Solaris (DVD) Testberichte
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Pro & Kontra
Vorteile
- Regisseur Steven Soderbergh, gute Schauspieler, tiefsinnige Handung
- Musik, Dramatik, gute Schauspieler
- Schauspieler, musik, Bilder, Kameraführung, Geschichte, kurz: Alles!
Nachteile / Kritik
- Philosophische Fragen werden nur am Rande angeschnitten - Im Mittelpunkt steht die Liebesgeschichte
- Der Sinn? Leider zu viel offene Fragen
- pff... vielleicht ein bisschen schwer verständlich
Tests und Erfahrungsberichte
-
Wenn ich es sage, würde es Ihnen etwas sagen?
31.03.2003, 18:29 Uhr von
Lea89
Ich hoffe dass sich Yopi bald zu einen so großen Meinungsforum wie ciao entwickelt, hätte es sich...5Pro:
Schauspieler, musik, Bilder, Kameraführung, Geschichte, kurz: Alles!
Kontra:
pff... vielleicht ein bisschen schwer verständlich
Empfehlung:
Ja
Eine bestimmte Ration Kino brauche ich einfach, und da heute Sonntag ist: perfekt. Leider hatte der „Tipp“ uns mal wieder etwas falsches versprochen und so kam um 15.00 Uhr, gar kein ’Catch me if you can’ in der Originalversion. Da kommt es einem doch gerade recht, dass ‚Solaris’(den man ja sowieso irgendwann mal sehen wollte…) um diese Uhrzeit beginnt. Also, gerade aus dem Kino wieder zurück (ok, die Hausaufgaben sind auch noch schnell gemacht worden) an den Computer gesetzt und aufgeschrieben, was man gerade gesehen hat:
Dem Psychiater Chris Kelvin kommt es irgendwie gerade recht, dass er auf die Raumstation in der Nähe des Planeten „Solaris“ gerufen wird. Irgendwie ist voll alles ein bisschen „durcheinander“ und nur er kann wohl jetzt noch helfen (wieso wird uns nie gesagt!), er würde es schon verstehen, wenn er dann da wäre.
Oben angekommen haben zwei der Astronauten Selbstmord begangen. Snow und Dr. Helen Gordon sind auch völlig durcheinander. Auf die Frage, was hier oben los ist, sagt Snow „Ich könnte es ihnen zwar sagen! Aber das würde ihnen auch nichts sagen“.
Doch schnell genug weiß auch Chris, was los ist. Als er am nächsten Morgen aufwacht, liegt seine (eigentlich tote!) Frau Rheya neben ihm. Er kann damit nicht umgehen (was ja wohl ziemlich verständlich ist!) und „wirft“ sie in einer Raumkapsel ins Weltall. Doch am nächsten Morgen, liegt sie wieder neben ihm und er ist einfach zu „verführt“ von der Vorstellung, seine Frau wieder zu haben. Doch Dr. Helen warnt ihn, keine emotionale Bindung zu ihr herzustellen, den jeder hier auf diesem Schiff habe seine „Mitreisenden“, Leute die sie in ihren Gedanken und Träumen beschäftigen.
Auch Rheya selbst zweifelt, ob sie überhaupt „Rheya“ ist. Denn, sie kann sich zwar an ihre Vergangenheit erinnern, hat aber nicht das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Kelvin will sie mit auf die Erde nehmen, ob das aber das Richtige ist?
Man kann bei diesem Film, sicher nicht sagen, dass er „leicht“(was Catch me – if you can bestimmt gewesen wäre) oder gut verständlich wäre, denn etappenweise musste man doch mal über die Bedeutung nachdenken. Dies sollte einen aber nicht stören, da man nachher ein gutes Gesprächsthema hat, um sich über das Gesehene klar zu werden.
Ich war sehr positiv überrascht von diesem Film.
