Pro:
Verhütung ohne Chemie und Hormone, kleiner Eingriff für den Mann, fast kein Risiko.
Kontra:
Kann nicht ( oder nur selten ) wieder rückgängig gemacht werden.
Empfehlung:
Ja
Hallo Liebe Yopi Leserinnen und Leser.
Neulich wurde ich von einem Satz einer guten Bekannten überrascht. Via e-mail hatten wir uns diverse Nachrichten zugeschickt, wo es um Gott und die Welt ging. Gut, es ging nicht um Gott und die Welt, aber der Inhalt meiner Korrespondenz ist nun doch privat. Eigentlich nichts ungewöhnliches, hätte ein Satz von meiner Seite aus, nicht eine erstaunte Gegenäußerung gebracht.
Ich zitiere die Antwort: „Dass du zu den wenigen Männern gehörst, die so einen Eingriff machen lassen und das zugeben, ist sensationell. Und das auch noch für die Frau zu tun…”
Ich habe den Satz nicht abgeschnitten. Ich meine wegen der Pünktchen. Er wurde mir so zurückgemailt.
Der Satz hat mich nachdenklich gemacht. Zeigt er doch eine eklatante Kluft auf, die mir vorher so nicht auffiel. Eine Kluft zwischen Wissen und Ignoranz. Wobei das Wort Ignoranz die Sachlage nicht richtig trifft. Aber gehen wir in der Zeit zurück. Bis zu jenem Moment, wo alles begann.
Meine Frau hatte von jäh her nicht die Beste Gesundheit. Doch im Jahre 1991 hat es Sie besonders hart erwischt. Wahrscheinlich durch die „Pille” verursacht, erlitt Sie eine beidseitige Lungenembolie. Ihr Leben war sehr gefährdet. Im Krankenhaus wurde zwar Ihre Gesundheit wiederhergestellt, aber die Pille zur Empfängnisverhütung würde für den Rest Ihres Lebens aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden.
Doch wie sollten wir beide jetzt verhüten. Kinder wollten wir nicht. Außerdem hätte eine Schwangerschaft bei Ihrer körperlichen Bereitschaft zu Thrombosen wiederum lebensgefährlich sein können. Also durfte hier nichts auf die leichte Schulter genommen werden. Nur, was tun?
Sterilisation stand in der Luft. Nur bei Ihr wäre es aus besagten Gründen nicht gegangen. Außerdem stand noch ein weiterer Aspekt im Raum. Eine Sterilisation ist bei Frauen ein weitaus größerer Eingriff, als bei Männern. Also entschied ich mich für die kleine Operation bei mir. Gesagt, getan. Nicht ganz, denn so ohne weiteres macht das nämlich niemand. Der Urologe der mich beriet wollte zuerst gar nichts davon wissen, weil ich ja gesund war. Sein zweites Argument dagegen war, ich könne ja nicht wissen, ob ich bei meiner Frau bliebe und vielleicht später nicht doch mal Kinder haben wollte.
Ein zweiter Termin, ein paar Tage später, wurde einberaumt. Ich erklärte ihm mit allem Nachdruck dass ich die Sterilisation wolle. Diesmal war er sich wohl jedoch sicher, jemanden vor sich zu haben, der es ernst meint. Er erklärte sich schließlich bereit mich zu operieren. Seine Art zu reden war übrigens für einen Arzt ungewöhnlich locker. Als er mich über den Verlauf einer solchen OP aufklärte sagte er zum Beispiel: „Das ist nicht ganz so einfach wie du dir das denkst. Ist ja nicht so, dass ich dir die Eier in der Tür klemme und die Sache ist fertig.” Also wurde ich über alle möglichen Komplikationen einer solchen OP aufgeklärt und durfte auch noch einen Wisch unterschreiben, der ihn von Alimenten und Schadensersatzforderungen frei sprach, sollte es nicht klappen. Denn, Fehler und natürliche Regeneration könnten dazu führen, dass ich trotz Sterilisation noch Kinder hätte zeugen können. Ich unterschrieb den Wisch.
Das was im Krankenhaus passierte war eigentlich nicht so tragisch. Aufnahme auf die Station, kurzes Frage- und Antwort-Spiel des Anästhesisten wegen der OP und Verfrachtung auf ein Zimmer. Dort befand sich ein Mann mit der Gleichen OP. Am nächsten morgen sollte es losgehen. Ich würde als erster von uns beiden Leidensgenossen operiert werden.
Der nächste morgen war bis zu dem Moment lustig wo ein Pfleger herein gelatscht kam. Seinen Wagen mit allerlei Utensilien vor sich herschiebend begrüßte er uns. Dann meinte er uns für die OP vorbereiten zu müssen. Dazu war es leider notwendig im Intimbereich rasiert zu werden. Bis dahin, leichtes Geschmunzel und Erheiterung. Bis zu dem Moment wo er ein Rasiermesser ( kein Einwegrasierer, kein Sicherheitsrasierer, sondern so ein Ding wie zu Urgroßvaters Zeiten ) hervorzauberte und meinte: „Jetzt wird´s ernst.”
