Pro:
Spannung gepaart mit Wortwitz
Kontra:
Protagonisten entwickeln sich nicht weiter
Empfehlung:
Ja
Die Alpenkrimis Jörg Maurers erfreuten sich in der Vergangenheit vielfach großer Beliebtheit - so auch bei mir. Nachdem ich die ersten drei Abenteuer von Kommissar Jennerwein und seinem Ermittlerteam genossen hatte, freute ich mich auch auf Teil 4. Inzwischen ist der gelesen, und so kann hier über "Oberwasser" berichtet werden.
Der Kauf
Wieder einmal wurde mein Stamm-Buchhändler im Internet, buecher.de, bemüht. Für das 2012 im Fischer-Taschenbuchverlag erschienene Werk mit 395 Seiten und Reise tauglichen knapp 350 Gramm Gewicht waren genau 9,99 Euro fällig. Wie immer kamen keine Versandkosten hinzu, wie immer wurde per DHL geliefert - genau drei Tage nach der Bestellung.
Das Aussehen
Für ein Taschenbuch bietet die Optik dieses Werkes im Format 19 mal 13 Zentimeter doch Einiges. Das beginnt mit einem humorvoll gestalteten Titelbild, das ein Eichhörnchen treibt, das sich an einem auf dem Wasser vor Gebirgs-Hintergrund treibenden Trachtenhut klammert. Ein mitgeliefertes Lesezeichen ist bei Taschenbüchern ebenso ungewöhnlich wie die Tatsache, dass die Innenseiten des Covers jeweils mit Vierfarb-Bildern bestückt sind. Sehr nett ist auch eine weitere Kleinigkeit: Jeweils zu Beginn eines Kapitels wiederholt sich unten auf der Seite das Eichhörnchen-Motiv vom Titel.
Der Inhalt (buecher.de)
Nachts in einem idyllischen alpenländischen Kurort: Dunkle Gestalten schleppen eine leblose Person zur Höllentalklamm. Kommissar Jennerwein erhält einen heiklen Auftrag. Er muss einen verschwundenen BKA-Ermittler finden, aber niemand darf wissen, dass er nach ihm sucht. Während er mit seinem bewährten Team offiziell einem Wilderer nachstellt, forscht er in Gumpen und Schluchten nach dem Vermissten. Derweil erzählen die Einheimischen düstere Legenden von Flößern, die einst das Wildwasser in eine Höhle sog, ein neugieriger Numismatiker entdeckt kryptische Zeichen auf einer alten Goldmünze, und ein Scharfschütze lauert am Bergbach. Kommissar Jennerwein gerät beinahe ins Strudeln ...
Der Autor
Jörg Maurer stammt aus Garmisch-Partenkirchen. Er studierte Germanistik, Anglistik, Theaterwissenschaften und Philosophie und ist Krimiautor und Musikkabarettist. Eine feste Größe in der süddeutschen Kabarettszene, leitete er jahrelang ein Theater in München und wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Kabarettpreis der Stadt München (2005) und dem Agatha-Christie-Krimi-Preis (2005 und 2006). Sein Krimi-Kabarettprogramm ist Kult.
Leseprobe
Es war Anfang Mai, die Nacht war schwül, und ein warmer Wind schob sich im Schritttempo westwärts durch den Werdenfelser Talkessel. Der Mond hing über der Alpspitze wie ein frisch geschmiertes, ganz leicht angebissenes Schmalzbrot, er warf einen matten Glanz über den heruntergekommenen Schrottplatz dort unten am Rande des Kurorts. Der heiße Wind strich durch die verbeulten Rohre und ließ ein hohles Stöhnen und heiseres Rasseln hören. Das Mondlicht brachte die verbogenen Stahlteile und ausgeweideten Metallgerippe der Autowracks auf derart unheimliche
Weise zum Glitzern und Funkeln, dass man nicht überrascht gewesen wäre, wenn sich die alten Kardanwellen und zerbrochenen Pleuelstangen zu einem schaurigen Totentanz aufgerafft hätten, zu so etwas wie einem Danse Macabre im Otto'schen Viertakt. Ein einzelnes Eisenteil stach besonders hervor. Es hing über der Tür des kleinen ramponierten Bürohäuschens, es war ein armdickes U, alle anderen Buchstaben des Wortes waren längst abgefallen. Sicher waren viele der Kunden schon stehengeblieben und hatten gerätselt, was denn das einst für eine Inschrift gewesen sein mochte. Denn der Schrottplatz gehörte dem alten und versoffenen, ganz und gar U-losen Heilinger Herbert.
