Pro:
Großer Spielumfang, tonnenweise Geheimnisse, Nebenaufgaben, abwechslungsreich, liebevolles Disney-Design (wenn auch nicht jedermanns Sache), sehr gute deutsche Sprachausgabe
Kontra:
Stupides Dauerknüppeln ohne Anspruch, wenig Anspruch, zu leicht, starre Kamera sorgt für Übersichtsprobleme, teils haklige Steuerung, kein Multiplayer, zu viele Kämpfe
Empfehlung:
Ja
Fälschlicherweise wird das folgende Spiel sehr oft als Rollenspiel bezeichnet, in Wahrheit handelt es sich bei „Kingdom Hearts“ für die Sony Playstation 2 um ein Actionadventure, bei dem zarte Rollenspielelemente vorhanden sind. Zugegebenermaßen verfiel ich direkt in eine Art Abwehrhaltung, als ich das sehr kindlich aufgemachte Abenteuerspiel erblickte, in dem bekannte Disneyfiguren primär eine Rolle spielen. Die weltberühmte Entwicklerfirma Square zeichnet sic für dieses Wagnis verantwortlich, ganz objektiv gesehen – lassen wir persönliche Geschmäcker einmal außen vor – handelt es sich um ein gelungenes Game, welches weit aus der Durchschnittsmasse herausragt und es beinahe zu einem Hit gebracht hätte. Wieso ich von „beinahe“ spreche, erfahrt Ihr später noch. Freunde der Multiplayerspektakel werden hingegen enttäuscht sein, denn es handelt sich hier ausschließlich um ein Solo-Abenteuer, was allerdings im Actionadventure-Bereich – ähnlich wie bei Rollenspiel – eher so üblich ist. Die Vorzüge dieses Spiels werden schon nach wenigen Spielstunden ersichtlich, die Nachteile sind eher gut versteckt, das ein oder andere Detail oder besser gesagt die Summe aller kleinen Mängel werden erst mit zunehmender Spieldauer im späteren Verlauf deutlich. Oft erschien mir dieses Game in der Fachpresse klar überbewerte, so dass ich mich –wieder einmal – nicht des Eindrucks erwehren konnte, dass hier nur oberflächlich (maximal wenige Stunden lang) getestet wurde, wenn überhaupt.
In diesem comicartigen Actionabenteuer – welches sich übrigens sagenhaft gut verkaufte, die Millionengrenze wurde nämlich locker geknackt – steht der junge Sora im Mittelpunkt. Er befindet sich im Reich des Königs Micky Maus wieder, in dem es drunter und drüber zu gehen scheint. Eine böse Armee an Unholden sorgt nämlich für Angst und Schrecken und ist in letzter Zeit wiederholt in das ein oder andere friedliche Gebiet eingefallen. Die sogenannte Bande der „Herzlosen“ terrorisiert immer mehr die Comic-Welt, so dass ein energisches Einschreiten nunmehr zwingend erforderlich ist. Um dem Ganzen ein für allemal Einhalt gebieten zu können, freundet sich Sora mit Goofy (seines Zeichens ein General) und Donald (dem Magier am Hofe des Königs) an und so macht sich dieses Helden-Trio umgehend auf die Socken, um das Übel an seiner Wurzel zu packen. Lasst Euch aber nicht täuschen: gesteuert wird von uns lediglich Sora, unsere beiden wackeren Mitstreiter werden quasi von sich aus aktiv, sollte die jeweilige Situation dies erfordern. Die unvermeidlichen Kämpfe erfolgen dann in Echtzeit, nichts ist es da offensichtlich mit einer gemütlichen Atmosphäre, in welcher rundenweise gekämpft wird. Vielmehr ist Eure Reaktionsschnelligkeit und Präzision gefragt, um diese niederringen zu können. Neben physischen Attacken die später auch effektive Kombos ermöglichen, kommen magische Offensiv-, Defensiv- und Heilzauber zum Einsatz. Natürlich sind in erster Linie die Elementarkräfte (Feuer, Eis, Wind und Erde) vertreten, was insoweit ja auch noch gar nicht ungewöhnlich ist.
