Angstzustände Testbericht

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Erfahrungsbericht von ClaudiaRetzmann

Hilfe, ich bekomme keine Luft...

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Nein

... so oder ähnlich ergeht es einem, wenn man unter Angstzuständen leidet. Bevor ich jedoch über meine persönlichen Erfahrungen mit dieser „Krankheit“ berichte, möchte ich noch ein paar einleitende Worte schreiben.

Jeder von uns kennt sie – die Angst. Angst ist in ihrer Grundfunktion ein natürlicher Schutzmechanismus unseres Körpers und tritt in verschiedenen Formen auf. So fühlt der eine in gewissen Situationen lediglich ein leichtes Unbehagen, während der andere sich evtl. schon richtig fürchtet und starkes Herzklopfen verspürt. Das liegt zum Teil eben auch daran, dass wir Menschen doch alle Individuen sind und jeder Dinge anders empfindet.
Man sagt ja, „der Mensch sei ein Gewohnheitstier“ und wenn man dies im Zusammenhang mit der „normal“ auftretenden Angst sieht, scheint das auch zu stimmen. Denn Angst an sich, also auch sich unbehaglich oder unwohl bei einer bestimmten Siuation zu fühlen, tritt in erster Linie dann auf, wenn wir auf Situationen treffen, die für uns nicht alltäglich sind, wenn wir also sogenanntes „Neuland“ betreten.

Ich sagte ja bereits zu Beginn, dass sie eine Art Schutzmechanismus ist. Unser Körper warnt uns also im voraus, evtl. unüberlegte Dinge zu tun, weil es unter Umständen auch gefährlich sein könnte, z.B. beim ersten Sprung vom 10-m-Brett, wo wir zunächst einmal ja gar nicht wissen, ob wir auch wirklich heil im Wasser landen, ohne uns dabei weh zu tun. Viele fürchten sich im Dunkeln, sei es nun beim Gang in den Keller oder wenn man bei Dunkelheit durch einen Park oder evtl. sogar über einen Friedhof gehen muß. Klar, schließlich sind wir es ja gewohnt, alles im Hellen zu erleben und da sieht bekanntlich alles anders aus. Wir sind in der Regel am Tag aktiv, während wir bei Nacht – also bei Dunkelheit – schlafen. Selbst unsere Augen sind eigentlich nicht für das „Nachtsehen“ konzipiert. Man fühlt sich unwohl vor einem Vorstellungsgespräch, denn sowas macht man nicht jeden Tag und man weiß ja auch nicht, wie es ausgeht, ob man die Stelle nun bekommt oder evtl. sogar abgewiesen wird.
Dann wäre da noch z.B. die Verlustangst, also die Angst jemanden zu verlieren, sei es weil die betreffende Person krank ist oder vielleicht auch nur, weil es in der Beziehung nicht mehr stimmt; da ist die Existenzangst, die Angst seinen Arbeitsplatz zu verlieren etc. Es gibt unzählig viele Situationen, in denen uns die Angst umschleicht, doch im Normalfall meistern wir diese Situationen und können gut mit dieser Angst umgehen. Und vor allem wissen wir, wovor und evtl. auch warum wir in manchen Dingen diese Angst verspüren.

Dann ist da die andere Seite der Angst, die einen urplötzlich und ganz ohne Vorwarnung trifft, die Außenstehenden unbegreiflich erscheint und leider oftmals belächelt wird, die einem jedoch das ganze Leben plötzlich völlig umkrempelt – die Angst als Krankheit.
Hier beginne ich nun mit meiner persönlichen Erfahrung.

Meine erste Bekanntschaft mit der Angst machte ich bereits im Kindesalter, in Form einer ziemlich starken Spinnenphobie (ich denke, viele kennen das).Ich wurde jedesmal völlig hysterisch, wenn sich so ein Viech in meiner Nähe aufhielt und habe meinen Eltern oft genug den Schlaf geraubt, wenn ich mal wieder von einer Spinne geträumt hatte und wie verrückt geschrien hatte. Erst wenn meine Mutter mein ganzes Zimmer „durchkämmt“ hatte und mir glaubhaft machen konnte, dass wirklich keine Spinne darin sei, konnte man mich wieder zum Schlafen im eigenen Bett bewegen.
Im Laufe der Jahre minimierte sich meine Spinnenphobie, heute macht es mir schon gar nichts mehr aus, wenn ich mir einen Raum mit einer kleinen Spinne oder den sogenannten Hausspinnen teile. Im Vergleich zu den Angstzuständen, die ich später durchlitt, war diese Spinnenphobie jedoch geradezu lachhaft.

