Alaska Testbericht

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Erfahrungsbericht von Swinja

Den Goldgräbern hinterher...

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

Die Geschichte beginnt am 28. Juli 1989.

Die Geschichte einer Reise, die nach Alaska führt. In den sogenannten Panhandle, wie der schmale Küstenstreifen, der zu diesem Staat gehört und doch nach Kanada hineinragt wie eine Nadel, genannt wird. Die Geschichte einer Reise auf den Spuren von Menschen, die angelockt wurden von einem einzigen Wort: GOLD.

Wir waren über Seattle und Juneau, der Hauptstadt Alaskas, angereist, und hatten die letzte Etappe nach Skagway mit der Fähre zurückgelegt. Ein großes, bulliges Schiff, das ein Dutzend Autos in seinem Bauch aufnehmen konnte, und gemütlich den Panhandle entlang auf dem Meer entlangtuckerte. Wir: ich und \"Eddy\", mit dem ich schon gemeinsam die Schulbank drückte. Von ihm kam die Idee: komm, wir fahren mal nach Alaska.

Skagway entstand zusammen mit anderen Ansiedlungen im Verlauf des Goldrauschs von 1899. Es besteht aus einiegen wenigen, amerikatypisch rechtwinklig angelegten Straßenzügen und den aus Westernfilmen bekannten
Häusern mit einer protzigen Straßenfront, die sich nach hinten in immer bescheideneren Bauformen verliert. Die
Bedeutung der Stadt lag damals in ihrem Hafen und der Bahnlinie, die nach Whitehorse ins kanadische
Yukon-Territorium führte.

Unsere erste Amtshandlung bestand darin, uns im Tourist Service mit Informationen einzudecken. Wir waren
schließlich drauf und dran, Bärenland zu betreten. Für den Marsch, der vor uns lag, benötigten wir eine Karte des
Gebiets, Lebensmittel und einige kleinere nützliche Utensilien.

Schließlich einigten wir uns darauf, hauptsächlich Kartoffeln, Speck und Zwiebeln sowie Tüten-Nudelsuppe
mitzunehmen. Mit Wasser sollte uns die Natur versorgen, ebenso mit Brennstoff. Unsere restliche Ausrüstung
bestand aus einem Zelt, Schlafsäcken und Kochgeschirr, alles gute, gebrauchte, Militärware.

Schließlich wollten wir, wie weiland die Goldsucher, nicht zuviel Zeit verlieren. Etwa am frühen Nachmittag waren wir mit den Vorbereitungen fertig und konnten losstiefeln.

Wo wollten wir überhaupt hin?

1898 eilte die Nachricht durch Amerikas Norden, daß am Yukon Gold gefunden worden war. Bis zu faustgroße
Nuggets wurden in den Parolen, die von einer Stadt zur nächsten eilten, beschrieben. Tausende von Menschen
verließen ihre Familien, ihre Arbeitsstätten, ihre Farmen, und zogen nach Norden, dem Glück entgegen.

Es war auf dem Landweg nicht ganz so einfach, an den Yukon zu kommen. Komfortabler war der Seeweg. Wer,
wie wir das fast 100 Jahre später ebenfalls taten, mit dem Schiff in Skagway anlandete, konnte sehr schnell zu Fuß ins Yukon-Gebiet kommen. Er mußte nur einen Weg finden, die Rockies zu überwinden.

Den Goldsuchern gelang es. Schritt für Schritt kämpften sie sich die steilen Anhöhen hinauf, bis sie am Chilkoot Paß den höchstens Punkt erreicht hatten. Von dort ging es wieder abwärts, ins vermeintlich gelobte Land, in dem das Gold in den Flüssen lag.

Wir verließen Skagway auf einer staubigen Sandpiste, die zunächst am Meeresufer entlang etwas nach Westen
führte, zur Mündung des Taiya-Flusses. Von da ab beschreibt der Weg erstmal eine gerade Route nach Norden.

Die Landschaft hier ist in etwa mit der des Bayerischen Waldes vergleichbar, wenn man von der Donauebene her hineinfährt: steile Hänge, dicht bewaldet, vor allem Mischwald hat man hier noch.