Nicht nur die Problematik war sehr überzeugend rübergebracht, auch die Selbstzweifel der Charaktere sind klasse dargestellt.
Besonders schön haben mir die Bilder im Weltraum und der „Solaris“ gefallen. Irgendwie haben sie mich (und meine Mutter auch) an „Odyssee im Weltraum 2001“ erinnert.
Ich kann leider nicht sagen, ob es eine gute Umsetzung des Buches ist, da ich es nicht gelesen habe. Auch weiß ich nicht, ob der „Klassiker“ Tarkowskij besser ist als dieser Film. Ich weiß nur, dass es ein Film ist, der sehr schön zum Anschauen ist und anschließend gute Fragen zum Thema Ethik und Philosophie aufbringt, über die man lange nachdenken kann.
Nicht nur George Clooney ist 100%ig überzeugend als Chris, auch alle anderen Schauspieler – besonders Natascha McElhone (die ich übrigens bewusst zum ersten Mal wahrnahm, deren Gesicht mir aber bekannt vorkommt) als Rheya – haben mich tief beeindruckt und sind sehr gut ausgewählt.
Da der Film gerade neu in die Kinos gekommen ist, solltet ihr euch wirklich die Zeit nehmen und ihn anschauen, besonders weil die Weltraumbilder auf Großleinwand wesentlich besser rüberkommen. weiterlesen schließen -
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Ein Kammerspiel als Mainstream?
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Eigentlich wollte ich mir den Film "Solaris" nicht anschauen, denn schon der Trailer hat mich nicht wirklich angesprochen. Irgendwie sah das nach einem billigen ScienceFiction-Film aus, und darauf hatte ich überhaupt keine Lust. Aber eine Freundin hat mich dann doch überredet, und so kann ich jetzt wenigstens einen Review darüber schreiben.
HANDLUNG
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Chris Kelvin ist Psychologe, und er bekommt von seinem Freund Gibarian einen Hilferuf. Dieser befindet sich auf der Raumstation Prometheus, welche um den Planeten Solaris kreist. Solaris ist ein Planet mit geheimnisvollen Kräften, und die Besatzung der Raumstation soll den Planeten näher untersuchen. Gibarian berichtet nun von ungewöhnlichen Vorfällen, und Chris soll zur Untersuchung auf die Station kommen.
Als Chris auf der Raumstation ankommt, findet er seinen Freund tot vor – angeblich soll er Selbstmord begangen haben. Es sind überhaupt nur noch zwei lebende Besatzungsmitglieder da, die aber über die Geschehnisse keine richtige Auskunft geben können. Snow und Helen machen nur unklare Angaben, aber sie versprechen, Chris wird noch verstehen was hier passiert, wenn er nur ein wenig Zeit auf der Station verbringt. Und so geschieht es noch in der gleichen Nacht, das Chris Besuch von seiner Frau Rheya bekommt, diese hat allerdings schon vor einiger Zeit Selbstmord begangen. Und auch wenn Rheya behauptet seine Frau zu sein, glaubt ihr Chris nicht, und er schickt sie mit einer Kapsel von Bord.
Doch schon bald taucht Rheya wieder auf, und Chris beginnt langsam zu glauben, das er mit Rheya einen Neuanfang machen kann. Rheya besteht aber nur aus den projezierten Gedanken von Chris über seine Frau, und da seine Frau Selbstmord begangen hat, versucht auch die neue Rheya sich selbst umzubringen. Doch sie stirbt nicht wirklich, denn sie wird jedes Mal wieder auferweckt. Helen warnt Chris davor, sich näher auf Rheya einzulassen, schließlich muß es sich hier um eine unbekannte Lebensform von Solaris handeln...
