Kawasaki ER-6f Testberichte
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- Fahreigenschaften: gut
- Gewicht: leicht
Pro & Kontra
Vorteile
- Handling, Verbrauch, Bezahlbare Technik, Fahrspaß für Einsteiger und Könner
- Motor, Kosten, ABS, Alltagstauglichkeit, Fahrwerk
Nachteile / Kritik
- Verarbeitung, Fahrwerk, Reinigungs(un)freudlichkeit
- Cockpit, Teillastruckeln, kein Hauptständer (möglich), Spiegel
Tests und Erfahrungsberichte
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Die ER6f (2009) ist eine Empfehlung mit kleinen Haken
4- Fahreigenschaften: gut
- Gewicht: leicht
Pro:
Motor, Kosten, ABS, Alltagstauglichkeit, Fahrwerk
Kontra:
Cockpit, Teillastruckeln, kein Hauptständer (möglich), Spiegel
Empfehlung:
Ja
Berichte über meine alte Maschine, der Honda CBR 600 RR und auch über meine kleine Honda Innova, mit der ich gerne zur Arbeit fahre, habe ich bereits geschrieben. Nun wird es Zeit, Euch meine aktuelle Maschine, die Kawasaki ER6f nahezubringen.
Die schwere Entscheidung für den Kauf:
Ende 2008 habe ich meine Honda CBR 600 RR verkauft. Aus familiären Gründen habe ich dann über ein Jahr eine Motorradpause eingelegt. Eins war von Anfang an klar, ich werde nicht viel Zeit zum Fahren haben und rein rational lohnt sich der Kauf eines neuen Motorrades nicht. Die Emotion war allerdings stärker, zumindest bei der Entscheidung Pro/Kontra Motorrad. Jetzt ging es aber darum, welches Motorrad demnächst in der Garage stehen soll. Da sollten doch eher Fakten als Emotionen zählen, soweit das bei einem Motorrad überhaupt möglich ist. Bei den Überlegungen vor dem Kauf kristallisierten sich folgende Punkte heraus:
- die Maschine muss mich emotional ansprechen (ist zwar selbstverständlich, sollte aber erwähnt werden)
- die Fixkosten müssen niedrig sein (ich fahre wenig, deshalb sind die Fixkosten wichtig. Hohe Fixkosten bei wenigen Kilometern machen kaum Sinn)
- die variablen Kosten sollten ebenfalls niedrig sein (Stichworte: Verbrauch und Inspektionen)
- die Leistung sollte nicht unter 70 PS liegen (ich hatte vorher 114 PS, ein bisschen Spaß muss ja sein…)
- die Sitzposition muss einigermaßen aufrecht sein, damit ich nicht wieder Schmerzen in den Handgelenken (wie bei der 600 RR) habe
- die neue Maschine muss tourentauglich sein
- der Anschaffungspreis sollte nicht über 6500 Euro liegen (selbst definierte Grenze)
- ABS
Mit diesen Vorgaben ging es auf die Suche. In Frage kamen z.B. die Honda CBF 600S, die Suzuki Gladius 650 und die Yamaha XJ6 Diversion. Ich habe mir dann einen Motorradkatalog gekauft, in der ich die Kawasaki ER6f in blau gefunden habe. Die Optik hat mich gleich überzeugt und sie kam in den Pulk meiner Auswahl. Um diesen Abschnitt des Berichtes nicht zu lang zu gestalten, kürze ich etwas ab: die Honda fiel schnell raus, die Optik ist mir zu bieder und ich wollte nach drei Hondas mal etwas anderes fahren. Für die XJ6 hatte ich ein gutes Angebot für ein Vorjahresmodell. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, aber auch hier gefiel mir die Optik (nur ein Scheinwerfer vorne) nicht so gut. Außerdem war der Endtopf fest verschweißt und es gab keine Option den Topf gegen einen Sportendtopf zu tauschen. ABS hatte die Yamaha auch nicht. Die XJ6 fiel raus. Es blieb die Suzi. Mit der bin ich Probegefahren. Die Suzi hat einen geilen V 2 Motor mit super Sound und die kurze Fahrt hat mich wirklich überzeugt. Gegen die Suzi sprach die Tatsache, dass es dafür keine Verkleidung gibt und ich doch eher ein Fan des Windschutzes bin. Irgendwie ist mir die sportliche Optik dann doch wichtig. Über die Kawa habe ich vor dem Kauf viel gelesen. Gutes Drehmoment, guter Motor, mittlere Verarbeitungsqualität und geringer Wetterschutz hieß es in den Berichten. Eins ist klar, für ca. 6500 Euro (real –im Winter-, nicht Liste!) bekomme ich kein Motorrad, dass nicht hier und da kleine Nachteile hat. Mit der Kawa bin ich dann Probegefahren. Die Sitzposition war für mich gewöhnungsbedürftig. Klar, wer vorher eine supersportliche 600 RR gefahren ist, sitzt auf der ER6f wie auf seiner Wohnzimmercouch. Ich habe meine Eindrücke dann noch einige Monate reifen lassen, gerechnet und verglichen und mich Anfang 2010 für den Kauf der ER6f entschlossen. Mein Händler kam mir im Preis ziemlich entgegen, so dass ich sogar noch unterhalb meiner veranschlagten 6500 Euro lag.