Wesentlich ungewöhnlicher ist die Steuerung ausgefallen, was im vorliegenden Fall aber jedoch keineswegs negativ zu bewerten ist. Während wir mit unserem Helden per Analogstick durch die Gegend warten und kämpfen, können wir gleichzeitig (!) durch das Inventar wuseln und uns die passenden Items herauspicken. Es ist also grundsätzlich möglich, der Attacke des Feindes auszuweichen und im selben Augenblick einen Heiltrank zu verwenden, was in der Tat sehr praktisch ist. Ein Pluspunkt somit in Sachen Innovation. Was unsere beiden Kameraden Donald und Goofy betrifft, so können wir diese – wie bereits erwähnt – zwar nicht selber steuern, diese aber bezüglich des grundsätzlichen Kampfverhaltens auf gewisse Vorgehensweisen „festnageln“. Je nachdem, was wir ihnen speziell vorgegeben haben, agieren diese aggressiv oder eher mit Bedacht, stürzen sich todesmutig ins Gefecht oder konzentrieren sich mehr auf die Heilung. Nicht vergessen werden darf aber, dass die Tendenz eindeutig in Richtung Offensive geht, denn schließlich gelangen die Spielfiguren vornehmlich durch das aktive Niedermetzeln der Feinde in den Besitz der heißbegehrten Erfahrungspunkte. Typischerweise erreichen sie so höhere Level, perfektionieren ihre Fähigkeiten und Statuswerte und lernen neue Sachen hinzu. Das allein macht aber noch lange kein reinrassiges Rollenspiel aus – nur um dies noch einmal explizit darzulegen – dies finden wir mittlerweile in zahlreichen unterschiedlichen Genretypen vor. „Kingdom Hearts“ ist und bleibt ein Actionadventure. Speziell die Action hat doch sehr viel Gewicht, zumal die Anzahl der Kämpfe sehr hoch, ja im Grunde ein bisschen zuviel des Guten ist.
Dies wird zudem an den implementierten Spielelementen überaus deutlich: es werden nämlich nicht nur die Gegner (hoffentlich) windelweich geprügelt, sondern wir finden auch unzählige Hüpfpassagen, Kletterpartien, Schalterrätsel sowie sonstige Knobeleinlagen vor. Die Anlehnung an bekannte Disney-Filme kommt klar zum Ausdruck, da wir unter anderem mit Aladdin, Pinocchio und Arielle zu tun haben bzw. denen aus der Patsche helfen müssen. Motivierend ist hierbei, dass sich eine Rückkehr in einen bereits besuchten Level zu einem späteren Zeitpunkt oft noch einmal lohnt: durch die im Laufe der Zeit frisch erlangten Talente ist es uns möglich, bis dato unerreichbare Gebiete zu betreten, um dort an Schätze gelangen zu können. Zahlreiche Nebenaufgaben sorgen schließlich dafür, dass die Motivation vergleichsweise hoch ist und spielerischen Längen eher ein Fremdwort sind, da es generell in „Kingdom Hearts“ sehr viel zu entdecken gibt. Den Spielumfang würde ich für den „normalsterblichen“ Zocker auf circa 35 Stunden beziffern, wollt Ihr alle Geheimnisse entdecken – und dies ist für „ehrenhafte“ oder zumindest ambitionierte Zocker quasi Pflicht – so seid Ihr weit über vierzig Stunden beschäftigt. Einmal durchgespielt, droht allerdings die große Gefahr, dass dieses motivierende Abenteuer dann nicht mehr zum erneuten Durchspielen reizt, dies ist sicherlich auch ein nicht zu unterschätzender Negativfaktor.