DATEN
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Regisseur: Steven Soderbergh
Darsteller:
- George Clooney (Chris Kelvin)
- Natasha McElhone (Rheya)
- Jeremy Davis (Snow)
- Viola Davis (Helen)
Spielzeit: 99 min
FSK: ab 12 Jahre
Webseite:
- englisch: http://www.solaristhemovie.com/
- deutsch: http://www.solaris-derfilm.de/
Kinostart Deutschland : 6. März 2003
MEINE MEINUNG
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Obwohl ich eigentlich sehr viel lese, u.a. auch Science Fiction, hat mir der Titel "Solaris" nichts weiter gesagt. "Solaris" wurde übrigens von Stanislaw Lem geschrieben und schon einmal verfilmt, und zwar 1972 von Andrei Tarkovsky. Und ich muß zugeben, ich hatte einen etwas anderen Film erwartet. Nach dem Trailer zu urteilen, sah alles nach einem ScienceFiction-Film aus, der eher in die Actionrichtung geht oder wenigstens mehr etwas für das Mainstream-Kino ist. Aber für den Mainstream ist dieser Film rein gar nichts, was ich auf jeden Fall als positiv werte. Und da ich eben eher nichtssagendes Mainstream-Kino erwartet hatte, war ich überrascht von "Solaris", denn der Film hat mir gut gefallen, auch wenn ich zuerst etwas widerwillig ins Kino gegangen bin (manche müssen zu ihrem Glück eben gezwungen werden).
Einen direkten Vergleich mit der Romanvorlage kann ich nicht ziehen, denn ich habe das Buch ja nicht gelesen. Allerdings hat der Film mein Interesse für das Buch geweckt, und deshalb werde ich es mir auf jeden Fall irgendwann mal durchlesen (wird aber wohl noch ein Weilchen dauern, denn meine Buchwunschliste ist endlos). Normalerweise lese ich ja Bücher vor dem Film, da ja ansonsten alle Illusionen geraubt werden, aber leider habe ich "Solaris" nicht gekannt. Aber nach allem, was ich so über den Film gelesen habe, scheint das Buch auch bei der zweiten Verfilmung nicht richtig umgesetzt zu sein. Aber solche Verfilmungen sind immer ein zweischniediges Schwert, und deshalb sollte man lieber lesen! Außerdem hat Soderbergh in einem Interview gesagt, er wollte das Buch nicht verfilmen, sondern neu inszenieren.
Und warum ist "Solaris" nun nicht für den Mainstream geeigenet? Zuerst muß man mal akzeptieren, daß das Science Fiction-Setting hier nur eine Art Alibi ist, also es dient sozusagen als Kulisse für ein Kammerspiel. Man sieht zwar den Planeten Solaris (als Vorlage dienten übrigens Aufnahmen von der Sonne), das ganze spielt auf einer Raumstation, und Menschen kehren von den Toten zurück, aber diesen Tatsachen kann man nur eine Nebenrolle zusprechen. Eigentlich geht es um Chris, um sein Leben, seine Vorstellungen, seine Träume, und natürlich um seine Beziehung zu seiner Frau Rheya und seine Rolle beim Selbstmord von ihr. Und wenn man den Film aus dieser Sicht sieht, wird es bestimmt eine interessante Reise in die Psyche eines anderen Menschen. Im Kino haben die meisten das wohl nicht so gesehen, denn ständig war Unruhe und Gequatsche, manche haben auch den Saal verlassen. Aber man sollte eben den Film nicht als etwas anpreisen, was er nicht ist, denn so bekommt der Zuschauer falsche Vorstellungen und ist natürlich mit dem Resultat unzufrieden. Und ich bin mir auch sicher, das viele Zuschauer mit dem Ende nichts anfangen konnten, denn es ist ja relativ offen, was ich persönlich gern mag. "Solaris" schleicht sich leise in das Bewußtsein, ohne dem Zuschauer die großen Aussagen aufzudrängen. Jeder soll sich selbst seine Gedanken zum Film machen.
