3096 Tage (DVD) Testbericht

D
3096-tage-dvd
ab 5,43
Auf yopi.de gelistet seit 03/2013
5 Sterne
(2)
4 Sterne
(1)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(0)
0 Sterne
(0)
Summe aller Bewertungen
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  durchschnittlich
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  sehr spannend

Erfahrungsbericht von LilithIbi

"Bist du da oben auch allein?"

5
  • Action:  durchschnittlich
  • Anspruch:  sehr anspruchsvoll
  • Romantik:  sehr niedrig
  • Humor:  durchschnittlich
  • Spannung:  spannend
  • Altersgruppe:  ab 16 Jahren
  • Meinung bezieht sich auf:  DVD-Version

Pro:

sehr hohe Authentizität, Bonusmaterial, Mitarbeit Natascha Kampusch, nicht effekthaschend

Kontra:

lässt manche Punkte außen vor, Bonusmaterial wiederholt sich z . T . (exakt die gleichen Aufnahmen)

Empfehlung:

Ja

~ „Du bist für nichts gut.“
~ „Dann lass mich gehen.“
~ „Dich will doch keiner.“
~ „Meine Eltern wollen mich schon.“
~ „Wirklich? Und warum zahlen sie dann kein Lösegeld? Du bist denen völlig egal.“
~ „Das ist nicht wahr.“
~ „Ach so.. dann glaubs eben nicht. Für dich zahlt keiner etwas.“ (….) Du bist Ihnen egal, weil du ihnen nämlich einen Dreck wert bist!“

Ein Mann, der ein Kind entführt, weil er es zu seiner Frau machen möchte ~ so oder doch stetig so ähnlich lauteten die Motive, die Wolfgang Priklopil schlussendlich von vielen Stellen nachgesagt wurden. Drehbuchautor Bernd Eichinger erschuf in Zusammenarbeit mit Natascha Kampusch sowie deren Biographie das Grundgerüst zu der deutschen Verfilmung; nach dessen Tod vor Vollendung des Buches arbeiteten Ruth Toma und Peter Reichard bis zuletzt daran. Ob nun Dank oder Trotz dieses Wissens hatte ich persönlich das Gefühl, die zwangsläufige „Gemeinschaftsarbeit“ ab einem gewissen Zeitpunkt zu spüren, fühlte sich die Atmosphäre ab der ungefähren Hälfte des auf Tatsachen beruhenden Dramas doch ein wenig andersartig an, als es bis dahin der Fall war.
Käuflich erworben habe ich persönlich

“3096 Tage“

bereits Anfang September im Media Markt, zahlte hierfür einen Kaufpreis von 12,99 € und wartete im Grunde genommen auf die „passende“ Stimmung, um mich mit der überaus authentischen Bebilderung einer der berühmtesten Entführungsgeschichten der letzten Jahre auseinanderzusetzen.
Dank des Aspekts, dass Natascha Kampusch maßgeblich an der Entstehung des Filmes beteiligt war, während „ihr Zimmer“ 1:1 nachgebaut wurde, geht „3096 Tage“ von Grund auf intensiver unter die Haut, als es bei losen Nacherzählungen hätte der Fall sein können.
Die Handlung ist den meisten Zuschauern gewiss bekannt, während zahlreiche Details nichtsdestotrotz für Fassungslosigkeit, Staunen, Verblüffung wie Sprachlosigkeit und nicht zuletzt nachgefühlten Schmerz sorgen:

Die 10jährige Natascha Kampusch (Amelia Pidgeon) wird nach einem Streit mit ihrer Mutter (Trine Dyrholm) auf dem Weg zur Schule von Wolfgang Priklopil (Thure Lindhardt) entführt, der nach seiner Tat nach außen hin genauso weiterlebt wie zuvor. Mit seiner Mutter Waltraud (Dearbhla Molloy) und seiner Großmutter (Erni Mangold) scheint er ein zwar konstantes, aber doch irgendwie abstruses Beziehungsgeflecht zu führen. Es scheint, als hätte Wolfgang nie wirklich erwachsen werden dürfen, während seine Mutter ihn nach wie vor regelmäßig mit vorgefertigten Essen versorgt und seine Großmutter sich schließlich sorgt, dass der junge Mann homosexuell sein könnte. Dass Wolfgang zu diesem Zeitpunkt bereits längst mit der „Erziehung“ von Natascha begonnen hat, ahnen beide bis zuletzt nicht ~ generell verliert „3096 Tage“ kein einziges Wort hinsichtlich der Reaktion auf die abschließende Täterüberführung.