Nach einigen Kilometern passieren wir einen Fleck, der sich Finnegan\'s Point nennt. Eigentlich gibt es hier nichts zu sehen als eine verfallene Försterhütte. Und eine Hinweistafel, die zu berichten weiß, daß zu jener Zeit ein Pat Finnegan und seine zwei Söhne eine Brücke errichtet hatten, für die sie Wegezoll verlangten - solange, bis der Ansturm der Goldgräber Ausmaße annahm, die denen an der innerdeutschen Grenze im November 1989 ähnelten.
Außerdem sollte es hier einen Saloon gegeben haben, der Imbisse servierte (wobei darunter sicher auch zahlreiche Blaue-Bohnen-Suppen gewesen sein dürften).

Hier stellten wir als Premiere sozusagen unser Zelt auf: aus einige dürren Baumstämmen entstand eine Art Tipi, unter dem unsere beiden Gummiponchos (ja, richtig, die von der Budneswehr her bekannten ABC-Ponchos)
zusammengeknöpft wurden. Da passen wirklich zwei Personen drunter. Da genug trockenes Holz umherlag, war es kein Problem, ein gutes Lagerfeuer anzufachen. Schon eher stellte sich das Küchen-Handling als schwierig heraus: wenn man nur zwei größere, zwei kleinere Metallpötte und dazu die Deckel hat, kann man aber trotzdem ein leckeres Kartoffel-Speck-Zwiebel-Eintopf zubereiten (alle ex-Bundis: ja, genau DAS Kochgeschirr). Das sollte auch die nächste Zeit unser Standard-Essen sein.

Am anderen Morgen erwachten wir wie gerädert. Wir hatten zwar hervorragend geschlafen, aber den ganzen letzten Tag im Halbkoma hinter uns gebracht, da wir auf dem Schiff die Nacht kaum geschlafen hatten - obwohl wir versucht hatten, uns mit den Biervorräten der Bordbar einzuschläfern. Außerdem tropfte das Kondenswasser von der Innenseite der nicht gerade wasserdurchlässigen Zeltwand.

Wir taumelten, noch etwas benommen, herum und sammelten auf diesem Weg Holz für das Frühstücksfeuer ein. Zum Frühstück gab es Pulverkaffee, sowie Kartoffeln, Zwiebeln und Speck. :-)

Nur wenige Kilometer weiter, nach dem wir eine bedenklich schwankende Hängebrücke überquert hatten, stießen wir auf die Großstadt Canyon City. Es war nur kein Mensch da.

Eine Stadt mit fast 15000 Einwohnern, 10000 Wohneinheiten, einer Post, Telegrafenstation, einigen Kaufhallen, und der Talstation einer Drahtseilbahn, die auf den Chilkoot Pass hinaufführte, war für damalige Verhältnisse durchaus mehr als nur ein Dörfchen. Sie war praktisch aus dem Nichts mitten im Wald gewachsen - sozusagen als Durchgangslager für den Strom der Durchreisenden. 1898 hatte sie ihre größte Einwohnerzahl erreicht. 1899 war sie nicht mehr vorhanden.

Wir fanden ebenfalls praktisch nichts mehr, außer einigen verfallenen Holzbuden aus späterer Zeit, sowie dem
Fundament, auf dem einmal die Dampfmaschine der Seilbahn gestanden hatte. Der Kessel der Maschine, eine
rostiges röhrenförmiges Ungetüm, stand noch einsam und traurig im Wald herum. Alles andere war vermodert,
zerfallen, verschwunden.

Ich lief einige Meter durch den Wald und versuchte mir vorzustellen, daß ich gerade mitten in einem Blockhaus,
einem Saloon, dem Sherriff Office oder auch in einem Bordell stehen würde - vor 90 Jahren.

