Pro:
Robuster, gut verarbeiteter Einsteiger-Speedskate / Günstig zu bekommen...
Kontra:
...aber nur noch als Restposten verfügbar / Als 2003er-Modell von den Feautures her nicht mehr der Modernste / Nur 80mm-Rollen Maximalbestückung
Empfehlung:
Ja
Wenn mich die letztes Jahr bewältigten Marathondistanzen eines ganz besonders deutlich gelehrt haben, so ist es das, dass man auf reinen Fitness-Skates nicht wirklich vorne mithalten kann. Zeit also sich nen Porsche unter die Föös zu schnallen und versuchen in die Gruppe der Speedskater aufzusteigen. Der Markt hält für diesen Bereich eine Menge spezieller Schuhe bereit und nach meinen insgesamt positiven Erfahrungen mit meinen Salomon Optima ist es diesmal auch wieder ein Skate dieser Marke geworden.
Während der Winterpause bin ich ausgiebig durch Sportgeschäfte getingelt und um mehrere Modelle herumscharwänzelt. Doch jedes Mal bin ich von den recht happigen Preisen abgeschreckt worden. Für ein Paar anständige Speed-Inlines knallt man für gewöhnlich 250 Tacken auf den Tisch des Hauses. Minimum. Aktuelle Top-Modelle können auch die 400er-Schallgrenze mit erschreckender Leichtigkeit durchbrechen.
Man kann allerdings grade bei eBay oftmals einen guten Schnapp machen, wenn man sich den im Wust der Modelle auskennt und bereit ist nicht immer das Neueste haben zu wollen. Auslaufmodelle und vermeintliche Ladenhüter müssen nicht schlecht sein. Der TR Expert ist so ein Kandidat. Er entstammt der 2003er Kollektion Salomons und hat ehemals auch einen Listenpreis von 399.- inne gehabt. Mit Aufkommen der aktuellen "Pilot"-Serie wurde der erfolgreiche TR Produktzyklus Anfang 2004 endgültig abgesägt. Für den Interessenten heißt das im Schnitt rund 50% Preisabschlag. Für den Skate der ehemals gehobenen Klasse hab ich per Auktion knapp 150 Schleifen abgedrückt. Gehandelt wird er - wenn überhaupt noch OVP zu bekommen - im Schnitt mit 190 Euro.
Das Kürzel TR steht für "Trainer" und macht dadurch bereits die angepeilte Zielgruppe recht deutlich. Nämlich schnupperfreudige Einsteiger in die Königsklasse. Als solcher hat er die charakteristischen Features dieser Liga. 5 x 80mm Rollen, demontier-, einstell- und (auf andere Schuhe) transferierbare Aluminium-Schiene und ABEC 7 Twincam-Lager. Das ist schon einmal der Mindeststandard. Natürlich lässt sich umgekehrt auch eine separate Schiene/Laufwerk eines anderen Herstellers unter den Oberschuh schrauben, sofern sie nach Speedskate Konventionen gefertigt wurde. Der TR Expert ist ein Unisex-Modell, heißt: Keine Extratouren für die Geschlechter, wie sie bei bei Fitness-Skates gang und gäbe sind.
[ Wieso, Weshalb, Warum ? ]
Es trifft zu, dass man mit Fitness-4-Rollern zwar gut und schnell fahren kann, selbst lange Distanzen sind nicht das Problem, sobald jedoch die Geschwindigkeit eine gewisse Grenze überschreitet, werden sie auf Dauer - bauartbedingt - schwerer zu kontrollieren und somit zu einer ermüdenden Belastung der Muskeln. Besonders bei Kurvenfahrten mit Schmackes ist es mit der Bodenhaftung irgendwann nicht mehr weit her. Tschüssikowski und Abflug in die Botanik oder Schlimmeres. Bei Speedskates minimiert man dieses Manko mittels einer zusätzlichen Rolle, also 5 statt 4 Räder pro Skate. Sie sind dadurch richtungsstabiler und wesentlich weniger flatterhaft - zu Lasten einer stark reduzierten Wendigkeit. Jedes Ding hat eben seine zwei Seiten. Die Verwendung von Speedskates heißt auch für versierte Umsteiger nicht zwingend, dass man damit mal eben aus der Hüfte automatisch schneller läuft. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher. Speedskates erfordern einen anderen Laufstil.