Mit 20 Jahren begannen dann bei mir die ersten längerdauernden Angstzustände. Ich saß wie jeden Morgen in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, als plötzlich dieses Kribbeln durch meinen Körper zog, ich bekam Schweißausbrüche, Wasser zog sich im Mund zusammen, mein Herz raste wie verrückt und mir wurde dabei furchtbar übel. Das, was ich in dieser Situation am schlimmsten fand, war eigentlich, dass niemand in der S-Bahn war, der mir Hilfe angeboten hatte, ich fühlte mich schrecklich.
Komischerweise ging es mir, als ich am Arbeitsplatz ankam wieder gut, so als sei nichts gewesen. Deswegen maß ich dem zunächst keinerlei Bedeutung mehr zu. Ein paar Tage später wiederholte sich das ganze. Und dann ging es recht fix.
Ich stand morgens auf und es ging mir gut, sobald ich mich auf den Weg zur Arbeit machen wollte, wurde mir übel und ich bekam Durchfall, doch jedesmal, wenn ich dann auf der Arbeit angekommen war (die 20-minütige Fahrt mit der S-Bahn war jedes Mal die reinste Tortur für mich) waren die Beschwerden verschwunden.
Ich suchte einen Arzt auf, doch seine Untersuchungen ergaben keinen Hinweis auf irgendeine körperliche Erkrankung, alles sei in bester Ordnung.
Das ganze zog sich zunächst einmal über ein halbes Jahr hinweg, ich nahm dabei auch ziemlich an Gewicht ab. Ich weiß nicht, wie oft ich beim Arzt war, jedesmal wurde mir gesagt, ich sei völlig gesund. Irgendwann meinte mein Arzt dann, ich hätte eine vegetative Dystonie, was jetzt hier ganz vereinfacht ausgedrückt nichts anderes bedeutet, als das ich zwar organisch völlig gesund war, meine Nerven aber verrückt spielten und oben genannte Symptome verursachten. Er verschrieb mir ein leichtes Beruhigungsmittel auf pflanzlicher Basis in Tropfenform und meinte lediglich, dass sich das mit der Zeit schon wieder geben würde. Ich nahm also einige Zeit brav die Tropfen und konnte wieder S-Bahn fahren.
Zwar fühlte ich immer noch ein Unbehagen, sobald die S-Bahn anhielt und ich einsteigen mußte, aber ich bekam nicht mehr diese „Anfälle“ wie zuvor. Da ich diese Angstzustände immer nur dann bekam, wenn ich mit irgendwelchen öffentlichen Verkehrsmitteln fahren mußte (ob nun Bus, Bahn oder Zug), versuchte ich zumindest in meiner Freizeit diese Art der Fortbewegungsmittel zu vermeiden (das ist mir übrigens bis heute noch geblieben).
Dann wurde ich schwanger und mit dieser Schwangerschaft verschwanden die Angstzustände komplett. Ich fühlte mich super.
Mit den Jahren vergaß ich diesen Vorfall gänzlich und hatte nie wieder Beschwerden dieser Art.

Doch so sollte es leider nicht bleiben. Es vergingen ca. 8 Jahre, bis mich die Angstzustände in viel krasserer Form wieder einholten.

