Pro:
atmosphärisch dicht, führt Charaktere wie Umgebung sehr deutlich vors Auge
Kontra:
mögliche (falsche ! ) Thriller - Erwartung Dank Klappentext; zu ausgeschmückt, etwas zäh, vorhersehbar
Empfehlung:
Nein
„Thomas ahnte nichts von dem Alptraum, mit dem sie lebte, nichts von dem Grauen, das sie in Hamburg Tag und Nacht begleitet hatte. Die Schrecken, Schuldgefühle und Ängste ihrer Jugend hatten sie überrollt, waren eins geworden mit ihrer Verzweiflung und Trauer um ihr Kind, bis sie nicht mehr wusste, was Einbildung und Realität war. Sie hatte es nicht mehr ausgehalten, war geflohen, und erst hier in der schwedischen Bergwelt war sie zur Ruhe gekommen. Hier, wo alles begonnen hatte.“
(Zitat., S. 22)
Dank jener Zeilen wie auch des Klappentextes ging ich davon aus, dass es sich bei Alex Berg's 343seitigen Roman um einen hochgradig spannend wie vielleicht auch verstörenden Thriller handeln würde. Recht reißerisch kommt die Buchrückenseite daher, suggerierte mir, kriminallistisch mitfiebern zu dürfen und schließlich hinter das ein oder andere dunkle Geheimnis blicken zu dürfen.
Dem war dann eher nicht der Fall.
Generell verläuft
ldquo;Dein totes Mädchen&ldquo unsagbar ruhig wie streckenweise vorhersehbar, während sich die komplette Handlung eigentlich in einem Halbsatz zusammenfassen lässt. Auf eben jene Offenbarung verzichte ich, würde ich damit jenen eher dramaturgisch und psychologisch interessierten Grund und Boden rauben, sich mit der Lektüre überhaupt noch auseinandersetzen zu wollen.
In der Tat beginnt „Dein totes Mädchen“ rätselhaft wie auf eigene Art und Weise fesselnd, finden sich zudem immer wieder gewisse Anspielungen, die die leserliche Neugierde zu schüren verstanden.
Gelinde gesagt, besteht der Handlungsschwerpunkt aus dem Zusammentreffen von Caroline und ihrem einstigen Verlobten Ulf, der inzwischen Leiter der Polizei wurde. Dank eines Schneesturms werden beide gezwungen, sich mit ihrer z.T. gemeinsamen Vergangenheit auseinanderzusetzen, während Caroline ferner den Verlust ihrer 27jährigen Tochter auf ihre eigene Art und Weise zu verarbeiten versucht.
Ausgebreitet auf mehrere hundert Seiten versetzt Alex Berg den Leser in eine Art Melodram, welches ich hier schlicht und ergreifend nicht erwartet hätte. Zig Detailbeschreibungen, die es immerhin erlauben, jede Figur wie Umgebungsidylle sich selbst vor Augen zu führen, sorgen für eine dichte Atmosphäre wie überbordende Stille, so dass die story an sich eher gemächlich ins Rollen kommt.
Sehr gut möglich, dass „Dein totes Mädchen“ mich wesentlich mehr ergriffen wie gepackt hätte, wäre ich nicht dem Irrglauben aufgesessen, hier einen waschechten Thriller vorzufinden. Mit dem zum Teil sprunghafte Schreibstil, der schlichtweg keine einzelne Person wirklich in den erzählerischen Vordergrund stellt, wurde ich vorliebenbedingt nur mäßíg warm; „störte“ es mich ab einem gewissen Zeitpunkt, ein und die selben Ereignisse erst in der Sicht des einen, kurz darauf aus der Sicht der anderen nachlesen zu dürfen.
In diesem Kontext bleibt zu berichten, dass in mir bezüglich nahezu sämtlicher Charaktere eine unbestreitbare Distanz erhalten blieb. Einfühlen konnte ich mich stetig lediglich marginaler Natur, verlor sich der Autor generell eher in den Beschreibungen von Gegend, Natur und äußeren Erscheinungsbildern denn in eindrücklichen Ausflügen in die menschliche Seele.
Hinzu kommt, dass ich bereits auf der ungefähren 140ten Seite eine Ahnung hegte, welche sich sodann auch kurzerhand nur ca. 15 Seiten später bestätigen sollte.
Meiner persönlichen Meinung nach hätte man das Buch bereits zu diesem Zeitpunkt enden können lassen, anstatt weiterhin auf ein Geständnis zuzusteuern, welches meines Empfindens nach ebenfalls arg verfrüht auf der Hand liegen durfte.
Soll heißen:
statt mich als Leser von einer Emotion in die andere zu schleudern, fühlte sich „Dein totes Mädchen“ eher zähflüssig an; befolgt der Aufbau einem zu typischen und somit zu oft dagewesenen Konstrukt, als das mich hier viel hätte überraschen können.
Durchaus geht „Dein totes Mädchen“ stellenweise unter die Haut, während der Schreibstil einfühlsam, sachte und behände agiert... sonderlich gefallen hat mir die Lektüre allerdings dennoch nicht.
===Summa summarum=== gestehe ich dem Taschenbuch zu, dass es mich vermutlich eher überzeugt hätte, sofern meine Erwartungshaltung nicht völlig unglücklicher Natur gewesen wäre. Der großen Knaller, auf den ich mich während des Griffes zu der Lektüre innerlich einstellte, erfolgte in der Tat nicht ~ man kann der Autorin selbst jedoch kaum zum Vorwurf machen, dass ich mich auf einen Thriller einstellte, der offenkundig nie in der Absicht des Verfassers lag.
„Dein totes Mädchen“ lebt, besticht und wirkt eher durch die vorherrschende Thematik der (Selbst)Reflektion, der zwischenmenschlichen Probleme, Fluchten, Neuanfänge und dem immer wieder kehrenden Scheitern. Die letzten Seiten bezeugen das literarische Können der Autorin, hinterlassen Spuren und tun dem Leser gewiss weh.
Nichtsdestotrotz fühlte es sich für mich persönlich eher erleichternd an, als ich das Buch schließlich weglegen konnte ~ nichts für ungut, aber mir fehlten hier ein paar Höhepunkte, Wendungen oder gar bloß eine gewisse Zugkraft.
Schlecht ist „Dein totes Mädchen“ in der Tat mitnichten ~ potentiellen Interessenten sollte dessen ungeachtet zweifelsfrei bewusst sein, dass es sich hier um ein ruhiges, kaltschneidendes Werk handelt, welches möglicherweise nicht bloß zufällig inmitten einer zugeschneiten Gegend spielen durfte. weiterlesen schließen
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