Pro:
Man KANN hier mit etwas Glück Mailkontakte finden. Beste Chancen haben Mädchen und junge Frauen bis Anfang 20.
Kontra:
Wer nicht zur Zielgruppe gehört, findet kaum oder keine Mailkontakte. Die Oberfläche der Seite ist schon relativ alt.
Empfehlung:
Nein
Die 90er Jahre waren meine große Zeit der Brieffreundschaften. Überwiegend noch über die gelbe Post, ganz zum Schluss (ab Ende der 90er) verstärkt per E-Mail. Auf letzteres will ich in diesem Bericht noch mal näher eingehen, indem ich die Internetseite „brieffreunde.de“ hier mal vorstelle.
Meine Erfahrungen mit dieser Seite sammelte ich bereits zwischen Mitte 1999 und Mitte 2000, aber bis auf das Layout hat sich hier bis heute nicht viel geändert, teilweise sind sogar Gesuche von damals noch in der Datenbank!
Brieffreunde.de ist eine Seite, über die man Brieffreunde/-innen finden kann. Oder auch nicht (dazu später). Auf jeden Fall ist der Grundgedanke dieser Seite, dass man seinen Kontaktkreis weiter ausbauen kann.
Wer einen Briefpartner sucht, kann sich auf dieser Seite Leute aussuchen, die sich bereits in die Datenbank eingetragen haben. Man kommt in eine Suchmaske, in der man nach bestimmten Kriterien suchen kann, die der „Wunschpartner“ erfüllen sollte: nur männlich, nur weiblich, egal welches Geschlecht; sucht nur Männer/nur Frauen/beides; dann kann man natürlich das Alter auch eingrenzen, sogar Stadt und Land kann man auswählen, z.B. wenn man nur deutsche Kontakte sucht, oder jemanden aus seiner Heimatstadt bzw. PLZ-Region. Man kann sogar einen Vornamen als Suchkriterium angeben. Das macht meines Erachtens nur Sinn, wenn man einen interessanten Eintrag gelesen hat, diesen aber nicht so schnell wiederfindet, sich aber an den Vornamen erinnern kann. Auch nach Hobbys kann gesucht werden, z.B. wenn alle Kandidaten ausgegeben werden sollen, die gern Musik hören. Nach Eingeben der Suchkriterien und Abschicken der Anfrage werden alle Kandidaten ausgegeben, die diesen Kriterien entsprechen. Nun kann man sich daraus selbst seinen Kandidaten aussuchen. Wenn man Kontakt mit ihm/ihr aufnehmen möchte, schreibt man direkt an seine/ihre Mailadresse, die im Profil angegeben ist.
Natürlich hat man auch die Möglichkeit, selbst ein Gesuch aufzugeben. Man trägt sich dabei einfach in die Datenbank ein. Dabei erhält man auch ein Passwort. Mit diesem kann man den Eintrag ändern oder auch ganz löschen, wenn man irgendwann keine Mailfreunde mehr sucht. Folgende Daten kann man angeben: Name, Vorname, Geschlecht, E-Mail, PLZ-Region, Stadt, Geburtsdatum, Land, Ausbildung, Beruf, 3 Hobbys, Ich mag/mag nicht, gewünschtes Geschlecht und Alter des Mailpartners, gewünschte Eigenschaften, persönliche Ziele und Philosophie, sonstige Infos zur eigenen Person. Natürlich ist es nicht Pflicht, alle Felder auszufüllen, aber man sollte möglichst viel über sich schreiben, somit findet man am ehesten Schreibpartner, da man sich besser ein Bild über die Person machen kann.
Man kann auch ein Foto von sich hochladen, das ist aber auch freiwillig. Jedoch bekommen die Leute mit Foto erfahrungsgemäß mehr „Klicks“ oder auch Zuschriften. Einige Frauen haben sich auch sehr leicht bekleidet ablichten lassen – ich persönlich halte davon ja nicht so viel, aber das ist meine persönliche Meinung. Viele Männer schreiben wahrscheinlich gerade deswegen schon eher dort hin.
Weitere Funktionen dieser Seite sind z.B. Chat, Forum, Feedback – aber diese Funktionen habe ich alle nicht genutzt, da es mir nur um die Suche nach Mailkontakten ging.
Insgesamt also eine sehr gute Idee, zumal man heute nicht mehr so leicht Gleichgesinnte findet, die gern Briefe schreiben. In meinem anderen Bericht über Brieffreundschaften habe ich ja schon mal angedeutet, dass das Briefhobby in der heutigen Zeit immer seltener wird und so mancher in der Gesellschaft, der davon nicht mitreden kann, es belächelt.
Aber hat diese Seite wirklich die 100%ige Garantie, dass der elektronische Postkasten nicht mehr verhungert? – Nein!
Ich kam im Sommer 1999 auf diese Seite, als sich einige meiner ehemaligen Brieffreunde/-innen verabschiedet hatten. Außerdem war ich da gerade arbeitslos, somit suchte ich nach einem neuen Zeitvertreib. Ich schrieb eine ziemliche Menge an Personen an, bekam von etwa 20 % Rückantwort – ein nicht besonders guter Schnitt, finde ich. Aber immerhin etwas!
