Pro:
ungewöhnlicher Film, fern ab von Hollywood
Kontra:
unnötig brutal, schwache Kamera, fast nur türkisch
Empfehlung:
Ja
Einleitung
Gegen die Wand ist ein etwas anderer Film, vielleicht ist es sogar der "anderste" Film den ich in meinem Leben bisher gesehen habe. Viel diskutiert wurde im Vorfled über "Gegen die Wand", er wurde mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, später kam jedoch heraus, daß die weibliche Hauptdarstellerin auf eine lange Pornokarriere zurückblicken kann - ob das nun schlimm ist oder nicht. Daß es sich um einen nicht gerade gewöhnlichen Film handelt wird schon klar wenn man sich den Regisseur betrachtet, denn mit Fatih Akins stammt der Film von einem in Deutschland lebenden Türken der so garnicht in das übliche Filmemacherklische passen will.
Die Story
Die Story ist nicht ganz leicht zu umschreiben, klingt sie auf den ersten Blick doch extrem befremdlich und eher nach einem enorm dümmlichen Klamauk. Sibel ist eine in Hamburg wohnende, junge türkische Frau deren Eltern schon vor ihrer Geburt nach Deutschland gezogen sind. Wie andere junge Menschen auch, will sie vor Allem Spaß haben und das Leben genießen, ihre Familie ist jedoch extrem konservativ und verbietet ihr praktisch Alles, ihr Bruder hat ihr sogar das Nasenbein gebrochen, weil er sie beim Händchenhalten erwischt hat. Cahit ist ebenfalls türkischer Abstammung und führt eine bescheidene Existenz in einer total heruntergekommenen Bruchbude. Für Beide scheint der letzte Ausweg Selbstmord zu sein - Sibel schneidet sich die Pulsadern auf und Cahit fährt gegen eine Wand. Zufälligerweiße passiert das in der gleichen Nacht, so daß sich beide im Krankenhaus begegnen. Sibel hat von da an eine Idee - Cahit soll sie heiraten, denn dann würden ihre Eltern endlich aufhören sie zu überwachen. Cahit ist davon zunächst nicht gerade überzeugt, lässt sich aber schließlich doch umstimmen, nachdem sich Sibel erneut die Pulsadern aufschneidet. Im weiteren Verlauf des Filmes entwickelt sich eine hochemotionale Beziehung, da die Beiden doch Gefühle füreinander entwickeln, was zu einigen ersten Komplikationen führt. Mehr möchte ich dazu nicht verraten, der Film ist es nämlich durchaus wert angeschaut zu werden.
Die Schauspieler
Da der Film von einem türkischen Regisseur stammt und er sich mit in Deutschland lebenden Türken beschäftigt sind natürlich auch die meisten der Schauspieler Türken. Um Nahe an der Realität zu bleiben wird deswegen auch die meiste Zeit türkisch gesprochen, unterlegt mit deutschen Untertiteln. Die schauspielerischen Leistungen können sich dabei durchaus sehen lassen, vor Allem die beiden Hauptdarsteller Birol Ünel und Sibel Kekilli können ihre Rollen wirklich überzeugend darstellen - man nimmt Cahit seine Emotionsschankungen wirklich ab, sie wirken zu keiner Zeit überzogen oder aufgesetzt. Lediglich einige der Nebenrollen können nicht wirklich überzeugen, so wirken einige Familienmitglieder von Sibel einfach zu archetypisch, eben so wie sich Otto Normalbürger einen typischen Türken vorstellt.
Der Sound
Soundtechnisch wird der Film sicher spalten. Die allgemeine Geräuschkulisse ist sehr gut aufgebaut, es ist weder zu still noch wirken die Schauplätze mit Tönen überladen, lediglich einige kleinere Ungereimtheiten wie Vogelgezwitscher mitten in der Nacht fallen am Rande etwas auf. Musik spielt dagegen eine sehr große Rolle in dem Film, fast alle Szenen sind mit Musikstücken verschiedener Genres geschmückt, ganz klar dominant ist dabei Techno und Hip Hop was so manchem Pop, Rock oder Metal Hörer auf Dauer schon ziemlich auf die Nerven gehen dürfte. Wie auch immer man zu den einzelnen Musikstilen steht, so muß man aber auf jedenfall festhalten, daß sich die gewählte Musik immer sehr gut der aktuellen Umgebung anpasst und keine Dialoge übertönt werden.
