02. Etappe Luxemburg - Saarbrücken (Tour 2002) Testbericht

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Erfahrungsbericht von paelzer

Ein Bundesland im Ausnahmezustand

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

1 Million Menschen verfolgten das unwiderstehliche Spektakel und ich war auch dabei.
Man nennt sie auch die Tour der Leiden, die beinahe hundertjährige Tour de France, die diesmal das Saarland auf einer Länge von immerhin rund 125 Kilometern streifte. Besonders nahegehend war dabei das Schicksal jenes jungen norwegischen Radprofis, Thor Hushovd, aus dem Team Credit Agricole, der, von Krämpfen geschüttelt, nach einem erfolglosen Ausreisversuch 20 Minuten nach dem Hauptfeld als 1 89ster das Ziel in Saarbrücken erreichte. Und das immer noch in einem Tempo, das unsereins selbst unter massivem Einsatz von “Extasy“ nicht erreicht hätte. Und ihr glaubt gar nicht mit welchem Applaus der junge Mann dabei noch bedacht worden ist.

Apropos Jan Ullrich. Man merkt schnell, wie sich die Menschen an der Strecke nach anderen Idolen umgeschaut hatten. Lance Armstrong, der unwiderstehliche Bergkletterer, hatte viele Freunde unter den geschätzten 1 Million Zuschauern gefunden, Eric Zabel sowieso. Belgier, Spanier, Franzosen und Deutsche standen dicht gedrängt und friedlich vereint an der Strecke. Friedliche vereint? Meistens jedenfalls. In seltener Eintracht verteidigten da ein älteres Ehepaar, er mit Strohhut und ein jüngeres französisches Paar aus dem nahen Lothringen den Flecken heilige deutsche Erde, den sie nahe Mainzweiler am frühen Morgen so gegen zehn Uhr, sechs Stunden (!) vor dem eigentlichen 30-Sekunden Erlebnis, erobert hatten gegen all die zu spät Gekommenen, die sich erst um 14.00 Uhr einfanden.
Auf der anderen Straßenseite konnte ich vier junge Männer beobachten, die sich köstlich nicht nur über das in der Nähe gebotene Schauspiel amüsierten, sondern auch über jeden Wagen aus der schier endlosen Werbekarawane.

Wenigstens die ließen sich die gebotene Zeit, sich dem wartenden Publikum zu präsentieren. Joghurt, Uhren, anregende Getränke und vieles mehr an Kuriositäten wurde von einer Hundertschaft Motorrad fahrender Polizisten aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland eskortiert. Rings um die Strecke ein Tross aus Zelten, Wohnmobilen, Autos und Bier- und Würstchenständen. Letztere erstaunlich fair in ihren Angeboten. Fair und ausgelassen übrigens auch die weit überwiegende Mehrheit der Radsportfans. Genügsam, einen kurzen Blick auf ihr jeweiliges Idol zu erhaschen, denn maximal dreißig Sekunden dauerte, wie gesagt, der “Vorbeiflug“. Aber bekanntlich ist ein Hundert-Meter-Rekordlauf entschieden kürzer und bleibt dennoch lange Jahre im Gedächtnis derer haften, die das Vergnügen hatten, ihn mitzuerleben.

Selbst zu politischen Bekundungen mussten die vielen Straßenmalereien herhalten: “Weg mit der “Strabs“ “ (Straßenausbausatzung, ein absolutes Reizthema im ganzen Saarland) war ebenso zu lesen, wie der Aufruf, den Stadtteil Mainzweiler wieder von Ottweiler zu separieren. Dazu passte auch, dass man einem deutsch-französischen Partnerschaftsverein aus Ottweiler nicht die Erlaubnis erteilen mochte, auf Mainzweiler Gebiet einen eigenen Stand der Städtepartnerschaft zu betreiben (dies wurde am Rande des Geschehens sehr heftig diskutiert). Aber all das waren Marginalien. Die in Europaland als Ordnungs- und Saubermänner verschrienen Deutschen zeigten sich fast ausnahmslos als freundliche, herzliche und sportliche Gastgeber. Vor allen das kleine Saarland konnte dem Rest des Kontinents beweisen, dass hier das wahre und eigentlich europäischste Herz schlägt.
Ich muss sagen, dass es ein riesiges Spektakel war, das man unbedingt einmal live miterleben sollte. Ich war dazu noch tags zuvor im benachbarten kleinen Großherzogtum Luxemburg, das sich den „Grand Depart de Tour de France 2002“ immerhin mehrere Millionen Euro hat kosten lassen und muss sagen, das es auch dort ein Riesenspektakel war.

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