Pro:
Spannung, Einfälle, Darstellung
Kontra:
vielleicht zu heftig für manche
Empfehlung:
Ja
Die Chemie des Todes Simon Beckett
*** Der Weg zum Hörbuch ***
Buchbesprechungen in den allbekannten Meinungsforen (auch hier) hatten meine Neugierde geweckt. Ich entschloss mich daher, die besprochenen Werke Die Chemie des Todes (2006), Kalte Asche(2007) und Leichenblässe(2009) in chronologischer Reihenfolge zu lesen bzw. anzuhören.
Da in allen drei Romanen die Person des Forensikers David Hunter die Hauptrolle spielt, trägt dies vielleicht zu einem besseren Verständnis seiner persönlichen Entwicklung bei.
Das für diese Romanreihe Erstlingswerk Die Chemie des Todes habe ich ohne größere Unterbrechungen an 2 Tagen hintereinander gehört, immerhin fast 460 Minuten.
So viel schon mal vorweggenommen, es hat insgesamt meine relativ hoch gespannten Erwartungen mehr als übertroffen.
Entschieden für die Hörbuchfassung mit dem Sprecher/Vorleser Johannes Steck statt des gedruckten Buches hatte ich mich, weil mir eine Virusgrippe so zu schaffen gemacht hatte, dass ich zwar relativ gut auch über längere Zeit zuhören konnte, aber zum Lesen immer nur sehr kurze Zeit fähig war. Kurzum, das Hörbuch war in meinem Zustand einfach die bessere Wahl.
Zum Autor noch eine kurze Biographie, Wikipedia entnommen:
"Nach seinem Abschluss mit einem Master of Arts in englischer Sprache arbeitete Beckett als Immobilienhändler, Lehrer und Schlagzeuger, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Als freiberuflicher Journalist schrieb er für The Times, The Independent on Sunday, The Daily Telegraph, The Observer und andere Publikationen.
Bei Recherchen lernte er die Polizeiarbeit von innen kennen; das gilt insbesondere für seine Erfahrungen mit der Body Farm der University of Tennessee in Tennessee, USA, einer Forschungsanstalt für Verwesungsprozesse. Dieses Wissen verarbeitet er in seinen Romanen.
Bereits 1996 verlieh ihm die deutsche "Raymond Chandler Gesellschaft e.V." für den Roman Animals (bisher für den deutschsprachigen Raum noch nicht übersetzt) den Marlowe in der Kategorie "International". Sein Buch Die Chemie des Todes erschien 2006 und spannt um den fiktiven Forensiker David Hunter eine Kriminalgeschichte. Der Roman wurde 2006 für den Dagger Award nominiert. Im Sommer 2007 setzte er die David-Hunter-Reihe mit dem Roman Kalte Asche fort, in dem er die spontane menschliche Selbstentzündung thematisiert und entmythisiert. Anfang 2009 erschien sein nächster Roman Leichenblässe.
Beckett ist verheiratet und lebt mit seiner Frau Hilary in Sheffield."
*** Inhaltsanriss ***
Das Buch beginnt recht eindrucksvoll mit einer Beschreibung bzw. Schilderung des Verwesungsprozesses unseres Körpers bereits wenige Minuten nach dem Tode, hier unter den Bedingungen in der freien Natur.
"Ein menschlicher Körper beginnt fünf Minuten nach dem Tod zu verwesen. Der Körper, einst die Hülle des Lebens, macht nun die letzte Metamorphose durch. Er beginnt sich selbst zu verdauen. Die Zellen lösen sich von innen nach außen auf. Das Gewebe wird erst flüssig, dann gasförmig.
Kaum ist das Leben aus dem Körper gewichen, wird er zu einem gigantischen Festschmaus für andere Organismen. Zuerst für Bakterien, dann für Insekten. Fliegen. Aus den gelegten Eiern schlüpfen Larven, die sich an der nährreichen Substanz laben und dann abwandern. Sie verlassen die Leiche in Reih und Glied und folgen einander in einer ordentlichen Linie, die sich immer nach Süden bewegt. Manchmal nach Südosten oder Südwesten, aber niemals nach Norden. Niemand weiß, warum...."
Doch wirkt die Beschreibung nicht obszön, da sie in engem Zusammenhang mit der pathologischen Untersuchung der Leiche steht bzw. mit der Verdeutlichung des schockartigen Erschreckens der zwei Jungen, welche die Frauenleiche im Wald entdecken.
Held bzw. Erzähler ist der Arzt und Rechtsmediziner David Hunter, der nach dem Unfalltod seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in die nur scheinbar ländliche Idylle von Manham, einem kleinen Dorf in der Grafschaft Devon, geflohen ist, um dort in der Arbeit als einfacher praktischer Arzt Ablenkung und zur inneren Ruhe zu finden.
