Pro:
großartige Schauspielerleistung
Kontra:
DVD-Ausstattung mäßig, Identifikationsprobleme
Empfehlung:
Ja
Die Story:
In Kaff Falls City taucht der junge Brandon Teena aus dem nicht weit entfernten Lincoln auf und freundet sich mit der Clique um John, Tom und Candace an, zu der auch die schöne Lana gehört, in die Brandon sich verliebt. Was anfangs niemand von den jungen Leuten weiß: Brandon Teena ist eigentlich das Mädchen Teena Brandon, die sich jedoch als junger Mann fühlt und jetzt auch so leben will.
Brandon Teena lebt sein neues Leben voll aus, angestiftet vor allem von John, Brandons großem Vorbild, mit Besäufnissen, Autorennen mit der Polizei usw.
Doch schließlich kommt heraus, dass Brandon, der Frauentyp, eigentlich ein Mädchen ist. Während Lana zu ihm steht (wobei sie sich der Realität überhaupt nicht zu stellen scheint – sie hat den ersten netten Jungen ihres Lebens kennen gelernt und will, dass alles so bleibt, wie es ist), hat Lanas Mutter und ihre Clique Probleme damit. Brandon wird von John und Tom vergewaltigt, von der Polizei wird er mehr verspottet, als dass man ihm hilft, und als Brandon mit Lana weggehen wird, wird er schließlich von John erschossen.
Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, genauer gesagt: einem wirklichen Mord, der sich 1993 ereignet hat. Drehbuchautorin und Regisseurin Kimberley Pierce hat über das Thema schon 1995 einen Kurzfilm gedreht (der meines Wissens in Deutschland nirgends zu sehen war).
Der Film gewann im Jahr 2000 (einem sehr, sehr starken Oscar-Jahr mit Filmen wie „The Sixth Sense“, „American Beauty“, „Magnolia“ und „Der talentierte Mr. Ripley“) den Oscar für die beste Hauptdarstellerin, Hilary Swank als Brandon, und war außerdem nominiert für die beste Nebendarstellerin Chloe Sevigny als Lana, die allerdings nicht gewann. Außerdem gewann der Film eine Unmenge anderer internationaler Filmpreise.
Interessant finde ich das gerade im Zusammenhang mit dem Aufstand, der vor der diesjährigen Oscarverleihung um den Film „Brokeback Mountain“ gemacht wurde – eigentlich ist der Stoff von „Boys don’t cry“ ja erheblich ungewöhnlicher und skandalöser, und hat es trotzdem bereits einige Jahre früher (und mit weniger Gerede darum) zur Oscarverleihung geschafft!
Der Film ist grandios gespielt – und entsetzlich deprimierend.
Die beiden Schauspielerinnen, die den Film tragen, sind tatsächlich Hilary Swank und Chloe Sevigny.
Hilary Swank gewann völlig zu Recht den Oscar. Wenn ihr sie (noch) nicht aus dieser Rolle kennt, dann kennt ihr sie womöglich aus einer anderen Rolle, mit der sie noch einen Oscar als beste Hauptdarstellerin gewann, nämlich als Maggie in „Million Dollar Baby“. Mir gefällt sie eigentlich in „Boys don’t cry“ noch besser, weil sie es schafft deutlich zu machen, dass Brandon ohne weiteres als junger Mann durchgeht, aber gleichzeitig auch die Verletzlichkeit des vergewaltigten Mädchens rüberbringt. Und wenn man dann noch weiß, dass sie im echten Leben eine wunderschöne Frau ist, ist dass vielleicht noch überraschender und unterstreicht noch zusätzlich, was für eine großartige Schauspielerin sie sein muss.
Chloe Sevigny hatte ursprünglich ebenfalls für die Rolle des Brandon vorgesprochen (übrigens genauso wie die beiden Schauspielerinnen, die schließlich die beiden anderen größeren Mädchenrollen des Films, Kate und Candace, gespielt haben). Wer sich davon überzeugen will, dass sie das sicher auch überzeugend gekonnt hätte, der sollte sich die zweite Episode aus „Women love Women“ anschauen, wo sie eine sehr butche Lesbe spielt. Als Lana kommt sie dagegen ziemlich feminin und mit aller Naivität der Figur vor allem im zweiten Teil des Films sehr überzeugend rüber.
Die übrigen Rollen sind weniger prominent, aber trotzdem überzeugend besetzt.
Ich denke aber, dass der Film zwar zu Recht den Oscar für die weibliche Hauptrolle sowie die Nominierung für die weibliche Nebenrolle erhalten hat, es überrascht mich aber nicht, dass es keine Nominierung für Drehbuch oder Regie gab, denn mit der Story an sich habe ich einige Probleme.