[ Bootcamp ]
Der Oberschuh folgt als Hybrid dem Konzept eines Softboots in einem Stützkorsett. Das Frame ist ein Exo-Skelett aus hartem Composite-Kunststoff in welchem der weiche Innenschuh eingesetzt wird. Der Hartkunststoff bildet nicht nur die feste Sohle mit der Aufnahme für die Kufe, er stabilisiert besonders den Bereich der Ferse bis weit über den Knöchel. Wie eine Bandage umschließt das Skelett das empfindliche Fußgelenk, verhindert Umknicken und auch das Verrutschen des Fusses im Schuh gleichermaßen. Zur Dämpfung kommt traditionell Salomons "Shock Absorber" zum Einsatz - die Sohle schluckt die auf Dauer muskelermüdenden, niederfrequenten Vibrationen, wie sie etwa Rauhasphalt hervorruft. Eine weitere Fixierung und Sicherheitsmaßnahme ist oben am Grundgerüst per Scharnier aufgesetzt: Der bewegliche Schaft.
"Motion Energyzer" sagt Salomon hochtrabend dazu. Inwieweit sich der auch als Cuff bekannte Schaft beugen lässt, kann selbst gewählt werden: Mehr Bewegungsfreiheit oder mehr Kontrolle. Das hängt vom eigenen Laufstil bzw. der Ausprägung der Muskulatur ab. Entfernt man den Arretierungsbolzen oberhalb der Ferse steht die volle Amplitude der Knöchelbewegung zur Verfügung. Lässt man ihn drin, kann der Fuß nur soweit nach vorne oder hinten gebeugt werden, wie es die Flexibilität des Schaftes, von Seiten des Materials, und dem Grad der Rastung der Schnalle erlaubt. Beginner fahren mit Arretierung besser, das Laufverhalten und die Kraftübertragung ist dann direkter. Fortgeschrittene freuen sich ohne die Behinderung freier in ihrem Stil. Das fordert aber mehr Geschick und mehr Kraft.
Die Innenpolsterung hört auf den Namen "InstantFit" und ist der Vorläufer des heute bei Salomon verwendeten "CostumFit", ohne dessen thermische Eigenschaften zu besitzen. Das heißt, dass die Verformung und Anpassung des Schaumstoffpolsters an den Fuß des Trägers auf konventionelle Art, allein über der Schnürung, geschieht. Ein kleiner Nachteil eines 2003er Modells gegenüber seiner neueren Vettern. Durch meinen 2004er Optima mit MemoFit bin ich vielleicht auch etwas verwöhnt, die umschließen den Fuß automatisch nach etwa 15 Minuten wie eine zweite Haut. Gesteuert durch die Körperwärme. Auf diesen Komfort muss man hier leider verzichten. Dennoch ist der Schuh nicht unbequem, wirkt aber anfangs erst einmal, wie ein Fremdkörper, bis man sich an die Polsterung gewöhnt und die individuelle Festigkeit gefunden hat.