Das erweist sich als Trugschluss, denn schon bald muss er im Rahmen einer Mordserie an jungen Frauen seine frühere Berufstätigkeit der Polizei zur Verfügung stellen. Er wird auch selbst in die Ermittlungen sowohl als Zeuge als auch als Tatverdächtiger verwickelt.
Die verschiedenen Persönlichkeiten des Dorfes erweisen sich mit Zunahme der Ermittlungen immer weniger als freundliche Zeitgenossen, sondern eher als bösartige Mitmenschen.
Mit jeder weiteren Tat wird das Täterprofil klarer und doch, zum Schluss hin, als sich seine neue Liebe in der Gewalt des Serientäters befindet, die Polizei aufgrund von Intrigen den Dorfsündenbock falsch verdächtigt und festnimmt, überstürzen sich die dramatischen Ereignisse und ein verzweifelter Hindernis-Wettlauf beginnt, das Leben seiner Geliebten zu retten. Soll er schon wieder das ihm Liebste verlieren?
Hoffnungen, Enttäuschungen, Trauer, neue Hoffnungen, scheinbare Erlösungen, wieder resignierende Gefühle wechseln und stürzen auch den Leser/Zuhörer in ein Wechselbad der Gefühle. Doch selbst der Schluss zeigt immer wieder unerwartete Wendungen auf. Ein echt gelungenes Finale mit vielen doppelten Böden erwartet den Leser.
Mehr möchte ich hier nicht verraten. Ob nun lesen oder anhören, gelungene spannende dramatische Unterhaltung wird garantiert.
*** Wertung ***
Simon Becketts Erfahrungen in der Forschungsarbeit für Verwesungsprozesse lässt er in sprachlich herausragend formulierter Weise stimmig in die Handlung einfließen.
Der Thriller mit den Beschreibungen auch aus der Sicht der Opfer geht phasenweise hart an die Grenzen des noch Erträglichen, vielleicht für manche Menschen schon darüber hinaus.
Trotz der vielen unerwarteten Wendungen bleibt aber die Geschichte insgesamt immer realistisch, bzw. psychologisch glaubwürdig. Während viele Autoren zwar spannende Einleitungen und Hauptteile schreiben, aber die Schlussauflösung häufig weniger überzeugend ausfällt, schafft es Simon Beckett einen wirklich fulminanten Schluss mit einer durchaus glaubwürdigen Auflösung zu schreiben. Sprache und Inhalt passen hervorragend zusammen, der Wechsel von Beschreibungen, Gedanken, Stimmungen, Aktionen ist ihm aus meiner Sicht meisterlich gelungen, ganz zu schweigen von den Einfällen, welche diese Romankomposition durchziehen.
Die Charaktere der einzelnen Personen wirken ebenfalls sehr eindrucksvoll, ob es nun der Pfarrer ist, der die Situation nutzt, um die Leute an sich zu binden oder ob es der Kollege David Hunters oder ob es die sich in der Gewalt des Serienkillers befindliche Frau ist.
An den Sprecher, Johannes Steck, musste ich mich von der Stimmlage her etwas gewöhnen, doch einige Szenen wurden von ihm so virtuos dargestellt, z.B. die Szene als im Wirtshaus der praktische Arzt verdächtigt wird, dass man meint, selbst mitten drin zu stehen und den Argwohn, das Misstrauen, die unterschwelligen Aggressionen der Kneipenbesucher zu spüren.
Der Wechsel der einzelnen Personen gelang ihm jedenfalls so gut, dass man zu jederzeit genau wusste, welche Person gerade sprach, auch ohne dass Begleitsätze dies vorher verdeutlicht hätten.
Meine Wertung dürfte nach diesen Ausführungen bereits mehr als klar sein. Von mir erhält das Hörbuch alle 5 Sterne und eine klare Empfehlung für alle Thrillerfreunde mit gutem Nervenkostüm. Letzteres sollte aber wirklich vorhanden sein.
Das Hörbuch kann als 6 CDs zu 9,95 Euro bei amazon.de, ursprünglich 14,95 , bestellt werden.
Der Hörspaß dauert knapp 460 Minuten, wobei es sich um eine gekürzte Lesung handelt.
Wer gerne auf seinen MP3 Player überträgt so wie ich auch, der kauft das Hörbuch als MP3 CD zu 12,95 Euro. Gebraucht gibt es das Hörbuch über Ebay bereits ab 1 Euro zuzüglich Versandkosten von 2,50 Euro. Wer das ungekürzte Lesevergnügen höher einschätzt, findet das Taschenbuch über Ebay gebraucht für einen Euro plus 1,45 Euro Versandkosten.
Jeder kann also auf seine Art preisgünstig fündig werden.
Bis zum nächsten Band "Kalte Asche" weiterlesen schließen
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