Die Präsentation dieses Comicabenteuers für die PS2 gibt im Großen und Ganzen ziemlich wenig Anlass zu meckern, doch es gibt zumindest den ein oder anderen Aspekt, der verbesserungswürdig erscheint. Jetzt einmal ganz unabhängig vom persönlichen Geschmack – über das sehr kindliche Design lässt sich streiten – lässt die Qualität der bunten Welten kaum Wünsche offen. Knallige Farben mit leuchtenden Spezialeffekten wohin das Auge schaut, sehr gute Zwischensequenzen und witzig animierte Charaktere überzeugen. Leider gibt es unübersehbare schwarze Pal-Balken am oberen und unterem Bildschirmrand zu „bestaunen“, ein 60-Hertz-Modus fand zudem leider keine Berücksichtigung, immerhin haben wir es durchweg mit deutschen Texten zu tun, was zumindest ein schwacher Trost ist. Einen Tick besser sieht es mit der sehr gelungenen Synchronisation aus. Nicht nur, dass die Melodien im Hintergrund passend gewählt wurden (die richtigen mitreißenden Kracher sind aber nicht unbedingt dabei) und die Soundeffekte halbwegs abwechslungsreich sind, in erster Linie ist es die deutsche Sprachausgabe, die sowohl im Hinblick auf Qualität der Übersetzung als auch Unterstreichung der Atmosphäre ganz hervorragend gelungen ist und eine glasklare Stärke dieses Abenteuers für die Playstation 2 darstellt.
Den größten Schwachpunkt stellt in meinen Augen aber etwas völlig Anderes dar, was schließlich auch dafür verantwortlich ist, dieses Game keinesfalls – wie so oft in den Medien propagiert- als Hit in Frage kommt: Kameraführung und Steuerung. In beiden Bereichen gab es Dinge, die mir empfindlich auf den Magen schlugen und die auf keinen Fall schöngeredet werden können, einfach nicht von der Hand zu weisen sind. Die Kamera ist viel zu starr, macht einen undynamischen Eindruck und bringt uns somit ziemlich oft arg in die Bedrouille, da wir regelmäßig Gefahr laufen, komplett den Überblick zu verlieren. Dies in Verbindung mit der nicht oftmals unangenehm hakligen Steuerung führt dazu, dass speziell die Hüpfpassagen zu einem nervenaufreibenden Geduldsspiel ausarten. Dass dies der Spielfreude nicht gerade zuträglich ist, versteht sich von selbst, schätze ich. Dies in Verbindung mit den zu zahlreichen – und zudem auch nicht sonderlich anspruchsvollen – Kämpfen (blindes Drauflossemmeln in den Echtzeitkämpfen führt oft zum Erfolg, was schließlich nicht Sinn der Sache sein kann) führt definitiv zu Abzügen in der Gesamtspielspaßwertung. Diese pendelt sich trotz der zahlreichen Vorzüge aufgrund der genannten (nicht gerade unwesentlichen) Schwachpunkte schließlich bei 73% ein.
Abschließende Frage an die sogenannte Fachpresse: die sehr guten bis teils überschwenglichen Wertungen werfen für mich wieder einmal die Frage auf, ob hier wirklich ein Videospiel auf Herz und Nieren getestet wurde. Oder gibt es in Wahrheit einen nicht zu verachtenden Druck des Herstellers auf die Medien? Wie kann ich im vorliegenden Fall von "Kingdom Hearts" durch die Bank weg sehr gute Spielspaßwertungen vergeben, wenn die Kämpfe an sich anspruchslos, die Steuerung haklig ist und die undynamische Kamera für chronische Unübersichtlichkeit sorgt? Das ist Mist und verstärkt meine Zweifel an der Objektivität eines Großteils der Spieltester. Termindruck oder ähnliches ist für mich da eine ganz üble Ausrede, schließlich werden durch solche hohen Wertungen Käufer geblendet. Das ist schlimm, sehr schlimm sogar. Dieses PS2-Game ist (leider!) wieder einmal ein sehr gutes Beispiel für zweifelhafte Ernennungen eines Games zu einem Hit. Es handelt sich hier um ein gelungenes, aber nur leicht überdurchschnittliches Spiel, welches von einem Hit meilenweit entfernt ist. Basta. weiterlesen schließen
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