Ich habe auch häufiger gelesen, das "Solaris" langweilig sein soll. Dem kann ich auch nicht so ganz folgen, denn der Film ist zwar handlungsarm, aber dafür bietet er viel Raum zum Nachdenken und Grübeln, und anschließend viel Raum zum Diskutieren. Und langweilig ist auch das falsche Wort, denn natürlich kann man sich nicht mit einer Tüte Popcorn hinsetzen und sich berieseln lassen - man braucht ein wenig Aufmerksamkeit. Schon die Music-Score ist zum Geniessen. Insgesamt wirkt diese etwas surrealistisch und paßt dadurch hervorragend zum Geschehen. Als CD wird diese Score auch nicht wirken, denn sie ist eng mit den Bildern verwoben. Und diese Zusammenspiel von Klang und Bild ist einzigartig. Was mir auch unheimlich gefallen hat, sind diese Rückblicke, wo sich Chris an seine Frau erinnnert. Die Music-Score zu diesen Szenen ist einfach großartig, und manchmal hat man auch ganz auf den Ton verzichtet, was auch wieder gut zu der Szene gepaßt hat.
Und so sehr mir dieses Kammerspiel gefallen hat, so gern hätte ich mehr über den Planeten Solaris erfahren. In der Hinsicht bietet der Film nicht viele Ansatzpunkte, aber das war sicher bezweckt. Und wer hier auf große Effekte hofft, der ist sowieso am falschen Platz, denn so stille Weltraum-Szenen gab es wohl lange nicht. Die Raumstation ist zwar futuristisch gestaltet, aber dann doch eher unscheinbar. Man soll sich eben eher auf die Personen konzentrieren statt auf die Ausstattung.
Zu den Darstellern gibt es auch einiges zu sagen. George Clooney ist ja hinreichend bekannt, und irgendwie hatte ich bei seinem Mitwirken am Film auch eher einen Mainstream-Film erwartet. Und meiner Meinung nach hätte man hier auch eher auf unbekanntere Gesichter, bzw. auf ein unbekanntes Gesicht, setzen sollen. Clooney hat seine Sache zwar gut gemacht, aber insgesamt wirkt er eine Spur zu kalt (vielleicht war das aber auch so geplant). Und da die Kamera ständig auf das Gesicht von Chris fokussiert, wäre ein unverbrauchteres Gesicht (damit meine ich kein altes Gesicht) besser gewesen. Natascha McElhone ist ja auch nicht so unbekannt, aber so oft war sie noch nicht im Kino zu sehen (u.a. "The Truman Show", "Mrs. Dalloway"). Sie ist also so ein besagtes unverbrauchtes Gesicht, zumindest aus meiner Sichtweise. Und sie wirkt auch gut in ihrer Rolle, denn sie wirkt verletzt, unsicher, und ich traue mir gar nicht es zu schreiben, irgendwie so wie ein Selbstmordtyp (ich weiß, so was gibt es nicht, aber bei Rheya bekommt man so das Gefühl). Zu den beiden anderen Rollen kann man eigentlich nicht viel sagen. Dieser Snow nervt unheimlich, und dieser Charakter ist einfach nur lästig. Zu Helen kann man dagegen nicht viel sagen, sie bleibt still im Hintergrund.