Die Nähte sind allesamt gut kaschiert und das Innenmaterial knubbelt nicht, so drückt sich nix unangenehm ins Fleisch oder scheuert Blasen. Gegen Überhitzung der Füße sind Airvent-Kanäle im Schuh eingelassen und geleiten den Fahrtwind von der Zehenkappe her am Fuß entlang bis zur Ferse. Eine recht effektive Kühlung. Das Material an den Flanken besteht aus atmungsaktivem Gewebe, sodass der sich vom Schwitzen gebildete Wasserdampf auch dort nach außen dringen kann. Wer unter Schweißfüssen leidet muss sich nicht grämen, das Inlet kann komplett entfernt und bei 30° - am Besten mit Feinwaschmittel - gereinigt werden. Maschinenwäsche ist nicht explizit verboten, dennoch halte ich Handwäsche für die sicherere Methode, den Innenschuh gelegentlich zu reinigen. Trocknen soll man das Inlet an der Luft und nicht Fönen oder in den Trockner stopfen.
Der Boot fällt sehr klein aus, normalerweise trage ich 26,5 (Schuhgröße 42) beim TR Expert brauche ich mit 27,5 locker einen Zentimeter mehr, also eine 43 1/3. Ansonsten würden meine Zehen unangenehm vorne anstoßen, was keinesfalls sein darf. Der Schnitt ist auch entsprechend schmal, da sich das Material an Innen- und Außenrist aber sehr gut dehnt, bereitet mir der Skate trotz meiner recht breiten Füsse keine Probleme. Zur Not ließe sich auch noch die Einlegesohle entfernen, um ein paar Millimeter zu schinden. Verschlossen und fixiert wird der Expert mit einer Kombination aus Speedlace und Schaftschnalle. Die Bezeichnung "Speed" trägt diese Schnürung zurecht, das Festzurren geht wirklich ratzfatz und einfach. Dieses System hat im Hochgeschwindigkeitssegment mittlerweile fast überall herstellerübergreifend den alten Schnürsenkel abgelöst. Eine Bequemlichkeit, die man nach einer Zeit nicht mehr missen möchte.
[ Schienenverkehr ]
Wichtigste Baugruppe eines jeden Skates ist das Laufwerk, bestehend aus: Schiene, Lagern, Spacern, Achsen und Rollen. Hochwertige Schienen aus der Racing-Ecke sind nicht nur einstell- sondern sogar komplett vom Schuh abnehmbar. So auch hier. Verschraubt ist die Schiene unter der Ferse und dem Mittelfuß, zu Einstellzwecken sind die 2. und 4. Rolle zu entfernen. Jetzt hat man die Wahl. Man kann sowohl die Position der Schiene mehr nach vorne oder hinten verlagern (3 stufig - Mittelposition werksseitig) oder den Winkel verändern den die Schiene in Relation zur Längsachse des Oberschuhs haben soll (Korrektur +/- 5° nach links oder rechts möglich - Werkseinstellung: parallel zur Längsachse). Alternativ lässt sich die Schiene auch etwa 3-4 mm aus der Mittelachse (entweder mehr zum Außen- oder Innenrist hin) verschieben. Mit all diesen Einstellungen lassen sich Schwächen bei der Fußhaltung oder "Fehler" in der persönlichen Lauftechnik zum Teil ausgleichen.
Die Einstellung der Schiene ist eine sehr individuelle und diffizile Sache und setzt Kenntnis des eigenen Körpers/Art zu Laufen, einiges an Erfahrung und zudem ein gutes Augenmaß voraus, sodass man die Fahreigenschaften nicht verschlimmbessert. Gerade beim seitlichen Verschieben der Schiene zu den Außenkanten hin verstärkt die Neigung umzuknicken, da das Gewicht des gesamten Körpers nun außerhalb der Ideallinie lastet. Der gedachte Schwerpunkt liegt nämlich nicht mehr AUF der Schiene, sondern daneben. Dieses Off-Balancing bedeutet aber auf jeden Fall erhöhte Muskelbelastung. Nach Möglichkeit ist also besser die Parallelstellung exakt auf Fußmitte beizubehalten und nur zu verändern, wenn man wirklich arg X- oder O-beinig fährt. Und wenn Anpassung, bitte nur leicht. Als optische Einstellhilfe für den Anstellwinkel befinden sich Markierungen an der Sohle, nicht sehr genau, aber doch hilfreich genug, um die richtige Position zu finden.
