Pro:
unterhaltsam, flott inszeniert, (sehr) leise Ironie, gute Spezialeffekte; umfangreiches Bonusmaterial, gute Sound- & Bildqualität auf DVD, Osterei
Kontra:
hanebüchene & unoriginelle Story, suboptimale Darsteller
Empfehlung:
Ja
Ein Team von Wissenschaftlern und Kryptomilitärs braust mit einem Spezialgefährt ins Innere der Erdkugel, um dort ein paar Atombomben abzuwerfen. Klingt gefährlich? Dann sollte man sich erst mal das Leben auf der Oberfläche ansehen!
Wer diesen Film ernst nimmt, ist selber schuld und wird mit 1 Woche Ekelhaft oder 12 Tagen *Armageddon*-Dauersehen bestraft *fg*.
Filminfos
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O-Titel: The Core (USA 2002)
FSK: ab 12
Länge: 129 Min.
Regisseur: Jon Amiel
Darsteller: Hilary Swank, Stanley Tucci, Aaron Eckhart, Delroy Lindo, Tcheky Karyo, Alfre Woodard, Richard Jenkins u.a.
Handlung
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Erst fallen Tauben vom Himmel, dann Space Shuttles - etwas stimmt nicht mehr mit der guten alten Erde. Und Leute mit einem Herzschrittmacher haben schon gleich gar keine Chance.
Also ruft man die Experten. Zu diesem erlauchten Kreis gehört zu seinem eigenen Erstaunen auch Professor Joshua Keyes (Eckhart aus "Besessen"): "Ich habe ein Flugzeug??!" Im Pentagon, wo er seinen alten Freund Serge (Karyo) wiedersieht, zeigt ihm General Purcell (Jenkins) eine Halle voller Leichen. Preisfrage: Woran sind sie gestorben? Da Keyes ein Geophysiker ist und Serge ein Waffenexperte, schließt er messerscharf, dass bei allen Opfern der Herzschrittmacher aussetzte - ist ja klar!
Allmählich kommt Keyes der Ursache auf die Spur: Das elektromagnetische Feld der Erde spielt verrückt. Was dies bedeutet, demonstrieren er und ein gewisser Dr. Conrad Zimsky (Tucci) von der Akademie der Wissenschaften vor den versammelten Militärs: Die Erde wird vom Partikelstrom der Sonne geröstet werden, weil das EM-Feld der Erde, der Van-Allen-Görtel, die tödlichen Teilchen nicht mehr ablenkt - der Motor dafür steht still: der normalerweise rotierende Erdkern. Verfallsdatum des blauen Planeten: 12 Monate.
Plötzlich haben es die Militärs und Dr. Zimsky sehr eilig. Dieser erinnert sich an seinen früheren Kollegen Brazzelton (Delroy Lindo), der eine neuartige (?) Bohrmaschine mit Ultraschall und Laserstrahlen entwickelt hat. Mit Hilfe der Pentagon-Milliarden baut Brazzelton eine Art Nautilus für den Vorstoß ins Erdinnere. Zweck der Reise ist der Abwurf von sechs Atombomben, die den gestoppten Erdkern wieder in Fahrt bringen sollen, damit wieder ein Erdmagnetfeld entsteht.
Neben Captain Iverson (??) wird die Nautilus von Major Rebecca XXX (Swank) gesteuert, während Keyes, Serge, Zimsky und Brazzelton die Restbesatzung stellen. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es auf dieser gefährlichen Fahrt erhebliche Reibungsverluste an Menschen und Material. Einer nach dem anderen geht drauf, Iverson zuerst, so dass "Beck" übernehmen muss.
Es stellt sich nämlich heraus, dass Zimsky an einem Pentagon-Geheimprojekt namens Destiny beteiligt ist, das seismische Schocks als Waffe benutzt. Offenbar hat das Testen dieser Waffe überhaupt die ganze Katastrophe verursacht. Als die Fahrt der "Virgil" zu scheitern droht, gibt Zimsky den Befehl zum Einsatz von Destiny. Doch dies könnte die Katastrophe noch beschleunigen, fürchtet Keyes.
Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, bei dem ein kleiner Hacker namens Rat (Woodard), eine Verbündeter von Keyes, eine entscheidende Rolle spielen wird...
Die DVD
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Technische Infos
Bildformate: 16:9, 2,35:1
Tonformate: Dolby Digital 5.1
Sprachen: D, Engl.
Untertitel: D, Engl., Türkisch
Extras:
- Making-of: Zum inneren Kern und zurück
- Die Entstehung der visuellen Effekte; Kommentar v. Greg McMurry, VFX-Supervisor
- A) Visualisierung: Technik
- B) Trafalgar Square (Such die Forelle!): Tauben stürzen ab, Autos um;
- C) Rom: Das Colosseum explodiert
- D) Die Golden-Gate-Brücke smilzt
- E) Die Geode (kommt aus dem Computer)
- Regiekommentar von Jon Amiel
- Entfernte bzw. verlängerte Szenen: ca. 6-7 Szenen, mit deutsch untertiteltem Regiekommentar
- Trailer
Mein Eindruck
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"The Core" ist altes Sechziger-Jahre-Abenteuerkino, sagt der Drehbuchautor. Das ist absolut korrekt. Der Film kann und will auch gar nicht mehr sein. Richtig ist aber auch, dass sich Jon Amiel bemüht hat, stets die Darsteller in den Vordergrund zu stellen. Leider hat ihm die Überlänge des Films einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er musste einige Szenen streichen und sogar einen Charakterzug von Joshua Keyes, dessen Platzangst, komplett unter den Tisch fallen lassen. Immerhin hat man es geschafft, dass jede einzelne Szene die Story des Films weiter voranbringt. Daher wirkt der Streifen an keiner Stelle langweilig. Als Popcorn-Movie funktioniert "The Core" einwandfrei, solange man keine weiteren Ansprüche stellt.
Doch im Zeitalter von "Matrix" und "Terminator" reichen Spezialeffekte und schöne Gesichter oder coole Sprüche nicht mehr aus, um einen Abenteuerfilm erfolgreich zu machen. Die Logik der Prämissen, unter denen die Fahrt der "Virgil" gelingen soll, ist derartig an den Haaren herbeigezogen und auf den allereinfachsten Nenner gebracht, dass ein Naturwissenschaftler angesichts dessen wahrscheinlich schweren körperlichen und geistigen Schaden nehmen würde. Schwamm drüber!
Im Prinzip läuft es auf altes Jules-Verne-Kino hinaus. So erinnert die Fahrt der "Virgil" - benannt nach dem Besucher der Unterwelt in Dantes "Inferno" - stark an Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde". Sogar Hohlräume gigantischen Ausmaßes kommen vor, so etwa eine meilengroße Geode mit Edelsteinen. Auch die Rückkehr vom Erdkern verläuft ruckizucki in wenigen Minuten, wohingegen man abwärts eineinhalb Tage benötigt hatte.
Ein wahres Ärgernis für den deutschen Zuschauer ist jedoch die Synchronisation. Vergleicht man sie mit den deutschen Untertiteln oder gar mit dem Originalton, so werden die eklatanten Schwächen deutlich. Der gröbste Fehler unter vieln besteht darin, dem deutschen Zuschauer angelsächsische Maßeinheiten um die Ohren zu hauen, mit denen er nichts anfangen kann: Meilen, Fuß, fahrenheit - alles unbrauchbar, denn wer macht sich schon die Mühe, diese obskuren Angaben wärend der Action in deutsche Größen umzurechnen? Wenigstens die Untertitel verschaffen Abhilfe.