Meine ersten Erfahrung mit der Neuen:
Mein Problem im Februar 2010 war das Wetter. Eis und Schnee, Temperaturen unter 0 Grad und so sollte ich meine ER6f in den Heimatort überführen. Immerhin 60km waren bei den Umständen zu überbrücken. Wir nutzen einen schneefreien Tag im Februar und holten die Kleine ab. Danach stand sie noch ein paar Wochen in der Garage. Heute habe ich über 700km weg und kann meine gesammelten Erfahrungen präsentieren. Gewöhnungsbedürftig war für mich der Umstieg von vier auf zwei Zylinder. Der Motor ist zwar drehmomentstark, aber auch rauer als der Motor der Honda. Natürlich ist mir klar, dass man diese beiden Maschinen nicht wirklich vergleichen kann. Mein Eindruck von der Probefahrt bestätigte sich auch in der Praxis. Die Sitzposition ist angenehm, wenn auch der Kniewinkel relativ spitz ist. Störend ist das aber nicht. Der Windschutz ist für mich völlig ausreichend, die Scheibe hat noch zusätzlich einen kleinen Windabweiser, der den Fahrtwind über den Kopf des Fahrers leiten soll. Die Tourentauglichkeit der Kawa ist ebenfalls gegeben. Zwar habe ich noch keine Tour damit unternommen, aber auch nach knapp zwei Stunden Fahrt bin ich mit der Kawa noch ziemlich entspannt. Nachteilig finde ich das unübersichtliche Cockpit, speziell die Drehzahl lässt sich im Mäusekino kaum ablesen. Das hätte Kawa besser lösen können! Zudem stören mich die Rückspiegel, bei denen man hauptsächlich Arme sieht. Was mir schon nach einigen Kilometern aufgefallen ist und mich ziemlich irritierte, ist ein Teillastruckeln im Drehzahlberich von ca. 2500 bis 3000 Umdrehungen. Ich habe das Gefühl, der Motor hat dort ein richtiges Leistungsloch. Ich habe das im Internet recherchiert und musste feststellen, dass ich mit dem Problem nicht alleine bin (speziell bei Zweizylindern kommt das wohl häufiger vor). Angeblich soll sich das aber mit zunehmender Kilometerleistung bessern. Mal schauen, ich werde es bei der Inspektion definitiv ansprechen. Verwunderlich ist aber, dass dieses Phänomen in keinem offiziellen Test erwähnt wurde. Das Fahrwerk ist relativ straff abgestimmt und kommt mir damit sehr entgegen. Die Schaltung ist nicht ganz so weich wie ich es von der CBR gewöhnt bin, aber wirkliche Probleme bereitet das nicht. Bremsen: die Bremsen sind absolut OK. Speziell das spät einsetzende ABS ist gut eingestellt. Die Bissigkeit einer Supersportbremse haben sie zwar nicht, aber das ist ja auch nicht der Job der ER6f. Verzeiht mir bitte die Vergleiche mit meiner alten Maschine, die ich zwischendurch immer mal wieder einfließen lasse. Es ist sicher ganz menschlich, dass man mit der alten Maschine mal vergleicht.
Damit Ihr eine gute Übersicht über die Vor- und Nachteile bekommt, führe ich sie hier nach Stichpunkten auf.
