Erfahrungsbericht von Mercurius13
ABENTEUERLAND ARBEITSAMT
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Nein
(Diese Schilderung basiert auf einer wahren Begebenheit. Einzig die Namen und persönlichen Merkmale der beteiligten Personen wurden zum Schutze aller verändert.)
Vor einigen Tagen besuchte ich mit einer lieben Freundin das Arbeitsamt. Nach zahllosen Meldungen in der Tagespresse, in denen Privatisierung und menschenfreundlicherer Umgang versprochen wurde, hatte man neuen Mut geschöpft. Marie hatte vor einigen Wochen einen Bandscheibenvorfall, kann deswegen in dem kleinen Betrieb ihre Lehre nicht beenden und wollte nun versuchen in ein Projekt der Volkshochschule integriert zu werden, indem der Abschluss möglich ist.
Wir betreten das Arbeitsamt. Aus dem nicht zu überblickenden Hintergrund kommt nach einiger Zeit die Dame, die wohl ausschließlich für den Empfang eingestellt ist, an ihren Arbeitsplatz zurück. Marie wendet sich an die Dame: „Guten Morgen. Ich hatte vor ein paar Tagen mit einem Kollegen von Ihnen gesprochen. Es geht um den Wechsel zur Volkshochschule, um dort meine Lehre abzuschließen. Sind Frau Liebe oder Frau Goldbach im Haus?“
„Frau Liebe ist im Urlaub. Gelegenheit sie zu erreichen besteht in keinster Weise.“
Augenblick des betretenen Schweigens.
„Und Frau Goldbach?“ fragt meine liebenswerte Begleitung mit einem Funken naiver Hoffnung.
Die Empfangsdame, laut ihres Namensschildes FRAU VOGEL, blättern in Ordnern, Mappen und Zetteln, die sich regelmäßig verteilt an ihrem Arbeitsplatz finden. Einen Augenblick Stille. „Ja... sie ist im Haus“, antwortet sie zögerlich.
Vollkommene Überraschung.
„Wäre es möglich mit ihr zu sprechen?“
„Haben Sie einen Termin bei Frau Goldbach?“
„Nein.“
Energisch und triumphierend: „Ohne Termin können Sie auch nicht mit Frau Goldbach sprechen!“
„Wäre es denn möglich, bei Ihnen einen Termin zu vereinbaren?“
„Nein!“ in einem abfälligen Ton über die anscheinend indiskrete Frage, „Frau Goldbach verwaltet ihre Terminplanung selbst. Ich könnte sie höchstens auf die Vormerkliste setzen. Soll ich das tun?“ Bedeutungsschwangerer Blick. Ohne zu wissen in welche Mühlen der Bürokratie sie nun geworfen würde, nickt Marie leichtsinnig. Frau Vogel schreibt etwas auf die augenscheinliche Vormerkliste.
„Soll ich ihnen dann die Telefonnummer von Frau Goldbach geben, damit Sie sich, ob eines Termins, mit ihr auseinandersetzen können?“
Wieder nickt Marie und überlegt, was Frau Vogel auf den Zettel geschrieben haben könnte. Vielleicht: Frau mit langen, blonden Haaren, etwa Mitte 20 und Augenbrauenpiercing, hautenges T-Shirt, blaue Jeans mit Schlag, an den Knien regelmäßig aufgerissen, leicht süssliches Parfüm unbekannten Fabrikats.“ ihren Namen hat sie ja bisher nicht genannt. Naja, vielleicht auch besser so.
„Frau Goldbach ist nur Mittwoch bis Freitag im Haus, Freitag nur bis Mittag. Ansonsten werden Sie sie nicht erreichen.“
„Es ist Freitag 8 Uhr und 12 Minuten. Sie könnte auch hausintern anrufen“, denke ich bei mir, „oder einmal über den Flur rufen.“ Doch dann fällt mein Blick auf ein kleines Schild: „Bitte Diskretion waren!“ Damit fällt die ruhestörende Option natürlich weg und die unverzügliche Weiterleitung wäre wahrscheinlich ein zu arger Eingriff in die Terminplanung der Dame Goldbach, schließlich wäre Frau Vogel dann, zumindest im weitesten Sinne, daran beteiligt gewesen. Vielleicht kein Sinn, aber zumindest Ordnung herrscht hier.