Ich weiß heute nicht mehr, warum wir hier gleich noch einmal eine Übernachtung einlegten. An der zurückgelegten Wegstrecke kann es nicht gelegen haben. Mittlerweile schafften wir es schon etwas professioneller, unser Zelt aufzubauen. Und wir mußten noch etwas Wichtiges beachten. Wir hatten Bärenexkremente gefunden. Diese Tiere sind nicht unbedingt aggressiv, aber neugierig, Vor allem auf Gerüche, und diese besonders dann, wenn sie an Eßbares erinnern. Wer unter solchen Voraussetzungen seinen Fressalienrucksack im Zelt aufbewahrt, sollte sich bald auf Besuch einrichten.

Wir hingen unsere Rucksäcke an einem alten Abschleppseil am nächsten Baum auf. Sollte der Grizzly doch den
Baum fällen, oder klettern.

Wenn ich mich richtig erinnere, war dies eine sternenklare Nacht. Das galt, im Gegensatz zu gestern, auch für unsere Köpfe. Mit den Köpfen halb aus dem Zelt, starrten wir nach oben und lauschten - ja, es war nicht viel zu lauschen.
Das Rauschen des Flusses. Irgendwelche Nachtvögel. Ein leises Rauschen des Windes, der von der See hereinkam.

Ich hätte nie gedacht daß Stille so laut sein kann.

Frühstück. Kartoffeln, Speck, Zwiebeln.

Ab jetzt wurde das Gelände deutlich steiler. Der Taiya wurde zu einem tief eingeschnittenen Wildbach, und unser Trampelpfad führte abenteuerlich am Hang entlang über Stock und Stein. Unter uns rauschte es, wenn wieder mal einige Stromschnellen kamen, gelegentlich flog irgend ein Vogel aufgescheucht davon.

Sofern die Bäume einmal den Blick auf den Horizont freigaben, standen die schneebedeckten Gipfel der Rockies
immer drohender da. Eddy und ich tauschten Blicke aus: \"Wir müssen DA HOCH.\"

Wir kamen auch immer langsamer vorwärts, da der Pfad nicht nur in der Horizontalen, sondern auch in der
Vertikalen. Das Klettern über Baumstämme, die über den Weg gestürzt waren, gehörte mit dazu. Und das etwas
bange Ausschauen nach Bären. Obwohl wir gehört hatten, daß die Tiere scheu sind und Menschen meiden: wissen die das auch selbst?

In Pleasant Camp machten wir nur kurz Halt. Pleasant Camp war nur eine Lichtung am Flußufer, wo der Förster
nebenbei einen Abort hingebaut hatte, und einen Grillplatz. Man muß dazu sagen, daß es nur an solchen Stellen
erlaubt war, Feuer zu machen. Hier gab es unser Mittagessen, das auf eigenartige Weise dem Frühstück in Canyon City ähnelte: Kartoffeln, gerösteten Speck, und geröstete Zwiebeln. Und etwas Rußpartikel.

Der Fluß floß hier etwas ruhiger und träger dahin und war relativ flach. Die bunten Kieselsteine schienen zum Greifen nah. Eddy meinte: \"Das ist hier grade mal dreißig Zentimeter tief.\"

Solchermaßen ermutigt, krempelte ich die Hose hoch und stieg ins Wasser. Eine schallende Ohrfeige von einer
unsichtbaren Hand, oder ein Tritt in den Unterleib, ausgeführt von einem ebenso unsichtbaren Stiefel, wären in etwa genauso angenehm gewesen.

Das Wasser war deutlich tiefer als es aussah, was vor allem der Tabaksbeutel in meinen Knietaschen verstimmt
aufnahm. Auch meine Füße, denn die Kiesel waren nun doch nicht so perfekt gerundet, wie man es bei einem solchen fluviatilen Transport erwarten könnte. Vor allem wenn man eine Treppenstufe von fast einem halben Meter hinuntersteigt.

Außerdem hatte das Wasser eine Temperatur, bei der es gefälligst fest zu sein hat.

Nach dieser unfreiwilligen Kneippkur und einem Hechtsprung an Land taten wir einen optimistischen Blick auf die Karte: Als nächster Halt kommt Sheep Camp, mit einer Schutzhütte, wo wir übernachten. Es ist eh schon fast 4 nachmittags.