Vorteile der ER6f:
- Leistung des Motors/Drehmoment
- Verbrauch ca. 5 Liter (Werksangabe: 4,2 Liter)
- Geringe Fixkosten (Steuer unter 50 Euro/Jahr und Versicherung aufgrund von nur 72 PS unterhalb der Versicherungsgrenze bei 78 PS. Ich zahle unter 50 Euro Versicherung im Jahr)
- Geringer Anschaffungspreis (Liste: 7195 Euro zzgl. NK)
- Angenehme und tourentaugliche Sitzposition
- ABS
- Sportliche Optik (zudem ein seitlich verbautes Federelement und weiße Blinker)
- Netter Zweizylindersound (Sportendtöpfe gibt es in großer Auswahl als Zubehör)
- Tankanzeige, Uhr und zwei Trip Kilometer im Cockpit
Nachteile der ER6f (teils sicher subjektiv):
- Teillastruckeln bei ca. 2500 bis 3000 U/min (hauptsächlich innerorts)
- Verarbeitung ist eher Mittelmaß (Schweißnähte beispielsweise ungenau gearbeitet)
- Cockpit (unübersichtlich, speziell die Drehzahl ist per Balken schlecht zu erkennen)
- Kein Hauptständer (auch nicht zum nachrüsten, da dort der Auspuff sitzt)
- Sicht durch die Rückspiegel (egal wie man sie einstellt, man sieht fast nur die eigenen Unterarme)
- Kette weist schon im dreistelligen Kilometerbereich Rost auf (die Ursache muss bei der nächsten Inspektion geklärt werden, am mangelnden Fetten kann es nicht liegen. Eventuell handelt es sich aber nur um ein optisches Defizit)
- Spitzer Kniewinkel (ich führe es mal mit auf, mich stört es nicht)
Die Liste der Nachteile ist zwar lang, aber die aufgeführten Vorteile wiegen für mich schwerer.
Damit der Bericht komplett ist, füge ich hier die technischen Daten und Werte hinzu:
Motor: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder
Trockensumpfschmierung
Einspritzung Ø 38 mm
Bohrung x Hub 83,0 x 60,0 mm
Hubraum 649 ccm
Verdichtungsverhältnis 11,2:1
72 PS (53 KW) bei 8500 U/min
66 NM bei 7000 U/min
Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl
Telegabel Ø 41 mm
Zweiarmschwinge aus Stahl
Federbein, direkt angelenkt
Doppelscheibenbremse vorn Ø 300 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel
Scheibenbremse hinten Ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel, inkl. ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 4.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17, 160/60 ZR 17
Reifen meiner Maschine: Bridgestone BT 021 J
geregelter Katalysator, Euro 3
Lichtmaschine 336 W
Batterie 12 V/14 Ah
Mehrscheiben-Ölbadkupplung
Sechsganggetriebe
O-Ring-Kette
Sitzhöhe 800 mm
Gewicht vollgetankt 208 kg
Zuladung 176 kg
Tankinhalt 15,5 Liter.
Beschleunigung und Durchzug:
0 – 100kmh: 3,9 sek.
0 – 140kmh: 7,4 sek.
0 – 200kmh: 23,9 sek.
60 – 100kmh: 4,6 sek.
100 – 140kmh: 5,1 sek.
140 – 180kmh: 6,4 sek.
Topspeed: 205 kmh (lt. Fahrzeugbrief)
Inspektionsintervalle: 1000km, 6000km und alle weiteren 6000km (Kosten der ersten Inspektion lt. Händler ca. 100 Euro)
Was ich noch erwähnen möchte:
Kurz nach dem Kauf der ER6f habe ich eine E-Mail an Kawasaki geschickt mit der Bitte, mir ein paar Kawasaki Aufkleber zu schicken. Nach wenigen Tagen lag ein Brief im Briefkasten mit mehreren Aufklebern. Klasse Service, hoffentlich bleibt das auch so…
Mein Fazit: die ER6f hat Macken, da mache ich mir nichts vor. Wer ein Motorrad zum Einstiegspreis von unter 6500 Euro (real –Winter-, nicht Liste!) kauft, muss hier und da Abstriche machen. Viele harte Fakten, wie die laufenden Kosten, die Sitzposition, die Optik und die Sicherheit (ABS) sprechen für die kleine Kawa. Die Nachteile, wie das Teillastruckeln, das schlecht ablesbare Cockpit, der fehlende Hauptständer und die üblen Spiegel sind hinnehmbar. Ich fahre nicht viele Kilometer und kann mit den Nachteilen leben. Wer viele Kilometer im Jahr abreißt, sollte vielleicht etwas tiefer in die Tasche greifen und nach Alternativen Ausschau halten. Die Gewichtung der Vor- und Nachteile kann natürlich von Motorradfahrer zu Motorradfahrer unterschiedlich ausfallen. Ich jedenfalls vergebe vier Sterne, da die Maschine für mich viele Vorzüge hat und ich sie demnach auch empfehlen möchte. weiterlesen schließenKommentare & Bewertungen
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ThomasKu, 15.08.2011, 20:53 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
Sehr guter Bericht! Würde mich über Gegenlesungen freuen!
