Pro:
hervorragende Darsteller/innen / wahre Story / spannend & dynamisch erzählt !
Kontra:
ohne Hintergrundwissen schwierig zu verstehen / FSK 12 / magere DVD - Extras !
Empfehlung:
Ja
Willkommen bei der bösen Maus
Wer sich wie ich einmal näher mit der Geschichte der Roten Armee Fraktion, im folgenden mit RAF abgekürzt, befasst hat wird feststellen, dass es sich um einen Teil bundesdeutscher Vergangenheit handelt, über den man in der Schule nicht informiert wird. Vielleicht wollten Uli Edel und Bernd Eichinger mit ihrem Film ein wenig Aufklärungsarbeit leisten und inbesondere junge Menschen erreichen, vielleicht wollten sie auch nur einen actiongeladenen und hochkarätig besetzten Streifen in die deutschen Kinos bringen, der seit März diesen Jahres nun auch auf DVD erhältlich ist. Ich vermute, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen wird. Ich habe mir den Film jedenfalls letztes Jahr im Kino angeschaut und nun habe ich mir bei amazon.de die DVD bestellt. Vorstellen möchte ich Euch - Ihr ahnt es ja bereits - das folgende Produkt:
DER BAADER-MEINHOF KOMPLEX (DVD)
RANDDATEN
* Darsteller/innen: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Heino Ferch, Nadja Uhl, Jan Josef Liefers, Hannah Herzsprung, Niels Bruno Schmidt, Stipe Erceg u.a.
* Produzent: Bernd Einchinger
* Regisseur(e): Uli Edel
* Komponist: Peter Hinderthür, Florian Tessloff
* Format: Dolby, DTS, PAL
* Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (DTS 5.1)
* Region: Region 2
* Bildseitenformat: 16:9
* FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
* Studio: Paramount Home Entertainment
* DVD-Erscheinungstermin: 12. März 2009
* Produktionsjahr: 2008
* Spieldauer: 143 Minuten
HANDLUNG
Nach dem Bestseller und zugleich Standartwerk zur RAF "Der Baader-Meinhof Komplex" des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust entstand dank eines Budgets von 20 Millionen Euro und einem hohen Staraufgebot der gleichnamige Film, der sich zur Aufgabe gemacht hat die Chronik der Ereignisse rund um die RAF ohne zu moralisieren auf die Leinwand zu bringen. Der Film beginnt im Juni 1967 mit dem Besuch des Schah von Persien in West-Berlin und der Emordnung des Studenten Benno Ohnesorg durch einen Kriminalbeamten. Dieses Ereignis bildet den Auftakt dafür, dass die politisch vorwiegend links angesiedelte Studierendenschaft zu rebellieren beginnt: Gegen die Notstandsgesetzgebung, gegen die Ausbeutung der Dritten Welt, gegen den blutigen Krieg in Vietnam, gegen die Elterngeneration, die es versäumt den Nationalsozialismus aufzuarbeiten und gegen die wenig demokratischen Strukturen, die an den Hochschulen vorherrschen. Im Jahr 1968 findet die Studentenbewegung zugleich ihren Höhepunkt und ihr Ende: Sie zerfällt. Die erste Generation der RAF, bestehend aus Andreas Baader (Moritz Bleibtreu), Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek), Ulrike Meinhof (Martina Gedeck), Jan-Carl Raspe (Niels Bruno Schmidt) und Holger Meins (Stipe Erceg) bildet sich als ein "Zerfallsprodukt" heraus. Sie will die politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik und West-Berlin ändern - radikal und mit Waffengewalt.
Der Film schildert zum einen die Umstände und Ereigisse, die die Entstehung einer Terrorgruppe überhaupt ermöglicht haben und die weitere Entwicklung (Banküberfälle, Sprengstoffattentate), blendet dabei immer mal wieder historische TV-Auschnitte aus den 70er Jahren ein. Horst Herold (Bruno Ganz) versucht als damaliger Leiter des Bundeskriminalamtes die Motive der Terroristen zu verstehen und zugleich der Gewalt ein Ende zu bereiten. Umfangreiche Fahnungen werden eingeleitet, die schliesslich auch zum Erfolg führen: Im Sommer 1972 werden die führenden Köpfe der RAF in verschiedenen deutschen Städten gefasst und im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim inhaftiert, wo ihnen auch der Prozess gemacht werden soll. Die Kameraden, die sich noch in Freiheit befinden, starten einen Versuch der Freipressung, der jedoch misslingt. Der Film endet mit dem blutigen "Deutschen Herbst", der Entführung des Flugzeugs "Landshut" und der Geiselbefreiung in Mogadischu, der Emordung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer und dem kollektiven Selbstmord von Baader, Ensslin und Raspe in der Nacht zum 18. Oktober 1977.
