Pro:
Absolut authentisch, sehr hohe Unterhaltungswert
Kontra:
Nicht immer objektiv
Empfehlung:
Ja
Aus Schulkurs Physik wissen wir alle, dass eine Reise in die Vergangenheit unmöglich ist. Doch ab und zu bietet und das Leben so etwas wie einen Ersatz; ein kleines Fenster, wo wir in die alte Epochen blicken können.
Wie konserviert man eigentlich die Zeit? Am besten in einem Archiv oder Museum. Da ist alles sorgfältig registriert und von eindringlichen Blicken der Gegenwart unter einer Glasdecke geschützt. Daher wirken die meisten Museen so solide und einigermaßen langweilig.
Wer jedoch einen Anblick auf die Vergangenheit mit hohem Unterhaltungswert anbieten möchte, gestaltet so ein Museum, wo man alles anfassen und ausprobieren kann, wo man in die Epoche eintauchen kann; wo ein Besuch zum Erlebnis wird.
Wer eine Zeitreise in die DDR-Epoche erleben will, ist im DDR-Museum in Berlin herzlich willkommen.
Das Museum ist relativ leicht zu finden, soweit man den Trick kennt: man soll sich weniger an die Adresse (Karl-Liebknecht-Str. 1) orientieren, sondern in der Nähe nach der Bootstation mit Stadtrundfahrten an der Spree suchen. Von Karl-Liebknecht Straße gesehen, muss man zur Bootstation die Treppe runter, da sieht man schon den Eingang.
Eintrittspreise:
Erwachsener: 5,50 Euro
Ermäßigt: 3,50 Euro
Gruppen/Person: 3,50 Euro
Die Ausstellung ist nach dem Motto "Alltag eines vergangenen Staates zum Anfassen" gestaltet. Das Erstaunliche daran - die Aussage stimm ganz und voll. So versucht man sich in ein Trabi reinzuquetschen, blättert man in den Schulzeugnissen; leiht sich einige Bücher (über Sexuellerziehung - finde ich immer noch aktuell) aus dem Bücherregal im Wohnzimmer. In den Kleiderschränken hängen echte Hemden, Kleider und Hose. Es besteht Möglichkeit beliebige Kleiderstücke herauszunehmen, sich anzukleiden und damit sich fotografieren lassen. Also, schnell an die Pionierkleidung samt den blauen Halstuch ran und die Photokamera nicht vergessen. ;)))
Ein Thälmannpionier anno 2008 - das ist wirklich einen Besuch wert!
In der Küche, neben diversen Utensilien stehen echte Lebensmittel aus dem ganzen Ostblock. So habe ich einen Herzsprung erlebt, nachdem ich die ungarische GLOBUS-Dose mit Erbsen gesehen habe. Die gab es bei mir auch...
Die Ausstellung ist so gemacht worden, dass man sich frei die Reihenfolge für Anschauen auswählen kann. Da der ganze Raum recht klein ist, wird das meiste in mehrere Schubladen und Schränke untergebracht. Selbstverständlich darf man sie alle öffnen und Sachen rausnehmen. Auf dem Sofa im Wohnzimmer darf man sitzen. Die Schreibmaschine, die einwandfrei funktioniert, kann man gleich benutzen, um ein paar Eindrücke über die Ausstellung zu schildern. Wer es bisschen düster mag, kann sich in einem sehr schmalen Raum zu Recht finden, wo ein Telefon, eine Tischlampe und... ein recht großer Kopfhörer zur Verfügung stehen. Ja, so wird das Abhören der DDR-Bürger von der Stasi dargestellt. Übrigens, der Kopfhörer funktioniert.
Das ganze Museum wirkt nicht nur authentisch, es IST authentisch! Eine Reise in die Vergangenheit ist garantiert mit dabei.
Jetzt aber zum Wermutstropfen, der mich zum Punktabzug bewegte.
Neben den meisten Schubladen gibt es kleine Schilder mit den Kommentaren im Deutschen und Englischen. Zwar ist die Sache an sich nicht schlecht, bloß sind diese Kommentare sehr negativ gefärbt.
Zugegeben, die kommunistische Ideologie hat sich diskreditiert und am Ende mehr Schlechtes als Gutes beigebracht. Sollten aber alle Erzeugnisse aus dem ehem. sozialistischen Lager mit der Ideologie in Verbindung gebracht werden? Wenn es um Kommunismuskritik geht, da bin ich als erste dabei, das habe ich selber erlebt. Aber eine pauschale Verteufelung der DDR ist definitiv falsch.
Gerade bei den Kommentaren zu den sozialen Einrichtungen, wie etwa Kindergärten, Schulen, Polikliniken usw war es mir nicht wohl. Tatsächlich, fordert heutzutage praktisch jeder in der Regierung mehr Kinderkrippen und Kindergärten zu schaffen und somit jedem Kind einen Platz zu garantieren. Werden es nicht gerade im Westen Polikliniken (wenn auch in moderner Form) immer populärer? Die neuen Bundesländer haben keinen Hauptschulabschluss, in Gymnasien wird 12 Jahre gepaukt - wie zu DDR-Zeiten. Wer jedoch politische Debatte in den Medien verfolgt, wird feststellen, dass genau diese Modelle als große und mutige Reformschritte vorgeschlagen werden.
Leider ist im DDR-Museum nichts davon zu finden. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack der Subjektivität und Moralismus anstelle der Moral. Das erfreuliche daraus - die gute Laune verderben kann es trotzdem nicht!
Moralismus hin oder her, einen Besuch ist das Museum auf jeden Fall wert. So unterhaltend und kurzweilig kann man Geschichte nur selten erleben. weiterlesen schließen
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