Das Trägermaterial der Schiene ist stranggepresstes Aluminium (nicht zu verwechseln mit goldgepresstem Latinum), ich tippe auf 6000er Güte. Würde mich dafür aber nicht hängen lassen. Leider ist darüber nichts Näheres in Erfahrung zu bringen. Heute verwendet man fast ausschließlich 7000er und aufwärts aus der Flugzeugtechnik oder direkt eine leichte Magnesiumlegierung. Wie bei fast allen Speedskates sind die 8mm durchmessenden Stahl-Achsen beim TR Expert direkt im Trägermaterial verschraubt. Washer-Nuts oder Schrauben findet man in diesem Segment eigentlich schon lang nicht mehr. Die 328 mm lange, "DR180" getaufte Schiene kann maximal 5 x 80 mm Rollen aufnehmen, größere Durchmesser sind offiziell laut Aufdruck nicht drin. Schade, denn die Entwicklung geht seit einiger Zeit eher in Richtung größerer Rollen mit 84mm Mindestmaß. Der Trend ist im Speedbereich mittlerweile schon bei 90 und 100 mm angelangt.
Das Tunen mit größeren Rollen ist aufgrund des geringen Achsabstands also nicht drin, VIELLEICHT würden mit Ach und Krach noch 82mm passen. Zumindest rechnerisch. Werd's nicht ausprobieren - meine Knochen sind zu alt und morsch. Die sollen noch ein paar Jahre halten. Apropos heile Knochen: Im Gegensatz zu den meisten Speedskates liegt dem TR Expert eine Bremse in Form eines für Salomon typischen Fersen-Stoppers inklusive 2 Spezialschrauben serienmäßig bei. Die als "Pussy-Brake" verschriene Bremse ist bei Bedarf selbst zu montieren. Sie ist wahlweise am linken oder am rechten Skate anzubringen, die besondere Achse zur Aufnahme der Befestigungsschrauben ist werksseitig an der hintersten Rolle des rechten Schuhs. Linksfüßer werden also vermutlich umwechseln. Für gewöhnlich verzichtet man als Speedy Gonzales Jünger jedoch ganz darauf. Bah! SO alt bin ich auch wieder nicht, als dass ich nicht mehr vernünftig ohne so'ne Krücke bremsen könnte
[ Rollkommando ]
Ohne Räder kullert nichts. Das wusste schon der olle Konfuzius, als er über die chinesische Mauer gekachelt ist. Besser als die damaligen Holzräder sind die modernen Kunststoffrollen, und auch die Lager dürften heute - auch wenn sie vielfach in Fernost gefertigt werden - überlegen sein. Als Rollenhersteller zeichnen sich aber die Amis verantwortlich, nämlich Marktführer HYPER, deren umgelabelte Polyurethan-Erzeugnisse beim TR Expert (und nicht nur dort) verbaut wurden. Dass der Durchmesser 80 mm beträgt hatte ich schon erwähnt? Ich hatte. Allerdings fehlt als wichtiger Wert noch der Härtegrad und der Rebound. Voilà: 81A. Sacht dir jetzt nix? Hmm. Du bist aber sicher, dass dich Inlineskating generell und Speedskating speziell wirklich interessieren? Nun gut. Kurz und schmerzlos, die Basics:
Als Bindeglied zwischen Skater und Straße erfüllen PU-Rollen mehrere Funktionen. Zum einen sollen sie möglichst komfortabel weich abrollen, jedoch nicht viel Rollwiderstand aufweisen. Und das alles wenn's denn bitteschön geht auch noch mit superber Bodenhaftung bei geringem Verschleiß. Eigenschaften, die sich eigentlich physikalisch gegenseitig ausschließen, daher stellen bestimmte Rollen stets den besten Kompromiss für bestimmte Einsatzzwecke dar. Wie bei der Formel 1 auch - alles eine Sache der Mischung. Damit sind wir zunächst beim Härtegrad. Je härter die Rolle, desto weniger Rollwiderstand (leichter auf höhere Geschwindigkeit) und Verschleiß (niedrige Betriebskosten bzw. mehr Kilometer), es leiden aber Abrollkomfort und Grip. Bei weichen Rollen entsprechend umgekehrt, die kleben zum Beispiel dafür bei nassen Verhältnissen besser auf dem Straßenbelag.