KAPITEL
1. Filmstart
2. Lang lebe der Schah
3. keine sachliche Diskussion
4. Rudi Dutschke
5. Axel-Springer-Verlag
6. Prozess Ensslin/Baader
7. Die Familie
8. Bundeskriminalamt
9. Zurück in Berlin
10. Haftanstalt Moabit
11. Befreiung von Baader
12. Jordanien 1970
13. Gespräche mit Abu Hassan
14. Banküberfälle
15. Polizeikontrolle
16. Sprengstoffeinsätze
17. Grosseinsatz
18. Festnahme Baader und Mainz
19. Festnahme Ensslin und Meinhof
20. Freiheit oder Tod
21. Der Kampf geht weiter
22. Erster Prozesstag
23. Februar 1976
24. Bekenntnisse
25. Befreiungspläne
26. Keine Kapitulation
27. Die Schleyer-Entführung
28. Bagdad Oktober 1977
29. Brüssel
30. Gespräche mit den Geistlichen
31. Tod in Stammheim
32. Abspann
PREIS
Ich habe mir die DVD "Der Baader-Meinhof Komplex" bei amazon.de bestellt und binnen weniger Tage erhalten. Bezahlt habe ich 14,95 Euro.
TEST UND BEWERTUNG
Wenn man sich anschaut, wie dick der Wälzer von Stefan Aust ist und wieviele Infos dieser enthält, dann fragt man sich zurecht, ob es überhaupt machbar ist die Geschichte der RAF in nicht einmal 150 Minuten bewegten Bildern zu erzählen. Nun, machbar ist es, aber nicht ohne dass Abstriche in Form von Auslassungen und Zeitsprüngen nötig werden. Wer Hintergründe und Zusammenhänge kennt, den wird das nicht allzu sehr stören, doch wer überhaupt keine Ahnung von den Ereignissen der damaligen Zeit, inbesondere nicht von der politischen Sitiation der Bundesrepublik, hat wird beim Zuschauen nicht selten ein grosses Fragezeichen in seinem Kopf wahrnehmen. Bereits zu Beginn kann sich die Frage auftun, weshalb in Berlin überhaupt gegen den Besuch des Schah von Persien demonstriert wurde und wieso Ulrike Meinhof, zu diesem Zeitpunkt noch eine angesehene Journalistin, einen offenen und kritikgeladenen Brief an dessen Frau schrieb. Zum einen verkörperte der Staat Iran und mit ihm sein Oberhaupt damals wie heute eine faschistische Diktatur, die für die Unterdrückung des Volkes und die Ermordung von Oppositionellen verantwortlich war, zum anderen wurde der Schah von den vorwiegend studentischen Protestanten als Symbolfigur und Stellvertreter der damaligen USA-Außenpolitik gesehen, die bereits durch den Vietnam Krieg und die Ausbeutung der Dritte Welt Länder in die Kritik geraten war. Das war eines von vielen Beispielen, das deutlich machen soll, dass nicht vorhandene Vorkenntnisse es erschweren können den "Baader-Meinhof Komplex" in seinen Zusammenhängen und Dynamik zu begreifen. Ich möchte ein weiteres nennen: Während die Chronologie der RAF-Taten zumindest allgemein geläuftig sind, trifft dies auf die Motive nicht unbedingt zu. Im Film wird gezeigt, wie die RAF am 19. Mai 1972 einen Anschlag auf das Springer Hochhaus in Hamburg verübt und auch hier werden sich Zuschauer gefragt haben, wieso gerade dieses als Angriffsziel gewählt wurde. Wer sich das Bekennerschreiben der RAF, sofern zugänglich, angeschaut hat, kann aus diesen die Antwort entnehmen: "Wir fordern von Springer, dass seine Zeitungen die antikommunistische Hetze gegen die Neue Linke, gegen solidarische Aktionen der Arbeiterklasse wie Streiks, gegen die kommunistischen Parteien hier und in anderen Ländern einstellen." Vermutlich wurde dieses Schreiben, wie andere und inbesondere "Das Konzept Stadt Guerilla", welches den bewaffneten Kampf zur Umgestaltung der Gesellschaft legitimieren soll, von Ulrike Meinhof verfasst.