FAZIT
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"Solaris" ist ein interessanter Film, der durch seine Einfachheit besticht. Keinesfalls handelt es sich hier um einen Mainstream-Film, da sollte man sich nicht durch die Werbung täuschen lassen. Wer aber einen leisen und nachdenklichen ScienceFiction-Film sehen will, der ist bei "Solaris" genau richtig. weiterlesen schließen -
„Und das Wort wird Fleisch“
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
„Die Solaristik [...] ist die Ersatzreligion
des Weltraumzeitalters, sie ist Glaube,
eingehüllt in das Gewand der Wissen-
schaft; der Kontakt, das Ziel, dem sie
entgegen strebt, ist ebenso nebelhaft
und dunkel wie die Gemeinschaft der
Heiligen oder der Herabkunft des
Messias. Die Erkundung kommt einem
in methodologischen Formeln exi-
stierenden Liturgie-System gleich;
die demütigende Arbeit der Forscher
ist das Warten auf Erfüllung, auf
die Verkündigung, denn Brücken
zwischen Solaris und Erde gibt es
nicht und kann es nicht geben.“
(Stanisław Lem, „Solaris“ [1])
Wissenschaftsgläubigkeit im Rahmen der sog. „exakten“ Wissenschaften ist sicherlich eines der Themen, die Stanisław Lem in seinem Sciencefiction-Klassiker „Solaris“ (1960) mit zum Teil bissigen Seitenhieben verarbeitet hatte. Aber man würde diesem viel diskutierten Roman nicht gerecht, wollte man die Breite seiner Thematik auf irgendeine Weise einzuschränken versuchen. Für mich war „Solaris“ immer auch ein Plädoyer für eine gewisse Bescheidenheit in einer Welt, in der sich die sog. zivilisierte Menschheit keine Grenzen mehr zu setzen scheint. Lems Geschichte wurde bereits von Andrei Tarkovksy (1932-1986) in „Solyaris“ 1972 in einem 165 Minuten langen Film adaptiert. Jetzt hat Steven Soderbergh („Oceans Eleven“, 2001; „Erin Brokovich“, 2000; „Traffic“, 2000, „Sex, Lies and Videotape“, 1989; „Kafka“, 1991) den Stoff in einer wesentlich kürzeren Fassung inszeniert.
Inhalt
„Und das Wort wird Fleisch.“
(Stanisław Lem, „Solaris“)
Der Psychiater Chris Kelvin (George Clooney) wird unterrichtet, dass auf einer Raumstation in der Nähe des Planeten Solaris merkwürdige Dinge vor sich gehen. Zwei der Astronauten, darunter Gibarian (Ulrich Tukur), haben Selbstmord begangen, die beiden anderen, Snow (Jeremy Davies) und Dr. Helen Gordon (Viola Davis), berichten von seltsamen Vorkommnissen, über die sie allerdings nichts Näheres sagen wollen. Kelvin wird gebeten, zur Raumstation zu fahren, um die Dinge aufzuklären. Als er Snow befragt, erklärt dieser, er könne ihm zwar die Wahrheit sagen, aber Kelvin würde das doch nicht verstehen.
Nach der ersten Nacht an Bord liegt plötzlich Kelvins Frau Rheya (Natascha McElhone) neben ihm. Nur, Rheya hatte sich vor einiger Zeit auf der Erde das Leben genommen. Helen warnt Kelvin: Es handle sich nicht um Rheya. Die Person, die so aussehe, sei nur eine Materialisation, die sich an Dinge aus dem Leben mit Kelvin erinnern könne. Rheya selbst erklärt Kelvin, sie erinnere sich zwar an vieles in ihrem gemeinsamen Leben, aber so, als ob sie dies nie erlebt hätte. Auch Helen und Snow berichten von ähnlichen „Mitreisenden“. Helen will diese Materialisationen aus Fleisch und Blut zerstören; sie befürchtet enorme Gefahren, zumal schon zwei Astronauten tot sind.
Kelvin hingegen ist erschrocken und fasziniert zugleich von der Vorstellung, wieder mit seiner Frau zusammen sein zu können. Er erinnert sich daran, wie er Rheya kennen lernte, ihr einen Heiratsantrag machte, aber auch an beider Probleme und schließlich an ihren Selbstmord. Als Rheya zu ihm sagt: „Ich habe mich umgebracht, weil du dich daran erinnerst, dass ich dies getan habe“, kommen ihm Zweifel, ob es richtig wäre, diese „Rheya“ mit zur Erde zurückzunehmen ...