Es war im Jahr 1998. Ein Jahr zuvor hatte ich mich von meinem Mann getrennt. Ich lebte mit meinen beiden Kindern nunmehr alleine, ging vormittags regelmäßig vier Stunden arbeiten. In dem einen Jahr war eine Menge passiert, ich stand eigentlich permanent unter Streß. Ich versuchte es jedem Recht zu machen, meinen Kindern, meinen Freunden, meinem Arbeitgeber etc. pp.
Auf die ersten Warnzeichen meines Körpers achtete ich gar nicht, schließlich sollte und mußte alles ordentlich weiterlaufen. Eine Verschnaufpause konnte ich mir nicht leisten und wenn mich Freunde um Hilfe baten, traute ich mich nicht, einfach mal „Nein“ zu sagen. Dafür bekam ich dann auch schon bald die Quittung.

Wieder begann es urplötzlich. Ich fuhr mit dem Auto zur Arbeit, befand mich gerade auf der Überholspur auf der Autobahn, als ich von jetzt auf gleich keine Luft mehr bekam. Zunächst hatte ich dieses Kribbeln im Körper, mir wurde gleichzeitig heiß und kalt und der Schweiß stand mir auf der Stirn, gleichzeitig merkte ich, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief. Ich hatte das Gefühl, als würde sich eine eiserne Faust um meinen Brustkorb legen und mir die Luft zum Atmen nehmen. Dadurch geriet ich ziemlich in Panik, merkte ich doch zusätzlich wie ich immer mehr verkrampfte. Zum Glück befand ich mir kurz vor einer Autobahnabfahrt. Ich fuhr also von der Autobahn und hielt an der nächstmöglichen Stelle erst einmal an. Als es mir ein wenig besser ging, informierte ich meinen Chef per Handy über die Situation und fuhr vorsichtig erst einmal zu meinem Arzt (diesmal allerdings ein anderer als knapp 8 Jahre zuvor). Er untersuchte mich gründlich, konnte jedoch nichts feststellen. Er fragte dann, ob ich vielleicht in letzter Zeit viel Streß gehabt hätte, nun wenn man plötzlich mit zwei Kindern allein das Leben meistern muß, dann hat man wohl zwangsläufig mehr Streß. Aber da ich diesen Streß ja irgendwo gewohnt war, konnte ich damals keinen Zusammenhang mit dieser Panikattacke feststellen.
Mein Arzt erklärte mir dann, dass ich wohl hyperventiliert hätte, d.h. ich habe durch meine Panik zu schnell geatmet und dadurch zuviel Sauerstoff bekommen, wodurch ich dann verkrampfte. Er riet mir, sollte es noch einmal zu solch einer Panikattacke kommen, in eine Plastiktüte zu atmen, dadurch würde ich Kohlenmonoxyd einatmen und würde nicht verkrampfen.

Es kam dann im weiteren Verlauf immer häufiger zu solchen Panikattacken. Das schlimme daran war, ich konnte nie im Vorfeld sagen, wann es wieder passieren würde. Ich fühlte mich gut und ganz plötzlich kam wieder eine Panikattacke. Ich fühlte mich dabei immer erbärmlich. Man hat regelrechte Todesangst, wenn man urplötzlich das Gefühl hat, keine Luft mehr zu bekommen, wenn man denkt, der Hals wird einem regelrecht zugeschnürt.

Dann hatte ich erst einmal Urlaub, ich dachte, ich könnte nun etwas zur Ruhe kommen und die Beschwerden würden wieder vergehen, zumal meine beiden Kinder in dieser Zeit ihre Ferien bei ihrem Vater verbrachten. Doch das war ein Irrglaube. Mir ging es von Tag zu Tag schlechter. Die Panikattacken bekam ich jetzt schon beim Einkaufen, einfach so von jetzt auf gleich. Ich konnte dann nur noch meinen Einkaufswagen in irgendeine Ecke schieben und sah zu, so schnell wie möglich aus dem Geschäft zu kommen. Wer mich dabei beobachtete, mußte mich für komplett verrückt halten.