Bild und Kamera
Die Kameraführung ist sicher ein großes Manko von Gegen die Wand, die Szenen wirken häufig ein wenig verwackelt oder unscharf. Dies fällt vor Allem bei Drehorten im Innerne von Gebäuden auf wo man sich manchmal schon sehr darauf konzentrieren muß alle Einzelheiten zu erkennen. Dem gegenüber steht eine teilweiße sehr rasante und gutgemachte Bildabfolge in der gelegentlich mehrere Wochen kurz zusammengefasst werden. Da diese Szenen jedoch häufig Schock- und Ekelelemente enthalten auf die ich später noch eingehen werde fällt auch dieser Teil eher negativ auf.
Weitere Besonderheiten
Zunächst einmal sollte man eine echte Skurilität des Films herausstellen - zu Beginn und immer wieder während des Films findet man urplötzlich eine kleine türkische Band samt Sängerin wieder die vor der Kulisse einer Moschee ein Liebeslied zum Besten gibt. Diese Szenen lassen während des ganzen Films jeglichen Bezug zur eigentlichen Handlung vermissen, Zeilen wie "mögen meine Feinde erblinden" mitten in einem Liebeslied ernten aber zumindest einige verwunderte Lacher.
Kritisch betrachten muß man dagegen die teilweiße schon extreme Gewaltdarstellung sowie einige Nacktszenen. So kann man in allen Einzelheiten bewundern wie Sibels Arm wieder zusammengeflickt wird, ein andermal bekommt ein völlig demoliertes Frauengesicht in Großaufnahme präsentiert. Für einen Film der ab 12 Jahren freigegeben ist für mich ganz klar übertrieben, zumal diese Bilder häufig in einer schnellen Abfolge hintereinander kommen was den Schockeffekt noch verstärkt. Dazu kommen einige Sexszenen in denen man schon recht viel zu sehen bekommt. Im meinen Augen nicht weiter tragisch, für einen ab 12 freigegeben Film aber ebenfalls etwas ungewöhnlich und eigentlich einfach überflüssig, da der Film dadurch nicht wesentlich weitergebracht wird.
Meine Meinung
Als "Gegen die Wand" in der Sneak angekündigt wurde hielt sich die Begeisterung zunächst doch sehr in Grenzen und so richtig geändert hat sich das auch während des ganzen Films nicht. Teilweiße ist der Film geradezu schreiend komisch, aber nur eine Minute später wendet man sich voller Ekel von der Leinwand ab. Die Story ist bewusst krass und überzogen erzählt, sie driftet mit der Zeit aber in Dimensionen ab die einfach unglaubwürdig erscheinen und den Film doch einige Punkte kosten. Überhaupt scheint dem Regisseur nach etwa einer Stunde ein wenig die Puste ausgegangen zu sein, denn bekommt man in den ersten 60 Minuten noch echtes Powerkino geboten so ziehen sich die verbleibenden 50 Minuten doch schon extrem in die Länge. Ein Happy End gibt es nicht - eigentlich gibt es überhaupt kein richtiges Ende - auch das trägt dazu bei, daß man das Kino mit sehr gemischtem Emotionen verläßt. Auf der einen Seite fühlt man sich aufgerüttelt und bewegt, der Film ist aber auch doch wieder zu weit entfernt und dauerhaft zu berühren.
Fazit
Außergewöhnliche Filme sind in aller Regel auch außergewöhnlich schwer zu bewerten. Die Kritiker in Berlin scheint der Film überzeugt zu haben, das muß jedoch nicht unbedingt etwas darüber aussagen, ob der Film auch für ein gewöhnliches Publikum taugt. Ich für meinen Teil kann den Film nur als mittelmäsig bezeichnen, er hat ganz klar seine Stärken, er hat jedoch auch nicht zuvernachlässigende Schwächen. Ich spreche trotzdem eine ganz klare Empfehlung für den Film aus, da man in jedem Fall etwas verpaßt hat wenn man Gegen die Wand nicht gesehen hat, denn mehr als genug Gesprächsstoff liefert der Film alle mal.
Wer also bereit ist 2 Stunden lang Untertitel zu lesen und vor einigen Gewalt- und Nacktszenen nicht zurückschreckt, der bekommt einen Film der etwas anderen Art geboten, der einem zwar nicht als Meisterwerk in Erinnerung bleibt, den man aber trotzdem so schnell nicht vergessen wird. weiterlesen schließen
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