Meine Meinung
Witzig, aber nicht niveaulos sollen die Romane von Jörg Maurer sein. Und dann sollten sie auch noch einen Kriminalfall beinhalten, der nicht völlig unglaubwürdig wirkt. So jedenfalls stelle ich mir die Aufgabenstellung des Autoren an sich selbst vor, wobei er die ganze Sache dann auch noch gern mit einer Prise Ironie und einem guten Stück Vorurteilen würzt. Genau drei Mal ist dieses Rezept aufgegangen und die Jennerwein-Bücher "Föhnlage", "Hochsaison" und "Niedertracht" haben zumindest mich begeistert. So blieb vor Beginn der Lektüre die Frage offen, ob es der gute Mann auch ein viertes Mal schafft, denn die Lösung der Aufgabe für den Autoren dürfte von mal zu mal schwerer werden, zumal der Konsument ja auch nicht gelangweilt werden soll.
Maurer setzt entsprechend voraus, dass der Leser Kommissar Jennerwein, sein Team und ihre ureigenen Probleme schon kennt, nimmt entsprechend nur noch kurze Charakterisierungen vor. Und dann entwickelt er einen Plot, der ebenso realistisch wie unglaublich wirkt. Dass Jennerwein und seine Ermittlungsgruppe sich ganz besondere Lösungsansätze einfallen lassen, versteht sich von allein. Und diese Ansätze sind einfach herrlich, sorgen natürlich wieder einmal für Schmunzeln und wissendes Nicken beim Leser: Jaja, diese Bayern. Einige der aus den Vorgänger-Romanen schon bekannten Figuren tauchen erneut auf, mal in einer bedeutenden, mal in einer Nebenrolle. Dieser Wiedererkennungseffekt gefiel mir, sorgt aber zugleich dafür, dass Maurer-Neulinge nicht unbedingt diesen vierten Teil als erstes Buch des Autoren lesen sollten - da empfiehlt es sich schon, die richtige Reihenfolge einzuhalten.
Es ist einfach herrlich, wie dieser Mann mit Wörtern, Sätzen, Klischees und Vorurteilen spielt - das sorgt für ganz großen Lesegenuss. Wieder einmal. Neu ist allerdings, dass Maurer die Zahl der Handlungsstränge vervielfacht hat. Und der Leser fragt sich da schon, wie das alles denn am Ende zusammen kommen kann. So viel sei verraten: So ganz richtig kommt es gar nicht zusammen. Und dass auch nicht alle Fragen um den aktuellen Kriminalfall beantwortet werden, ist nicht so schlimm - da bleibt wenigstens noch etwas Platz für die Phantasie des Konsumenten, der sich nichtsdestotrotz allerbestens unterhalten fühlen darf, wobei Maurer beweist, dass Wortwitz und Spannung sich keineswegs ausschließen.
Ein wenig bedauerlich finde ich, dass die handelnden Personen sich auch in diesem vierten Teil nicht wirklich fortentwickeln - das erinnert mich doch sehr an die Fernsehserie "Derrick", in der es zwar stets einen neuen Fall, aber über Jahre hinweg gleich gelaunte Personen gab, die nicht einmal auf eine Beförderung hoffen durften. Aber vielleicht hat sich Maurer das alles ja für den sicherlich bald folgenden fünften Teil aufbewahrt; auch die zärtlichen Gefühle, die Jennerwein für die Polizei-Psychologin Maria Schmalfuß hegt, scheinen ja noch ausbaufähig. Und das Ehepaar Grasegger, das im ersten Alpenkrimi Maurers eine Hauptrolle spielte, wird sich ganz bestimmt auch noch einmal nicht ganz an die Gesetze halten. Oder hat es sogar in "Oberwasser" schon etwas mit dem Kriminalfall zu tun? Nun ja - das sollte hier nicht verraten werden, denn spannend geht's schon zu in dem Kurort, der zwar sehr eindeutig Garmisch-Partenkirchen ist, aber niemals bei seinem wirklichen Namen genannt wird. Ich auf jeden Fall werde auch die kommenden Jennerwein-Abenteuer lesen und hoffe darauf, dass Jörg Maurer noch ausreichend Einfälle hat, um mich nicht zu langweilen, sondern viel eher wie gehabt zum Schmunzeln zu bringen. weiterlesen schließen
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