Einen Tag nach meinem 31. Geburtstag ging es mir dann besonders schlecht. Tags zuvor hatten meine Freunde eine „Überraschungsparty“ für mich organisiert. Der Abend war sehr schön gewesen und ich fühlte mich richtig gut. Auch als ich am nächsten Morgen aufstand, ging es mir prima. Da ich nie Alkohol trinke hatte ich auch nicht mit irgendwelchen fetenüblichen Problemchen zu kämpfen. Ich lag faul auf der Couch und schaute mir etwas im Fernsehen an, als es plötzlich wieder begann, diesmal nur viel schlimmer als bei den Panikattacken zuvor. Es kribbelte wieder im ganzen Körper, Schweiß brach aus, ich bekam keine Luft. Gleichzeitig wurde mir hundeübel und ich zitterte am ganzen Körper. Auch das Atmen in die Plastiktüte half nichts. Mit einemal hatte ich das Gefühl, „nun ist es soweit, nun mußt du sterben“, wodurch ich nur noch mehr in Panik geriet. In meiner Not rief ich meine Freundin an, mir ging es so schlecht, dass ich mich kaum verständlich ausdrücken konnte. Glücklicherweise wohnte sie nur ein paar Häuser entfernt und war binnen weniger Minuten bei mir. Doch helfen konnte sie mir auch nicht. Ich lag wie ein Häufchen Elend auf der Couch, immer noch am ganzen Körper zitternd und nach Luft ringend. Also schnappte sie mich und fuhr mich kurzerhand ins Krankenhaus. Als sich dann nach einiger Wartezeit endlich ein Arzt um mich kümmern konnte, ging es mir schon wieder besser. Ich zitterte zwar noch ein wenig, bekam aber wieder Luft und mir war auch nicht mehr übel.
Der Arzt untersuchte mich, konnte aber (wie zuvor) nichts feststellen. Alle Untersuchungen ergaben, dass ich organisch völlig gesund sei. Man behielt mich dann drei Tage im Krankenhaus, legte mich in der ersten Nacht an einen Tropf und verabreichte mir dann Tabletten.
Die Tabletten halfen Wunder. Ich fühlte mich wieder richtig gut und schämte mich regelrecht wegen meines Anfalls. Nach drei Tagen wollte ich nach Hause, schließlich kamen meine Kinder aus den Ferien zurück und die Schule begann bald wieder. Man verschrieb mir im Krankenhaus die Beruhigungstabletten, die ich mir natürlich sofort in der Apotheke holte, und entließ mich. Leider weiß ich heute nicht mehr, wie die Tabletten hießen.
Zu Hause angekommen las ich mir jedoch erst einmal den Beipackzettel durch. Dort stand dann u.a. dass die Tabletten auf Dauer genommen zur Abhängigkeit führen könnten und man sie nur dosiert wieder absetzen darf, weil sonst Nebenwirkungen auftreten könnten wie z.B. Angstzustände bis hin zur Suizidgefahr. Na danke, dachte ich, das wäre ja das letzte, was mir noch fehlen würde, nur noch von Tabletten abhängig sein zu müssen, um „normal“ leben zu können. Also nahm ich sie erst gar nicht ein.

Was natürlich dazu führte, dass ich wieder meine Panikattacken bekam. Jetzt allerdings viel häufiger und immer dann, wenn ich mich nicht in meinen eigenen vier Wänden befand. Also machte ich den Fehler und ging den für mich damals einfachsten Weg, ich verließ meine Wohnung nicht mehr. Hier fühlte ich mich wohl und geborgen und brauchte keine Angst zu haben. Wenn ich dann doch einmal das Haus verlassen mußte, dann redete ich mir schon im Vorfeld Angst ein, indem ich dachte „was passiert, wenn du gleich umkippst, keine Luft mehr bekommst?“. So dass die nächste Panikattacke gar nicht lange auf sich warten ließ, was mich nur weiter darin bestätigte, die Wohnung nicht mehr zu verlassen.

Einmal in der Woche brachte mich meine Freundin zu meinem Hausarzt, der mir eine Aufbauspritze gab. In den ersten drei Tagen half diese Spritze, irgendwie konnte mich dann nichts belasten, ja ich konnte sogar in Begleitung rausgehen, ohne gleich wieder eine Panikattacke zu bekommen. Doch dann ließ die Wirkung der Spritze wieder nach und es war genau wie vorher. Es ging dann schließlich dazu über, dass ich kaum noch jemanden um mich herum ertragen konnte, selbst das Telefonieren war mir bereits zu viel. Einerseits war ich froh, dass sich jemand um mich kümmerte, sei es nun dadurch, dass meine Freundin meinen Einkauf miterledigte oder dass meine Mutter sich telefonisch nach mir erkundigte, andererseits war ich gleichermaßen wieder froh, wenn ich meine Ruhe hatte. Nur in Gegenwart meiner Kinder konnte ich mich zusammenreißen – Gott sei Dank.

