Aberlour 10 Jahre Testbericht

Mit dem Aberlour verbinde ich denkwürdige Abende. An einem der beiden habe ich zusammen mit einem Onkel von mir eine komplette Flasche Aberlour geleert. Zur Erklärung sei gesagt: Wir hatten soeben seine Frau Mutter unter die Erde gebracht. An solch einem Tag, das war wohl das stille Einvernehmen, durften nicht nur in Schottland Flüssigkeiten freigiebiger vergossen werden als sonst. Wir haben also gewissermaßen eine deutsche Totenwache gehalten. Dass bei der lieben Verstorbenen schon nicht mehr gewacht werden konnte, haben wir galant ignoriert. Schließlich sind wir ja auch nicht in Schottland.

Im Laufe des anderen fraglichen Abends habe ich mich zusammen mit einer lieben Ex-Kollegin betrunken und ihr dabei das Geständnis entlocken können, eigentlich habe sie Altbier schon immer viel lieber getrunken als Kölsch. Wenn man weiß, dass meine Ex-Kollegin sich selbst als Ur-Kölnerin bezeichnete und als solche quasi-traditionell eine tief verwurzelte Abneigung gegen alles zu hegen hat, was sich im Dunstkreis der Landeshauptstadt Düsseldorf großer Beliebtheit erfreut - wenn man das also weiß, dann weiß man, dass ein solches Geständnis je nach Standpunkt einem Hochverrat oder einer Liebeserklärung gleichkommt. In der Folge habe ich sie dann außerdem vom Irrglauben bekehrt, sie möge prinzipiell keinen Whisky, und der Aberlour, den wir in einer Kneipe mit dem schönen Namen "Durst" genossen, hat mir dabei gute Dienste geleistet.

Ja,dem Aberlour habe ich schon so manchen Freund und manche Freundin gewonnen. Das wiederum liegt daran, dass der Aberlour nicht nur ein sehr schöner Standard unter den Single Malt Whiskys ist, der m.E. früher oder später in jede Sammlung wandern sollte, die auf sich hält. Dass der Aberlour sich schnell Freunde macht, liegt wahrscheinlich auch an der ausgeprägten Sherrynote, die dem Aberlour seine Fülle verleiht und die der Whisky natürlich der Lagerung im Sherryfass verdankt. Wer Sherry mag, dürfte also keine Probleme damit haben, sich mit dem Aberlour anzufreunden.

Ich selbst bin zwar kein ausgesprochener Fan von Sherry, mag den Aberlour allerdings trotzdem. Das liegt daran, dass ich den deutlichen Anklang an Sherry hier als willkommene Ergänzung empfinde. Das ist für mich keine Selbstverständlichkeit, denn ich finde, es hat nicht immer Sinn, einen ohnehin ausgezeichneten Whisky durch die Lagerung im Sherryfass noch weiter veredeln zu wollen: manchem irischen Whisky, dessen eigene Note nur allzu schnell von Sherry überlager und übertönt statt zur Geltung gebracht wird, bekommt das Prozedere in meinen Augen genauso wenig wie einem wuchtigen Islay Malt wie zum Beispiel Lagavulin.


R e s ü m e e

Der Whisky aus der Speyside-Destillerie Aberlour ist eine ausgezeichnete Wahl. Mit einem Glas Aberlour habe ich schon so manchen, der Whisky für einen biligen Rachenputzer hielt, von den Vorzügen eines Single Malt überzeugen können. Einsteigern wie wie bekennenden Whisky-Fans kann ich den Aberlour nur wärmstens empfehlen - ein warmer, schön austarierter, leicht zugänglicher Whisky, der sich auch gut als Aperitif eignet.