And justice for all - Metallica Testbericht

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- Cover-Design:
- Klangqualität:
Erfahrungsbericht von The_Wishmaster
Gerechtigkeit für alle? Nicht für den Bassisten!!!
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Ja
Hallo liebe Leserinnen und Leser!
Es ist nicht einfach, ein Jahrhundert-Album abzuliefern. Das dürfte jedem klar sein, der sich auch nur ansatzweise für Musik interessiert. Hat man dies aber mal geschafft - wie es beispielweise Metallica mit dem Meisterwerk "Master of Puppets" im Jahre 1986 gelungen ist - so gibt es im Anschluss daran eine noch unlösbarere Aufgabe: Dieses Jahrhundertwerk noch zu toppen.
Dass dieses Vorhaben nicht gelingen konnte, war von vornherein klar. Vor allem wenn man bedenkt, dass mit Bassist Cliff Burton auf tragische Weise bei einem Busunglück in Schweden ein wichtiger Bestandteil der Band im Herbst 1987 ums Leben gekommen war. Erst wollte mal alles hinschmeissen, raufte sich dann aber doch noch einmal zusammen, denn es wäre nicht in Cliff's Sinne gewesen nun alles erreichte aufzugeben. Und so entstand mit dem neuen Mann am Bass, Jason Newsted, das bisher komplexeste Werk der Truppe, "And justice for all"...
1.) ~~~Blackened~~~
Langsam erheben sich doppelläufige Gitarrenmelodien aus dem soundtechnischen Nirvana und bauen sich kontinuierlich zu massiven Soundwänden auf. Es scheint, als wolle man den Hörer mit Melodien schier erschlagen.
Dann ein plötzliches Break, harte Gitarren fegen die fast schon lieblichen Melodien beiseite und entfalten binnen Sekunden ein Riffgewitter, das von den donnernden Drums unterstützt wird. Den Melodien wird bald erneut ein wenig die Türe geöffnet, immerhin dürfen sie sich in den Strophen an die knalligen Riffs anhängen. James Hetfield's Stimme ertönt laut und aggressiv, kein Wunder bei diesen Texten: "Blackened is the end, winter it will send, throwing all you see into abscurity... dead of moter earth, never a rebirth, evolution's end..."
Ein kleiner Gitarrenlauf verirrt sich in der Riffwand, ständig gehetzt von den polternden Drums. Dann wieder Strophe, die im Akkordbetonten Chorus gipfelt: "Fire - to begin whipping dance of the Dead, Blackened is the end... the colour of the World is Blackened - Blackened!" - Dann erneut ein Riffwechsel, das Tempo wird gedrosselt und die Gitarrenwände bohren sich nun schleppender und brdrohlicher denn je in die Gehörgänge: "Darkest colour, blistered earth, true death of life... See our mother put to death, see our mother die!" - Wie eine Erlösung erscheinen daraufhin die doppelläufigen Gitarrenmelodien, die sich aus den brachialen Riffs ergiessen... Der Song ist schlichtweg genial!
10/10
2.) ~~~And justice for all~~~
Akustische Gitarren eröffnen wohlklingend den Titelsong, werden aber bald von Stakkato-artigen Donner-Riffs unterbrochen. Dieses Spiel wird einige Male wiederholt, bis man komplett den verzerrten Gitarren verfällt. Anscheinend wollten Metallica hier ursprümglich drei verschiedene Songs komponieren, denn an Abwechslungsreichtum mangelt es ganz sicher nicht. Jedenfalls bekommen hier alle Fans vor starken Riffs jede Menge Bangerfutter geboten. Textlich beschäftigt man sich mit der Korruption und der Ungerechtigkeit des Rechtssystems, Metallica's sozialkritische Ader pulsiert also einmal wieder...
9/10
3.) ~~~Eye of the Beholder~~~
Aus den Tiefen des Soundlochs dröhnen dem Hörer nun stetig anschwellend donnernde Riffs und Stakkato-Drumming entgegen. Treibend, fordernd, aufbäumend. Die konstanten, monotonen Gitarren werden lauter und lauter, nehmen immer mehr Raum ein und breiten sich bald flächendeckend zu einer einzigen massiven Soundwand aus. Die folgenden Strophen können danach leider keine Akzente mehr setzen, selbiges gilt auch für den Chorus, der ein wenig belanglos dahin plätschert. Schade, denn mit diesem Anfang hätte es ein richtig geiler Nackenbrecherwerden können...