Neben einer chronologischen Darstellung der Taten rücken in Eichingers Film auch die einzelnen Personen in den Vordergrund. So soll das Milieu betrachtet werden, aus dem die führenden Köpfe stammen. Besonders interessant ist dies bei Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. So wurde Gudrun Ensslin als Tochter eines evangelischen Pastors geboren, studierte erfolgreich Anglistik, Germanistik und Pädagogik und war Mutter eines kleinen Sohnes. Sie kam zum Zeitpunkt der Studentenunruhen mit der linken Szene in Kontakt und lernte in dieser vermutlich auch Andreas Baader kennen, mit dem sie eine Liebesbeziehung einging und mit dem sie schliesslich den Gang in den Untergrund vollzog. Der Werdegang der Ulrike Meinhof ist noch ein wenig dramatischer: Durch ihre politische Sozialisation in Elternhaus und Schule und dem erfolgreiche Abschluss ihres Studiums avancierte sie zur Chefredakteurin der Zeitschrift "konkret" und durch ihre brillianten Kolumnen zu einem prominenten Sprachrohr der linke Szene. Sie beendete ihre journalistische Karriere und ihre bürgerliche Existenz als Mutter zweier Töchter durch ihre Behilfe bei der Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 aus dem Institut für Soziale Fragen in Berlin. Neben der Einflechtung der persönlichen Werdegänge der wichtigsten Figuren ist es besonders die oft konfliktreiche Interaktion in der Gruppe, die den Film bereichert und spannend macht. Dies in Kombination mit den hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Darsteller/innen, den authenisch wirkenden Kulissen, der Musik, dem guten Ton und der hervorragenden Bildqualität macht "Der Baader-Meinhof Komplex" zu mehr als eine banale Story um schnelle Autos, Bomben, Blutgespritze und Geballer. Die schnelle Abfolge der Szenen verleihen dem Streifen eine gewisse Dynamik, man wird regelrecht mitgerissen und es besteht keine Gefahr, dass man beim Zuschauen auf der heimischen Couch einschläft. Es handelt sich nicht um einen dieser leichten Popcorn-Film, sondern um recht schlecht verdauliche Kost, die dazu anregen kann sich weiter zu informieren - Eben weil es sich um eine wahre Geschichte handelt, die sich vor mehr als dreißig Jahren abspielte und heute noch Anlass für Diskussionen bietet.
Ob Eichinger durch seinen Film gewollt oder ungewollt eine Mythenbildung mit vorantreibt, sei mal dahin gestellt, denn es ist ansich von vornherein klar, dass die Geschichte aus Sicht der Täter dargestellt, aber keine Position bezogen oder gar der moralische Zeigefinger erhoben wird. Diese Tatsache bedeutet nicht, dass die Opfer vergessen oder die Taten der Terrorgruppe beschönigt werden, sondern nur, dass es verschiedene Perspektiven gibt und man sich hier für diese eine entschieden hat. Eine eigene Meinung zum Thema muss sich der Zuschauer wie so oft wiederum selbst bilden. Dies kann er jedoch meiner Meinung nach erst, wenn er eine gewisse Reife erreicht hat. Diese hat man im Alter von zwölf Jahren - so lautet schliesslich die Altersfreigabe - auf keinen Fall. Allein aufgrund der Gewaltdarstellungen sollte man Kindern bereits keinen Zugang zu dem Film gewähren - verstehen würden sie ihn in seiner Komplexität ohnehin nicht. Denkbar wäre dagegen ein Besuch mit der Schulklasse ab der Mittelstufe. Voraussetzung wäre jedoch, dass im Unterricht vorgearbeitet wird, d.h. ein Wissen rund um die Verhältnisse in der BRD Mitte der 60er/Anfang der 70er Jahre geschaffen wird.
Wie lautet mein Fazit? Während der Film insgesamt gut abschneidet, sind die Extras auf der DVD leider als ziemlich mau zu bezeichnen. "Der Blick hinter die Kulissen" ist nicht viel länger als fünf Minuten, vom Ton her mies, wenig ausführlich und langweilig. Zu wissen, in welchen Filmen die Hauptdarsteller/innen in der Vergangenheit schon mitgespielt haben, ist zudem eine Information, die ich auch nicht wirklich benötige und jederzeit aus dem Internet entnehmen könnte, wenn ich wollte. Man hätte als Extra stattdessen ein Interview mit Zeitzeugen wählen oder auch mal die Originalstimmen von Baader, Ensslin und Meinhof erklingen lassen können, wie man sie sich z.B. bei You Tube anhören kann. Vielleicht hätte ich mich doch für die teurere Premium Edition entscheiden sollen. In der Gesamtbilanz bewerte ich die DVD "Der Baader-Meinhof Komplex" allerdings mit vier von fünf möglichen Sternen, da der Film nun mal im Vordergrund steht. Eine Empfehlung kann ausgesprochen werden.
Vielen Dank für Eure Lesungen, Bewertungen und Kommentare!
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