Soweit so logisch. Fehlt noch der Rebound. Der Begriff bezeichnet die Formstabilität des Werkstoffs und sein Bestreben nach einer Druckbelastung schnell und elastisch in seine Ursprungsform zurückzukehren - wichtig für den Rundlauf, benötigten Kraftaufwand vorwärts zu kommen, gleichmäßige Abnutzung und nicht zuletzt den Abrollkomfort. Auch hier gibt es eine sehr anschaulich-plastische Analogie zum Auto oder anderen Fahrzeugen, die mit Luftbereifung ausgestattet sind: Einen miesen Rebound hat ein Autoreifen mit zuwenig Luft. Er walkt, fährt sich schwammig und reagiert unpräzise. Er verschleißt zudem stärker, der Spritverbrauch steigt, da die Auflagefläche und somit Rollwiderstand höher ist, als bei einem Reifen mit korrektem Luftdruck. Für das Skaten gilt all das im übertragenen Sinne genauso, auch wenn deren Rollen - mit Ausnahme von Sondermodellen - aus Vollmaterial bestehen.
Halten wir fest: Die 81A-Rollen sind gute Allrounder und eher für versierte Fitness-Läufer gedacht. Anfängerrollen sind meist weicher und (Wettkampf-)Profirollen dagegen härter (und oft größer im Durchmesser). Somit zeigt sich auch an der Bestückung einmal mehr, dass sich der TR Expert hauptsächlich an Ein- und Umsteiger in die Speedklasse richtet.
[ Lagerkoller ]
Als wäre das alles noch nicht genug, kommt in Sachen Geschwindigkeitsoptimierung noch ein weiterer Faktor hinzu. Für Viele das Evangelium. Schon recht. Gute Lager braucht man, gar keine Frage, doch bei einigen gestaltet es sich mit dem ABEC-Wahn, wie mit BSE bei den Kühen. Salomon verbaut mit Gel gefüllte ABEC 7 Kugellager von Twincam, einem der weltweit führenden Skatelagerhersteller, der kürzlich von K2 aufgekauft wurde. Also alles andere als Billigschrott. Dennoch ist die ABEC-Zahl nur ein Qualitätskriterium unter vielen und meiner Meinung, sowie Berufsausbildung, nach ziemlich überbewertet. Wie dem auch sei, mit dem Thema ließen sich ganze Bücher füllen, es sind sehr gute und rennerprobte Standardlager 608 ZZ nach DIN. Sogar zu Wartungszwecken zerlegbar. Demnach zur gehobenen Klasse gehörend. Eigentlich kein Grund zur Klage.
Oder doch? Mir wären 688er Microlager lieber gewesen, da mir die 608er wegen ihres größeren Durchmessers etwas zu weit aus der Schiene heraus lugen. Das setzt sie stärker Witterungseinflüssen und Dreck aus, während 688er vollständig in der Schiene verschwinden, was sie gegen Spritzwasser und Staub einen Tick besser schützt. Zwar ist das Innenleben der serienmäßigen 608er durch die Lagerschilde einigermaßen gegen das Eindringen von Nässe und Schmutz geschützt, und man kann sie wie gesagt zum Reinigen und Nachschmieren (wichtig!) zerlegen, doch durch die tief liegenden Achsen ist die Schiene für Microlager, meines Erachtens nach, geradezu prädestiniert. Mal abgesehen davon, dass Microlager auch noch leichter sind. Das Nachrüsten ist kein Beinbruch, kostet aber neben 20 neuen Lagern auch einen kompletten 10er Satz anderer Rollen, da die Naben von 608 und 688 untereinander inkompatibel sind. Spacer und Achsen sind jedoch die gleichen. Was soll's? Die Standardlager tun's auch - vorerst.