Die meisten davon schrieben nach der ersten Mail nicht mehr zurück, andere nach 3 bis 5 Mails nicht mehr, und mit den restlichen war oft nur eine mangelhafte Kommunikation möglich. Diese schrieben nur kurz und oberflächlich, und ich hatte den Eindruck, dass sie meine vorhergegangene Mail gar nicht gelesen haben. Das enttäuschte mich schon. OK, bei den „klassischen“ Briefkontakten, also per Post, gab es so etwas auch, jedoch hatte ich da auch einige Freunde gewonnen, bei denen die Wellenlänge von Anfang an stimmte. Und das vermisste ich nun.
Es gab nur drei, vier junge Damen, die mir sehr lange und interessante Mails schrieben, aber diese Kontakte waren auch schneller weg, als es mir lieb war. Eine davon fand über diese Brieffreundeseite nämlich ihren heutigen Lebenspartner, und so etwas ist so selten wie ein Lottogewinn. Ich glaube nicht, dass diese Seite so häufig echte Partnerschaften vermittelt – wenn meine Quote schon bei reinen Brieffreundschaften, dem eigentlichen Zweck dieser Seite, so schlecht war!
Viele, mit denen ich in Kontakt war, waren auch sehr intolerant. Wer ein häuslicher und zurückhaltender Typ ist, dem empfehle ich nicht so sehr, überhaupt Leute von dieser Seite anzuschreiben. Denn diese Eigenschaften kommen allgemein nicht so gut an. Viele wollen nämlich darüber schreiben, was man das letzte Wochenende gemacht hat. Obwohl man denken sollte, dass diese Seite besonders für Singles gedacht ist, wird man als Single enttäuscht. Die meisten, die mir zurückschrieben, waren nämlich gebunden (im Gegensatz zu mir), Hauptthema in den Mails waren gemeinsame Unternehmungen zu zweit, und dann kam oft die Frage: „Und was habt IHR das letzte Wochenende gemacht?“.
Dass man so sehr aneinander vorbei schreibt, hat sicherlich auch damit zu tun, dass der Großteil der eingetragenen Profile sehr mangelhaft bzw. unvollständig ist. Oft stehen wirklich nur Name, Geschlecht und Alter drin. Da ist es natürlich wie ein Lottospiel, jemanden mit ähnlichen Interessen zu finden. Also Leute, es ist schon wichtig, ein möglichst ausführliches Profil anzugeben!
Also: wer gern andauernd auf Achse ist, gern in Discos geht und nach Möglichkeit kein Single ist, findet garantiert Gleichgesinnte – für Smalltalk! Ruhige und häusliche Typen haben hier kaum eine Chance auf längere und bessere Mailkontakte. Schüler und Studenten haben auch bessere Chancen als diejenigen, die täglich von morgens bis abends auf der Arbeit sind.
Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich auch schon ein wenig zu alt bin für die Masse, die hier Gesuche aufgibt. Mein Alter lässt sich leicht anhand meines Nicks (mg1970) feststellen. Damals war ich natürlich 3 bis 4 Jahre jünger, aber trotzdem war ich schon über dem Durchschnittalter. Am meisten sind auf dieser Seite Personen zwischen 14 und 25 Jahren vertreten. Wer wie ich schon um die 30 oder gar noch älter ist, für den ist das mit Sicherheit nicht mehr die ideale Adresse.
Ach ja, ich probierte es auch einmal, mich selbst einzutragen. Ich bekam keine einzige Zuschrift (Männer/Jungen bekommen sowieso allgemein weniger „Klicks“ als Frauen/Mädchen, hinzu kam natürlich noch mein schon höheres Alter), nur Monate später eine ganz eindeutige von einer Dame, die sexuelle Kontakte suchte. Dies mal so ganz am Rande, so kann es nämlich gehen, wenn man sich selbst einträgt – es können auch unerwünschte Zuschriften kommen.
Fazit: „brieffreunde.de“ hat eine gute Grundidee – nämlich zwei Menschen zusammenzubringen, die brieflich (bzw. per Mail) ihre Gedanken austauschen wollen. Allerdings bekommt man hier eher nur kurze, oberflächlichere Kontakte, also selten eine längere Freundschaft. Die besten Chancen, Gleichgesinnte zu finden, haben die 14- bis 25-Jährigen – und hier solltet Ihr nach Möglichkeit viele in diesem Alter populäre Interessen haben wie Ausgehen, Disco, aktuelle Musik/Filme, etc. Wer wie ich schon etwas älter ist, hat es schon schwerer, jemanden mit gleicher Wellenlänge zu finden. Für meine Altersklasse ist diese Seite ganz klar „nicht empfehlenswert“, schließlich habe ich es ein Jahr lang probiert mit null Erfolg. Aber da ich mir durchaus vorstellen kann, dass Jüngere hier mehr Glück haben werden und das wohl eher die Zielgruppe ist, könnte ich die Seite höchstens eingeschränkt empfehlen. Für einen Großteil der Ciao/Yopi-Leser dürfte die Seite aber keinen Erfolg bringen.
Erstveröffentlichung von mir unter gleichem Benutzernamen auch bei ciao.de Anfang 2003 weiterlesen schließen
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