Mittlerweile hatte ich auch meine Arbeitsstelle gekündigt, weil ich dachte, dass ich erst einmal diesen zusätzlichen Druck von mir nehmen müßte, abgesehen davon, dass ich es zu der Zeit ja auch gar nicht geschafft hätte, arbeiten zu gehen.
Ich glaube, ich habe knapp vier Monate in diesem Zustand gelebt – vier Monate, die sich für Außenstehende kurz anhören, die mir aber wie eine Ewigkeit erschienen. Obwohl ich diesen Zustand der Einkapselung selbst gewählt hatte, war ich alles andere als zufrieden mit mir. Ich saß oft zu Hause und dachte, „meine Güte, nun reiß dich endlich mal am Riemen, so kann es doch nicht weitergehen“. Ich zweifelte ja fast selbst schon an meinem Geisteszustand.
Mir war klar, dass ich selbst etwas ändern mußte. In der Zwischenzeit hatte ich auch schon viel über diese Krankheit gelesen. So schlecht es mir auch ging, bis dahin wollte ich Hilfe in Form einer Psychotherapie nie annehmen, weil ich dachte, ich bin doch nicht verrückt. Andererseits wollte ich aber auch nicht auf Medikamente angewiesen sein.

Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und erklärte meinem Hausarzt beim nächsten Besuch, dass ich keine Spritzen mehr haben möchte, dass es doch noch einen anderen Weg geben muß, um aus dieser Situation wieder heraus zu kommen. Er überwies mich dann auf meinen Wunsch hin zur Psychotherapie, außerdem verschrieb er mir Johanniskrautkapseln. Nun sind Johanniskrautkapseln im Vergleich zu den Hammertabletten, die mir damals das Krankenhaus verschrieb, lächerlich. Doch ist die erwünschte Wirkung von Medikamenten in einigen Bereichen auch eine reine Kopfsache. Ich redete mir nämlich ein, dass wenn ich die Tabletten nahm, es mir auch besser ginge, und so war es auch.
Natürlich bekam ich nicht sofort einen Termin bei der Psychotherapie. In der Zwischenzeit versuchte ich mir selbst zu helfen. Ich ließ nicht mehr meine Freundin für mich einkaufen, sondern ging wieder selber, anfangs in Begleitung, später dann auch wieder allein.
Natürlich war es nicht so, dass ich keinerlei Panik dabei mehr verspürte, doch ich versuchte einfach dagegen anzukämpfen. War ich also mitten im Einkauf und eine Panikattacke überfiel mich, verließ ich nicht mehr fluchtartig das Geschäft. Ich zwang mich ruhig durchzuatmen, schließlich wußte ich ja auch, dass ich nicht sterben würde, dass ich sehr wohl Luft bekäme. War die Attacke dann vorüber, war ich richtig stolz auf mich. So dass ich mir in kleinen Schritten immer mehr zutraute. Ich versuchte, bewußt die Stellen aufzusuchen, an denen ich zum Schluß die stärksten Panikattacken hatte und redete mir immer wieder Mut zu. Und ich hatte Erfolg damit!!

Ich fing auch wieder an zu arbeiten. Das war für mich mit die höchste Hürde, die ich überspringen mußte, denn meine neue Arbeitsstelle befand sich knapp 50 km von meinem Wohnort entfernt und ich mußte mit dem Auto dorthin fahren. Anfangs überkam mich auch immer wieder große Angst, wenn ich mich ins Auto setzte. Ich versuchte mich dann abzulenken, in dem ich meine Lieblingsmusik einschaltete und während der Fahrt Bonbons lutschte. Und jedesmal, wenn ich den Weg geschafft hatte, lobte ich mich innerlich dafür.

