Pro:
eindrucksvolle Bilder, poetisch schöne Kamera, kein Hollywood - Schinken, ein leiser Film
Kontra:
blasse Charaktere, mittelmässiges Schauspiel
Empfehlung:
Ja
Was macht frau mit einem Film, der zwar mit fast überirdisch schöne Bilder und ebenso passender Musik besticht, inhaltlich aber so dünn ist, dass sie sich unwillkürlich fragt, was der Film denn nun eigentlich transportieren wollte?
Die Geschichte
Wir befinden uns in der Mitte des zwanzigsten Jahrhundert, irgendwo in Amerika, auf der fiktiven Insel San Piedro im Puget Sound. Dichter Nebel herrscht, als die Fischer abends auslaufen, unter ihnen auch der Deutsche Carl Heine und der japanischstämmige Kabuo Miyamoto.
Die beiden Männer verbindet nicht nur der Beruf und eine verhaltene Freundschaft, sondern auch eines der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte. 9 Jahre vor diesem Abend griffen die Japaner Pearl Harbor an, wodurch die Amerikaner sich veranlasst sahen, sämtliche Bürger japanischer Herkunft in grossen Lagern zu internieren, so auch Kabuo's Vater Zenhichi mit seiner Familie. Der Vater Carl's hatte mit Zenhichi einen Pachtvertrag über sieben Morgen Land abgeschlossen, und bis zur Internierung betrieb Zenhichi mit seiner Familie dort eine florierende Erdbeerfarm und zahlte monatlich seine Pacht. Als er von den Amerikanern abgeholt wurde, fehlten nur noch zwei Pachtraten und das Land wäre in Zenhichi's Besitz, oder vielmehr in den Besitz seines Sohnes übergegangen, denn ein Gesetz besagte, dass nur in Amerika geborene Land besitzen dürfen.
Carl's Vater starb unterdessen und Etta, seine Frau, verkaufte das ganze Land einschließlich jener sieben Morgen – den Vertrag mit Zenhichi ignorierend –, und schickte Zenhichi das bisher bezahlte Geld ins Lager zu.
An diesem Abend, als die Fischer hinausfuhren, kehrte einer nicht mehr lebendig zurück, Carl Heine wurde von den anderen aus dem Wasser gefischt, seine Leiche hatte sich in seinem eigenen Fischernetz verhedert. Eine tiefe Wunde hinter dem Ohr wurde schnell als äussere Gewalteinwirkung und Kabuo als Täter ausgemacht. Er wird verhaftet und vor Gericht gestellt.
Das ist die eine Geschichte, die andere handelt von Ishmael Chambers und Hatsue Imada, Ishmael, Sohn des örtlichen Zeitungsverlegers und Hatsue, Tocher eines traditionell japanischen Elternhauses, wachsen als Kinder zusammen auf, aus den Kindern werden Jugendliche, aus Freundschaft wird Liebe. Auch Hatsue's Familie wird wie alle anderen interniert, Ishmael geht an die Front.
Aus dem Lager heraus schreibt Hatsue Ishmael einen Abschiedsbrief, sie ist nicht in der Lage sich über die Traditionen ihres Elternhauses, insbesondere der Forderung der Mutter nach einem japanischen Ehemann, hinwegzusetzen.
Ishmael ist zutiefst verletzt.
Als sie sich wieder sehen, ist Hatsue mit Kabuo verheiratet, Ishmaels Vater ist gestorben und hat seinem Sohn die Zeitung hinterlassen, Kabuo steht vor Gericht und alle Indizien deuten darauf, dass er Carl auf hoher See umbrachte. Auch die Bürger sind von seiner Schuld überzeugt, 9 Jahre nach Pearl Harbor flammen der alte Hass und Vorurteile gegen die Japaner wieder auf.
