Pro:
sehr spannend
Kontra:
Rose schreibt nichts Neues
Empfehlung:
Ja
Das wichtigste ist die Kunst, alles andere kommt nachher, die Kunst ist jedes Opfer und jede Anstrengung wert. Das ist so ungefähr der Hauptinteressenschwerpunkt des Killers in Karen Rose' "Todesschrei" (Knaur 2008 14,95 670 Seiten). Der Klappentext des Buches ist diesbezüglich ein wenig irreleitend, denn der Mörder hat keinen mittelalterlichen Folterspleen, sondern ihm geht es um den Tod an sich. Die Folterei hat eher pragmatische Gründe, denn wenn man einmal dabei ist, warum die Gelegenheit verkommen lassen - gleichzeitig dienen ihm die Folterszenen dazu auf einem kleinen Umweg seine Kunst endlich der breiten Öffentlichkeit präsentieren zu können - ein Mittel zum Zweck.
Der Killer gibt uns Rätsel auf. Seine spektakulärsten Leichen, die er auf einem Feld nach einem bestimmten System ("sein Friedhof") vergraben hat, lassen vermuten, man habe es mit einem Folterfan oder Mittelalteranhänger zu tun - aber warum dann eine andere Kategorie Leiche die einen verhältnismäßig harmlosen Tod gestorben ist. Warum zwischen all den jungen auf einmal auch alte Leute? Sein Grundpragmatismus führt bei diesem Killer zu einer gewissen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, gepaart mit Rachegelüsten, was es der Polizei um Vito Ciccoletti schwer macht - was aber auch zu Fehlern führt.
So buddeln die Cops aus Philadelphia die 16 Gräber des Friedhofes frei, während unser Killer mit seinen Lebensumständen beschäftigt ist und weiter seine "Arbeit" macht. Dies darf der Leser in einem Handlungsstrang verfolgen, in dem die Autorin dem Leser epische Folterszenen erspart, in dem sie diese der eigenen Fantasie überlässt.
Hier komme ich nun zum Hauptstrang der Handlung, in dem die Gräber entdeckt werden, wozu die Polizei ein Bodenradar braucht, auf das die Archäologin Sophie Zugriff hat. Als Mittelalterexpertin ist sie dann auch genau richtig, um die Cops in diesem Fall zu beraten. Wiederum praktisch für Vito, weil die Frau gefällt ihm einfach zu gut. Abwechselnd wird hier nun die persönliche und ermittlungstechnische Seite aus der Sicht beider Figuren erzählt.
Typisch für Rose ist die Entwicklung eines weiteren Handlungsstranges, der anscheinend wenig Berührungspunkte mit der Entwicklung der Grundgeschichte hat, aber kurz vor Schluss noch eine weitere Wendung liefert. Hier werden sich auch die verschiedenartigen Motive des Killers lüften.
Tja da hat es sich eingeschlichen, das "typisch". Denn Rose ist einer der Schreiberlinge, von denen man zwei Bücher gelesen hat und auch gut fand, um dann etwa in der Mitte des dritten Buches festzustellen: "kennst du ein Buch, kennst du alle". Rose hat ein paar Werkzeuge entdeckt, die sie glänzend zu handhaben weiß, ihre Bücher sind immer unheimlich spannend und sehr temporeich erzählt. Man mag sie einfach nicht aus der Hand legen. Aber sie versteht es nicht zu überraschen, da sie immer das gleiche Gerüst abarbeitet - ein Schema das sich wohl zu gut bewährt hat.
Warum ich dann "Todesschrei" überhaupt gekauft habe? Erstens, weil ihr Schema sich einfach bewährt. Zweitens, weil es das erste Buch auf dem deutschen Markt ist, bei dem sie von ihrem Lieblingsthema abweicht. In den anderen Büchern geht es nämlich im weitesten Sinne um häusliche Gewalt, Vergewaltigung, geprügelte Frauen, missbrauchte Kinder und Frauenhäuser. Im Grunde so überhaupt nicht meine Themen, trotzdem fing mich der Spannungsaufbau der Autorin ein. Von "Todesschrei" habe ich mir daher einiges versprochen.
Bis auf die Thematik durchbricht sie dann aber ihre alten Gewohnheiten überhaupt nicht. Die Handlung beginnt mit einem Kracher, steigert sich schnell und etwa in der Mitte legt sie noch einmal eine Schippe drauf - aber hier ist dann auch schon wieder klar, daß es darauf hinauflaufen muss, dass eine der Hauptfiguren in die Hände des Killers fällt, wonach der TV-Filmreife Showdown erfolgt. Eine Sache hat mich aber regelrecht genervt, da fühlte ich mich im Lesefluss gestört, was mich einfach nur geärgert hat. Ich meine, wenn man eine temporeiche Handlung hat, dann bedarf es keiner zusätzlichen Knalleffekte mehr. Das ist pure Effekthascherei. (Da kann ich gleiche Mike Myers gucken, hätte mich nicht gewundert, wenn Rose' Killer am Ende auch noch 78 Mal aufgestanden wäre) Da reicht es, wenn die Figur im Blickpunkt des Killers ist, da tut es einfach nicht Not, wenn der leicht gruselige Sohn des Arbeitgebers auch noch in einem dunklen Museumslager mit einer Axt "aus dem Nichts" in der Hand auftaucht, um lediglich eine Kiste zu öffnen. Da muss ich nicht noch einen Kopf explodieren lassen, wenn das die Handlung nicht weiterbringt.
Stereotyp sind auch die Liebesgeschichten: wieder trifft der Ermittler (Vito) eine Frau. Gern ist der Mann Mitglied einer wundervoll-lärmenden Großfamilie in deren Arme und idyllische Geborgenheit sich - hier - Sophie stürzen darf. Wie immer haben beide ein "düsteres" Geheimnis, beide haben sich etwas zu gestehen und unheimlich viel Verständnis zu zeigen, bevor es endgültig funkt. Gerade hier in "Todesschrei" finde ich allerdings das Problem von Sophie etwas überzogen. Die ist halt mal von ihrem verheirateten Vorgesetzten belogen und flachgelegt worden. Da muss man sich nicht selbst für ans Kreuz nageln. Natürlich bedient Rose mit dieser Nebenhandlung eine Genreschublade die nicht wirklich die meine ist, die aber wohl ihre Anhängerinnen finden dürfte. Und an dieser Stelle muss man zugeben, daß die persönlichen Aspekte der Handlung dem Buch und den ansonsten wenig tiefen Charakteren Farbe verleihen, im Zweifelsfall kann man hier aber auch schräg drüber lesen. weiterlesen schließen
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