Pro:
- interessantes Gedankenexperiment
Kontra:
- höchstens etwas zu teuer
Empfehlung:
Ja
Die Verfilmung des Buches "Der Herr der Fliegen" wollte ich in meine DVD-Sammlung aufnehmen, weil ich immer auf der Suche nach veranschaulichten Gedankenexperimenten bin. Jedenfalls nach denen, die einen gewissen intellektuellen Anspruch besitzen. Der Grundgedanke der Verfilmung nun ist recht faszinierend, denn er betrifft Staatsphilosophische Themen. Doch dazu später.
Der Bericht ist so aufgebaut, dass zunächst die wesentlichen Kennzeichen des Produkts hervorgehoben werden, bevor die eigentliche Geschichte des Films in den Vordergrund gestellt wird. Zuletzt wird eine erste Annäherung an die philosophische Dimension der Thematik skizziert.
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Die basalen Produkteigenschaften
A) Der Preis
Ich habe die Herr-der-Fliegen-DVD für 9.95 € erworben und finde diesen Preis gerade noch akzeptabel. Denn dafür, dass der Film vor 20 Jahren entstanden ist und sicherlich einige Male im Fernsehen lief, ist das eigentlich etwas zu teuer.
B) Die Besonderheiten der DVD-Version
Viel gibt es hier leider nicht zu berichten. Der einzige Bonus ist im Grunde, dass man sich den originalen Kinotrailer anschauen kann.
Trotzdem ist eines bemerkenswert und für Sprachbegeisterte ein kleiner Fundus, dass es insgesamt 12 verschiedene Untertitel in folgenden Sprachen gibt: Deutsch, Englisch, Dänisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Holländisch, Italienisch, Norwegisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch.
Zwar ist das kein echtes Kriterium für Cineasten, aber sicherlich eine Bereicherung für Menschen, die Fremdsprachen lernen oder auffrischen wollen, zumal die Dialoge sehr simpel sind, da sie aus der Sicht von Kindern geschrieben wurden.
Darüber hinaus kann der Film in deutscher, englischer, italienischer, französisch oder spanischer Sprache verfolgt werden, was ich persönlich ebenfalls sehr hilfreich finde, um seine Sprachkenntnisse ein wenig aufzufrischen.
C) Filmlänge, Kapitelauswahl und Altersfreigabe
Die Spielzeit beträgt knappe 86 Minuten, was die Detailfülle des Buches nur annähernd wiedergeben kann.
Dabei stehen 16 Kapitel zur Auswahl, die einzeln abgerufen werden können. Somit sind die einzelnen Kapitel relativ eng bemessen, was die Suche nach bestimmten Szenen jedoch erleichtert.
Der Film unterliegt einer Altersbeschränkung, ist erst ab 12 Jahren freigegeben, was meiner Meinung nach weniger aufgrund der drastischen Bilder zustande gekommen ist (heutzutage werden wahre Splatterfilme oder brutale Actionfilme manchmal ab 12 Jahren erlaubt!), sondern auch aufgrund der 'thrillenden' beängstigenden Story.
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Die Handlung
Ein Gedankenexperiment …
Etwas mehr als ein Dutzend junge Militärkadetten landen nach einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Südseeinsel ...
Die Organisation der Gemeinschaft
Zunächst bemühen sie sich alle gemeinsam um überlebenswichtige Dinge wie Wasser und Nahrung und organisieren Mittel zu ihrer Rettung, indem sie mit vereinten Kräften versuchen, ein Signalfeuer zu entzünden und vor allem beständig brennen zu lassen.
Zudem dient eine Muschel, die einen Ton hervorrufen kann, als Inbegriff der Macht und der Ordnung. Denn nur derjenige Junge, der sie besitzt, hat das Kommando über die Gemeinschaft der Gestrandeten.
Die unterschiedlichen Anschauungen
Doch je länger sie auf der Insel festsitzen, desto größer werden die Spannungen innerhalb der Gruppe. Der einzige Erwachsene ist lebensgefährlich verletzt und krank - kann den Jungen nicht helfen, er selbst ist schutzbedürftig und muss versorgt werden.
Auch anhand der Frage, wie mit dem hilflosen erwachsenen Mann verfahren werden soll und besonders durch die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Gruppe, wann und ob überhaupt Hilfe kommen wird, entstehen Machtkämpfe innerhalb der Gruppe, die sich schließlich in zwei Cliquen spaltet.
Bildung bipolarer, konkurrierender Gesellschaften
Nun stehen sich zwei ungefähr gleichgroße Gruppen gegenüber, die ganz verschiedene Ansichten haben und miteinander konkurrierende Lebensweisen etablieren.
Ralph ist der Anführer derjenigen Jungen, die weiterhin am Strand kampieren, auf Rettung hoffen und sich von daher um das Signalfeuer kümmern. Sie verkörpern auch ein zivilisiertes Zusammenleben, das von Solidarität, Hoffnung und Achtung geprägt ist.
Demgegenüber steht die wilde Bande, die sich um Jack gescharrt hat. Diese Jungen verlegen ihr Lager ins Innere der Insel, haben keine Hoffnung auf Rettung, schaffen sich Waffen, gehen im Dschungel lebende Schweine jagen und beginnen die Mitglieder der anderen Gruppe zu terrorisieren.