Die Identifizierung mit Brandon und seinem Wunsch, ein Mann zu sein, klappt relativ gut über die wunderbare Schauspielerin, aber was er dann macht, damit habe ich so meine Probleme, denn an der Clique von Lana ist nichts begehrenswert, sie besteht aus lauter jungen Leuten, deren Leben eigentlich schon vorbei ist, weil sie keinerlei Perspektive haben, außer sich abends bis zum Filmriss zu besaufen und sich lebensgefährliche Autorennen mit der Polizei zu liefern. Jetzt kann man natürlich sagen: es war halt so in der Realität, aber das hilft mir trotzdem nicht, Brandon als Filmfigur zu verstehen. Auch Lana scheint mir am Anfang des Films wenig begehrenswert. Ein Freund von Brandon bezeichnet sie im Film als „white trash“, was eine Bezeichnung für die aller-, aber allerunterste weiße Unterschicht der USA ist, und genau so kommt sie rüber. Liebenswert wird sie für mich erst, als sie zu Brandon steht, nachdem herausgekommen ist, dass er eigentlich ein Mädchen ist.
Der Film ist wieder einmal so ein Fall, der wunderbar gespielt ist und den man insbesondere für die schauspielerische Leistung nur loben kann – aber der in mir trotzdem ein schreckliches Gefühl hinterlässt. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob man den Film guten Gewissens empfehlen kann. Wer ihn ansieht, der sollte sich in jedem Fall vorher darüber im Klaren sein, dass er sich damit auf eine furchtbare Geschichte einlässt.
Der Film hat eine Einstufung als FSK 16, was mir angesichts der gezeigten Gewalt, insbesondere des sexuellen Gewalt richtig erscheint. Was mir aber in diesem Film an der Gewaltdarstellung sehr gefällt, ist, dass Gewalt hier immer deutlich negativ dargestellt wird (was ja gerade in Hollywoodfilmen alles andere als selbstverständlich ist). Leider gilt das nicht so sehr in Bezug auf Alkoholmissbrauch und gefährliche „Jungenspielchen“ wie der Autoraserei ...
DVD-Extras:
An Sprachen bietet die DVD Englisch und Deutsch, bei den Untertiteln diese und zusätzlich noch Türkisch.
„Sonderausstattung“:
„Kinotrailer“ (2’15): Ehrlich gesagt, aufgrund dieses Trailers hätte ich mir diesen Film nicht angeschaut, er ist nicht besonders spektakulär.
„Featurette“ (4’18): Genau genommen ist das auch eher ein Werbefilm als ein „Extra“. Zwar kommen die beiden Hauptdarstellerinnen und ein paar andere Leute zu Wort und reden darüber, was sie über den Film und ihre eigenen Figuren denken, aber was man erfährt, ist leider enttäuschend wenig. Was schön daran ist, dass man hier Hilary Swank im Interview sieht – mit einer ganz ähnlichen Frisur wie als „Brandon“, aber sehr, sehr feminin. Da erkennt man dann plötzlich, dass es daran liegt, wie sie die Figur spielt, dass man sie ihr als jungen Mann abnimmt!
„Teaser“ (1’39): Auch aufgrund dieses Teasers hätte ich den Film wohl kaum angeschaut.
Drei TV-Spots (je 0’32): Die sind besser als die anderen Trailer – allerdings bleibt es dabei: alles nur Werbung.
„Kommentar des Regisseurs“: Der Titel dieses Extras beweist, wie wenig Sorgfalt auf die DVD verwendet wurde, da es der Kommentar der Regisseurin ist (ich wäre zwar ohne weiteres bereit, unter dem Begriff „Regisseure“ männliche und weibliche Regisseure zu verstehen, aber bei „Regisseur“ geht das dann doch ein bisschen zu weit, wenn es genau eine Regisseurin ist). Gerade bei einem Film mit diesem Thema, denke ich, sollte man vielleicht ein bisschen Wert darauf legen!
Inhaltlich ist dieser Audiokommentar einer der besten Audiokommentare, den ich je gesehen habe. Die Regisseurin erzählt, warum sie den Film gemacht hat und welche Überlegungen sie zu einzelnen Details hatte. Obwohl sie wenig wirklich Fachliches erzählt, ist der Audiokommentar sowohl für die interessierten Normalzuschauer als auch für Fachzuschauer äußerst interessant.
Trotzdem finde ich die DVD-Ausstattung insgesamt eher enttäuschend. Ich meine: alles bis auf den ausgezeichneten Audiokommentar ist nur Werbung. Gerade bei diesem Stoff hätte sich doch angeboten, ein Feature über die realen Hintergründe des Films zu bringen. Und da es ein Oscar-prämierter Film ist, hätte ich ein ausführliches Interview mit Oscar-Gewinnerin Hilary Swank begrüßt. Auch der Kurzfilm von 1995 wäre eine tolle Zugabe auf der DVD gewesen.
Ich meine: schließlich ist das ein Film, der einen Oscar gewonnen hat. Da könnte man doch eigentlich erwarten, dass genug Interesse daran besteht, um eine richtig gut ausgestattete DVD auf den Markt zu bringen, oder?
Fazit:
Ich kann den Film nicht guten Gewissens empfehlen, weil er dafür zu deprimierend ist. Wer aber bereit ist, sich auf diese schreckliche Geschichte einzulassen, der bekommt wenigstens eine tolle schauspielerische Leistung und eine gewissenhafte Umsetzung eines realen Falls geboten. weiterlesen schließen
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