In Sheep Camp angekommen, erwarteten uns Idealverhältnisse. Kein Zelt aufbauen, denn da ist eine Hütte mit 4
Schlafstätten... und einem kleinen Ofen... und einer Försterhütte. Mit einem im Moment leider abwesenden Förster, der nebenher auch Dosenbier verkauft, wenn auch zu gewaschenen Preisen. Hier beschlossen wir zu bleiben, und am anderen Tag den Aufstieg auf den eigentlichen Pass zu wagen.

Es wurde NICHTS daraus. Wenige Minuten, nachdem wir uns deutlich entspannt hatten, erhielten wir Besuch. Eine Familie mit Kindern. Mit vielen Kindern, altersmäßig zwischen dem, wo sie sich nur schreiend artikulieren können, und dem, wo sie sich gerne schreiend artikulieren. Und die wollten ganz sicher hier übernachten.

\"Hey Rob, müssen wir uns DAS antun?\"

Ich schüttelte den Kopf. Aber was bleibt uns übrig? Die Blicke schweifen fragend zum Chilkoot Pass hoch. Er ist nah genug, daß wir sehen können, zwischen welchen Berggipfeln wir da hindurchmüssen.

Wir fassen einen verzweifelten Entschluß. Wir kommen frisch vom Militär, haben noch keine Bierwampen, und
können uns noch gut an Leistungsmärsche und andere Späße erinnern. LEISTUNGSMARSCH?

Irgendwie mußten wir einen Knick in der Morphologie passiert haben: auch wenn wir vorher bereits gut Höhe
gewonnen hatten, stieg das Gelände doch jetzt deutlich an. Auch der Nadelwald hatte sich zurückgezogen,
stattdessen kämpften wir uns durch niedrige Büsche. Auch die Humusdecke war nicht mehr vorhanden: statt dessen liefen wir auf einer Art Geröllhalde, die einen weiten Schuttfächer ins Tal bildete. Von einem Weg konnte keine Rede mehr sein. Stattdessen hielten wir Ausschau nach Wegmarken: kleinen Steintürmchen, die ihn markierten.

Zunehmend beruhigend wirken auch die großdimensionierten Haufen die nur von Bären stammen können. Sollte man um eine Ecke biegen und so einem Zeitgenossen gegenüber stehen, ist es ratsam, ihn ruhig anzureden, keine schnellen Bewegungen zu machen und langam, aber deutlich den Rückwärtsgang einzuschalten. Bären sollen von Natur aus nicht agressiv, aber von einer sehr herzlichen Neugierde sein. Das am wenigsten Sinnvolle ist, wegzurennen - der Bär wird dadurch erst richtig interessiert, und so schwerfällig er aussieht: er kann galoppieren wie ein Pferd.

Scales. Der Ort ist nach einer Waage benannt, die die kanadische Grenzpolizei aufstellte - jeder Einwanderer mußte mindestens eine halbe Tonne Lebensmitel ins Land bringen um eingelassen zu werden.

Wer hier angelangt war, hatte das schwerste Stück vor sich. Die Geröllhalde, die jetzt einige hundert Meter nach
oben führte, bestand fast nur aus kopfgroßen Trümmern. Irgendwo dazwischen fand sich, rostig und aufgespleißt, das Drahtseil der alten Seilbahn. Zu Zeiten des großen Goldgräbertrecks hatte man die Seilbahn aus dem Boden gestampft, um das Gepäck der Digger über den Paß zu bringen. Es half, sich daran nach oben zu ziehen, die Hände sahen hinterher aus wie nach einer Folter. Ich habe ein Foto gesehen, wie es hier winters aussah: der ganze Hang war eine einzige Eisfläche. Die Goldsucher schlugen sich Stufen in das Eis und bauten so eine bizarre Treppe, auf der sie, tausendmal hinfallend, ausrutschend, abstürzend, ihrem Ziel näherkamen.

Schwitzend und schwer atmend kämpften wir uns hoch. Wir hatten es, angesichts der sinkenden Sonne, plötzlich sehr eilig. Und die Beine versagten bald den Dienst. Die Gesteinsblöcke waren mal kopfgroß, mal so groß wie ein halbes Auto. Nur das Drahtseil half uns, nach oben zu kommen. Auf die Blutflecken - beide hatten wir uns mittlerweile die Hände an den Drahtenden blutig gerissen - achteten wir beide nicht.

