Pro:
ich hab nur ~21 Cent gezahlt; schnell ausgelesen
Kontra:
zuviel Gerede und zuwenig Action; lieblos gezeichnete Charaktere & mehr oder minder harmlose Darstellung des \"Hexers\"; unnötige nebst unlogische Abschnitte
Empfehlung:
Nein
Vor einiger Zeit ersteigerte ich bei ebay für ca. 17€ (und das inklusive Porto!) ein Buchpaket, welches sage und schreibe fast 80 Bücher umfasste, darunter solcherlei Bestseller wie „Das Geisterhaus“, „Schokolade zum Frühstück“, „Der Pferdeflüsterer“- man kann also sagen, so oder so; nur wegen dieser Werke habe ich schon ein echtes Schnäppchen gemacht!
Ein weiterer, enthaltener Roman war „Der Hexer“ von Edgar Wallace, zweifelsohne auch ein Klassiker, eines der ganz großen Meister des Krimis.
Doch ob es sich beim „Hexer“ auch um ein Meisterwerk handelt?
Wie gesagt, dieses Buch hat mich, auf die 80 Bücher umgerechnet ca. 21 Cent gekostet; der ursprüngliche Besitzer zahlte für „No 35 der Edgar Wallace-Gesamtausgabe in 82 Bänden“ wohl noch 8,80DM.
Das mir vorliegende Exemplar ist im Bertelsmann zugehörigen Goldmann-Verlag im Mai 92, wobei es sich hier schon um die 36. Auflage handelte, unter der ISBN 3-442-00030-0 erschienen und umfasst 155 Seiten + vier Zeilen. ;-)
Da der „Hexer“ auch sehr leicht zu lesen ist; ja, um es gleich vorwegzunehmen: dieser Roman weist keinen besonderen Anspruch vor; kann der geübte Leser ihn locker an einem gemütlichen Abend durchschmökern.
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Wer ist der Hexer?
Ja, das ist eine Frage, die nicht nur Scotland Yard, sondern die Polizei dreier Kontinente, gerne beantwortet wüsste.
Der Hexer ist genau jener Verbrecher, der so wandelbar ist und auch dementsprechend oft sein Aussehen verändert, so dass ihn nie niemand identifizieren kann und Phantombilder zwecklos wären. Das Einzige, was von ihm bekannt ist, ist sein Name: Henry Arthur Milton…
Seine Verbrechen lauten auf Mord; er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu rächen und die Leute zu töten, die eine „Bestrafung“ verdient haben.
Angeblich in Australien auf der Flucht verstorben, häufen sich nun aber die Anzeichen, dass der Hexer zurück in London ist…
London ist die Stadt, in der er einst seine Schwester Gwenda zurückgelassen hat, in der Obhut des dubiosen Anwalts Maurice Messer.
Messer ist ein gerissener Anwalt, der bereits die übelsten Gauner vor Gericht freigesprochen bekam; doch was bis auf die Angehörigen der Unterwelt niemand weiß: Messer bezieht sein Gehalt hauptsächlich aus dem Diebesgut besagter Gauner, für die er als Hehler tätig ist.
Maurice Messer ist absolut skrupellos und nur auf seinen eignen Vorteil bedacht; was er will, bekommt er auch bzw. er nimmt es sich eben.
Das Letzte, was er wollte, nahm und so bekommen hat, war Gwenda Milton, die Schwester des Hexers, die er „unehrenhaft entehrte“, worauf Gwenda sich todeslustig in die Themse stürzte und diese auch lebend nicht wieder verließ.
Und was sollte es einen anderen Grund für den Hexer geben, nach London zurückzukehren, als den, seine Schwester zu rächen und Maurice Messer zu seinem nächsten Opfer zu deklarieren?
Wie es der Zufall will, befindet sich Messers Kanzlei im R-Bezirk des Stadtteiles Deptford, der seit Neustem Bezirkskriminalinspektor Alan Wembury unterstellt ist.
Besagter Wembury wuchs als Sohn des Gärtners auf Lenley Court auf; seit dem Tod des Patriarchen ist die Familie Lenley, von er nunmehr nun nur noch die Kinder Mary, Alans heimliche Liebe, und Johnny übrig sind, vollkommen verarmt, dass ein Verkauf von Lenley Court unumgänglich ist und Mary und Johnny in die Stadt und nun selber ihren Unterhalt verdienen müssen.
