Pro:
Noomi Rapace und Mikael Nykvist, sehr spannend
Kontra:
magere Extras
Empfehlung:
Ja
Und wieder eine Buchverfilmung! Ha! Hatten wir doch grad erst mit Sherlock Holmes, oder nicht?? Nun ja, gut..ich will mich nicht wieder zu ellenlangen Einführungen hinreißen lassen, sonst gibt's nur wieder Ärger ;-)
***NUR MAL SO AM RANDE***
"Verdammnis" ist der Mittelteil der sogenannten "Millennium-Trilogie", die der viel zu früh verstorbene Schwede Stieg Larsson schrieb und von 2005 - 2007 veröffentlicht wurde.
Die Trilogie, die mit "Verblendung" beginnt und ihr Ende in "Vergebung" findet, greift viele sozialkritische Themen wie Rassismus, Frauenhass, Gewaltverbrechen und Zwangsprostitution auf, wurde mit zig Preisen ausgezeichnet und mittlerweile eben auch verfilmt. Wer mehr über die Bücher erfahren will, dem seien die Rezensionen der Userin SiebenteS ans Herz gelegt!
Nachdem Verblendung schon seit Februar in den Läden steht, folgte dieser Tage die Fortsetzung Verdammnis. Der Abschluss der Trilogie, "Vergebung", läuft derzeit im Kino und dürfte etwa ab Oktober auf DVD erscheinen.
Nun aber erst einmal zum Trilogie-Mittelteil, der Verfilmung von Stieg Larssons "Verdammnis"!
***ÜBERSICHT***
Originaltitel: Flickan som lekte med elden * S 2009 * ca. 124 Minuten * FSK ab 16 Jahren * Regie: Daniel Alfredson * Darsteller: Noomi Rapace; Michael Nyqvist; Annika Hallin; Per Oscarsson; Lena Endre; Paolo Roberto
***DER FILM***
Nach den Begebenheiten in "Verblendung" setzt sich Lisbeth Salander mit der erhackten Kohle von Hans-Erik Wennerström ab und reist 1 Jahr lang um die Welt. Die Cayman Islands sind ihr letztes Ziel, doch treibt es sie nach Schweden zurück. Da ihr ehemaliger Vergewaltiger Nils Bjurman vorhat, sich das von Lisbeth verpasste "Tattoo" entfernen zu lassen, reist sie zurück nach Stockholm und stattet dem Anwalt einen Besuch ab.
Unterdessen hat Mikael Blomkvist bei seiner Millennium-Zeitung alle Hände voll zu tun. Der junge Journalist Dag Svensson bietet dem Blatt eine gewaltige Enthüllungsstory über Zwangsprostitution in Schweden an. Voller Begeisterung will die Redaktion die Story veröffentlichen, doch kurz vor der Veröffentlichung werden Dag und seine Freundin Mia brutal erschossen. Und auch Nils Bjurman wird regelrecht hingerichtet. Die Fingerabdrücke an der Tatwaffe belegen zweifelsfrei: Lisbeth ist die Mörderin!
Als die Nachricht Blomkvist erreicht, ist er erschüttert und absolut überzeugt von Lisbeths Unschuld. Da er sie aber nicht erreichen kann, ermittelt er auf eigene Faust. Schnell kommt er einigen Hintermännern auf die Spur, allen voran ein gewisser "Zala". Auch Lisbeth, die zwar aufgrund der medialen und polizeilichen Hetzjagd untergetaucht ist, aber aufgrund ihrer Hackerfähigkeiten dennoch selber recherchieren kann, kommt Zala auf die Spur. Und je näher sie ihm kommt, desto mehr muss sie sich ihrer eigenen grausamen Vergangenheit stellen, denn mit Zala hat sie noch eine ganz persönliche Rechnung offen...
***KRITIK***
Nichts ist schlimmer als die Verfilmung eines Roman-Mittelteils, v.a. bei Romanen, die aufeinander aufbauen! Es gibt keinen richtigen Anfang und auch kein richtiges Ende. Irgendwie muss der Regisseur auch Neulinge den Film verstehen lassen können, ohne durch allzu viele Rückblenden die Film-Kenner des ersten Teils zu verschrecken.