Der Film
Diese Geschichte, deren Anfang ich hier chronologisch beschrieb, wird dem Zuschauer in ständigen Rückblenden Stück für Stück vermittelt, das eine oder andere Mal werden Szenen wiederholt und wiederholt, quälend, wie ein Kanon, die Bilder kommen immer wieder hoch, so wie sie den Protagonisten immer wieder hochkommen, als Erinnerungsfetzen, als eingebrannte Traumatas. Vorallem der sensible Ishmael leidet auch 9 Jahre nach der Trennung noch darunter, so nimmt der Zuschauer teil an seinen Flasbacks, immer und immer wieder. Die Szene, als Hatsue den Abschiedsbrief schreibt und er ihn liest, sie ihn liest, den ersten Satz, immer wieder, als hätte die Erinnerung einen Sprung, als hätte der Film eine Endlosschleife. Dazwischen Einblendungen der Kriegsbilder, gefallene Soldaten, Ishmael, halb tot und leider doch am Leben, der Schmerz geht weiter.
Dies ist der Stoff, aus dem grosses Kino gemacht werden kann, aber es bleibt immer schwierig bei Literaturverfilmungen wie diese hier, wo der Buchautor David Guterson als Co-Produzent direkt mitgewirkt hat.
So ist es auch hier nicht wirklich gelungen. Sicher, die Bilder sind beeindruckend und auf eine ungewöhnliche Weise ungeheuer poetisch, bestechen durch eine subtile und kraftvolle Ästethik, aber hinter all dieser Poesie der Bilder und der dazu passenden, eindringlichen Musik, die eine Mischung aus Klassik und New-Age ist, bleibt die Handlung auf der Strecke, bleiben die Charaktere blass und konturlos, ausser einem, Max von Sydows als der Anwalt Kabuo Miyamoto's, nur leider kann dieser die Mängel nicht überdecken.
Hinzu kommen verwirrend viele Rückblenden auf verschiedenen Handlungsebenen, sodass der Zuschauer schon sehr gut aufpassen muss, um sich zurecht zu finden. Im Grunde spielt der überwiegende Teil des Films in der Vergangenheit, der Gerichtssaal scheint nur das Vehikel dafür zu sein. Dies macht den Film wiederum zu einem anspruchsvollen Werk, will sagen, einige ZuschauerInnen könnten mit dieser Art der Erzählweise schlicht überfordert sein.
Empfehlung
Ja, bedingt. Wer sich einen schönen, poetisch und einfühlsamen Film mit einer wunderbaren und herausragenden Kameraführung ansehen mag, und gleichzeitig damit zurecht kommt das Schauspieler wie Protagonisten blass und profillos geblieben sind, der möge sich den Film zu Gemüte führen, alleine die Bilder sind es allemal wert. So ist denn auch der Film zu seiner einzigen Oskar-Nominierung gekommen, für die Kamera.
Ein guter, aber nicht herausragender Film, und für einen Max von Sydow und die Kamera gibt es trotz der Schwächen 4 Sterne.
Bonusmaterial:
Vorhanden, ich selber habe mir nur die Kommentare und Interviews angesehen, die insofern interessant waren, als dass auch der Buchautor ausgiebig zu Wort kommt. Ansonsten das Übliche, making of, mehrere Sprachen, Kapitelauswahl möglich.
Originaltitel: Snow Falling on Cedars - Regie: Scott Hicks - Buch: Scott Hicks, Ron Bass und David Guterson, nach dem Roman "Schnee, der auf Zedern fällt" von David Guterson - Kamera: Robert Richardson - Schnitt: Hank Corwin - Musik: James Newton Howard - Darsteller: Ethan Hawke, Max von Sydow, Youki Kudoh, James Cromwell, Sam Shepard, James Rebhorn, Rick Yune, Richard Jenkins u.a. - 2000; 120 Minuten
Oscar-Nominierung 1999 für Robert Richardson (Kamera)
Der Roman von David Guterson wurde ausgezeichnet mit dem PEN/Faulkner Award 1995
Bezahlt für die DVD habe ich 7,99 bei Hugendubel.
920 von Hand gezählte Worte weiterlesen schließen
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