Pro:
Das ist was zum Hören, nicht zum Sehen
Kontra:
Eine elende Verfilmung
Empfehlung:
Nein
Im Frühsommer 1966 stieg ein ziemlich beknackter Deutscher in London im „Witches Cauldron“ auf die Bühne und meinte: „Gib mir den Bass, kann ich besser als Du!“
Konnte er natürlich nicht, denn der Bassist hieß John Entwistle, und der konnte etwas, das in der Musik unmöglich ist. Auch wenn mich jetzt alle anerkannten und selbsternannten Musikexperten anfangen zu steinigen, ich bleib’ dabei: „Es ist unmöglich! Es geht nicht!“ Niemand kann auf einem Bass eine Melodie spielen, bis auf John Entwistle.
Wer das ist , oder besser war?? Der Bassist der besten und härtesten Rock-Truppe, die je unterwegs war: THE WHO. Den Gebrechlichen unter uns bekannt, u.a. mit der Rockoper TOMMY, den jüngeren aus den verschiedenen CSI-Sendungen bei Vox oder RTL, denn die Erkennungssongs dieser Serien sind Knüller von ‚The Who’. „Who are you“, “Won’t get fooled again” und “Baba O’Riley”
Aber sie haben noch mehr gemacht, z. B. eine weitere Rockoper „Quadrophenia“, von der Pete Townshend immer behauptet hat: „Das können wir live nicht spielen.“
In dieser Woche ist nun ein Bericht erschienen über eine DVD mit dem Namen „Quadrophenia“, der mich maßlos enttäuscht hat, denn ich war bisher vom Verfasser eigentlich sehr angetan. Aber hier wird ein Kunstwerk reduziert auf eine elende Verfilmung mit Sting. Ohne jeden Bezug zum Ursprung, ohne jegliches Wissen, ohne jeden Sinn und Verstand wird sich ein Urteil erlaubt, nur um Zeilen zu füllen.
Man spürt die Absicht und ist verstimmt.
In den Anmerkungen zur neu abgemischten CD 'Odds And Sods' ist zu lesen, dass Pete Townshend 'Quadrophenia' aus einer Idee entwickelte, die um das Konzept einer Autobiografie der Band und ihrer Mitglieder angesiedelt war. Von dieser Grundidee blieb allerdings nur die symbolische Repräsentierung der Gruppenmitglieder als die vier Facetten der Persönlichkeit der Hauptfigur der Geschichte, widergespiegelt in den Titeln "Helpless Dancer" (Roger's Theme), "Bell Boy" (Keith's Theme), "Is It Me?" (John's Theme) und "Love Reign O'er Me" (Pete's Theme).
Die Geschichte spielt im England der frühen 60er Jahre und beschreibt das Leben des einsamen, jungen Mods Jimmy und seine Probleme beim Übergang zum Erwachsenwerden.
Die Rockoper beginnt mit Jimmy, der allein auf einem Felsen im Meer sitzend auf die Ereignisse zurückblickt, die ihn in die trostlose Lage gebracht haben, in der er sich nun befindet. Aus der Ich-Perspektive erzählen die Songs von Jimmys Frustrationen und Unsicherheiten, die sein Leben kennzeichnen. Der Zuhörer erhält Einblicke in Jimmys Alltag: seine Probleme mit den Eltern, sein öder Job, seine Psychotherapie und seine erfolglosen Bemühungen um soziale Anerkennung. Bestätigung erhofft sich Jimmy durch seine Zugehörigkeit zur Mod-Kultur. In dieser Gemeinschaft glaubt er, einen Sinn für sein Leben zu finden.
Aber die Unsicherheiten bleiben und hin- und hergerissen zwischen den verschiedenen Facetten seines Ichs flieht Jimmy ans Meer nach Brighton. Dort stiehlt er ein Boot und landet schließlich auf jenem Felsen, wo man ihn zu Beginn der Geschichte angetroffen hatte
Hier stand mir wieder mein Allzweckhelferlein ‚wikipedia’ zur Seite.
1996 waren nun ‚The Who’ in Deutschland unterwegs, und wir mussten natürlich hin. 12.000 Menschen versammelten sich in der Dortmunder Westfalenhalle, die meisten in unserem Alter, allerdings einige auch schon mit Kindern und Enkeln, die am Anfang doch recht angewiderte Gesichtsaudrücke hatten.
„Was soll das?“.
„Diese alten Böcke!“.
„Was tut man nicht alles, um Opa und Oma einen Gefallen zu erweisen?“
Wir brauchten keinen eigenen Joint, die Luft in der Halle war geschwängert damit.
Keine Vorgruppe, keine ‚Light-Show’, kein gar nichts. Die Jungs kamen auf die Bühne, spielten die ersten vier Akkorde und hatten die Halle in ihrem Bann.
Pete Townshend strafte sich selber Lügen: Sie konnten „Quadrophenia“ doch live spielen. Pete sprang noch so exakt wie vor 30 Jahren, John Entwistle stand wie üblich regungslos und unbeteiligt am Rande und trieb die Band mit dem Bass vor sich her. An der Schießbude saß nun Zak Starkey, der Sohn von Ringo Starr, zwar kein Vergleich mit dem unübertroffenen Keith Moon, aber im Vergleich zu anderen Drummern hervorragend, und ein kurz geschorener Roger Daltrey bewies, das er immer noch der Weltmeister im Mikrophon-Weitwurf ist.
Und die Halle war stockstill, besonders die Jüngeren standen mit offenen, staunenden Mündern, was die alten Säcke so brachten.
Bis dann ein Solo von über acht Minuten zu Ende war. Ein Solo auf dem Bass von John Entwistle, der doch auf diesem Instrument ein Melodie spielen konnte. Danach tobte die Halle, die Oper wurde für zwanzig Minuten unterbrochen, bis die Zuhörer sich wieder ein hatten.
Pete Townshend – älter, weiser und sparsamer geworden – verzichtete auf die Zerstörung des Mobiliars, er zerschlug nicht mal eine seiner inzwischen nummerierten Gitarren.
Nach dem Konzert ging es hinter die Bühne und das mir ehelich angetraute Weib lernte einen Teil meiner Londoner Vergangenheit kennen, der sie doch ein wenig erschreckte. Darüber jedoch an anderer Stelle. Pete kannte sie schon. Der hatte uns 1983 in Spanien wiedergefunden, als Sting betteln ging, um Tina Turner eine Solokarriere zu ermöglichen. Die Jungs haben zusammengeschmissen und heraus kam dann 1984 ‚Private Dancer’.
In Einem gebe ich dem anderen Berichterstatter Recht: Die DVD ist absoluter Schrott, denn ‚Quadrophenia’ ist zum Hören, nicht zum Sehen.
Wer sich an dieser Musik berauschen will, dem sei die schon erwähnte CD ‚Odds And Sods’ empfohlen, oder irgendeine andere dieser genialen Truppe.
topfmops, der auch auf anderen Plattformen zu Gange ist, bedankt sich fürs Lesen und Bewerten und freut sich auf lesenswerte Kommentare. weiterlesen schließen
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