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Powerdiddl, 20.11.2010, 10:15 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
Ich wünsche dir einen schönen Samstag, lg
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sechsER mit Zusatz-F
04.01.2007, 18:53 Uhr von
Tut_Ench_Amun
Der virtuelle Pharao existiert nun schon seit über 10 Jahren und macht das Netz mit seinem Geschr...4- Fahreigenschaften: gut
- Gewicht: mittelmäßig
Pro:
Handling, Verbrauch, Bezahlbare Technik, Fahrspaß für Einsteiger und Könner
Kontra:
Verarbeitung, Fahrwerk, Reinigungs(un)freudlichkeit
Empfehlung:
Nein
Als uns 3% Mehrwertsteuererhöhung ins Haus standen, die INTERMOT in Köln vorbei war und die Händler zum Saisonende gerne noch ein paar Maschinchen losschlagen wollten, bevor die ganz neuen Modelle anrücken, purzelten die Preise und überschlugen sich die Hersteller mit Sonderaktionen für Motorräder und Zubehör. Als dann auch noch die holde Göttergattin den A-Führerschein erlangte, wurden im Tempel Nägel mit Köppe gemacht: Das lang diskutierte und sehnlichst erwartete Zweit-Motorrad kam. Wir mögen "Team Green", wie Kawasaki im Rennsport genannt wird. Also noch'ne Kawa. Die zu Ende der Saison 2005 vorgestellte ER-6f. F wie Vollverkleidung.
Cash & Carry
Das neue Eisen wurde beim Kawasaki-Händler des Vertrauens erworben nicht bei einem der mittlerweile recht zahlreichen Bike-Discounter. Mögliche Grauimporte können sich als teurer Boomerang erweisen. Zudem versprach die Herbstaktion von Kawa-Deutschland satten Mehrwert. Beim Kauf eines ER6-Neufahrzeugs bekam man im Aktionszeitraum für 800 Euro Zubehör obendrauf gepackt. Nach freier Wahl aus dem kompletten Kawasaki Sortiment. Egal ob Zubehör oder Bekleidung. Merkwürden fühlte sich wie Alice im Bikerland und das Limit war rasch mit allerhand Schickimicki erreicht. Darunter manch Nützliches, doch auch nicht minder Nice-to-look-at-Nippes.
Für 7190 € Gesamtpreis (Inklusive Finanzierungs- und Nebenkosten, sowie Zulassung) waren nicht nur die ganzen Goodies drin, sondern auch die teurere "K-Care" Garantieverlängerung um 2 auf ganze 4 Jahre. Dem Verhandlungsgeschick der Pharaonin sei Dank, rückten die grünen Männchen auch noch ein Motorrad-Sicherheitstraining on top raus. Es lohnt sich stets mehr bei den Dreingaben oder bei den Serviceintervallen zu feilschen, als utopische Rabatte beim Kaufpreis herausschlagen zu wollen. Nach 2 Wochen konnte das Geschoss endlich abgeholt werden. Selbstverständlich mit dem bereits fachgerecht montierten Sonderzubehör.