Auf halbem Weg wurde rechts am Berghang ein weißer Fleck sichtbar. Und noch einer. Zu eckig, um etwas
natürliches zu sein. Es stellte sich als ein einsitziges Sportflugzeug heraus, besser: dessen Trümmer. Ein ehrgeiziger Sportpilot hatte versucht über den Paß zu fliegen, und war in einen Fallwind geraten. Hier auf den Trümmern klebten die Überreste seines Flugzeugs. Unter einem undefinierbaren Steinhaufen, wenige Schritt darunter, seine eigenen.

Während der letzte Sonnenstrahl sich verabschiedete und den Sternen Platz machte, erreichten wir das Ende der
Halde, ein etwas flacheres Stück, die Staatsgrenze nach Kanada und automatisch die kanadische Staatsmacht in
Form einer Uniformierten. Frau Oberleutnant Sowieso. Ihr Gesichtsausdruck bei unserem Auftauchen war der eines bevorstehenden Kriegsausbruchs, und dementsprechend ihre Begrüßung.
\"Seid Ihr wahnsinnig???\" (in englisch natürlich.)
Nein, das verneinten wir halbherzig, um die Form zu wahren. Oder muß man das hier?
\"Wie könnt Ihr euch um diese Zeit noch auf den Weg machen?\"
Lady, da unten ist eine Familie mit 18 Gören, da haut der stärkste Wikinger ab.
\"Laßt diese Faxen!\"
Sogar das Gesöff würden wir jetzt trinken. Hier oben und nach dieser Aktion würden wir für die Dose mehr bezahlen als an der teuersten Tanke der Welt.
\"Was glaubt ihr wie gefährlich das hier draußen ist!\"
Kaum gefährlicher als Du, Ma\'am.
\"Jedesmal müssen wir Wanderer suchen, die in der Dunkelheit vom Weg abkommen!\"
Die hauen nicht vom Weg ab, sondern vor Dir.
\"Hier gibt es Bären und Wölfe!\"
Wir hatten vor sechs Tagen zum letztenmal gebadet und Zähne geputzt. Mit unseren Duftmarken hätten uns kein Bär auch nur mit der Beißzange angefaßt.
\"Wo kommt ihr überhaupt her?\"
Dschörmanni.
\"Oh God...\" das Mitleid überwog deutlich. \" U can\'t stay out inna nite. Ya gotta sleep in \'ose small sheds o\'or there...\"
gemeint war eine von zwei hundehüttengroßen - äh - Hundehütten. \"C\'mon, lets go.\"
In der Dunkelheit funzelte nicht nur ihre Taschenlampe, sondern auch ein flackernder Lichtpunkt, halbrechts schräg über uns. Zu hell für einen Stern, vor allem zu nah. Es entpuppte sich als Lagerfeuer, im Kreis darum sitzend, eine Horde zwielichtiger Gestalten, geschätzte zehn Mann. Ein Teil von ihnen sah aus wie heruntergekommene Obdachlose, der Rest wie eine Bande verwilderter Straßenräuber.
\"What\'s these guys over there, Lady?\"
\"Don\'t care \'bout \'em.\" In ihrer Stimme lag eisige Verachtung. \"They\'re only geologists.\"

Sie ahnte nicht - und ich selbst auch nicht - daß sie mir eben gesagt hatte, was ich mal werden würde...

Wir schliefen in einer engen Kiste, die kaum Platz für einen bot. Aber sie war stabil, aus Holz, und dicht. Das war gut so, denn die Nacht war windig. Und wir froren trotzdem erbärmlich, nachdem wir uns erst derart heißgelaufen hatten.
Immerhin: die Schneedecke endete nur wenige Schritt von unserer Hütte entfernt...

Aus irgendeinem Grund waren meine Gedanken bei den Geologen da drüben am Lagerfeuer...