Als ich so länger über das ganze siniere, während Frau Vogel langsam aber sicher in Hektik gerät um einen passenden Zettel, Stift, Unter- und Schreibvorlage für die Telefonnummer der immer mehr mystifizierten Dame namens Goldbach in Position zu bringen, schießen mir mehr und mehr Szenen aus Kafkas „Process“ durch den Kopf. Nach Erhalt der Telefonnummer verlassen wir das Arbeitsamt.
Das Telefonat vom häuslichen Apparat aus, etwa 20 Minuten später: Die Teilnahme am Projekt der Volkshochschule wäre einzig bei einer Umschulung möglich. Sie solle sich einen neuen Betrieb suchen, der entsprechend ihrer Gesundheit den Abschluss ihrer Lehre möglich macht. Spannend, denn ein bekannter, durch den sie eben auf dieses Projekt aufmerksam wurde, war in ähnlicher Situation und vermochte zu wechseln. Ja, das wäre wohl richtig, aber das wäre eine ABSOLUTE Ausnahme und zudem wäre er gekündigt worden, was die Sachlage vollkommen verändere. Damit war das Gespräch für die Dame Goldbach beendet.
Die einzig mögliche Lösung für Marie: Sie muss ihren Chef überreden oder entsprechend Grund geben, ihr zu kündigen, um dann im weitesten Sinne als ABSOLUTE Ausnahme unter die Kategorie: Umschulung zu fallen.
Nach diesem Tag möchte man meinen, dass ich frustriert bin, über das erlebte, doch dem ist nicht so. Ich bin dankbar, denn mir wurde das Arbeitsamt als Teil des byzantinischen Verwaltungsapparates Deutschland offengelegt. Es scheint das wesentliche Ziel zu sein, allen Arbeitslosen ihren Zustand derart unwirtlich und unwirklich zu gestalten, dass sie sich egal welche Arbeit suchen, oder andere endgültige Lösungen ergreifen.
Diese etwas rabiate Hilfe zur Selbsthilfe als Basis jedes Handelns genommen, erklärt dann auch die Wahrheit und vor allem die Notwendigkeit hinter den mutmachenden Zeitungsmeldungen: Sie waren nur nötig, um den Arbeitslosen wieder Hoffnung, wieder einen kleinen Lichtschimmer zu geben, denn nur wer Hoffnung hat, kann auch enttäuscht werden.
Einfach Brillant!
Vor einigen Tagen besuchte ich mit einer lieben Freundin das Arbeitsamt. Nach zahllosen Meldungen in der Tagespresse, in denen Privatisierung und menschenfreundlicherer Umgang versprochen wurde, hatte man neuen Mut geschöpft. Marie hatte vor einigen Wochen einen Bandscheibenvorfall, kann deswegen in dem kleinen Betrieb ihre Lehre nicht beenden und wollte nun versuchen in ein Projekt der Volkshochschule integriert zu werden, indem der Abschluss möglich ist.
Wir betreten das Arbeitsamt. Aus dem nicht zu überblickenden Hintergrund kommt nach einiger Zeit die Dame, die wohl ausschließlich für den Empfang eingestellt ist, an ihren Arbeitsplatz zurück. Marie wendet sich an die Dame: „Guten Morgen. Ich hatte vor ein paar Tagen mit einem Kollegen von Ihnen gesprochen. Es geht um den Wechsel zur Volkshochschule, um dort meine Lehre abzuschließen. Sind Frau Liebe oder Frau Goldbach im Haus?“
„Frau Liebe ist im Urlaub. Gelegenheit sie zu erreichen besteht in keinster Weise.“
Augenblick des betretenen Schweigens.
„Und Frau Goldbach?“ fragt meine liebenswerte Begleitung mit einem Funken naiver Hoffnung.
Die Empfangsdame, laut ihres Namensschildes FRAU VOGEL, blättern in Ordnern, Mappen und Zetteln, die sich regelmäßig verteilt an ihrem Arbeitsplatz finden. Einen Augenblick Stille. „Ja... sie ist im Haus“, antwortet sie zögerlich.
Vollkommene Überraschung.