Die DVD: Suchspiel
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Mit der DVD gelingt es den Produzenten halbwegs, verschenkten Boden wieder gutzumachen. So ein Regiekommentar ist eine feine Sache, und Jon Amiel macht seinen Job recht gut. Allerdings ist er nicht der Gesprächigste. Wesentlich temporeicher ist da schon das Making-of, das zahlreiche Aspekte des Spektakels abdeckt, so etwa die Auswahl der Darsteller und die Ausrichtung der Inszenierung.
Die meisten Hingucker liefert natürlich das Kapitel, das in fünf Sektionen die Visuellen Spezialeffekte (VFX) vorstellt, für die Greg McMurry verantwortlich zeichnet. Er leitet jeden Unterabschnitt ein, um das Besondere daran zu erklären. Nicht alle Effekte sehen toll oder plausibel aus. Ich fragte mich z.B., warum ein oder zwei Blitze die Steine des Colosseums explodieren lassen sollten.
Die Szene auf dem Londoner Trafalgar Square ist die wichtigste: Alle Tauben, die man hier sieht - und das sind hunderte -, stammen aus dem Computer. Bis auf eine, denn das ist eine Forelle. Jon Amiel scheint sich zu zieren, dieses kleine Osterei zu verraten, vielleicht gehört das aber auch zur Show. Jedenfalls gibt es in dieser Szene eine Taube, die eine Forelle ist. Mit ein wenig Geduld hab ich sie auch gefunden: dort, wo der Timer 8:40 anzeigt. Also nach einer ganzen Weile. Dennoch muss man mit Argusaugen hinstarren, um sie zu registrieren, wenn sie gegen das Schaufenster knallt. Viel Spaß beim Suchen!
Um ein paar der entfallenen / gekürzten Szenen ist es wirklich schade. Insbesondere die Hauptfigur Joshua Keyes hat darunter zu leiden. Wie gesagt, fällt die Tatsache unter den Tisch, dass er unter Klaustrophobie leidet, sich als in "Virgil" nicht gerade wohlfühlen dürfte. Wir müssen befürchten, dass er es ist, der als erster durchdreht - dabei ist Zimsky dem Wahnsinn viel näher. (Tucci sieht ein wenig wie Sellers in Kubricks "Dr. Seltsam" aus.)
Die Charakterisierung musste allerdings hinter dem Bedürfnis nach Fortführung der Handlung zurückstehen. Als Folge wirken nun manche Figuren nicht ganz plausibel oder glaubwürdig.
Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Szenen in "Virgil" allesamt vor Blue- und Greenscreens gespielt werden mussten, also in einer völlig irrealen Umgebung. Deshalb guckt Hilary Swank zuweilen unmotiviert in die Gegend...
Ton- und Bildqualität entsprechen dem modernen Standard: scharfes Bild, Ton in DD 5.1.
Unterm Strich
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"The Core" spricht ein jugendliches Publikum von Popcorn-Konsumenten an und liefert ihnen buntes SF-Abenteuerkino, dessen Story an Jules Verne erinnert. Wieder einmal wird die Welt von der Wissenschaft gerettet - das ist Fünfziger-Jahre-Ideologie, funktioniert aber immer noch gut. Dazu passt auch die phallische Torpedo-Form der "Virgil", die Mutter Erdes Leib auf eindeutige Weise penetriert.
Das restliche Publikum dürfte sich an der mangelnden Plausibilität der Handlung und ihrer Prämissen stören. Auch so mancher Darsteller scheint nicht ganz optimal zu agieren (OSCAR-Preisträgerin Swank sah in "The Gift" besser aus).
Die DVD gleicht diese Defizite durch ein opulentes Menü an Zutaten teilweise wieder aus. Gaggig ist ja auch der Einfall, den Zuschauer fast 9 Minuten lang nach einer Forelle suchen zu lassen, die fast wie eine Taube aussieht. Andere Regisseure würden das als Osterei groß vermarkten, Jon Amiel hingegen stellt gleich die Suchaufgabe.
Fazit: Die gute Ausstattung der DVD führt zu einer erheblichen Aufwertung des schwachen Films: vier Sterne.
Michael Matzer (c) 2003ff weiterlesen schließen
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