6/10
4.) ~~~One~~~
Es folgt der wohl zweifellos bekannteste Track der Scheibe, denn hierzu wurde nicht nur das erste Video der Bandgeschichte gedreht, sondern man hatte den Titel auch als Single veröffentlicht und konnte damit den ersten kleinen "Hit" landen.
Kriegsgeräusche leiten in den Song ein, dann übernehmen Akustikgitarren und James' melodischer Gesang das Kommando und er erzählt von einem jungen Soldaten, der im Krieg durch die Explosion einer Granate seine Arme, Beine und sämtliche Sinne verloren hat. "Hold my breath as I wish for Death - Oh please God help me!" - Der Chorus ist wohl bei den meisten Metal-Fans bekannt und wird auch auf den Konzerten immer begeistert geschmettert. Nach einer weiteren Strophe, ausgeschmückt mit eindruckvollen, beklemmenden Lyrics ("emptiness is fillin me to the point of agony") folgt ein ultra-harter Teil, in dem die Gitarren im Maschinengewehr-Rhythmus begleitet von donnernder Double Bass schroten was das Zeug hält.
Hetfield's aggressive Stimme klagt an: "Darkness imprisoning me, all that I see, absolute horror. I cannot live, I cannot die, trapped in myself, body my holding cell..." - Doch es kommt noch schlimmer: "Landmine has taken my sight, taken my speach, taken my hearing, taken my arms, taken my legs... left me with life in hell!" - Rasende Gitarrenriffs und flinke Soli steigern sich weiter, immer wieder unterbrochen von wilden Stakkato-Attacken. Emotional, mitreißend, erstklassig!
10/10
5.) ~~~The Shortest Straw~~~
Hammerharte Riffs treffen nun zum wiederholten Male auf treibendes Drumming. Mit Recht kann man von einem der anspruchsvollsten Songs der Scheibe reden, da der Rhythmus zwar recht verzwickt scheint, man auf der anderen Seite aber von dem drückenden Riff immer wieder zum Mitbangen geradezu animiert wird. "The shortest straw... pulled for you, shortest straw..." - simpler Refrain, aber manchmal ist weniger eben mehr... *grins*
8/10
6.) ~~~Harvester of Sorrow~~~
Neben "One" der wohl bekannteste Song des Albums. Schleppendes Midtempo, groovende Drums - und ein Chorus, den ich auf den Tod nicht leiden kann. Sicher ist es nur Geschmackssache und viele werden mir jetzt die Pest an den Hals wünschen, weil ich den Song nicht in den Himmel lobe, aber dieses ständige "Harvester of Sorrow - Language of the Mad" geht mir ziemlich auf den Senkel. Mag sein, dass sowas bei Livekonzerten gut zum Mitgrölen ist, mir persönlich gefällt's aber nicht...
4/10
7.) ~~~The frayed ends of Sanity~~~
Widmen wir uns nun einem weiteren Titel mit Überlänge, "The frayed ends of Sanity". Es scheint als wären Metallica beim Komponieren dieses Stückes auch wirklich nicht ganz gesunde gewesen, denn den martialischen "Ohhiioooohhh.... Ouuooohhh!"-Gesänge vom Beginn folgen dutzende fette Riffs, die stets ein wenig im Tempo variieren, bevor das "Hauptriff" der Strophen alles platt walzt. Im Chorus erhöht man dann die Geschwindigkeit noch etwas und das beherzte Drumming lässt richtig Stimmung aufkommen: "Old habits reappear, fighting the fear of fear, growing conspiracy, myself is after me, frayed ends of sanity, hear them calling... hear them calling me..."
9/10
8.) ~~~To live is to die~~~
Ein langes und abwechslungsreiches Instrumental gehört ja nach "The Call of Kthulu" und "Orion" mittlerweile zum guten Ton auf einer Metallica-Scheibe und so folgt dieses nun auch mit dem Titel "To live is to die". Ein 100%iges Instrumental ist es zwar nicht, da ein paar gesprochene Worte vorkommen. Diese Zeilen stammen aber aus der Feder von Cliff Burton und waren so ziemlich das Letzte, was der Ausnahme-Bassist kurz vor seinem tragischen Unfalltod hinterlassen hat. Ich denke darüber können wir dann schon mal hinweg sehen und "To live is to die" als Instrumental betrachten. Ist auch gerechtfertigt, denn der Track strotzt vor knalligen Riffs, Midtempo-Drumming, akustischen Einsprengelns und massenweise teils zweistimmigen Soli, die einfach nur klasse sind.
