25th Hour (DVD) Testbericht

25th-hour-dvd
ab 7,96
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  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  durchschnittlich
  • Humor:  wenig humorvoll
  • Spannung:  spannend

Erfahrungsbericht von andy77

Willkommen im heute und jetzt!!!

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Inhalt:

24 Stunden noch, dann endet für Monty Brogan (Edward Norton) das Leben in Freiheit. 24 Stunden noch, dann muss der ehemalige Drogendealer eine siebenjährige Haftstrafe antreten. 24 Stunden, in denen Monty Zeit bleibt, mit sich, seiner atemberaubenden Freundin Naturelle (Rosario Dawson), seinem Vater (Brain Cox) und seinen beiden besten Freunden, dem Wall-Street-Broker Slaughtery (Barry Pepper) und dem schüchternen Highschool-Lehrer Jacob (Philip Seymour Hoffman), ins Reine zu kommen. Und er will die Zeit nutzen herauszufinden, wer es war, der ihn bei der Polizei angeschwärzt hat. Monty hat einen fürchterlichen Verdacht, doch die Uhr läuft... die Zeit tickt... die 25. Stunde naht...

Kritik:

Spike Lee gilt als einer der kontroversesten Filmemacher Amerikas. Mit \"She\'s gotta have it\" und \"Do the right thing\" avancierte er zum bekanntesten Sprachrohr für die Rechte der Schwarzen. Eine ihm auferlegte Verantwortung, die er stolz annahm und bis heute mit einer zweifelhaften Polemik ausübt. Nicht wenige werfen ihm vor, selbst Rassismus zu propagieren. Lee stemmt sich mit aller Macht und seinem ganzen filmischen Engagement dagegen, doch überzeugend entkräften konnte er diesen Vorwurf nie richtig. In seinen späteren Filmen, wie \"Malcolm X\" und \"Bamboozled\" versuchte er seine politischen Ansichten vom Rassismus in Amerika krampfhaft in den Vordergrund zu stellen und langweilte dadurch.

Jetzt also kommt sein neuestes Werk \"25th Hour\" in die Kinos und dieser Film überraschte und begeisterte mich gleichermaßen. Edward Norton spielt darin die Hauptfigur Monty, der seine letzten 24 Stunden in Freiheit verbringen wird, bevor der Drogen- Dealer aus gutem Hause für 7 Jahre ins Gefängnis muß. Dabei möchte er sich an diesem Tage von all denen verabschieden, die ihm wichtig sind. Zum einen sein bester Freund Frank (Barry Pepper), der wie Monty irischer Abstammung ist und sein Geld als Börsenmakler verdient, zum anderen der zurückhaltende Highschool-Lehrer Jacob (Philip Seymour Hoffman), der sich in eine seiner Schülerinnen verliebt und kopflos der beruflichen Katastrophe zusteuert, um für einen winzigen Moment privates Glück zu spüren. Daneben kreuzen noch seine Freundin Naturelle (Rosario Dawson), sein Vater und diverse Drogen-Dealer und Kleinkriminelle seinen Weg. Unterbrochen werden die Streifzüge durch New York durch plötzliche, unvorbereitete Rückblenden, die zu erklären versuchen, weshalb Monty in diese Situation geraten ist.

Diese kleinen Flashbacks sind eine der vielen Höhepunkte von \"25th Hour\", in dem eigentlich nicht viel passiert. So steht Monty nach einem Streit mit seinem Vater vor einem Spiegel und hetzt gegen alles und jeden in dieser Stadt. \"Fuck Whites, fuck Blacks, … Pakistanis, Indians, Chinese, Jews, Irish, Puerto Ricans. Fuck my girlfriend, fuck my father, my mother, my friends…Fuck Bush, fuck Saddam Hussein, fuck Osama bin Laden, fuck you all!\" Sein zweites ich, daß nur zu sprechen in der Lage ist, wenn niemand es hört, es keine Konsequenzen zu befürchten hat und in der Konsequenz einer Liebeserklärung an seine Heimatstadt New York gleichkommt. Diesen Melting Pot voller sozialer und kultureller Unterschiede, den schon lange keiner mehr versteht und der doch so faszinieren kann.

Diese Stadt der Gegensätze bildet für mich der das Zentrum von \"25th Hour\". Eine Stadt voller Narben, die an jeder Ecke und in den Gesichtern der Bewohner unübersehbar hervortreten. Grosse, häßliche Narben, welche die Stadt teilen, sie aufspalten und so besonders machen. Niemand kann verstehen was in den Bewohnern dieser Stadt nach dem 11. September geschehen ist. Niemand wird wohl je begreifen, was es bedeutet, den Wegfall der Sicherheit ständig vor Augen haben zu müssen. Ground Zero ist allgegenwärtig und unübersehbar. Niemand kann sich vor dessen Auswirkungen verstecken. So steht Barry mit Jacob vor dem Fenster seines Apartments mit Blick auf die Trümmer des World Trade Centers. Sie unterhalten sich über die Notwendigkeit wegzuziehen und diese Wunde der Stadt hinter sich zu lassen. Sie sprechen über ihren Freund, der alsbald verschwinden oder zerbrechen wird. Sie geraten in Streit, denn keiner versteht den anderen und erst Recht keiner versteht die Gegenwart oder was die Zukunft bringen wird. Ein beeindruckender Moment, der die gesamte Unsicherheit der jetzigen Zeit auszudrücken vermag. Unterlegt von einem bewegenden Soundtrack. Spike Lee ist endlich Erwachsen geworden.

Lee findet beeindruckende, zuweilen quälende Bilder der heutigen Zeit. Bilder, die wie deren Protagonisten, auf der Suche nach der verlorengegangenen Kontrolle sind. Fast erstarrt vor Angst, sich vorantastend, doch auch immer den Blick zurück gerichtet, voller Erinnerungen und Hoffnung zugleich. Willkommen in der Wirklichkeit, willkommen im 21. Jahrhundert.

Edward Norton streift scheinbar ziellos durch die Straßen New Yorks und er tut dies mit beeindruckender Langsamkeit. Er beobachtet einen Tag lang die Menschen, wie sie ihrem alltäglichen Aufgaben nachgehen. Es ist dieser beobachtende, wachsame Blick in seinen Augen, in dem man bei genauem Hinschauen die Wehmut oder Trauer erkennen kann. Doch auf Schuld folgt bekanntlich Sühne und auch er kann sich ihr nicht entziehen. Er kann sie nur einfacher gestalten, sich von seinem besten Freund zusammenschlagen lassen, um im Knast seine gute Herkunft zu verbergen, sich von allen verabschieden und nach der Person suchen, die ihn verraten haben könnte. Doch mehr scheint nicht möglich an diesem Tag im heutigen New York.

Spike Lee ist ein sehr beeindruckendes, zurückhaltendes Werk gelungen, das mit großartigen Schauspielern und einem tollen Soundtrack aufwarten kann. Ein Film über Vertrauen und Verrat. Ein Film wie ein Traum so ehrlich wie unaufdringlich. Unbedingt ansehen!

Wertung: 9,5/10

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