Ereignisse des Buches beschreibt. Sie macht es sich wirklich nicht zu einfach, die Personen und das Geschehen in Gut und Böse einzuteilen. Es finden permanent Einschübe statt, die Ereignisse aus der Vergangenheit beschreiben und oft erklären, wie die Menschen des Buches so werden konnten wie sie sind.
Man kann am Ende des Buches nicht einzelnen Personen die Schuld an den schrecklichen Ereignissen in die Schuhe schieben
Viel mehr wird einem klar, dass das ganze Grauen, welches am Ende des Buches geschieht aus einem fast undurchschaubaren Geflecht aus fiesen Gegebenheiten erwachsen ist, bei dem man nur schwierig sagen wo oder bei wem es entstanden ist.
Wenn man dies einmal erkannt hat, dann wird einem auch klar, dass die Autorin den perfekten Schreibstil für dieses Buch verwendet hat. Ich habe schon manchmal über dieses Buch gehört, dass es unnötig kompliziert geschrieben ist.
Ich finde auch, dass es kompliziert ist, aber keineswegs, dass das unnötig ist. Man kann wohl sagen, dass die Autorin ihre verworrene Erzählweise und Symbolik nur nutzt um die Verworrenheit der Dinge besser zu verdeutlichen.
Dieses Buch ist voll von Gesellschaftskritik, die dem unaufmerksamen Leser jedoch manchmal entgehen kann, da sie öfters eher zwischen den Zeilen steckt.
Die Autorin setzt sich meiner Meinung nach auf einmalige Weise mit den Themen gesellschaftliche Normen, Vorurteile, Moral und Doppelmoral auseinander und bringt einen wirklich zum Nachdenken ohne ständig mit dem Zeigefinger zu winken.
Dieses Buch schafft es wirklich beinahe die Absurditäten dieser Welt einmal in richtige Worte zu fassen. Manchmal wusste ich echt nicht ob ich laut lachen oder weinen sollte.
Insgesamt gebe ich noch mal ein großes Lob an dieses Buch!! Es hat in mir echte Emotionen hervorgerufen und am Ende standen mir wirklich die Tränen in den Augen, was mir bei einem Buch echt fast noch nie passiert ist. weiterlesen schließen
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