Juten Tach, ich bin die Neue
Zur Grundausstattung der ER-6f gehört die Verkleidung (im Englischen: "Fairing", daher das F), was sie optisch bereits von der nackigen Grundversion unterscheidet. Radstand und Nachlauf, sowie eine leicht verlängerte 41er Telegabel tragen den 4 Kilo Mehrgewicht, die sie gegenüber Schwester N auf den Rippen hat, dagegen weitgehend unsichtbar Rechnung. Ein optisch nur mittelmäßig geschweißter und pulverbeschichteter Stahl-Rohrrahmen bildet die Basis für das Chassis. Auch hier sind die beiden ER-Modelle gleich, ebenso bei der Stahlschwinge mit Oberzug und dem seitlich angeordneten Federbein. Kleines Manko des pfiffigen Designs ist die Reinigung. Dank der vielen Winkel und Ecken werden Putzmuffel sicherlich an dem Bike verzweifeln.
Statt des bei der N oft polarisierenden Instrumenten-Knubbels auf dem Scheinwerfergehäuse (entweder man findet's niedlich oder grausig) hat Kawa bei der F hinter der schnittigen Windschutzscheibe ein konventionelles Analog-Cockpit mit klassischen Rundinstrumenten verbaut. Ausnahme: die digitale Kombianzeige für Kilometerstände (ODO, Trip A/B) und Uhr. Vom Prinzip her alles sehr übersichtlich, doch sind die Kontrollleuchten insbesondere bei Sonnenschein nicht immer optimal zu sehen. Eine detaillierte Tankuhr fehlt bedauerlicherweise komplett, immerhin gibt Fräulein per Textbotschaft und Warnleuchte bekannt, dass von insgesamt 15 Litern in ihrem buckligen Stahl-Kamelhöcker gebunkerten Lebenssaft noch etwa 3,5 übrig sind.
Filetstück des neuen Designs ist ohne Frage der quirlige 649ccm Reihen-Twin mit 180° Hubzapfenversatz. Je 4 Ventile treiben die beiden mit Steuerkette ausgerüsteten Nockenwellen pro Zylinder an. Es ist überdies auch nicht irgendein durchgesägter und modifizierter Vierer-Ninja-Block aus dem Kawa-Regal, sondern eine Neuentwicklung. Der flüssig gekühlte Zweizylinder baut durch übereinander angeordnete Getriebewellen sehr schmal und erlaubt zudem einen überaus günstigen Schwerpunkt des Triebwerks im Rahmen. Der Motor verträgt übrigens Normalbenzin ab 91 ROZ (Super-Bleifrei / 96 ROZ wegen der besseren Leistungsausbeute empfohlen) und schluckt recht wenig. Mit 4,5 Liter kommt man fast immer hin, es sei denn, man wringt die Maschine ständig aus.
Für die Laufruhe des Motors sorgt eine Ausgleichswelle, welche die typischen Vibrationen eines Reihenzweizylinders nahezu killt, ohne jedoch das charakteristische Pulsieren ganz zu unterbinden. Das präzise und geräuscharm schaltende 6-Gang Getriebe wird von einer Mehrscheiben-Ölbadkupplung an die Kandarre genommen. All das ist gut für nominell 72 Pferde und 66 Nm, die mittels Kettenantrieb an dem werksseitig mit 160er Bridgestone BT020 Schwarte ausgerüsteten 17 Zoll Aluguss-Felge zerren. Vorne pflügt ein 120er BT gleicher Prägung bei Bedarf mit flotten Zweihundert Nochwas km/h durch die ansonsten friedlichen Weiten der StVO. Dank Einspritzanlage und G-Kat entlässt die ER nur Euro3-konforme Fürze in die Umwelt.
Die edelstählerne 2-in-1 Brabbeltüte lümmelt sich in der Kelleretage unter dem Treibsatz des Mopeds rum. "Under-Engine" nennt man das, Die Untersitz-Variante lockt heute auch niemanden mehr wirklich, denn die fährt fast jeder Depp. Bereits im Standgas knurrt es sonor-frech aus dem Design-Stummel, bei steigenden Drehzahlen variiert die Tonlage über angriffslustiges Röhren bis hin zum kehlig-heiseren Fauchen ab 6000 Umdrehungen. Der Sound passt zu dem kleinen Wadenbeißer und klingt überhaupt nicht nach einem Zweizylinder. Leider verhindert der an sich gelungene Pott aufgrund seiner Dimensionen auch die Montage eines Hauptständers - daher gibt es Madame nur mit Seitenständer.