[ Hit the road, Jack ]
Da die Saison noch nicht wirklich angefangen hat, und die Witterung für lange Distanzen nicht grade empfehlenswert ist, hab ich dennoch mit den Gurken schon einige Trainings-Kilometer abgespult, um mich wieder ans regelmäßige Laufen und speziell an die neuen Skates zu gewöhnen. 5-Roller fahren sich prinzipiell zwar genauso, wie auch 4-Roller... und doch sind sie anders. Grund genug sich mit ausgedehnten Runden an die neue Situation anzupassen. Die Besonderheiten des Speedskates wollen ausgeleuchtet und gemeistert werden. Man hatte mich aus berufenem Munde schon vorgewarnt, dass Körperposition und Bewegungsabläufe mit Speedskates besonders gut koordiniert sein wollen, wenn man effektiv und schnell fahren will. Ein Speedskate allein macht noch keinen Sprinter, geschweige denn einen flotten Marathonläufer. Da der TR Expert jedoch als Einsteigerskate gilt, war ich guter Dinge bei meiner Premiere. Alle Theorie ist zunächst jedoch erst einmal grau.
Zuerst fällt auf, dass der Oberschuh nicht so auf Anhieb passen will und man verschiedene Festigkeiten der Schnürung und Schnalle ausprobiert. Sitzt der Schuh zu locker steigt das Risiko eingedenk der zu geringen Kontrolle zu verschlagen und /oder umzuknicken. Aua. Knallt man die Biester wie ein Irrer fest, schlafen einem wegen der verminderten Blutzirkulation während der Fahrt die Füsse ein. Muskelprobleme bedeuten auf Dauer wiederum nachlassende Kontrolle und somit... genau: Aua. Das ältere InstantFit ist eben nicht mein gewohntes Costum bzw. MemoFit, dem solche Probleme fast vollkommen fremd sind. Mit dem ansonsten aber sehr praktischen und feinfühligen Verschlußsystem geht die Anpassung an das Ideal trotzdem recht fix. Bisschen experimentieren, dann klappt's auch.
Einmal richtig eingestellt, Lehrbuchposition eingenommen - ab geht’s : Oberkörper vor und Knie leicht angebeugt - nach dem aus dem Ski-Sport bekannten Prinzip, des "auf Zug" fahrens. Siehe da, man nimmt von alleine Fahrt auf. Angewandte Physik kann schon toll sein. Das ist übrigens mit 4-Rollern ebenfalls möglich, mit dem Unterschied, dass man bei Speedskates durch diese simple Gewichtsverlagerung (u.a. wegen der anders konstruierten Schiene) damit ungleich stärker Tempo zulegt. Die Gravitation ist dein Freund. Manchmal jedenfalls. Die ersten Pushs und Pendelbewegungen indessen, wirken ein bisschen ungelenk. Die Abmaße und das etwas höhere Gewicht bzw. die andere Gewichtsverteilung des TR gegenüber meinen Optima sind ungewohnt.