Im Falle von "Verdammnis" macht es Regisseur Alfredson Neulingen schwer, den Film richtig zu verstehen. Es gibt keine Erklärung, in welchem Verhältnis Lisbeth und Mikael stehen, geschweige denn, wer die beiden eigentlich so richtig sind. Man sollte den Vorgänger also schon gesehen haben, auch wenn die Geschichte selbst kaum mehr mit der jetzigen zu tun hat, schilderte Verblendung doch die Zusammenkunft der beiden Hauptfiguren sowie deren Hintergründe der Zusammenarbeit.
Der Zuschauer wird direkt in die Geschehnisse geworfen, nach 25 Minuten gibt's bereits die erste Leiche. 750 Seiten in 2 Stunden Film zu packen, ist nicht einfach... das wusste auch Drehbuchschreiber Jonas Frykberg, der überflüssige Handlungsstränge komplett streicht und sich auf das Wesentliche konzentriert. Es fehlt z.B. die gesamte 90seitige Einführung in der Karibik. Andere Stränge wurden wiederum chronologisch abgeändert oder komplett neu geschrieben. So weicht "Verdammnis" noch mehr von der Buchvorlage ab als schon Vergebung, was fanatische Fans sicher abschrecken wird. Andererseits wirkt die sowieso schon komplexe (Buch-) Handlung nun deutlich straffer und schlüssiger, auch wenn mit glücklichen Zufällen ab und an einfach nur übertrieben wird.
Leider aber fielen auch einige interessante Handlungen aus dem Buch dem Rotstift komplett zum Opfer. Der gesamte Polizeiapparat, allen voran die Kommissare Bublanski und Modig, bleibt erstaunlich farblos, weil sie in nur sehr wenigen Szenen zu sehen sind. Gerade die Figur des Bublanski hat mich im Buch sehr gefesselt, da er auch nicht felsenfest von Lisbeths Schuld überzeugt ist, aber immer wieder gegen interne Intrigen und erdrückende Beweise ankämpfen muss. Im Film hat er leider nicht viel zu sagen, außerdem erinnert er mehr an einen übergroßen Teddybären mit Knopfaugen als einen Polizisten. Auch auf die Hetze der Medien auf Lisbeth wird im Film nur sehr wenig eingegangen, so richtig flüchten muss Lisbeth eigentlich nie. Glücklicherweise fand sich im Film genug Platz für den spannenden Kampf des Boxers Paolo Roberto gegen den blonden Hünen, und auch die Beziehung zwischen Lisbeth und ihrem ehemaligen Vormund Holger Palmgren wird näher beleuchtet. Für die notgeilen Zuschauer unter uns wurde auch eine hübsche Lesbensex-Nummer eingebaut ;-) Natürlich darf auch die blutige Auseinandersetzung zwischen Lisbeth und Zalatschenko nicht fehlen, und hier gibt's für Film-Neulinge die nächste Überraschung: der Film endet mit 2 schwerverletzten Personen und einem unwissenden Blomkvist. Fortsetzung folgt! Die war zwar auch im Buch so, doch wer's nicht kennt, hat Pech gehabt und muss eben warten oder ins Kino gehen!
Dass "Verdammnis" nicht ganz an "Verblendung herankommt", liegt einzig und allein an Daniel Alfredsson, dem inszenatorisch nicht besonders viel eingefallen ist. Spielte Niels Arden Oplev damals noch mit geschickten Kamerafahrten und gekonnten Szenenübergängen, beschränkt sich Alfredsson hauptsächlich auf Close-Ups und Nahaufnahmen. Dies lässt den Film noch viel mehr wie ein Fernsehfilm wirken als noch "Verblendung".
Alles in allem ist Frykberg die inhaltliche Entschlackung gut gelungen, der Film ist rasant und spannend inszeniert. Erstaunlich auch, dass Blomkvist und Salander nur eine einzige gemeinsame Szene haben, sie kommunizieren, wenn überhaupt), nur per Mails und geschickten Hinweisen. Die finale Konfrontation fällt dann extrem blutig und dramatisch aus und lässt den (unwissenden) Zuschauer mit einem fiesen Cliffhanger zurück.
