Pro:
spannend, gruselig, Bonusmaterial
Kontra:
etwas altmodisch (aber solide) inszeniert, bescheidener Sound
Empfehlung:
Ja
Ein außergewöhnlich professionell gemachter Horrorstreifen, der schon fast in der gleichen Liga wie "Der Exorzist" und "Das Omen" spielt. Man sollte sich nicht von dem Umstand irritieren lassen, dass Peter Medak für ein Werk wie "Species II" verantwortlich ist.
Filminfos
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O-Titel: The Changeling (USA 1979)
FSK: ab 16
Länge: ca. 102 Min.
Regisseur: Peter Medak
Musik: Rick Wilkins/Wannberg
Story: Russell Hunter
Drehbuch: William Gray, Diana Maddox
Darsteller: George C. Scott, Trish van DeVere, Melvin Douglas u.a.
Handlung
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Der Komponist John Russel (George C. Scott) hat bei einem Autounglück in den Bergen seine Frau und seine Tochter verloren. Gebrochen zieht er in eine ganz andere Gegend, nach Seattle. (Gedreht wurde aber in Vancouver.) Von der Historischen Gesellschaft erfährt er, dass ein altes Herrenhaus, das Chessman House, zum Verkauf steht. Die Maklerin der Gesellschaft, Claire Norman (DeVere, Scotts Ehefrau), zeigt ihm das äußerst weitläufige Gebäude: Er ist begeistert. (Wir auch: Der Zuschauer bekommt wirklich was zu sehen, denn die Kamerafahrten von Mr. Coquillon sind schier endlos, aber sehr schön.)
Schon bald macht sich das Haus als eigenständiges Wesen bemerkbar. Ein rhythmisches Donnern dröhnt in Russels ausgebildetem Gehör, und das alle sechs Stunden. Sein Ursprung ist nicht festzustellen. Weitere Geräusche folgen, und eine Präsenz bemächtigt sich des Künstlers. Als er komponiert, kommt dabei eine Art Wiegenlied dabei heraus, wie Claire findet. Und jemand will mit John spielen: Ein Ball, wie ihn seine tote Tochter hatte, rollt die Treppe herab.
Unterm Dach stemmt und krempelt sich John seinen Weg in ein unheimliches Zimmer frei: Unter all dem Staub und den Spinnweben ist ein altes Kinderzimmer erkennbar. Ein leerer Rollstuhl ist wie für ein Kind gemacht. Wer hat hier gelebt und spukt noch immer? Ein Schulheft aus dem Jahr 1909 gib John und Claire einen ersten Hinweis. Eine Spieldose lässt genau jenes Wiegenlied ertönen, an dem John tagelang komponiert hat.
Im Chessman House ereignete sich 1909 eine Familientragödie: Der Arzt Barnard hatte eine Tochter, Cora, die nach einem Autounfall im Rollstuhl sitzen musste. Doch das Gespenst, das John nicht in Ruhe lässt, ist nicht Cora. Als ein weibliches Medium seine Kräfte einsetzt und mit automatischem Schreiben seine Botschaften niederschreibt, ergibt sich, das der Geist ein Joseph ist.
Der Junge wurde von seinem Vater in der Badewanne ertränkt. Joseph Carmichael war der Sohn des Senators Carmichael (der wunderbare Melvin Douglas, ein wahrer Veteran der Shakespeare-Bühne), dem Vorbesitzer des Chessman-Hauses und Johns Gönner. Joseph, der Geist gibt einen mysteriösen Hinweis auf eine Medaille und eine Ranch mit einem Brunnen...
Bei seinen Nachforschungen lüftet John das Geheimnis der Familie Carmichael, doch damit ist dem Rachebedürfnis des Geiste noch lange nicht Genüge getan. Jemand muss sterben, doch wie kann ein Geist Rache üben?
Die DVD
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Technische Infos
Bildformate: 1:1,85, 16:9
Tonformate: Engl.: Dolby stereo; alle anderen: Dolby mono
Sprachen: Dt., Engl., Span., Ital.
Untertitel: Dt., Engl., Span., Ital., Portug., NL (die dt. Untertitel weichen stark von der Synchronisation ab!)