Die Entstehung von Gewalt und ‘Kultur‘
Der einzige Erwachsene ist mittlerweile in eine Höhle geflohen, nachdem ihm Jacks Absicht, ihn aufgrund seiner ‘Nutzlosigkeit‘ aus dem Weg zu schaffen, klar geworden ist. Dort stirbt er, als Jack Bande ihn wahrscheinlich unabsichtlich und unwissend, dass es sich um ihn handelt, in der dunklen Höhle tötet, da er ihn für ein Monster gehalten hat.
Kurz darauf installieren die Mitglieder Jacks wilder Horde in der Nähe des Höhleneingangs einen Schweinskopf auf einem Pfahl. Ob dies aus Abschreckung vor dem ‘Monster‘ oder aus ‘kulturell-rituellen‘ Motiven heraus geschieht, bleibt Interpretationssache, da nicht klar ist, ob Jack seinen einstigen Vorgesetzten erkannte als er ihn tötete.
Der Kriegszustand
Aus den Provokationen seitens der wilden Horde, die Jack anführt, werden gewaltsame Übergriffe, ja, sie bekriegen die Mitglieder der moderaten Gruppe. Der Effekt davon ist, dass immer mehr Jungen aus Ralphs Mannschaft überlaufen und ihnen wichtige Utensilien geraubt werden. Nach und nach kommen so das Messer und eine Brille in seine ‘blutigen‘ Hände und die Muschel, das einstige Zeichen der Macht und der Organisation, verliert gänzlich ihre Bedeutung.
Die Auslöschung
Zuletzt verliert Ralph seinen treuesten Begleiter, einen dicken Jungen, der ohne seine Brille, die die Flamme des Signalfeuers entzünden kann, völlig hilflos ist und der ‘Piggy‘ gerufen wird, als ihn Mitglieder aus Jacks Gruppe mit einem Stein erschlagen.
Ralph verliert so die Auseinandersetzung mit seinem Rivalen Jack und muss um sein Leben fürchten, das Böse (der Herr der Fliegen ist ein anderer Name für ‘Satan‘, im Film auch symbolisiert durch den langsam verfaulenden Schweinskopf, um den sich die Fliegen sammeln) hat scheinbar gesiegt.
Das Ende
In der vorletzten Szene des Films wird denn auch zwangsläufig gezeigt, wie Ralph von der wilden Horde unermüdlich gejagt wird, mit dem Ziel, ihn umzubringen, um den letzten Widerstand gegenüber Jacks Macht zu beseitigen.
Der Film endet, als … - das müsst ihr selbst herausfinden!
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Die anthropologisch-staatstheoretische Dimension
Nein, ich werde keine Abhandlung über den Ursprung von Gut und Böse, wenn es ihn denn gibt, oder ausgefeilte staatstheoretische Gedankengebäude, die sich anhand der Ereignisse des Filmes ableiten ließen, hier kopierbereit für jedermann bereit stellen.
Ich werde nur einige Momente skizzieren, die den Ausgang zu weiterführenden Fragen sein können und dazu Stellung nehmen, was den Film aus philosophischer Sicht interessant macht.
Gedankenexperimente sind oft sehr hilfreich für philosophische Überlegungen. Hier wurde nun ein sehr klassisches durchgeführt.
Allein, auf sich selbst gestellt, muss eine Gruppe von Personen ihr Zusammenleben organisieren. Es müssen Institutionen geschaffen werden, die das Über- und Zusammenleben regeln, besonders Machtverhältnisse müssen geklärt und festgelegt werden.
Wenn jedoch wie im Film ‘Herr der Fliegen‘ die Motivationen und ‘Weltanschauungen‘ innerhalb der Gruppe divergieren, dann kann es zu Spaltungen der Gemeinschaft kommen und es etablieren sich (zwei) unterschiedliche Gesellschaften.
Sind zudem die Güter begrenzt oder die Territorien mit unterschiedlichen natürlichen Eigenschaften belegt, dann sind Auseinandersetzungen dem friedlichen Handel meist vorangestellt. Auch kultische Phänomene prägen sich aus (Kleidung, Markierungen, ‘semi-sakrale‘ Stätten etc.).
Ebenso kann es zu Abwerbungsversuchen (Söldner) und zuletzt zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen, besonders dann, wenn eine Gruppe langsam die Oberhand bekommt und ihnen die schwächere Gruppe in essentiellen Bereichen unterlegen ist, aber sich nicht unterordnen möchte.
So verläuft jedenfalls die Handlung des Filmes und so könnte eine grobe, erste Adaption der Handlung in allgemeinere Zusammenhänge aussehen. Eine Lehre der Moral kann jeder selbst ziehen bzw. suchen.
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Mein Fazit
Das Bildensemble ‘Der Herr der Fliegen‘ ist eine Verfilmung von William Goldings Kultroman, der nicht unbedingt aufgrund von schauspielerischen Leistungen, beeindruckenden landschaftlichen Szenerien oder herausragenden Dialogen besonders sehenswert ist, sondern weil er eine erschütternde Parabel auf die widerstreitenden Facetten der menschlichen Natur ist und das Denken über gesellschaftliche wie zivilisatorische Prozesse anregt.
Zuletzt noch eine emphatische-aufklärerische Synopse: wir leben alle auf derselben Insel! Zu pathetisch?
Vielen Dank für die Beachtung des Textes.
Copyright (S.M.S. / 08.2010) weiterlesen schließen
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