„Wäre es möglich mit ihr zu sprechen?“
„Haben Sie einen Termin bei Frau Goldbach?“
„Nein.“
Energisch und triumphierend: „Ohne Termin können Sie auch nicht mit Frau Goldbach sprechen!“
„Wäre es denn möglich, bei Ihnen einen Termin zu vereinbaren?“
„Nein!“ in einem abfälligen Ton über die anscheinend indiskrete Frage, „Frau Goldbach verwaltet ihre Terminplanung selbst. Ich könnte sie höchstens auf die Vormerkliste setzen. Soll ich das tun?“ Bedeutungsschwangerer Blick. Ohne zu wissen in welche Mühlen der Bürokratie sie nun geworfen würde, nickt Marie leichtsinnig. Frau Vogel schreibt etwas auf die augenscheinliche Vormerkliste.
„Soll ich ihnen dann die Telefonnummer von Frau Goldbach geben, damit Sie sich, ob eines Termins, mit ihr auseinandersetzen können?“
Wieder nickt Marie und überlegt, was Frau Vogel auf den Zettel geschrieben haben könnte. Vielleicht: Frau mit langen, blonden Haaren, etwa Mitte 20 und Augenbrauenpiercing, hautenges T-Shirt, blaue Jeans mit Schlag, an den Knien regelmäßig aufgerissen, leicht süssliches Parfüm unbekannten Fabrikats.“ ihren Namen hat sie ja bisher nicht genannt. Naja, vielleicht auch besser so.
„Frau Goldbach ist nur Mittwoch bis Freitag im Haus, Freitag nur bis Mittag. Ansonsten werden Sie sie nicht erreichen.“
„Es ist Freitag 8 Uhr und 12 Minuten. Sie könnte auch hausintern anrufen“, denke ich bei mir, „oder einmal über den Flur rufen.“ Doch dann fällt mein Blick auf ein kleines Schild: „Bitte Diskretion waren!“ Damit fällt die ruhestörende Option natürlich weg und die unverzügliche Weiterleitung wäre wahrscheinlich ein zu arger Eingriff in die Terminplanung der Dame Goldbach, schließlich wäre Frau Vogel dann, zumindest im weitesten Sinne, daran beteiligt gewesen. Vielleicht kein Sinn, aber zumindest Ordnung herrscht hier.
Als ich so länger über das ganze siniere, während Frau Vogel langsam aber sicher in Hektik gerät um einen passenden Zettel, Stift, Unter- und Schreibvorlage für die Telefonnummer der immer mehr mystifizierten Dame namens Goldbach in Position zu bringen, schießen mir mehr und mehr Szenen aus Kafkas „Process“ durch den Kopf. Nach Erhalt der Telefonnummer verlassen wir das Arbeitsamt.
Das Telefonat vom häuslichen Apparat aus, etwa 20 Minuten später: Die Teilnahme am Projekt der Volkshochschule wäre einzig bei einer Umschulung möglich. Sie solle sich einen neuen Betrieb suchen, der entsprechend ihrer Gesundheit den Abschluss ihrer Lehre möglich macht. Spannend, denn ein bekannter, durch den sie eben auf dieses Projekt aufmerksam wurde, war in ähnlicher Situation und vermochte zu wechseln. Ja, das wäre wohl richtig, aber das wäre eine ABSOLUTE Ausnahme und zudem wäre er gekündigt worden, was die Sachlage vollkommen verändere. Damit war das Gespräch für die Dame Goldbach beendet.
Die einzig mögliche Lösung für Marie: Sie muss ihren Chef überreden oder entsprechend Grund geben, ihr zu kündigen, um dann im weitesten Sinne als ABSOLUTE Ausnahme unter die Kategorie: Umschulung zu fallen.
Nach diesem Tag möchte man meinen, dass ich frustriert bin, über das erlebte, doch dem ist nicht so. Ich bin dankbar, denn mir wurde das Arbeitsamt als Teil des byzantinischen Verwaltungsapparates Deutschland offengelegt. Es scheint das wesentliche Ziel zu sein, allen Arbeitslosen ihren Zustand derart unwirtlich und unwirklich zu gestalten, dass sie sich egal welche Arbeit suchen, oder andere endgültige Lösungen ergreifen.
Diese etwas rabiate Hilfe zur Selbsthilfe als Basis jedes Handelns genommen, erklärt dann auch die Wahrheit und vor allem die Notwendigkeit hinter den mutmachenden Zeitungsmeldungen: Sie waren nur nötig, um den Arbeitslosen wieder Hoffnung, wieder einen kleinen Lichtschimmer zu geben, denn nur wer Hoffnung hat, kann auch enttäuscht werden.
Einfach Brillant!
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