Auf mich selbst wirkte es in der Umsetzung in der Tat ein wenig befremdlich, dass die kleine Natascha bereits am dritten Tag ihren Entführer nach einem Gute-Nacht-Kuss fragt, da sie von ihrer Mutter stetig einen bekommen hätte. Diese doch erstaunliche Vertrautheit irritierte mich für meinen Teil doch sehr, wenngleich nahezu alles nachfolgende auf ruhige Art und Weise dem Zuschauer nahegebracht wird.

Sprich: „3096 Tage“ verzichtet auf großes Tamtam, läuft vorrangig ruhig ab und verstört somit in den gezeigten gewalttätigen Szenen umso heftiger. Mit großer Detailverliebtheit nimmt der aufmerksame Zuschauer Teil daran, wie inzwischen 18jährige Natascha (Antonia Campbell-Hughes) akribisch notiert, welche Schläge, Tritte o.ä. ihr seitens Wolfgang zugefügt wurden. Daran, dass ihre Schriftrollen (Toilettenpapierrollen) alsbald den kompletten Boden eines Gesellschaftsspiels bedecken, ist überdeutlich erkennbar, dass Natascha alles andere als gut behandelt wurde ~ auch, wenn es nach wie vor manchen Beobachtern aufstößt, dass Natascha scheinbar nur wenige Chancen ergriff, die sie zur Flucht hätte nutzen können.

Besonders hervorzuheben in diesem Kontext somit zweifelsohne, wie nachvollziehbar viele Details dargeboten werden; wie viele Schlüsselszenen über derartig viel Aussagekraft verfügen, das sich jedes weitere Wort hierüber erübrigt.

Auf der anderen Seite mag man als Psychologie Laie hier und dort den Entwicklungen inmitten von „3096 Tage“ nicht immer folgen können, sich vielmehr über die sich stetig wandelnde Beziehung zwischen Natascha und Wolfgang wundern. Meiner Meinung nach wirkt „3096 Tage“ insgesamt betrachtet alles andere als eine stoische Aneinanderreihung der ohnehin bereits bekannten Eckpfeiler, obschon sich hier und dort der Eindruck auftun könnte, Natascha hätte oftmals lediglich um etwas bitten müssen, um umgehend ihren jeweiligen Wunsch erfüllt zu bekommen.

Erst nach der ungefähren Hälfte kristallisiert sich das immense Machtgefüge seitens des Entführers heraus, der Natascha nicht nur vehement niedermacht, sondern überdies mit Nahrungsentzug und desweiteren im wortwörtlichen Sinne an sich bindet.

Psychologisch hochgradig interessant, packend wie zugleich verstörend der Aspekt, dass Natascha zu Weihnachten ihr bereits zur Verfügung stehende Dinge selbst einpackt und sodann bei Beisein ihres Entführers überrascht und vor allem erfreut wirken muss, um nicht neuerliches Unheil über sich herabregnen zu lassen.

Jene Szenen gehen ähnlich unter die Haut wie der Blick auf Nataschas Mutter nebst Nataschas Großmutter (Ellen Schwiers), die selbst zu der Zeit, in der die Polizei sämtliche Ermittlungen eingestellt hat, immer noch hofft und sich ferner mit Schuldgefühlen plagen.

„3096 Tage“ gestaltete sich für mich als durchweg grausam, spannend und auf eine unleugbare Art und Weise faszinierend. Bereits dieses zuschauerliche Gefühl in mir lässt das Gesamtwerk noch ein wenig nachwirkender erscheinen und rührt nicht zuletzt des öfteren zu Tränen.
Momente, in denen Nataschas Flehen, doch endlich gehen zu dürfen, mit Sätzen wie

„Warum sollte ich dich gehen lassen? Ich hab doch so ein schönes Zimmer für dich gemacht.“

bereiten ähnliches Unbehagen wie die Momente, in denen Natascha stetig gezwungen ist, ihrem Entführer gegenüber etwas vorzuspielen. Die Bewunderung für die junge Frau, die ich ohnehin seit jeher hegte, hat anhand dieses Leinwandspektakels ferner noch zugenommen.

