Erfahrungsbericht von AustroError
Profiling - Schikane oder Chance?
Pro:
-
Kontra:
-
Empfehlung:
Nein
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Nach meiner Rückkehr aus Österreich und dem dadurch notwendigem Gang zum Arbeitsamt erhielt ich die Auflage, mich bei der Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) in Hettstedt (Sachsen-Anhalt) zwecks \"Erstellung eines Profiles zur Vorbereitung einer Eingliederungsvereinbarung lt. §§ 48 ff. SGB III\" (SGB = Sozialgesetzbuch) zu melden. Laut Auskunft meiner Arbeitsvermittlerin sei dies demnächst für ALLE als arbeitslos gemeldeten Bürger vorgesehen. Sie erklärte mir weiter, dass der Test auf drei Tage zu je 8 Stunden angesetzt sei und die Teilnehmeranzahl pro Seminar 7 Personen incl. Lehrgangsleiter betragen solle. Sinn und Zweck dieser Veranstaltung wäre es, ein komplexes Profil des Arbeitssuchenden zu erstellen - also seine Stärken und Schwächen herauszustreichen und das alles in einer Abschlussbeurteilung zu protokollieren. Diese würde anschließend dem Arbeitsamt übergeben und in meinem Beisein zu einem späteren Zeitpunkt nochmals ausgewertet werden...
Selbstverständlich wurde ich sofort darüber belehrt, dass ich bei Nichtteilnahme an dieser Maßnahme mit bis zu 3 Wochen Auszahlungssperre (Arbeitslosengeld) rechnen müsse (§§ 144 Abs. 1 Nm. 3 und 4 SGB III) und Fahrtkosten geltend machen könne, falls diese den Betrag von 6 Euro überschreiten würden. Obwohl ich mir 100%ig sicher war, auch ohne Hilfe des Arbeitsamtes schnell zu einer neuen Arbeit zu kommen, musste ich einwilligen und bekam den Anmeldebogen ausgehändigt.
Zu Hause nahm ich mir das Pamphlet etwas genauer unter die Lupe. Was genau waren Maßnahmen der Eignungsfeststellung? Ich zitiere die Antwort: \"Maßnahmen der Eignungsfeststellung und Trainmingsmaßnahmen (Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten nach §48 Abs. 1 SGB III) sollen zur Verbesserung Ihrer Vermittlungsaussichten beitragen...\" um meine Kenntnisse und Fähigkeiten, mein Leistungsvermögen, meine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und sonstige - für meine berufliche Entwicklung bedeutsame - Umstände festzustellen...
Beamtendeutsch also, in diesem Falle jedoch trotzdem einigermaßen verständlich. Ich kann nicht sagen, dass ich mit riesigen Erwartungen ein paar Tage später das besagte Berufsfortbildungswerk in Hettstedt aufsuchte. Als ich mich bei einem Spaziergänger am frühen Morgen nach dem Weg zum bfw erkundigte, musste ich allerdings das erste Mal schlucken! \"Unter der Brücke durch, zweite Querstraße links, ist ein ehemaliger Kindergarten...\" Dass in Ostdeutschland soziale Einrichtungen nach und nach geschlossenen werden, ist kein Geheimnis. Aber so richtig wohl fühlte ich mich nicht, als ich kurz darauf das Gebäude betrat, in dem früher Kinder spielten und welches nun zu einem Anlaufpunkt für arbeitslose Erwachsene umfunktioniert worden war.
In einem Einführungsgespräch wurde jeder der 6 Teilnehmer einzeln in ein Zimmer gerufen und vom Lehrgangsleiter nach Daten befragt, die dem Arbeitsamt zu 100% vorliegen mussten!! Wieso konnte sowas nicht im Vorfeld abgeklärt werden? Der \"Trainer\" - natürlich ein ehemals arbeitsloser Lehrer (wie sich später herausstellte) - konnte meine diesbezügliche Frage nur mit einem Schulterzucken beantworten. Die Datenbestände wären voneinander getrennt und er selbst erst seit Anfang 2002 in diesem Job...