Nach den ersten paar hundert Metern geht es zunehmend besser. Geradeaus- und Kurvenfahrten klappen schon ganz gut. Richtungsänderungen - vor allem bei langsamer Fahrt - kosten einiges an Kraft, was der vergrößerten Auflagefläche der 5 Rollen geschuldet ist. Der TR hat das Bestreben sich selbst gerade zu ziehen, auch bei höheren Geschwindigkeiten. Um in Kurvenlage zu gelangen, muss man ihn beherzt zwingen. Dann jedoch überzeugt er mit hervorragender Bodenhaftung, auch extreme Schräglage des Körpers beim Übersetzen, wo die Zentrifugalkräfte drohen den kurveninneren Skate aus der Bahn zu tragen, bringen einen nicht ins Rutschen. Hier spielen auch die vergleichsweise kleinen und weichen 80mm/81A Rollen ihre Vorteile aus: Niedriger Schwerpunkt und viel Grip.
Power is nothing without control. Der TR Expert ist weder Stunt- noch Fitness-Skate, daher sollte man auf trickreiche Faxen verzichten. Schnelle Turns, Reversals, Carving oder tänzerische Kunstlaufeinlagen, die Wendigkeit erfordern, sind nicht seine Sache. Wie gesagt, bei langsamen Manövern ist der Bursche bauartbedingt träge und nur schwer aus dem Geradeauslauf zu bringen. Mit der Zeit sicherer und übermütig geworden, hab ich versucht mal ein paar Mätzchen zu veranstalten, die ich auf 4-Rollern sonst locker in den Asphalt brenne. Versuch macht ja kluch. Auch wenn Stürze ausblieben (aber ein paar mal ganz nah dran), war das keine gute Idee. Sprünge - zum Beispiel um flache Hindernisse zu überwinden - sind dagegen kein Problem. Die steht man subjektiv sogar sicherer, als mit 8 Rollen.
[ Fazit ]
Die Features können sich sehen lassen. Alu-Schiene, hochwertige Lager, vernünftige HYPER-Rollen, Schnellschnürung, AirVent und sogar eine Bremse ist inbegriffen, so man denn nicht darauf verzichten kann oder möchte. Schnittige Optik und gute, robuste Verarbeitung sind zwei weitere Pluspunkte. Zwingende Voraussetzung für einen effektiven Betrieb ist das wirklich konsequente Erlernen fortgeschrittener Lauftechnik, die sich zunächst schwieriger gestaltet, als man es von 4-Rollern gewohnt ist. Ist man dazu nicht willens, bereitet einem der TR keine wirkliche Freude. Hat man die nötigen Bewegungsabläufe einmal drauf, kann man gern einen Schritt weiter gehen und die Arretierung des Energyzers entfernen. Dann mutiert der Expert vom anfänglichen Fahrschul-Skate zu einem veritablen Race-Brötchen, allerdings mit einem (zu) hohen Schaft, wohingegen Racer eher Halbschuhe (sog. "Low-Cuts") bevorzugen. Diese bieten noch mehr Bewegungsfreiheit und sind leichter.
Für ernstgemeinte Wettkämpfe ist er unter anderem deswegen nur bedingt tauglich, zudem einen Tick zu schwer, was man mittels Bestückung mit Microlagern/Rollen ein wenig verringern könnte. Leider bleibt ihm das Tuning mit größeren Rollen konstruktionsbedingt verwehrt, dafür müsste man schon eine andere Schiene drunter schrauben - immerhin ist man nicht auf Salomon-Schienen angewiesen. Da der Expert nach Speed-Norm gefertigt ist, passen alle gängigen (auch neuere) Laufwerke von K2 über Powerslide bis Bont und Mogema. Mit dem TR Expert erhält man vielleicht kein Profi Equipment, aber eine kostengünstige, ausbaufähige und flexible Eintrittskarte für die Hochgeschwindigkeits-Liga. Das Preis-/Leistungsverhältnis dieses 2003er-Modells ist angemessen und nur in wenigen Punkten muss er sich technisch seinen moderneren Brüdern geschlagen geben. Wer sich mit dem Gedanken an einen Umstieg trägt, sollte schnell zugreifen - Die Restbestände im Handel schwinden zusehends.
So Long
Der Pistenrowdy-Pharao weiterlesen schließen
Bewerten / Kommentar schreiben