Es gab die ER bislangnur in fluffig-geilem Schwarz/Rot ("Ebony") und in biederem Judas-Silber ("Galaxy Silver 2"). Die 2007er Modelle werden auch in komplett Schwarz ("Black") und blau/silber ("Candy Plasma Blue") angeboten. Die Silberne wirkt aufgrund unterschiedlich farbigem Bezug als hätte sie einen Solo-Sitz und unterstreicht damit ihren Anspruch auf sportive Gene deutlicher, als die anderen Farbvarianten. Dafür wirkt sie ansonsten irgendwie (zu) bieder. Die F integriert in die stylische Plastikschale eine aus der hauseigenen Z-Baureihe geklaute Lampeneinheit, welche ihr ein leicht böses Gesicht verleiht. Der Doppelscheinwerfer sieht nicht nur gut aus, er leuchtet auch so - nur das Fernlicht ist irgendwie seltsam breitstrahlig.
Alltags-Gefährtin
Kawa-Triebwerke sind bekannt dafür, gute Starter zu sein. Die ER weiß offenbar um diese Tradition, sie lässt sich nicht lange per E-Starter bitten. Ohne großes Orgeln ist der Twin bei den ersten Umdrehungen sofort hellwach und hängt fast augenblicklich willig am Gas. Eine Kaltstartautomatik regelt die Drehzahl per Gemischanreicherung ganz ohne lästigen Choke-Zug. Die deutliche Drehzahlanhebung bei kaltem Wetter verschwindet meist bereits an der nächsten Straßenecke und der Motor brabbelt mit 1200 Umdrehungen im Leerlauf vor sich hin.
Im Fahrbetrieb packt der Motor schon kurz über Standgas beherzt zu und schiebt für einen Zweizylinder erstaunlich bullig vorwärts. So ab 5000 Umdrehungen setzt unter grimmigem Röhren dann der spaßige Vollstreckermodus ein. Jetzt werden die restlichen Pferdchen vollends von der Kette gelassen und galoppieren freudig bis 8000 Umdrehungen, bis sie dann etwas an Puste verlieren. Bei 11.000 fängt der Begrenzer Black Beauty (leider) schlussendlich wieder ein. Das Triebwerk noch weiter auszupressen, würde auch nichts bringen, denn schon ab 8500 Umdrehungen wirkt der Vortrieb zäh.
Man sitzt eher bequem tourentauglich denn sportlich. Der Übergang zum Tank sorgt dank seiner Wespentaille sofort für ein harmonisches Mensch/Maschine Feeling. Das Handling ist erwartungsgemäß vorbildlich. Schon bei geringen Geschwindigkeiten halten die Kreiselkräfte den Bock stabil. Willig klappt die Maschine in Schräglage und folgt der angepeilten Linie wie auf Schienen. Wechselkurven gefällig? Auch kein Problem. Kurze Impulse mit Schenkel oder Lenker genügen. Das Aufstellen beim Bremsen ist minimal und das Herausbeschleunigen aus Kurven bleibt dank linearer Kraftentfaltung stets kontrollierbar.
Das ziemlich harte Kunstleder-Gestühl ist natürlich für 2 Personen geeignet und bietet platzmäßig auch Sozius/Sozia einen menschenwürdigen Aufenthalt. Alternativ hatten wir noch die abgepolsterte Sitzbank (aufgepolsterte für Langbeine gibt's auch) auf dem Zettel. Kostenpunkt: stolze 240 Euro. Diese bringt die Sitzhöhe von moderat-erträglichen 78 noch einmal um 3 runter auf 75 Zentimeter. Wir 1,58 und 1,70 Meter Zwerge haben jedoch darauf gepfiffen und kommen bislang auch mit der Standardsitzbank ganz gut hin. Auf einen geänderten Lenker (breiter und flacher) haben wir einstweilen verzichtet, das Thema ist aber noch nicht ganz vom Tisch. Möglicherweise wird nächste Saison ein anderer nachgerüstet, wiewohl eher aus optischen Gründen, denn die Original-Sitzposition ist absolut OK.