Inszenierung
„Es sah so aus, als sollte der Ozean
von einem weiteren Ozean aus Papier
zugedeckt werden.“
(Kelvin in Lems „Solaris“)
Da liegt er, der Planet, ruhig, mächtig, in einem Ozean aus Licht und Farbe. Einiges an Soderberghs Bildern erinnert an den zweiten Teil von Kubricks „2001 – A Space Odyssey“, auch thematisch. Solaris liegt ganz offen da, alles ist zu sehen oder könnte gesehen werden, und doch birgt der Planet Geheimnisse, die nicht gelüftet werden. Soderbergh verzichtet auf ausgedehnte special effects. „Solaris“ ist Sciencefiction, aber wie „2001 – A Space Odyssey“ ist das Genre eben nur Mittel zum Zweck. Im Mittelpunkt steht die Geschichte. Soderbergh (wie auch Lem im Roman) transponieren die Differenz zwischen der Welt „an sich“ und den Vorstellungen, Gedanken, Gefühlen, die wir über die Welt haben, in die Weiten des Raums. Die Erinnerungen der zwei noch lebenden Besatzungsmitglieder und Kelvins verkörpert eine unbekannte Kraft, die von Solaris auszugehen scheint, in Personen aus Fleisch und Blut, die aussehen wie diejenigen, an die sich die drei erinnern, es aber nicht sind. Sie haben zwar die Erinnerung ihrer Gegenüber, sind aber zugleich eigene Persönlichkeiten. Diese Grundidee des Films (wie des Romans), ist der relativ einfache Ausgangspunkt für eine Reihe, man könnte sagen, philosophischer Überlegungen. Allerdings wäre dies angesichts der Tragweite des Geschehens zu kurz gegriffen.
Warum der Planet oder wer auch immer auf dem Planeten den drei Menschen ihre Erinnerungen in physischer Gestalt vorführt, bleibt unerklärt. Welche Fragen Soderbergh aufwirft, liegt offen zutage. Eine Person, die einerseits selbstbewusst ist, andererseits mit den Erinnerungen eines anderen lebt, ist ein vertracktes „Ding“. Die „duplizierte“ Rheya formuliert dies ganz deutlich: „Ich bin nicht diejenige Person, an die ich mich erinnere. Ich kann mich nicht daran erinnern, diese Dinge erfahren zu haben.“ (Fremde) Erinnerung und (eigene) Erfahrung sind bei Rheya nicht identisch. Was für die Wissenschaft gilt, trifft auch uns selbst. Wir decken den Ozean des Lebens zu mit einem weiteren Ozean aus Papier (Wissenschaft), Theorien über das Leben, Vorstellungen, wie es sei usw. Lem zeigt die Diskrepanz zwischen der angeblich so „objektiven“ Wissenschaft, die sich ebenso angeblich „der Wahrheit“ immer weiter nähert, und der Welt, die wir nur durch unsere Augen, aber nie „als solche“ wahrnehmen, erkunden und erklären können. Und auch Soderbergh führt uns unsere Begrenztheit vor, die doch in Wirklichkeit eine Bereicherung ist oder zumindest sein kann: Jeder liest sein eigenes Buch. Unsere Vorstellungen über andere drücken nicht aus, wie diese „sind“, sondern „nur“, was wir über sie empfinden. Die alte Streitfrage nicht nur der Wissenschaft in bezug auf das Wahrheitskriterium (objektiv-subjektiv) ist lebendiger denn je, wenn man bedenkt, wie wir Menschen in der Zivilisation glauben, die Welt beherrschen zu können – und einiges mehr.