Das Lachen war schlagartig erstorben! Sich mit einem solchen Messer im Gesicht zu rasieren ist eine Sache, aber da unten. Ich kann Euch sagen: Mann kann auch untrainiert länger als vier Minuten die Luft anhalten! Immer mit dem Gedanken: „Junge, wenn du abrutscht, hat sich die OP erledigt!”
Er hatte eine ruhige Hand und die OP wurde normal durchgeführt.
An dieser Stelle möchte ich Euch eine kleine Erklärung abgeben.
Eine Sterilisation beim Mann ( Fachbegriff: Vasektomie ) ist ein kleiner Eingriff an den Geschlechtsorganen. Unter Narkose ( oft nur örtliche Betäubung und ambulant ) werden die Samenleiter durchtrennt und die Enden abgebunden. Dadurch wird verhindert, das Spermien mit den Ejakulat ( Ja ja, so heißt Das - Jungs ) aus dem Körper gelangen. Da die von den Hoden und Nebenhoden produzierten Mengen an Spermien und Flüssigkeit nur ca. 5 % des Ejakulats ausmachen, ist der Mengenverlust eigentlich nicht auffällig.
Nach der Operation, die wie schon erwähnt nicht unbedingt im Krankenhaus stattfinden muß, ist man noch nicht steril. Für ca. ein bis zwei Monate ist die Möglichkeit gegeben, dass sich Spermien in den höher liegenden Samenleitern befinden und heraus geschwemmt werden. Erst nach Untersuchung des Auswurfs ( ehemals Ejakulat ) auf Spermien ergibt Sicherheit. Werden bei zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen keine Spermien gefunden, ist man steril. Für ca. 10 Tage sollte der Geschlechtsverkehr nach der OP nicht durchgeführt werden. Auch die Masturbation sollte aus Wundheilungsgründen unterlassen werden.
Nach der OP sollte man einmal im Jahr seinen Auswurf untersuchen lassen, weil die Natur sehr regenerationfreudig ist. Es kann zu Granulomen kommen. Das sind Wucherungen mit denen der Körper versucht verlorenes Körpermaterial aufzufüllen. So können die durchtrennten Enden erst von diesem Granulom umschlossen werden, um später, praktisch einem Bypass gleich, einen neuen Weg für die Spermien zu schaffen. Nach ca. fünf Jahren braucht man sich keine Sorgen mehr zu machen. Dann ist das Thema des ungewollten Zusammenwachsens erledigt. Ab hier ist auch eine Operation zur Rückgängigmachung der Sterilisation nicht mehr von Erfolg gekrönt. Der Körper, besser die Hoden, beginnen schon während der Produktion der Spermien diese wieder aufzunehmen, wenn kein Ausgang für sie vorhanden ist. Sprich: Der Körper nimmt die Spermien wieder auseinander und verwertet das Material anderweitig. Also, die Angst, dass einem die Liebeskugeln platzen, ist unbegründet und schwachsinnig.
Nach der OP ging es mir richtig gut. Die beiden kleinen Einschnitte, rechts und links der Peniswurzel, verheilten gut. Nur hatte ich beim Gehen so meine kleinen Probleme. Auf Grund der leichten Schmerzen hatte ich eine Spurbreite wie eine russische Eisenbahn. Sprich: Sehr breitbeiniger Gang! Das hat sich aber nach drei, vier Tagen wieder gegeben. Da ließen dann die Schmerzen, eigentlich war es nur ein saudummes Ziehen, nach.
Die Tage danach wurde Keusch gelebt. Keinen Sex, weder mit meiner Frau, noch an und für sich. Danach wurde mit Kondomen gearbeitet. Die Tests zur Kontrolle fielen positiv aus. Ich war steril. Zeugungsunfähig.
Die Kosten für die OP trug meine Krankenkasse.
Doch jetzt fing der zweite Teil der Sterilisation an. Wie gehe ich damit um? Kann ich darüber reden? Die Antwort: JA!
Nur die Reaktionen meiner Mitmenschen ist bisweilen erstaunlich. Sehr erstaunlich.
Diese Reaktionen kann ich in zwei Lager aufteilen. Fragen und Antworten von Männer. Fragen und Antworten von Frauen.
Fange ich mal mit den Herren an.
Wenn ein Mann von mir erfährt dass ich steril bin, ohne weitere Hintergrundinformationen, bekomme ich mit 99 %iger Sicherheit folgende Frage: „Und wieso. Warst du mal Krank, oder ein Unfall?”