Der Anwalt der Familie, der den Verkauf regelt und sich jetzt „väterlich“ um die beiden jungen Lenleys kümmert, ist niemand andres als Maurice Messer…
Zu Wemburys großem Entsetzen hat Mary zudem eine Stellung im Büro Messers` angenommen, über dem die Ankunft des Hexers wie ein Damoklesschwert schwebt und Wembury fürchtet auch um die Sicherheit seiner großen Liebe.
Und natürlich versucht Messer sogleich, auch diese zu becircen… Wozu ihm jedes Mittel recht ist…
So führte er Johnny in die halbseidene Gesellschaft ein, ließ ihn für sich stehlen, und verpfeift ihn jetzt sogleich an die Polizei, um ihn aus Marys Nähe zu schaffen, da Johnny ebenfalls an Messers guten Absichten bezüglich Mary zweifelt; schließlich ist allzu bekannt, welches Ende es mit Messers` vorheriger Schreibkraft nahm.
Alan ist Messer so außerdem gleich los, da er als für den Bezirk zuständiger Inspektor die Verhaftungen Johnnys` durchführen lassen muss und daraufhin irrtümlicher-, aber verständlicherweise annimmt, dass Mary ihm dies krumm nehmen könnte bzw. ihm mangelnde Loyalität vorwirft.
Ja, und nun ist Mary halt alleine mit dem obskuren Anwalt Messer; es bestehen keine Zweifel mehr, dass sich der Hexer in seiner Nähe aufhält; seine Frau hat Mary sogar schon aufgesucht, um sie zu warnen (?) , worauf kurze Zeit später in Marys Wohnung eingebrochen wurde und Alan Wembury verfolgt, zusammen mit dem gemütlichen Polizeiarzt Dr. Lomond fieberhaft die Spur des Hexers, weniger um Messer zu retten als um Mary in Sicherheit zu wissen…
Letztendlich kommt es dann zum „Showdown“ in der Höhle des Löwen, also bei Messer selbst, zu dem sich nahezu alle wichtigen Beteiligten des Romans – außer Johnny, der sitzt dank Messer ja mal wieder im Knast – nebst des Hexers einfinden…
Fressen oder gefressen werden – es ist nur die Frage, wer hier nun gefressen wird! ;-)
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Also zumindest ich habe keinen Narren an diesem Roman gefunden; zu viele Fragen bleiben offen, zu viele Zusammenhänge ungeklärt bzw. es werden Episoden eingebaut, die bis zum Ende komplett unnötig bleiben.
Man hat den Eindruck, als wäre Wallace locker mit der Hälfte der Seitenanzahl ausgekommen, als sei der Verlag damit aber nicht zufrieden gewesen, so dass Wallace den Roman nachträglich „gestreckt“ hat.
Der Hexer, der hier als „der“ Verbrecher schlechthin deklariert wird, wird verbrechenstechnisch ansonsten kaum erwähnt; es wird nur gesagt, dass er mordet, um zu rächen und zu strafen, aber so was Ähnliches hat Robin Hood ja auch getan, nur, dass der nicht gleich zu so drastischen Straftaten gegriffen hat. Und so fand ich den Hexer hier dann auch nicht einmal so unsympathisch, wie er von der Verbrecherkartei her hätte sein sollen bzw. der Hexer ist meiner Meinung nach einfach nicht böse genug dargestellt worden.
Johnny Lenley wird als kleiner Naivling dargestellt, und zwar derart doof, wie ein Mensch eigentlich gar nicht sein kann; so versucht Wembury ihn indirekt, aber deutlich vor jeder seiner kurz bevorstehenden Verhaftungen zu bewahren, dass er jetzt noch keinen, aber morgen bestimmt einen, Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung hat (anstatt das Diebesgut zu verstecken, liefert Lenley gleich „einfach so“ n komplettes Geständnis ab), dass gewisse Orte besser nicht aufgesucht werden sollte – der, an dem Lenley am besagten Abend für Messer verstecktes Diebesgut abholen sollte -; Lenley tappst natürlich trotzdem hin…
Auch Mary ist… naja…
Während Johnny aufgrund der vornehmen Herkunft noch reichlich versnobt, obwohl inzwischen total verarmt und selbst kriminell, daherkommt, erinnert Mary eher an ein devotes Hausmütterchen.