Die DVD an sich

verfügt neben der deutschen wie auch englischen Sprache über eine Hörfilmfassung sowie die deutschen Untertitel, welche sich allerdings bei dem deutschsprachigen Bonusmaterial nicht hinzuschalten lassen.Szenen hingegen, die auf englisch gesprochen werden, werden automatisch untertitelt.
Die Übersicht der Extras sieht meines Erachtens nach nach mehr aus, als es tatsächlich ist, da sich viele Aussagen respektive Szenen in den unterschiedlichen Bonuspunkten wiederholen, somit 1:1 übernommen wurden.

Von den Interviews (27min) habe ich mir offen gesagt lediglich das mit Natascha sowie Trine Dyrholm angesehen. Natascha spricht über den Film selbst, ihre Bewunderung für die Authentizität sowie die darstellerischen Leistungen und nicht zuletzt über ihre anfänglichen Bedenken Bernd Eichinger gegenüber.
Trine hingegen zeigt auf, wie sehr sie ihre Rolle berührt, beansprucht und zugleich herausgefordert hat ~ dass die Erzählung der achtjährigen Gefangenschaft einer überaus starken Persönlichkeit bemerkenswert ist, versteht sich gewiss von selbst.

Der 6minütige Blick hinter die Kulissen stellt sich für meinen Geschmack nicht als besonders sehenswert heraus, kann man sich im Grunde genommen ein weiteres Mal diverse Filmszenen anschauen, in denen nun jedoch die Mitwirkenden hinter der Kamera ebenfalls zu sehen sind.

Einblicke in 3096 – Teil 1 umfasst ca. 6 Minuten und geht wie der rund 7minütige '''Einblicke in 3096 – Teil 2“ erneut auf diverse Hintergründe zur Entstehung des Filmes ein. Regisseur, Drehbuchautoren, Darsteller wie Natascha selbst kommen hier zu Wort ~ manche Szenen überschneiden sich mit denen, die man bereits inmitten der Interviews zu Gesicht bekommen hat.
Der '''Premierenclip“ dauert rund 4 Minuten und kann meiner Meinung nach von jedem noch so vehement interessierten übersprungen werden. Jener Beitrag zeigt lediglich die verschiedenen Darsteller, wie sie für die Presse posieren und dabei mehr oder minder befangen wirken oder gar Unwohlsein ausstrahlen. Mir scheint, als würde Natascha auch in diesen Szenen beweisführen, wie sehr sie sich nach innen abkapseln kann, wenn sie sich einer Situation nur bedingt gewachsen fühlt.

Zu guter Letzt stellt die DVD den englischen wie deutschen Filmtrailer zur Verfügung, während ferner eine handvoll weiterer Programmtipps ihren Platz finden durfte.

In Bezug auf Bild und Ton gibt es meinerseits null und nichtig etwas zu beanstanden ~ erwähnenswert womöglich, dass mir die erwachsene Darstellerin der Natascha in deren ersten Szenen als die nur bedingt gelungene Wahl erschien. Erst nach und nach überzeugte mich die Verkörperung des Anpassungskampfes, während mir Dank der Sichtung des Bonusmaterials eben auch klar wurde, dass der Film an sich auf englisch gedreht und ins deutsche synchronisiert wurde. Die „echte“ Stimme seitens Antonia Campbell-Hughes passt meines Empfindens nach deutlich besser zu ihr und gibt ihrem Charakter meiner Rein-Schalt-Erfahrung nach einen leidenschaftlicheren, ausgeprägteren Schliff, was die Feinheiten der Gefühlslagen anbelangt.

Wer sich mit dem DVD-Inlayer befasst, darf sich auf einschneidende Worte der Kinderdarstellerin Amelia Pidgeon gefasst machen, die bei mir für einen ähnlichen Kloß im Hals sorgten als etliche Szenen des Hauptfilms:
„Ich mache das für Natascha. Sie hat das alles überlebt. Vielleicht werde ich auch mal entführt. Wenn es passiert, möchte ich wissen, wie man es schafft, zu überleben.“

Summa summarum

macht sich die gewaltige Wirkung von „3096 Tage“ erst im Nachhinein bemerkbar. Dank des Wissens, dass es sich hier um eine wahre Geschichte handelt, bei der inhaltlich nur sehr wenig verändert wurde, geht das Szenario meines Empfindens nach noch mehr unter die Haut, als es bei einer fiktiven Story der Fall hätte sein können.

