Pro:
einfache Gründung, staatliche Förderung, Chance für Arbeitslose
Kontra:
Verführt zu vorschnellen Handlungen, bei Scheitern: Problem
Empfehlung:
Nein
Durch meinen Beruf als Werbekauffrau habe ich mich aufgrund einer Pressekonferenz in letzter Zeit viel mit dem Thema „Ich AG“ beschäftigt.
Da es auf der einen Seite ein höchst interessantes Konzept ist, und ich mitlerweile eine klare Meinung dazu entwickelt habe, möchte ich euch heute gerne die Ich AG näher (und vor allem verständlicher) erklären, als es dir Nachrichten tun.
Aus der Masse an Schwarzarbeit, die wir in der jetzigen Situation haben, würden sich nach Rechnung einiger schlauer Leute etwa 5 Millionen Vollzeitarbeitsplätze ergeben.
Seit Anfang 2003 gibt es eine schlaues, neues Förderungsinstrument der regierung, dass die Schwarzarbeit eindämmen und Arbeitsplätze schaffen soll: Die Ich-AG.
Sie ist im Grunde eine Art Scheinselbstständigkeit.
***Wer eignet sich für eine Ich AG?***
Fehlende Qualifikationen und Zugangsbeschränkungen erschweren oftmals den Weg in die Selbstständigkeit. Vor allem für Arbeitslose ist das oft ein Problem.
Die Alternative „Ich-AG“ bildet eine neue berufliche Entfaltungsmöglichkeit für Arbeitslose, die durch Förderung und fachlichen Rat der Arbeitsämter und Vereine eine herausragende Rolle auf dem Arbeitsmarkt und besonders im Dienstleistungssektor einnehmen soll.
Gerade Personen mit “fehlenden Qualifikationen“ (O-Ton Herr Harz) sind besonders schlecht für die Selbstständigkeit gerüstet. Durch die Schaffung der Ich-AG können jedoch nun ihre Fähigkeiten zur langfristigen Selbstständigkeit beitragen.
Wer eine gute Geschäftsidee hat, kann Ich Agler werden.
***Die bürokratische Erleichterung***
Das Besonderedabei ist, dass die Inhaber keinerlei Verpflichtungen bezüglich einer Inanspruchnahme von gesetzlichen Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherungen. Jedoch werden für die Zuschusszeit Beiträge für die Rentenversicherung fällig.
Darüber hinaus – und das wird sicher die meisten freuen – fallen langwierige Prüfungen und Formular-Schlachten, sowie fachkundige Stellungnahmen weg, die angehende Selbstständige bisher über sich ergehen lassen mussten, wenn sie direkt aus der Arbeitslosgkeit kommen. Was heißt das nun? Im Grunde bedeutet das, dass wirklich jeder, ganz egal wie es um seine Qualifikationen steht, eine Ich AG aufmachen kann.
***Die staatliche Unterstützung***
Betreibern der Ich-AG wird der Start in die legale Selbstständigkeit durch eine staatliche Förderung innerhalb der ersten drei Jahre erleichtert. Diese staatliche Fördermaßnahme dient in erster Linie der Sicherung des Lebensunterhaltes, so dass die Gewährung dieses Zuschusses in Abhängigkeit zum Jahreseinkommen der Ich-AG-Betreiber steht.
Dieser Zuschuss beträgt im ersten Jahr 600 € pro Monat, im Zweiten 360 € und im Dritten 240 €. Allerdings wird er nur gewährt, wenn das Einkommen des Selbstständigen unter 25.000 € jährlich liegt (Brutto). Durch die generelle Gewährung von Fördergeldern bis zu einem bestimmten Jahreseinkommen wurde laut Regierung eine bedeutsame Neuerung geschaffen.
***Die Unternehmensform***
Der begriff „Ich AG“ beinhaltet zwar die AG, ist jedoch lediglich eine Selbstständigkeit. Die Ich AG ist keine rechtliche Gesellschaft, also weder mit einer GmbH, OhG oder AG vergleichbar.
