Pro:
Wunderbarer, nachdenklicher Film
Kontra:
Nichts für Liebhaber billiger Unterhaltung
Empfehlung:
Ja
Whale rider erzählt gleichzeitig eine alte Maori-Legende auf neue Art und erzählt auch vom nötigen Umdenken der Maori: War einst ein starker Mann der Reiter des Wals, so wird dies jetzt ein junges Mädchen. Er erzählt neben der alten Legende und dem daraus gebildeten neuen Märchen auch von der Kraft der uns so weit entfernten Natur, aber auch von der Kraft, die manchen Menschen – hier dem jungen Mädchen – innewohnt.
Dieses Mädchen heißt Paikea (Keisha Castle-Hughes). Paikea hat bei ihrer Geburt nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihren Zwillingsbruder verloren. Ihr Vater hat diesen Verlust nie verwunden, wobei für ihn der Verlust der geliebten Frau der schlimmere Verlust war. Sein Vater wiederum, Koro, Paikeas Großvater, der bei den Maori einen hohen Status besitzt, hat eine Sicht von den Geschlechtern, die an Verachtung der Frauen und Verherrlichung der Männer grenzt. Für ihn war an dem Verlust nicht der Tod seiner Schwiegertochter schlimm, sondern nur der Tod seines Enkels, der eigentlich einmal sein Nachfolger werden sollte.
Diese Sichtweise seines Vaters hat der Sohn nicht ertragen; und so ist er nach Deutschland geflohen, wo er sozusagen eine neue Familie gegründet hat.
Seine Tochter Paikea aber hat alle die Eigenschaften, die ein Führer, ein Held braucht; aber: Sie ist ja nur ein Mädchen.
Es muss viel passieren in dem Film, bis der Großvater seine Frauen verachtende Meinung nur ein klein wenig wandelt, und seine Enkelin Paikea muss noch vieles leisten – mehr als alle Jungen des Dorfes – und ihr Leben aufs Spiel setzen, bis sie endlich einen Hauch von Anerkennung und Liebe erhält und damit eine Jahrtausende alte Tradition der Geschlechterbedeutung in Bewegung setzen kann.
Gebildet wird diese Geschichte einer langsamen Wandlung und Entwicklung, indem an die alte Legende von der Entstehung der Maoris angeknüpft wird. Sie lautet: Von Hawaiki reiste ein Mann namens Paikea an die Ostküste Neuseelands nach Whangara, indem er auf einem Wal saß. Warum das Mädchen Paikea genau seinen Namen trägt, und warum der Film "Whale rider" heißt, liegt nun nicht mehr sehr fern.
Bis dahin – bis sie wirklich als kleines Mädchen das tut, was die Legende vom starken Mann berichtet – ist es aber noch ein weiter Weg.
Zunächst hat sie überhaupt keine Anerkennung von ihrem Großvater; an der Unterrichtung der Jungen kann sie nur teilnehmen, indem sie heimlich mithört und die Übungen für sich erledigt; viel Zeit vergeht auch, bis sie schließlich ihr Können unter Beweis stellen kann, indem sie als Einzige einen Schatz aus ziemlicher Tiefe herauftaucht.
Ziemlich erstaunlich ist schon ihre Fähigkeit, ein Rudel gestrandeter Wale, dem niemand helfen kann, wieder ins Wasser zu bringen. Aber die Geschichte geht noch weiter ...
Die Regisseurin Niki Caro aus Neuseeland hat hier einen reizenden Roman des Neuseeländers Witi Ihimaera verfilmt; sehr schön verfilmt, sehr weiblich und frauenfreundlich, sehr kunstvoll und märchenhaft, sehr sanft und ruhig. Die neuseeländische Natur ist ja ein Traum, und sie ist hier auch traumhaft schön eingefangen. Die Kameraführung entspricht der ruhigen Erzählweise des Films; sie ist einfach angenehm und ruhig. Die Musik greift auf die Maori-Traditionen zurück und bietet sogar dem Kenner viele neue Eindrücke.
Aber das alles – die gute Regie, die wundervollen Naturaufnahmen, die angenehme Kameraführung, die wundervolle Musik und das interessante Thema -, das alles wird hier in diesem Film in den Schatten gestellt von einer auffallenden schauspielerischen Naturbegabung, von eben jener 12-jährigen Keisha Castle-Hughes, von der wir noch viel hören werden, da bin ich sicher.
Solche Grazie und Anmut, aber auch solche Kraft, solch natürliche Ausstrahlung gibt es bei kindlichen Darstellern selten. Da gibt es kein Getue und Gezicke, keine einstudierten Gesten – nein: Sie spielt so, als würde sie gar nicht spielen.
Neben der Wiederholung der Legende - aus altem Mann wird dabei junges Mädchen - erleben wir durchaus auch ein Märchen, eine Geschichte vom Erwachsenwerden. Nur ist es nicht nur das Erwachsenwerden von Pai(kea), sondern auch das Erwachsenwerden, nämlich Anerkennen der Gleichwertigkeit der Frauen, eines ganzen Volksstammes.
Was macht nun den Reiz des Films aus? Er ist legendenhaft, märchenhaft, ruhig, strotzend von Natur und Kraft – weiblicher Kraft – und liebenswert. Wer einen solchen Film verträgt, den jemand, der von zu viel Action verwöhnt (oder verdorben?) ist, langweilig finden könnte, der ist hier richtig.
Wer aber Action, Erotik, Witz oder Unterhaltung sucht, der muss wissen, dass er sie in diesem Film nur ganz subtil, nur ganz zart angedeutet, finden wird. Was man hier aber findet, ist ein wunderschöner Film mit sehr schönen Bildern, einer jungen Schauspielerin mit Naturtalent und herrlicher Musik. Und was man auch findet, ist ein Film, der uns mit einer fremden Kultur begegnen lässt, der uns schön und kunstvoll zugleich erscheint und der uns zwei ruhige und schöne Stunden beschert. weiterlesen schließen
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