Ich sagte es schon: hier oben ist fast nichts als Stille. Wo man woanders immer noch fahrende Autos, Flugzeuge,
Straßenlärm, irgend etwas, hört - hier hatte ich den Eindruck, in einer Welt zu sein, in der es zeitweise keinen Schall gibt. (Eddy hatte, wie er mir jeden Morgen erzählte, NICHT diesen Eindruck. Er hatte den Eindruck, in einer Welt zu sein, in der es nachts ausschließlich mein Geschnarche gibt. Sorry, aber das ist doch was, oder?)

Wir hatten keine Lust, unser Essen unter den Augen des kanadischen Grenzpostendrachens zu machen, und
verabschiedeten uns daher sehr schnell - nach Kanada hinunter. Good Bye, Chilkoot Pass.

Was vorher ein knochenharter Aufstieg gewesen war, war jetzt fast schon eine leichte Wanderung. Der Weg führte in leicht geschwungenen Serpentinen in die Täler hinunter - und zwischen sanft geschwungenen Hügeln und lichten Wäldern lagen hier kristallklare Seen, die nur wenige Handbreit tief zu sein schienen (aus einer gewissen Erfahrung heraus ersparten wir uns, da hinein zu springen).

In Lindeman konnten wir endlich eine unserer Nudelsuppen genießen - und dazu Kartoffeln, Speck und Zwiebeln...
An diesem Ort hier hatte es eine Zeltstadt gegeben, ähnlich Canyon City. Von ihr ist heute nichts mehr übrig, außer weggeworfenen Überresten der Zivilisation: Flaschen, Boots- und Wagenteile, rostiges Werkzeug. Und ein Friedhof, auf die begraben sind, die es nicht bis ans Ziel geschafft hatten...

Und nun machen wir eine eigenartige Erfahrung. Bisher war das Umfeld Wald gewesen, der Boden steinig mit einer dünnen Humusdecke. Plötzlich sind wir in der Wüste.

Ich sage das nicht nur, weil es stickig heiß war. Auf einmal war da nur noch Sand, feiner Sand, der sich sofort in
Augen, Ohren und Stimmbändern festsetzt und alle paar Meter von kleinen Staubteufeln aufgewirbelt wird.

Und dann tauchte ein Kirchturm auf.

Es war keine Fata Morgana.

Plötzlich begann wieder Wald - oder eher: eine Konfiguration aus vereinzelten Krüppelkiefern - und dahinter stand eine völlig aus Holz gebaute einfache Kirche.

Wir waren in Bennett, einer ehemaligen Bahnarbeitersiedlung, die jetzt nur noch aus verlassenen Hütten um einen ebenso verlassenen Bahnhof herum bestand. Das war der modernere Teil der \"Stadt\".

Im \"historischen\" Teil, zu dem die Kirche als einziges noch erhaltenes Bauwerk gehörte, hatten die Goldgräber sich erst einmal von den Strapazen des Aufstiegs erholt. Hier war ihnen die Zivilisation entgegen gekommen, von kanadischer Seite aus, in Form von Stores und Saloons, wo sie ihr letztes Geld loswerden konnten, bevor sie das erste Gold finden sollten. Am Seeufer liegen heute noch altmodisch geformte Flaschen und tönernes Geschirr herum, das aus dieser Zeit stammt. In den Hütten und Zelten muß damals ein Mordstrubel geherrscht haben.

Und hier fanden wir mal wieder lebende Menschen.

Unweit der Kirche stießen wir auf Tracy, eine Praktikantin im Forstdienst, die spontan eine kurze Rundführung für uns veranstaltete - mit einem großen Album mit historischen Fotos darin. Es ist ein eigenartiges Gefühl zu wissen, daß man auf den Trümmern von pulsierendem Leben steht.

Und im Bahnhofsgebäude stießen wir auf einen besonderen Anwohner, dessen Namen wir leider nicht erfuhren. Aber mitten in Alaska sich im Wiener Dialekt zu verständigen, hatten wir nicht erwartet. Der Mann, der hier hauste, war vor 15 Jahren eingewandert, Bahnarbeiter gewesen und durch Heirat mit einer Indianerin zu einem \"native Indian\" geworden, der von Jagen und Fallenstellen lebte. Seine ursprüngliche Heimat war St. Pölten in Österreich.