***Bisheriger Erfolg***
Bisher haben nur 1.630 Arbeitslose auf den Existenzgründungszuschuss zurückgegriffen. Die Bundesanstalt für Arbeit strebt allerdings bis Ende 2003 mindestens 20.000 Ich-AGs an. Da scheint noch eine Menge zu tun zu sein...
******************UND JETZT GEBE ICH MEINEN SENF DAZU***********************************
Auf den ersten Blick klingt die Idee der Ich AG ja ganz super. Der Eintritt in die Selbstständigkeit wird leichter, man bekommt Zuschüsse, und braucht sich im Grunde um nix selber kümmern. Pustekuchen, sag ich da nur. Denn:
---Die Unterstützung---
Die 3jährige Unterstützung wird bis zu einem Jahreseinkommen von 25.000 € gewährt. Wenn ich mir überlege, dass ein einfacher Angestellter im Schnitt etwa 28.000 € im Jahr verdient, und damit nur sich selber finanziert (Miete, Lebensmittel etc.), dann kann man mit dieser Unterstützung meiner Meinung nach nicht wirklich glücklich sein. Die Ich AG Gründer kommen direkt aus der Arbeitslosigkeit, haben also in den seltensten Fällen Rücklagen aus denen sie ihre Selbstständigkeit finanzieren können. Schließlich braucht man für einen Betrieb auch Betriebsmittel.
Wenn der Ich Agler nun höchstens 25.000 €/Jahr verdienen kann, hat er effektiv 2083 € + den Zuschuss im Monat. Brutto! Davon muss er sich versichern, leben und seine AG fördern. Wie frage ich mich da? Für mich klingt diese Rechnung ein wenig zu ideel.
---Die Ich AGler---
Laut Regierung ist die Ich AG besonders für bildungsschwache und unterqualifizierte Personen geeignet.
Ich möchte jetzt wirklich keinem Leser, der sich möglicherweise angesprochen fühlt, auf den Schlipps treten, aber „bildungsschwach“ ist entweder zu arg von der Regierung ausgedrückt, oder soll wirklich das heißen, was es bedeutet.
Gehen wir nun davon aus, dass bildungsschwache Leute eine Selbstständigkeit gründen, so kann ich eigentlich nicht davon ausgehen, dass sie das nötige wirtschaftliche und kaufmännische Wissen besitzen, dass man zu einer erfolgreichen Führung der AG braucht. Da sind zahlreiche Schulungen nötig, um richtig vorbereitet zu sein.
Nun werden aber sicherlich viele Personen von der Ich AG hören, und per Kurzschlussreaktion sagen: „Das mach ich sofort!“. Klar, es verführt, hört sich toll an, aber ohne nötige Vorbildung ist die AG meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt. Und eben in dieser Kurzschlussreaktion der Leute sehe ich eine große Gefahr...
---Das Leben danach---
Ein Arbeitsloser gründet eine Ich AG und scheitert damit im schlimmsten Fall. Was dann?
Nun, er war selbstständig. Und das bedeutet, dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat, sondern zum Sozialhilfeempfänger wird.
Durch ein mögliches Scheitern der Ich AG wird es ihm finanziell also noch mieserabler gehen, als vor der Ich AG als er noch etwas mehr Arbeitslosengeld bekam.
----Fazit----
Jeder, der eine wirklich vielversprechende Geschäftsidee hat, kann durch die Ich AG eine riesige Chance bekommen. Nur sollte der Fall eines Scheiterns gut bedacht werden, denn die Ach so einfach zu gründende Ich AG steckt voller Gefahren.
Für die Regierung kann ich nur sagen „Bravo!“. Die haben es nämlich geschafft, eine Möglichkeit zu finden, in der langfristig die Zahlen der Arbeitslosengeld-Empfänger sinken (und genau die werden in den Medien so hoch bewertet), aber die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger kann u.U. in die Höhe schnellen.
----Zusatz----
Ich möchte nun noch einmal sagen, dass ich weder Politikerin noch Wirtschaftsexpertin bin. Diese Meinung ist meine reine Einschätzung. Also schon einmal sorry an jeden Experten, dem ich auf den Schlips getreten bin. Ich halte davon einfach nichts! weiterlesen schließen
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