Bis hier noch vollständig nachzuvollziehen.
Erfährt der Mann aber auch noch die Ursache meiner Sterilität, bekomme ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit folgende Antwort: „Du Trottel.”
Weitere Glanzlichter männlicher Antworten: „Jetzt kommt nur noch heiße Luft.” „Das hätte ich nie gemacht.” „Irgendwann platzen deine Eier, wenn der Saft nicht raus kann.” Der bisher lustigste Spruch: „Jetzt bist du ein Spaßvögler.”
Wer mir diese Antworten nicht glaubt, kann einfach mal am Stammtisch oder unter guten Freunden behaupten, er wäre steril. Die Antworten: siehe oben.
Ach ja - meist bekommt man noch den „Ratschlag” es besser zu verschweigen.
Jetzt komme ich mal zu den Damen.
Erfährt eine Frau von meiner Sterilität, ist die erste Frage noch ähnlich der, die Männer stellen: „Aha, und wieso bist du steril?”
Wenn ich dann alles erzählt habe, sind die Antworten durchweg positiv. Die Antworten beinhalten eigentlich immer etwas wie: „Finde ich toll, wenn einer das für seine Frau macht.” Auch finden es Frauen meist recht mutig, es zu sagen.
Wenn ich jetzt beide Fraktionen miteinander vergleiche, fällt mir folgendes auf: Männer reden offensichtlich nicht über ihre Sexualität und die dazugehörigen Organe. Jeder Funktionsverlust, ob gewollt oder nicht, sollte totgeschwiegen werden. Wagt doch darüber einer zu reden, ist dieser als Mann kein Mann mehr und auch so zu titulieren.
Bei der weiblichen Fraktion empfindet man diese Offenheit als mutig, oder wie aus dem Zitat oben zu sehen, als Sensation. Ein Mann redet über etwas, was mit seinem „besten Stück” zu tun hat.
Nur zur Aufklärung:
Mein Sex funktioniert genauso normal wie vorher. Ich föhne meine Frau nicht beim Orgasmus und mir sind die Dinger auch noch nicht um die Ohren geflogen. Auch bin ich noch genauso „Mann” wie vorher.
Eine Sterilisation ist keine Kastration! Mir scheint, meine männlichen Kollegen sind sich des Unterschiedes nicht bewußt, oder wollen es nicht wissen. Frauen sind da offensichtlich, wahrscheinlich, weil sie es gewohnt sind auf ihren Körper aus biologischen Gründen zu achten, besser informiert.
Aber ich glaube jetzt nicht, dass ein unterschiedlich hohes Bildungsniveau für diese differenzierten Antworten die Schuld ist. Es scheint eine Einstellungssache zu sein.
Wenn ich den ach so männlichen Geschlechtsgenossen etwas sagen darf: Eine Sterilisation dient der Verhütung! Alles Andere, der Sex, die Gefühle, der Erguß etc., ist genauso wie vorher. Um es noch deutlicher zu sagen: Ohne Mikroskop sieht man es mir nicht an.
Vielleicht sollten wir alle etwas offener sein, was unsere Sexualität betrifft. Ich glaube, viele dumme Sprüche ließen sich vermeiden und so mancher Nachbar würde sich als steril outen.
Ich empfinde es als normal über meine Sterilisation zu reden. Wer immer mich fragt, warum meine Frau und ich keine Kinder haben, dem erzähle ich davon. Auch davon, das wir schon vorher keine Kinder wollten. Aber normal ist das Thema dennoch. Eine Sterilisation verändert nicht den Mann, der sie hat an sich durchführen lassen.
Der Glaube, das ein Mensch, egal ob Mann oder Frau, als nicht vollwertig gilt, dürfte eigentlich überholt sein. Die Realität sieht anders aus, leider.
Auf ein Fazit werde ich hier verzichten, weil jeder für sich eine Antwort finden muß, bei diesem Thema. Das Frauen hiermit offener umgehen können, finde ich gut. Auf der anderen Seite, bei den Männern, sollte vielleicht mal ein Umdenken geschehen. Oder wie sang Herbert Grönemeyer so treffend: „Ab wann ist ein Mann ein Mann?”
Ich bin jetzt schon auf die Kommentare gespannt, die ich bekommen werde.
Liebe Grüße
euer Dirk
© 07.09.2005 by Dirk ( für Yopi.de )
Anmerkung: Ich bin jetzt seit vierzehn Jahren „vom Netz” und habe keinerlei Beeinträchtigung meiner körperlichen Funktionen bemerkt. Weder bin ich von dem befürchteten „Samenstau” blöde geworden, noch bin ich sonst irgentwie in eine Abnormalität gerutscht. Ich fühle mich wohl und weiß warum ich es tat. Nichts anderes zählt. weiterlesen schließen
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