Nachdem ich dann bereits drei Monate wieder gearbeitet hatte, bekam ich endlich auch die „Sitzungen“ bei meiner Psychotherapeutin, die mir anfänglich auch sehr halfen. Im Gegensatz zu den Ärzten versuchte sie nämlich der Ursache meiner Panikattacken auf den Grund zu kommen und sie erklärte mir, dass diese Attacken nichts anderes als ein Hilferuf meines Körpers waren.
Ich hatte mir u.a. einfach zuviel zugemutet und viel zu sehr darauf geachtet, es anderen immer recht zu machen. Dabei hatte ich die Warnzeichen meines Körpers, die sich z.B. durch Müdigkeit oder durch Erkältungen oder andere Dinge zeigten, (also die Ruhepause, nach denen mein Körper dadurch verlangte), mißachtet, so dass er sich einen anderen Weg suchen mußte, um mir zu zeigen „Stop, so kann es nicht weitergehen“, leider eben diesen krasseren Weg.

Etwa ein Jahr lang besuchte ich regelmäßig einmal die Woche die Psychotherapeutin. In dieser Zeit lernte ich endlich auch mal „Nein“ zu sagen, wenn mir etwas nicht paßte oder wenn ich zu irgend etwas keine Lust hatte. Sicher habe ich dadurch manchem vor den Kopf gestoßen. Ich lernte, mich selbst zu akzeptieren und selbstbewußter zu werden.

Natürlich ging der „Heilungsprozeß“ nicht so schnell und einfach vonstatten, wie es sich vielleicht lesen mag und ich stand so manches Mal wieder kurz davor, mich aufzugeben, mich hängen zu lassen, doch dank meiner Freunde, meines Chefs (der mir sehr stark dabei geholfen hat, mein Selbstbewußtsein aufzumöbeln), meiner Psychotherapeutin und vor allem auch dank meines eigenen Willens, habe ich es geschafft diese Angstzustände zu überwinden.

Alles in allem hat es dreimal so lange gedauert, wieder „gesund“ zu werden, als die Angstzustände an sich mich in dieser krassen Art am normalen Leben gehindert haben. Und es ist auch heute noch so, dass mich ab und zu Panikattacken erfassen, ich plötzlich wieder keine Luft bekomme. Doch kann ich mittlerweile damit umgehen, so dass sie mein Leben nicht mehr beeinträchtigen. Ich hoffe, dass es auch in der Zukunft so bleibt.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass solche Angstzustände bei jedem, der sie hat, anders verlaufen und jedem einzelnen auch auf andere Art und Weise geholfen werden muß.
Mein Rat allerdings an alle Betroffenen ist, auch wenn es sehr sehr schwer ist, verlaßt euch nicht einfach auf Medikamente, versucht euch selbst in den Allerwertesten zu treten und dagegen anzukämpfen und vor allem lobt euch selbst für jeden noch so kleinsten Schritt, den ihr im Kampf gegen die Angst geschafft habt. Ich weiß selbst, dass es sich viel leichter anhört als es auch wirklich in die Tat umzusetzen ist. Nehmt die Hilfe von anderen an, aber verlaßt euch nicht nur auf andere. Ich denke, dass man letztendlich nur selbst in der Lage ist, sich von seinen Ängsten auch wieder zu befreien.

Und an alle Nichtbetroffene habe ich die Bitte, nehmt diese Art von „Krankheit“ ernst, belächelt sie nicht oder tut sie einfach mit „Der/die spinnt ja“ ab. Allerdings sollte man auch nicht hingehen und davon Betroffene nur bemitleiden, denn das wäre für sie auch keine Hilfe. Statt dessen sollte man nach Wegen suchen sie irgendwie aus ihrer Isolation zu holen, auch wenn das zugegebenermaßen sehr sehr schwer sein kann.

Letztendlich kann jeder von jetzt auf gleich plötzlich unter Angstzuständen leiden. Und Betroffene gibt es heutzutage leider viele, nur trauen sich die wenigsten darüber zu reden, aus Angst nicht Ernst genommen oder verspottet und ausgelacht zu werden.