Realitätsbewusstsein ist ja schön und gut, aber in diesem Fall wirkt es derart übertrieben: Mary stammt aus einer Familie, die zig Angestellte besaß, und hat bestimmt ihr Lebtag noch keinen „alltäglichen“ Handschlag getan. Und nun zieht sie mir nichts, dir nichts vom ländlichen, riesigen Familiengut in eine kleine, schäbige Wohnung in Londons übelstem Arbeiterbezirk, nimmt sofort Messers` Stellenangebot an und tut, als hätte sie nie anders gelebt…
Ansonsten erfährt man auch kaum etwas um die Charaktere: der Hexer tötet, Messer haut einfach alle übers Ohr, Johnny klaut, Mary macht auf „alles normal“, Wembury schmachtet Mary an… und alle labern nur; ich kenne keinen andren Roman, in dem soviel geredet und kaum was wirklich getan wird!
Das kann aber auch daran liegen, dass der „Hexer“ zunächst nur ein Theaterstück war, welches dann von Wallace zum Roman umgeschrieben wurde, wobei er sich hier eindeutig wenig Mühe gab… Oder auch eher gar keine!
Der einzige Chrakter, der soweit noch alles im Blick hat, scheint der dabei doch auch etwas schrullige Polizeiarzt Dr. Lomond zu sein, wobei ich auch nicht verstehe, warum man allein bei der Fahndung nach dem Hexer einen Polizeiarzt hinzuzieht?! In der Hinsicht gibt es doch nämlich noch nix zu untersuchen…
Dubios ist auch die ständige Erwähnung von „Mr. Bliss“, einem anscheinend sehr hohen Tier beim Scotland Yard, der aber trotzdem wohl nie arbeitet, sondern nur im Falle von äußerst schwierigen Ermittlungen hinzugezogen wird. Jedenfalls fürchten sich beim Yard alle bei ihm, weil er so ein Ekelpaket ist; aber hier ist er nun zwar auch dabei, aber nicht direkt in die Ermittlungen mit einbezogen (und dazu hat man ihn aus den Staaten herkommen lassen!?), und er darf sich auch nicht einmischen… Aber wie gesagt: er ist ein gaaaaaanz hohes Tier!?
Jedenfalls wird Mr. Bliss aber dermaßen unsympathisch und unheimlich dargestellt, und er legt ein so auffälliges Verhalten an den Tag, dass der Leser ne ganze Zeit lang zu glauben neigt, dass es sich bei ihm um den Hexer handelt, aber das ist wohl auch der einzige Sinn, er in seinem Charakter besteht: den Leser auf eine falsche Fährte zu locken…
Zugegebenermaßen befand auch ich mich bis zuletzt auf dieser Spur, und habe den Roman nur aus dem Grunde zu Ende gelesen, um zu erfahren, ob ich mich da nun auf dem richtigen Weg befand. Ansonsten biegt sich die Spannungskurve hier nicht grade in ungeahnte Höhen hinauf.
Unerklärlich ist mir zudem auch das Handeln von Cora Ann Milton, der Frau des Hexers, wohl auch nicht grade ein unbescholtenes Blatt, die ihrem Mann bereits vorausgereist ist; denn sie ist augenscheinlich total verliebt in ihren Mann und „er tötet ja nu gerechtfertigt“, trotzdem rennt sie wild durch die Gegend und warnt alle um Messer herum vor ihm? Hä???
Auch das Ende erscheint mir nicht ganz nachvollziehbar: plötzlich finden sich alle bei Messer im Haus wieder; warum auch immer eigentlich – die Hälfte der Anwesenden wäre immer noch zuviel gewesen; nicht, dass nur die Hauptfiguren dort sind, nein, es scheint auch noch mindestens eine Hundertschaft von Scotland Yard dort aufgefahren zu sein; alle sind beisammen; das Licht geht aus und wenn es wieder an geht, befindet sich ne Leiche unter ihnen…
Und zu allem Überfluss wird dann auch noch erklärt, wer der Hexer ist und wie man ihn enttarnt hat und bitte: wenn man das doch alles schon vorher wusste, warum noch dieser ganze Hype?