Die Mitreisenden dürfen nicht zu schwer sein, denn nicht nur ist die Zuladung mit 180 kg netto ziemlich knapp bemessen, das unterdämpfte Fahrwerk (böse Zungen könnten "lasch" oder Schlimmeres sagen, während Kawasaki es im besten Broschüren-Deutsch "komfortabel" nennt) stößt bei hurtigerer und aggressiver Fahrweise selbst solo schon früher an seine Grenzen. Eine straffere Abstimmung der - bis auf die sehr gut erreichbare Federvorspannung des pfiffig inszenierten Federbeins - übrigens nicht einstellbaren Dämpferelemente, wäre wünschenswert gewesen. Das wäre der einzige schwerer wiegende Kritikpunkt an dem Hobel, ansonsten hat das Fahrwerk die vergleichsweise lässigen 196 Kilo der Kiste ganz gut im Griff.
Mit angeblich bei über 95% der verkauften ER-6 geordert, dürften die Meisten mit dem optionalen Bosch-ABS ankern. Damit sind sogar Beinahe-Stoppies drin, da das Regelintervall vergleichsweise grob ausfällt. Trotzdem möchte man das elektronische Antiblockier-Heinzelmännchen nach einer kleinen Eingewöhnungsphase nicht mehr missen. Die insgesamt 3 Wave-Design Scheibenbremsen arbeiten zuverlässig, wenn auch der allerletzte Biss fehlt. Im Alltag erzielt man damit (und nicht zuletzt ABS) de facto kürzere Bremswege, als sämtliche Biker, die vielleicht nicht grade ins Profi-Rennfahrerlager gehören. Also: Fast alle von uns.
Kinderkrankheiten
Es werden von der Fachpresse und in Internet-Foren gern einige Malaisen breitgetreten. In der Regel handelt es sich hier um Jammern auf hohem Niveau. Natürlich sind etwaige Mucken ärgerlich, doch insbesondere bei neuen Modellen sollte der Grundsatz: "Nobody is perfect" gelten. In erster Linie wird die Verarbeitung oft bekritelt, speziell die Sauberkeit der Schweißnähte und die Pulverbeschichtung des Rahmens. Bei meiner Maschine hält sich das in Grenzen. OK ich hab zwar schon durchaus schönere Nähte gesehen, doch gar so grausig sind sie nicht und auch die Farbe hält bislang. Einzig den Alu-Fußrastenträger habe ich partiell mit den Stiefeln bereits ein wenig blank gescheuert. Peanuts.
Übler war da schon das Dröhnen der Frontverkleidung irgendwo im Bereich des Instrumententrägers in bestimmten Drehzahlbereichen. Dieses Problem ist Kawa bekannt und wird durch Anbringung von zahlreichen Moosgummistreifen an diversen Stellen der Innenverkleidung beseitigt. Auf jeden Fall sollte man Werkstatt bzw. Händler explizit darauf hinweisen, wenn man von dem nervtötenden Geschnarre betroffen ist, diese müssen das Antidröhn-Kit nämlich für jedes betroffene Motorrad einzeln bei Kawa anfordern. Die Montage erfolgt dann natürlich kostenlos im Rahmen der K-Care Garantie, oft im Zusammenhang mit der Erstinspektion bei 1000 km. Seither ist auch hier endlich Ruhe im Gebälk, man hört nur noch Motor und Auspuff. So wie es sein soll.
Das größte Rauschen im Blätterwald verursachte in letzter Zeit das - übrigens nicht nur bei Kawa, sondern beispielsweise auch bei BMW verbaute - Bosch-ABS. Das ist etwas in Verruf geraten, da es offensichtlich möglich ist bei nicht praxisgerechten Extremsituationen Hebelblockaden oder sogar Überschläge zu provozieren. Zumindest hat sich die Situation seither nicht als so bedrohlich erwiesen, als das ein Rückruf vonnöten gewesen wäre. Fakt ist, dass jede technische Einrichtung auch versagen kann. Besonders die als narrensicher eingestuften. Zudem will und kann keine Elektronik der Welt dem Biker das Denken oder das Fahren abnehmen.