Extras:
- Audiokommentar von Regisseur Medak
- Bewegte Fotogalerie
Mein Eindruck
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Wie uns der aufschlussreiche Audiokommentar von Peter Medak, dem Regisseur, verrät, basiert die Story des Films auf einer wahren Begebenheit - unglaublich , aber wahr. Der Originaltitel leitet sich von der Vertauschung zweier Kinder her. Medak wollte keinen satanischen Thriller à la "Omen" oder "Exorzist" machen, sondern eine "Ghost Story", aber in der Manier von Alfred Hitchcock - man denke an das düstere Haus in "Psycho". Zwar fehlt die Ironie des Meisters, doch ansonsten ist Medak ein psychologischer Schocker gelungen, der mit leisem Grusel und sorgfältig dosierten Schockeffekten seine Wirkung erzielt.
Dabei spielt natürlich das Chessman House eine zentrale Rolle, denn es ist ja selbst eine Hauptfigur. Es ist überraschend zu erfahren, dass es komplett extra für diesen Film gebaut wurde. Medak konnte nur hier die ausgedehnten Kamerafahrten (mit Steadycam etc.) ausführen, die nicht nur dazu dienen, Atmosphäre und Stimmung zu erzeugen, sondern auch den subjektiven Blickwinkel des Hausgeistes zu zeigen (point-of-view-Perspektive).
Doch Haus und Bewohner gehören zusammen, beide reagieren aufeinander. Der Schrecken, der sich in Johns Gesicht abzeichnet und zunehmend vertieft, ist wie ein Seismograph, der psychische Erschütterungen anzeigt. Scott zeigt dies fabelhaft, ebenso seine Gattin, Trish DeVere. Ein Höhepunkt besteht darin, dass er die Tonbandaufnahme der Sitzung mit dem Medium nochmals abspielt. Sehr detailreich und nuanciert kommt er dem Grauen auf die Spur: Die Stimme des Geistes Joseph ist auf dem Band...
Natürlich muss John die Umwelt mit seinen Erkenntnissen konfrontieren. Die Polizei findet sein Verhalten merkwürdig, doch er findet Beweise. Senator Carmichael schlägt zurück, doch Joseph ist schneller. Es ergeben sich also durchaus Actionmomente, doch diese sind sehr zurückgenommen - fast schon Schockeffekte in statischen Bildern.
Natürlich ist auch das Finale durch eine psychische Konfrontation bestimmt. Nun erst, nachdem er dem ermordeten Kind zum Recht verholfen hat, ist auch Johns Seele erlöst: Indirekt hatte er sich selbst für den Tod seiner Familie verantwortlich gemacht. Er hat gesühnt.
Die DVD
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Medaks Kommentar ist nicht nur erhellend und informativ - er stellt eine regelrechte Schule der Filmkunst en miniature dar. Hier können selbst ausgebuffte Cineasten noch etwas lernen. Er weist auch darauf hin, wie das Studio auf die Endfassung des Films Einfluss nahm - Medaks Fassung wäre eindeutig europäischer, weil subtiler geworden; die des Studios ist amerikanischer: Man beginnt mit einem Knall.
Die Fotogalerie fasst die zentralen Szenen des Films zusammen. Es lohnt sich übrigens, die deutsche Fassung mit den deutschen Untertitel anzusehen: Die Diskrepanzen sind ähnlich verblüffend und aufschlussreich wie bei der "MASH"-Special Edition (siehe dort). Die zeitgenössische Synchronisation unterdrückt etliche Fakten. Der Ton ist in der Originalfassung eindeutig besser: stereo statt mono.
Unterm Strich
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"Das Grauen" ist einer jener raren Horrorstreifen, die man sich gerne noch ein zweites Mal anschaut. Die Story ist bis ins letzte Detail ausgeformt, es gibt keine losen Fäden, und das Finale ist konsequent herbeigeführt, stilsicher realisiert und wirkt keineswegs aufgesetzt. Heutige Seherwartungen werden durchaus enttäuscht.
Wer meinte, der Regisseur eines Machwerks wie "Species II" habe nichts drauf, wird hier angenehm enttäuscht. Die Schauspieler, die Kamera, der Schnitt, die Ausstattung - alles wirkt harmonisch und optimal zusammen. Schade, dass der deutsche Verleihtitel dieses gelungene Werk so billig erscheinen lässt.
Nur für die sparsame DVD-Ausstattung gibt es einen Punktabzug.
Michael Matzer (c) 2003ff weiterlesen schließen
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