Somit verzeiht man die vereinzelt auftretende, unerklärlich nüchterne Stimmung, die meiner Meinung nach über manche Einzelheiten zu grob hinweggeht. Natürlich kann niemand die gesamten Geschehnisse der 3096 Tage Gefangenschaft aufzeigen ~ dem entgegen wirkt es wie bereits erwähnt etwas unglücklich, die 10jährige anfänglich mit lediglich einer Matratze, einer Toilette und einem Waschbecken auszustatten und die erwachsene Natascha nur wenige Szenen später in einem weitaus „gefüllteren“ und somit notgedrungen noch engeren Kerker hocken zu lassen. Wie hart sie sich manche Luxusgüter erbetteln musste, kommt meines Erachtens nach a bisserl zu bedingt rüber, während die immense Macht, die der Täter auf Natascha ausübt, erst ab der zweiten Filmhälfte deutlicher wird.

Sieht man von dieser kleinen Unausgewogenheit jedoch ab, erkennt man die ganz spezielle Mixtur, die nicht passender zur Thematik des Films hätte sein können. Dementgegen dürfte es dem ein oder anderen Zuschauer zu undurchsichtig bleiben, wer sich wann warum wie verhalten hat ~ auf psychologisch-pädagogischer Ebene wird zwar etliches angedeutet, jedoch der Analysekunst des Zuschauers selbst überlassen.

Bündig sei somit zusammengefasst, dass jene, die mannigfaltigen Details rund um die Entführung der Natascha Kampusch noch nie etwas gehört haben und / oder keinen Faible für artverwandte Thesen rund um das Stockholm-Syndrom hegen, etwas ratlos aus der Verfilmung herausgehen könnten.

Während ich selbst nach Sichtung des Hauptfilmes erst zwischen einer 3er und 4er Besternung schwankte, sorgte das Bonusmaterial, so oft es sich auch wiederholen mag, schlussendlich dafür, mich eben doch auf die volle (und nur leicht schwächelnde) Vollbesternung zu verlagern.

„3096 Tage“ rührt zu Tränen, löst gewisse Bewunderung, Verständnislosigkeit und zugleich eben doch mögliches Begreifen für die jeweiligen Verhaltensweisen der Protagonisten aus ~ somit endlich mal ein Film, der mit seinen bewerbenden Untertitel „Berührend. Bewegend. Mutig. Stark.“ keineswegs zu viel verspricht.

12 Bewertungen, 6 Kommentare

  • anonym

    06.10.2013, 06:47 Uhr von anonym

    Grüße aus dem Norden!

  • Miraculix1967

    05.10.2013, 22:36 Uhr von Miraculix1967
    Bewertung: besonders wertvoll

    Eindeutig BW! Schönen Samstagabend, schönes Wochenende und LG aus dem gallischen Dorf Miraculix1967:-)

  • BoxerRocko

    05.10.2013, 17:31 Uhr von BoxerRocko
    Bewertung: besonders wertvoll

    Sehr gut vorgestellt. Liebe Grüße

  • anonym

    05.10.2013, 13:18 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Prima vorgestellt. Über eine Gegenlesung würde ich mich freuen!

  • anonym

    05.10.2013, 13:06 Uhr von anonym
    Bewertung: besonders wertvoll

    Wow, ich denke, der geht wahrlich unter die Haut, da man ständig im Hinterkopf hat, dass diese "Geschichte" nicht an den Haaren herbeigezogen wurde. Ich stelle mir das reichlich schrecklich vor und deine Einblicke, die du gibt's, bereiten mir jetzt schon Gänsehaut. Ich denke mal, auch ich werde mir die DVD holen und auch auf den richtigen Moment und die richtige Stimmung warten, um sie zu gucken..

  • Little-Peach

    05.10.2013, 09:46 Uhr von Little-Peach
    Bewertung: besonders wertvoll

    bw :))