9/10
9.) ~~~Dyer's Eve~~~
Hmmm... haben wir bisher nicht irgendwas vermisst? Wir hatten fulminantes Midtempo-Riffing, druckvolles Drumming, "normalen" und aggressiven Gesang, eine Halbballade, jede Menge Soli... und was ist mit dem Speedmetal, den man sonst auf jeder bisherigen Scheibe der Jungs aus San Francisco gefunden hat? Ui, da haben wir ihn ja, als Schmankerl zum Schluss sozusagen.
Rasant poltern uns hier die Riffs nur so um die Ohren in einer Geschwindigkeit, die selbst Michael Schumacher vor Neid erblassen lassen sollte. Immer wieder durchsetzt von Breaks gönnt man sich eine kurze Pause, nur um darauhin einen erneuten Tempo-Rekord aufstellen zu wollen. Dem ungeübten Headbanger sind längst alle Nackenwirbel gebrochen, alle Fans der ersten Stunde hängen sabbernd und lechzend an den Boxen und saugen die Riffs nahezu in sich auf.
Die Lyrics sind auf einer sehr persönlichen Ebene gehalten ("Dear mother, dear father...") und Hetfield klagt wutentbrannt seine Eltern an: "...you've clipped my wings before I learnt to live, unspoiled, unspoken, I've outgrown that f@$*ing lullaby, same thing I've always heard from you: Do as I say not as I do..." - dann gibt man wieder Gas und rast in die nächste Strophe. Der Chorus gönnt dem Hörer eine kurze Verschnaufpause im Midtempo, nach einem Gitarrensolo geht's dann munter im Affenzahn weiter: "Dead mother, dear father... hidden in your world you made for me. I'm seething, I'm bleeding, ripping wounds in me that never heal. Undying spite I feel for you, living out this hell you always knew!"
10/10
~~~Coverartwork & Sound~~~
Das in schlichtem Weiß gehaltenen Cover zeigt die Statue der Justitia, jedoch nicht wie gewohnt, sondern mit verbundenen Augen und den Waagschalen, die auf der einen Seite von einem Batzen Geld in die Tiefe gedrückt werden. Passend dazu natürlich der provokante Titel "...and justice for all"
Soundtechnisch ist die Platte ein wenig durchwachsen: Auf der einen Seite kommen gerade die Gitarrenriffs unglaublich fett und druckvoll rüber, auf der anderen Seite ist aber auf dem kompletten Silberling so gut wie kein Bass zu hören. Wollte man hier Neuling Jason Newsted bewusst klein halten? Ich weiss es nicht, jedenfalls hat Lars Ulrich mal gesagt, das Album würde "wie aus einer Streicholzschachtel" klingen. Naja, so schlimm ist es nicht ganz, aber der teilweise dünne Sound fällt schon auf.
~~~Fazit~~~
Dass "Master of Puppets" nie mehr zu toppen wäre, stand sowieso außer Frage. Mit einem derartigen Jahrhundertwerk im Nacken und Cliff Burton's Tod im Kopf ist den Jungs aber trotzdem ein erstaunlich gutes Album gelungen. Ich weiss, dass viele Fans die Scheibe nicht mögen, ich schätze sie aber wegen ihrer teils komplexen und riffbetonten Songs, die zwar mit Ausnahme von "Dyer's Eve" nicht mehr die Geschwindigkeit wie auf dem Vorgänger erreichen, aber auch nicht so massenkompatibel wie die Tracks des schwarzen Albums geworden sind.
Anspieltipps: "Blackened", "One", "The frayed ends of Sanity" und "Dyer's Eve"
In diesem Sinne...
Stay Dark!
The-Riffmaster
47 Bewertungen, 5 Kommentare
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16.05.2002, 22:55 Uhr von eulenfan
Bewertung: sehr hilfreichAJFA war mein erstes Metallica-Album und ist mir entsprechend ans Herz gewachsen...
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08.04.2002, 15:10 Uhr von SusanneRehbein
Bewertung: sehr hilfreichIch finde die Platte auch nicht so hitverdächtig, aber Deine Berichte sind dafür um so besser!
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24.02.2002, 02:26 Uhr von kristel
Bewertung: sehr hilfreichdeine Beiträge lesen sich gut
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22.02.2002, 18:33 Uhr von LadyBlackTop
Bewertung: sehr hilfreichmanchmal sind Berichte auch ZU lang..
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19.02.2002, 22:14 Uhr von KickSomeAZZ
Bewertung: sehr hilfreichGeiler Bericht! Aber meinst du nicht, daß dein Zitat, was bei "One" steht ("emptiness is filling me...") nicht eher zu "Fade To Black" gehört? Nichts für ungut, du wirst bestimmt auch Fehler in meinen Zitaten f
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