Auf die Pelle gerückt
BRIDGESTONE hat nun auch endlich die Weiterentwicklung des auf der F serienmäßigen und an sich prima funktionierenden aber schon etwas angegrauten Battlax BT020 am Start: Den BT021 - inklusive Freigabe. Überaus brauchbar ist der METZELER Roadtec Z6, der preislich jedoch kaum Vorteile gegenüber Bridgestone verbuchen kann. Auch MICHELIN hat freigegebene Schwarten für die Kawa, den Pilot Power nämlich. Auf den schwören vor allem die Gelegenheits-Rennstrecken-Rowdies - kostet allerdings auch etwas mehr. Des weiteren sind von AVON (Storm ST AV 56), PIRELLI (Diablo/Strada) und CONTI (Road Attack) TÜV-genehmigte Latschen zu bekommen. Grausam hingegen ist der, serienmäßig auf der N montierte, DUNLOP D221 - der fährt sich auf der ER-6 (egal ob N/F) wie ein Holzreifen, insbesondere bei Nässe. Definitives No-Go.
Upgrading
Wer sportlicher oder optisch schöner/individueller unterwegs sein will, kann neben dem Kawasaki-Originalzubehör, auf den einschlägigen, externen Handel bauen, so langsam haben sich die Zubehörketten - wie Louis, Polo und Co. - bzw. die Riege der Tuner und Veredler auf die N und F eingeschossen. Nach über einem Jahr seit der Markteinführung der Modelle wurde das auch Zeit. Abgesehen von universellen Zubehörteilen, sind es natürlich die modellspezifischen, welche aus einem Standard-Moped noch einiges mehr rausholen können. Nichts ist so gut, als das es nicht noch Verbesserungen geben würde, der Aufrüstwut und Individualisierung sind also theoretisch nur durch das Bankkonto (und zuweilen dem TÜV) Grenzen gesetzt:
WILBERS und WP (White Power) bieten zum Beispiel geänderte und leistungsfähigere ER-Fahrwerke an, zum Teil sogar einstellbar. Bei BAGSTER erhält man aufwändig gestaltete und bestickte (Leder-)Sitzbänke und andere Lederapplikationen, PUIG und MRA steuern diverse Windschutzscheiben bei. BODYSTYLE stellt diverse (wie der Name schon andeutet) stylische Verkleidungsteile her, wobei dreckspritztechnisch die Hinterradabdeckung äußerst empfehlenswert (aber nicht grade billig) ist. Alternativ hätte auch PUIG - ganz neu - solche Covers im Programm, die zum Jahreswechsel dann verfügbar sein sollen. Der italienische Kofferspezialist GIVI fertigt nicht nur das Original-Kawa-Topcase, sondern gleichwohl auch ein komplettes Sidecase-System, für den Fall dass man die ER als Reisedampfer einzusetzen gedenkt.
Fazit
Natürlich ist nichts so gut, als dass es hie und da nicht noch besser oder individueller gemacht werden könnte, aber: Der Zubehörhandel soll ja auch leben. ER steht für "Essential Riding", also die Essenz des Motorradfahrens. Übertragen auf den modernen Sporttourer bedeutet das in erster Linie, dass er für (Wieder-)Einsteiger sofort und spielerisch beherrschbar ist, aber auch alten Hasen noch genug Entertainment bietet. Dazu ist die ER ist der Beweis, dass auch Leistung deutlich unter 100 PS mächtig Spaß machen kann und das zu einem überaus fairen Preis. Kawasaki hat mit diesem Konzept jedenfalls offenbar den Nerv der Bikergemeinde getroffen und sich in der vergangenen Saison auf Platz 4 der Verkaufs- und Anmeldungscharts katapultiert. Verdient.
So Long
Der Team-Green-Pharao
PS: das Modelljahr ist 2006, doch YOPI bietet nur bis 2003 an... weiterlesen schließenProduktfotos & Videos
Böser Blick von Tut_Ench_Amun
am 06.06.2007Boden-Boden-Rakete von Tut_Ench_Amun
am 06.06.2007Kommentare & Bewertungen
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freshmaik, 09.09.2007, 14:19 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
schöner Bericht über ne echt coole Maschine
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Fernsteuerung, 21.01.2007, 12:27 Uhr
Bewertung: sehr hilfreich
Rot ist sowieso meine Lieblingsfarbe - sieht mächtig gut aus. Toller Anblick. Lg, Susi.
Informationen
Die Erfahrungsberichte in den einzelnen Kategorien stellen keine Meinungsäußerung der Yopi GmbH dar, sondern geben ausschließlich die Ansicht des jeweiligen Verfassers wieder. Beachten Sie weiter, dass bei Medikamenten außerdem gilt: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
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