Doch was wäre Verdammnis ohne seine Lisbeth? Genau: "nur" ein herkömmlicher Krimi/Thriller. Doch zum Glück gibt es Noomi Rapace! Ihre Lisbeth ist ein cineastischer Glücksgriff. Lisbeth ist die Verstoßene, die Außenseiterin der Gesellschaft. Niemand kennt sie und sie selbst will auch niemanden kennen. Durch ihre extrem verstörende Jugend hat sie ihr Vertrauen an die Gesellschaft verloren - bis sie auf Mikael Blomkvist trifft, der von ihrer Verschlossenheit, ihrer Kälte und gleichzeitigen Verletzbarkeit mehr als fasziniert ist. In Blomkvist findet sie einen Freund, auch wenn sie das nie zeigen mag. Rapace spielt Lisbeth mit einer unglaublichen Eindringlichkeit, jede einzelne Szene dominiert sie. In den letzten Jahren hat es keine widersprüchlichere Filmfigur gegeben. Trotz der Tatsache, dass Lisbeth so verschlossen, so abweisend und auf ihrem Rachefeldzug so brutal ist, bleibt sie bemitleidenswert, faszinierend und am Ende einfach nur sympathisch. Das kann man auch von Mikael Blomkvist, dem Starreporter behaupten. Gespielt von Michael Nykvist, ist Blomkvist Lisbeths treuer Freund. Auch wenn sie lieber allein gelassen werden will, ist er ihre stets loyal und hat keinerlei Zweifel an Lisbeths Unschuld. Blomkvist versucht alles, um Lisbeths Unschuld zu beweisen und die wahren Täter zur Rechenschaft zu ziehen!
Leider sind ihre Feinde ziemlich gewissenlos und leicht gewaltbereit. Allen voran der wortkarge blonde Hüne Ronald Niedermann, der von Mikael Spreitz absolut bedrohlich verkörpert wird. Niedermann ist riesiggroß und verspürt keinerlei Schmerzen, was ihm zu einem gefährlichen Gegner macht. Dessen Vormund Zalatschenko, gespielt von Georgi Staykov, ist jedoch noch ein Tick fieser, da ihn auch ein ganz besonderes Verhältnis mit Lisbeth verbindet. Außerdem besitzt Zalatschenko mächtige Verbündete in höchsten Regierungspreisen. Diese Storyline spielt dann im 3. Teil eine nicht unwesentliche Rolle.
In weiteren Rollen zu sehen sind u.a. Lena Endre als Blomkvists Chefin Erika Berger, Peter Andersson als Lisbeths Vergewaltiger Nils Bjurman, Ralph Carlsson als Gunnar Björck, Per Oscarsson als Holger Palmgren, Johan Kylen als Jan Bublanski und Boxer Paolo Roberto als Boxer Paolo Roberto!
***DIE DVD***
..ist derzeit für etwa 10Euro zu haben. Die Blu-Ray schlägt sich mit etwa 15Euro zu Buche. Ausstattungsmäßig sind beide Versionen identisch. Die DVD erscheint im Amary-Case und trägt natürlich den großen blauen FSK-Flatschen. Wendecover Fehlanzeige. Innen liegt ein kleines Blättchen mit einem Hinweis auf den derzeit im Kino laufenden Abschlussfilm Vergebung bei. Vor dem Film gibt es einen kurzen Trailer zu Vergebung. Die Menüs sind wieder mit Filmszenen und -musik unterlegt. Der Film liegt in DolbyDigital 5.1-Sound vor und kann in Deutsch oder Schwedisch und jeweils mit deutschen Untertiteln gesehen werden. Eingeteilt wurde der Film in 20 Kapitel. An Bonusmaterial wurde leider wieder ziemlich gespart: Außer einem 10minütigem Standard-Interview mit Noomi Rapace und einigen Trailern gibt es nichts. Schade schade, dafür gibt es einen Punkt Abzug!
***FAZIT***
Daniel Alfredson ist mit dem Mittelteil der Millennium-Trilogie eine weitere spannende Buchverfilmung gelungen. "Verdammnis" glänzt durch erneut intensiv aufspielende Darsteller und einer spannenden und verstörenden Story rund um Lisbeths Salander unrühmlicher Vergangenheit. Leider fielen viele interessante Buchinhalte dem Rotstift zum Opfer und Film-Neulinge werden ohne das nötige Hintergrundwissen einige Probleme mit der Figurenkonstellation haben. Das blutige Finale ebnet dann den Weg zum großen Trilogie-Abschluss "Vergebung".
Ich vergebe 5 Sterne für den Film und einen Punkt Abzug für die mageren Extras. Alles in allem also 4 Sterne für die gelungene Umsetzung von Stieg Larssons "Verdammnis"!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! weiterlesen schließen
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