Genau in dieser Zwickmühle sieht sich Kelvin, als er eine Person sieht, die haarscharf so aussieht wie seine verstorbene Frau, aber nur mit seinen Erinnerungen lebt. Was soll er tun? Sie ist das Fleisch seiner Gedanken und Erinnerungen, nicht mehr und nicht weniger. Soll er sie mit zur Erde nehmen? Seine wirkliche, verstorbene Frau, war ein Mensch mit eigenen Gedanken. Die Materialisation seiner Gedanken aber sieht nur aus wie Rheya. Für kurze Zeit reizt Kelvin – vielleicht unbewusst – der Gedanke, seine Erinnerungen, Gefühle usw. könnten eins werden mit der Person, die ihm da von Solaris geschickt wurde – der alte und nicht ausrottbare Glaube an die Identität, an die Übereinstimmung im „Objektiven“. Soderbergh geht aber noch einen Schritt weiter, wenn er den Sohn Gibarians (Shane Skelton) erscheinen lässt, dessen Finger – Michelangelos Gott gleich, der den ersten Menschen erschafft – sich mit dem Finger Kelvins berührt. Wessen Imagination ist der Junge, denn Gibarian ist tot? Ist er überhaupt dessen Sohn?
In einer Szene sieht man Kelvin, als er sich in den Finger schneidet. Die Wunde schließt sich „wie von selbst“. Ist er vielleicht selbst nur die Verkörperung der Gedanken eines anderen?
Auf eine fast schon bizarre Weise ist „Solaris“ trotzdem kühl, fast kalt. Die Personen kreisen um sich selbst, man verspürt kaum Nähe, im Gegenteil eher eine Distanz, die man sich nicht erklären kann. Nur ab und zu, vor allem wenn Kelvin sich erinnert, der duplizierten Rheya und damit sozusagen sich selbst in die Augen schaut, kommt eine Ahnung, ein Hauch von Emotion auf.
Fazit
„Solaris“ ist sicherlich eines der gewagtesten filmischen Experimente der letzten Jahre, fällt heraus aus der Serienproduktion Hollywoods, arbeitet mit einer ruhigen, auf manchen vielleicht behäbig wirkenden Inszenierung geradezu gegen Sehgewohnheiten und übliche Erwartungshaltungen. „Solaris“ ist keine zweite Auflage von Kubricks zivilisationskritischer „Odyssee“, und doch eine gelungene alternative Fortsetzung.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
[1] Lems Roman ist als Taschenbuch im Heyne-Verlag für 7 € erhältlich.
Solaris
(Solaris)
USA 2002, 99 Minuten
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: Steven Soderbergh, nach dem Roman von Stanislaw Lem
Musik: Cliff Martinez
Director of Photography: Peter Andrews (= Steven Soderbergh)
Schnitt: Mary Ann Bernard
Produktionsdesign: Philip J. Messina, Keith P. Cunningham, Steve Arnold
Hauptdarsteller: George Clooney (Dr. Chris Kelvin), Natascha McElhone (Rheya), Jeremy Davies (Snow), Viola Davis (Dr. Helen Gordon), Ulrich Tukur (Gibarian), John Cho (DBA Emissär 2), Morgan Rusler (DBA Emissär 1), Shane Skelton (Gibarians Sohn), Donna Kimball (Gibarians Frau), Michael Ensign, Elpidia Carrillo, Kent Faulcon, Lauren Cohn (Freunde)
Offizielle Homepage: http://www.solaristhemovie.com
Internet Movie Database: http://german.imdb.com/Title?0307479
Weitere Filmkritik(en):
„Chicago Sun-Times“ (Roger Ebert):
http://www.suntimes.com/ebert/ebert_reviews/2002/11/112704.html
„Movie Reviews“ (James Berardinelli):
http://movie-reviews.colossus.net/movies/s/solaris2002.html
© Ulrich Behrens 2003 für
www.ciao.com
www.yopi.de
www.dooyoo.de weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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XXLALF, 29.10.2010, 11:47 Uhr
Bewertung: besonders wertvoll
muss ja ein super film sein, dem ein sehr interessantes thema zugrunde liegt, den ich leider bis jetzt noch nicht gesehen hab. 1a bericht, bw und ganz liebe grüße
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Informationen
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