Er erzählte uns von dem Leben der Natives, das sich nicht viel verbessert hat. Und von dem Großvater seienr
Schwiegermutter, der als junger Mann noch mitgeholfen hatte, den Diggern ihr Gepäck über den Pass zu tragen. Von Scales aus bis nach oben, wo heute die Grenzstation ist, bis zu sechsmal am Tag.

Wir wollen mit dem Zug zurück. Es kommt nur keiner. Erst am nächsten Tag.

Für die harten Winter hatte die White Pass & Yukon, so hieß die Eisenbahngesellschaft, eine Dampfschneeschleuder angeschafft. Das ist eine Art Dampfmaschine auf Schienen, ohne eigenen Antrieb, aber dafür mit einem schnell rotierenden Schaufelrad vorne dran. Da hier oft mehrere Meter Schnee fielen, eine sinnige Einrichtung. Dann wurde diese schwer schuftende Maschine von einer oder zwei Lokomotiven bergwärts geschoben und fräste auf diese Weise die Strecke frei.

Heute gibt es modernere Schneefräsen, und die alte Dampfschneeschleuder wurde bei Bennett auf einem Abstellgleis hingesetzt, sozusagen als technisches Denkmal. Das soll unsere letzte Nachtruhe in der Wildnis sein. Erstmal.

Wir schlafen in einem Hotel mit Schneefräseinrichtung. Hotel, da außer uns noch Hunderte Gäste sich hier eingemietet haben. Sie haben zwischen zwei (z. B. wir) und acht Beine und sind (außer uns) nachtaktiv, das heißt, sie gehen uns bestialisch auf die Nerven. Irgendwann fallen wir aber trotzdem in den verdienten Schlaf.

Am nächsten Morgen holt uns ein \"Cab\" ab. Es ist praktisch eine auf Schienen gestellte Scheißhausbude mit Motor.
Das Gefährt eiert beängstigend über die ebenfalls kriminell verlegten Schienen. Wir genießen eine wunderbare Aussicht auf die Bergwelt und auf den Weg den wir zurückgelegt haben.

In Fraser kreuzt die Straße nach Yukon die Bahnlinie. Hier steigen wir in den eigentlichen Zug um, der heute von einer Doppel-Diesellok gezogen wird. Hier fahren auf der Highway alle möglichen Touristenbusse, sowie die Überlandbusse der \"Gray Line of Alaska\". Und ein deutscher Reisebus mit Passauer Kennzeichen.

Der Zug passiert noch einmal wunderbare Szenarien. Etwa den Dead Horse Gulch, eine Schlucht, in die die Kadaver Hunderter verendeter Pferde gekippt worden waren. Noch heute liegen ihre Knochen da unten.

Nach etwa zwei Stunden Fahrt sind wir in Skagway.

Unser letztes Ziel ist der Red Onion Saloon. Eine gemütliche Kneipe im Stil einer verkommenen Bluesbar. Das Gebäude ist ein ehemaliges Bordell, wovon es während der Goldrauschjahre ja viele gab. Hier spannen wir aus, genießen unser erstes Bier seit einer Woche und lassen den Aufstieg Revue passieren...




PS. Wir haben damals aus dem Blauen heraus diese Rucksackreise unternommen. Angereist sind wir mit Lufthansa und Alaska Air. Der große Haken an der Reise war der Preis, es sind damals pro Nase fast 8000 DM für fünf Wochen draufgegangen (wir haben noch mehr gemacht als das hier beschriebene). Und trotzdem: ich würde wieder hinfahren...

6 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Beikilein

    27.07.2002, 23:21 Uhr von Beikilein
    Bewertung: sehr hilfreich

    WOW!!! Ein spitzen Bericht!!!

  • anonym

    09.06.2002, 20:47 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    krass umfangreich! Echt gut...die Bands, die du übrigens horchst sind auch nicht von Schlechten eltern, vor allem Manowar find ich nicht schlecht!