Natürlich entkommt der Hexer aber auch diesmal wieder, und ich stehe vor einem letzten ungelösten Rätsel: wie kann man sich in einem Haus voller Menschen innerhalb einer halben Minute zu einem komplett andren Menschen maskieren?!
Im Übrigen weiß der Leser auch bis zum Schluss nicht, was nun aus Inspektor Wembury und Mary Lenley wird; auch ob Johnny Lenley, da man nun beweisen kann, dass er von Messer reingelegt wurde, wieder freikommt, wird nicht so ganz geklärt…
Ich bin in jedem Falle absolut ratlos zurückgeblieben…
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Leseprobe, Anfang (S.130, 1.Zeile; Kap.35)
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Lomond kam und verfluchte das Wetter. Etwas später traf unerwartet Maurice Messer auf der Polizeiwache ein. Nach der dunklen Nacht blendete ihn der hell erleuchtete Raum. Er blinzelte einen Moment und starrte dann auf den Polizeiarzt.
"Der Mann der Heilkunde und der Mann des Gesetzes!" Er schlug sich mit alberner Theatralik auf die Brust. "Beinahe eine historische Begegnung, lieber Doktor!" Darauf drehte er sich tu Wembury um. "Hat man ihn gefasst?"
"Sie sind nur hergekommen, um das zu erfahren? Sie hätten sich die Mühe sparen und telefonieren können!"
"Nein, nicht deshalb bin ich gekommen…" Er blickte nervös über die Schulter zurück. Der Polizist, der draußen Posten stand, war eingetreten und wisperte dem Inspektor etwas zu, für das sich auch der Doktor zu interessieren schien. "Nicht deshalb –", wiederholte Messer "Hackitt ist davongelaufen und hat mich allen gelassen, der verfluchte Feigling! Allein im Haus – meine Nerven halten es nicht aus, Wembury! Jedes Geräusch macht mich verrückt, das Knarren des Stuhls, das Stück Kohle, das im Kamin herunterfällt, das Klappern der Fenster…"
Aus der Dunkelheit erschien eine Gestalt in der offenen Tür – Bliss, er schaute einen Moment ins Dienstzimmer und verschwand wieder. Der Polizist entdeckte ihn gerade noch, als er sich umdrehte, und ging zur Tür. Der Sergeant und der Polizeiarzt folgten ihm langsam. (*)
Messer sprach noch immer auf Alan ein.
"Jedes Geräusch lässt mich aufschrecken, Wembury, mir ist, als ob mein Schicksal auf mich zukommt-" Er flüsterte nur noch. "Ich spüre es – im Zimmer, hier, überall, mir ganz nahe… Der Tod! O Gott, es ist schrecklich – schrecklich!"
Er wankte plötzlich. Alan fing ihn auf.
"Was hat er denn?" fragte der Sergeant."
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Leseprobe, Ende
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(*) Auch sehr interessant: die Frage des Sergeanten wird im Folgenden von Dr. Lomond beantwortet, wobei ich zumindest den sternchenmarkierten Satz nun so aufgefasst habe, als wären die beiden zusammen mit dem Polizisten aus dem Raum gegangen?!
Tja, was schließe ich nun aus dem Ganzen?
Gut, ich habe ja nun nicht direkt wirklich viel für diesen „Schund“ – als „Klassiker“ möchte ich den Hexer eigentlich nicht bezeichnen – ausgegeben, aber selbst diese Investition hat sich eigentlich nur insofern rentiert, als dass ich nun weiß, dass man sich Ausgaben für diese Wallace-Ausgabe ;-) eigentlich ersparen kann.
Es gibt noch einen weiteren Roman, der sich um den Hexer dreht, „Neues vom Hexer“, aber nach Lesen dieses Werkes reizt mich nun gar nichts dazu, noch mehr von diesem Fall im Folgenden zu wissen.
Im Übrigen, ich zahlte 21 Cent, der Originaleigentümer noch 8,80DM, also ca. 4,40€, inzwischen hat es der Goldmann-Verlag unter der ISBN 3-442-05292-0 auch schon für 2,50€ verscherbelt… Ich finde diese Tatsache schon bemerkenswert…
Aber ich kann euch nur raten: es ist so schönes Wetter im Moment, investiert das Geld lieber für den Eintritt ins Freibad, kauft euch ein Eis, genießt n kühles Bier… Da habt ihr eindeutig mehr von! weiterlesen schließen
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