42 Bewertungen, 16 Kommentare

  • neueinsteiger

    12.02.2003, 11:42 Uhr von neueinsteiger
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich nehme es sehr ernst. Befinde mich zur Zeit selber in einem Fass ohne Boden.

  • sunnyday

    16.09.2002, 15:30 Uhr von sunnyday
    Bewertung: sehr hilfreich

    es ist nützlich für Leute die dieses Problem auch haben

  • icegirl2000

    22.07.2002, 15:26 Uhr von icegirl2000
    Bewertung: sehr hilfreich

    Hatte Deinen Beitrag schon bei Ciao gelesen. Es hilft sehr wenn man weiß, dass es anderen auch so geht wie einem selber.

  • Indigo

    11.06.2002, 12:28 Uhr von Indigo
    Bewertung: sehr hilfreich

    Angst ist ein gelerntes Verhalten, welches man/frau ggf. verlernen kann.

  • Azira

    16.04.2002, 16:09 Uhr von Azira
    Bewertung: sehr hilfreich

    Danke für den sehr eindrucksvollen Bericht. Du hast Dich im Grunde mit Deiner eigenen "Konfrontationstherapie" selbst geheilt. Das war sehr tapfer!!! Alles Gute wünscht, Azira

  • zettikonfetti

    24.03.2002, 20:30 Uhr von zettikonfetti
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ich bin ehrlich. habe nicht alles gelesen, aber das was ich gelesen habe hätte schon ausgereicht...der zettikonfetti

  • seehuhn

    17.03.2002, 03:44 Uhr von seehuhn
    Bewertung: sehr hilfreich

    WOW! Das war einer der besten Beiträge die ich hier bei Yopi gelesen habe. Ich hab den Bericht richtig verschlungen. Wenn es ginge, würde ich dir dafür eine Krone verleihen. Na, ja vielleicht kommt das noch, dann werde ich deinen Bericht vor

  • anonym

    15.03.2002, 21:28 Uhr von anonym
    Bewertung: sehr hilfreich

    da kann man nur hoffen, das so etwas selber einem erspart bleibt

  • *Weserhexe*

    14.03.2002, 09:55 Uhr von *Weserhexe*
    Bewertung: sehr hilfreich

    Als ich vor 4 Jahren in einer Mutter&Kind Kur war, habe ich eine ganz liebe Mutter kennengelernt, die so richtige Angst/und Panikatacken zwischendurch bekam. Ich habe damals viel Zeit mit ihr verbracht, und habe dadurch einiges mitbekommen. Sowas als K

  • Jakini

    12.03.2002, 21:33 Uhr von Jakini
    Bewertung: sehr hilfreich

    Meinen Kommentar dazu kennst du ja schon von ciao. Gruß Anja

  • LoMei

    12.03.2002, 18:57 Uhr von LoMei
    Bewertung: sehr hilfreich

    Sehr wertvoller Bericht. Gruß, LoMei.

  • Jerry0205

    12.03.2002, 14:35 Uhr von Jerry0205
    Bewertung: sehr hilfreich

    super so ausführlich und in jedem Detail wiedergegeben, bravo mach weiter so

  • Alusru

    12.03.2002, 13:46 Uhr von Alusru
    Bewertung: sehr hilfreich

    Ein ganz toller Bericht, nur wer es selbst erlebt hat weiß wie schlimm das ist, ganz lieben Gruß uschi.

  • dieda

    12.03.2002, 11:28 Uhr von dieda
    Bewertung: sehr hilfreich

    Davon konnte ich auch mal ein Lied singen. Du hättest eine Psychotherapie, die wirklich das einzige hilfreiche Mittel ist, noch mehr herausstreichen sollen.

  • NuclearIce

    12.03.2002, 11:10 Uhr von NuclearIce
    Bewertung: sehr hilfreich

    Echt gut...C-ya NuclearIce

  • Babba

    12.03.2002, 11:02 Uhr von Babba
    Bewertung: sehr hilfreich

    Schade, daß man hier keinen Prämien vorschlagen kann, wie bei dooyoo. Der Bericht ist super ausführlich und für Betroffene bestimmt eine Hilfe