Nun gut - um 10:30 Uhr sassen wir alle 7 in einem Raum beisammen: der Lehrgangsleiter, eine Lagerverwalterin, eine Aushilfskellnerin, ein Bauleiter, ein Maurer, ein Dreher und ein Programmierer (ich). Es wurde sich einander vorgestellt und danach ein sogenannter Psycho-Test durchgeführt (Selbsteinschätzung von Charaktereigenschaften wie z.B. Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Kritikfähigkeit usw. usf.). Reihum musste danach jeder Lehrgangsteilnehmer seine Einschätzung (warum bin ich so toll auf diesem Gebiet?) an Beispielen aus der Erfahrung begründen. Damit war der erste Tag gegen 15 Uhr gelaufen.
Am nächsten Tag wurde ein Abgleich zwischen den gemachten Angaben zur Person und den Originaldokumenten (Zeugnisse, Facharbeiterbriefe, Abschlüsse, Diplome etc.) durchgeführt. Es folgten Tipps zur Anfertigung eines professionellen Lebenslaufes, Hinweise auf das CIS (Zentrales Informationssystem des Arbeitsamtes im Internet - erreichbar über www.arbeitsamt.de), Erklärungen über den ehemaligen 630-DM-Job und Wissenswertes über Nebenverdienstmöglichkeiten. Die Zeit bis zum \"Feierabend\" wurde mit weiteren Tests überbrückt, zum Beispiel der Übersetzung von Fremdwörtern ins Deutsche (was heisst Spion auf Deutsch? Richtig - Kundschafter) oder der Beantwortung mehr oder weniger sinnvoller Alltagsfragen (wären Sie lieber in einem Labor als Chemiker oder doch besser als Hotelmanager beschäftigt?).
Am dritten Tag wurden die Tests ausgewertet (die überraschenderweise mit der Wirklichkeit ganz gut harmonierten) und die Abschlusszeugnisse ausgestellt. Während das Gros also im Seminarraum mit Streichholzspielchen (wirklich!) und Worträtseln beschäftigt war, wurde einer nach dem anderen im Nebenzimmer einzeln \"beurteilt\". Dazu wurde eine aus Nürnberg stammende und auf MS-Access basierende Software verwendet, die mir persönlich die Tränen in die Augen getrieben hat. Glücklicherweise suchte während meiner Anwesenheit im Raum die (sehr erotische) Sekretärin der Einrichtung minutenlang nach irgendwelchen Druckertreiber-Disketten.
URTEIL
Prinzipiell fand ich die Maßnahme nicht völlig daneben. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass sich das Arbeitsministerium \"kümmert\". Und der Lehrgangsleiter hat sich in seinem neuen Job wirklich alle Mühe gegeben! Ob seine Einschätzung die Erfolgschancen der Teilnehmer nun wirklich erhöht hat, bleibt abzuwarten. Mir persönlich hat allerdings der Hintern der Sekräterin am besten gefallen... *g*
Auf einige Anfragen hin: Das von mir angesprochene bfw wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund und NICHT vom Arbeitsamt finanziert. Nur jeder 10. Beschäftigte des Arbeitsamtes ist für die Vermittlung von Arbeitsplätzen zuständig und pro Besucher werden nur 15 Minuten veranschlagt (Info: TV, Kabel1 vom 7.2.02, 19:00). Die (notwendige) Zusammenarbeit liegt auf der Hand - ich kann den Erfolg leider nur noch nicht abschätzen...
WICHTIG: Wer mit dem Formular E303 des Arbeitsamtes Deutschland in Richtung Europäische Union verlässt, hat nach dem Ablauf von 90 Tagen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld/-hilfe mehr (Gesetzesgrundlage ist Artikel 69 Abs. 1c der EG-Verordnung 1408/71)! Und das weder in dem Land seiner Wahl noch nach einer eventuellen Rückkehr in die heimatlichen Gefilde. Die einzige Chance, um wieder in den \"Kreislauf\" hinein zu gelangen ist die Einstellung in ein Vollarbeitszeitverhältnis.
Ich wünsche allen mehr Ehrgeiz, als ich an den Tag gelegt habe und Erfolg - ob nun in Deutschland oder anderswo. Dann bleibt Ihnen/Euch auch so ein \"Lehrgang\" erspart...
Zur Bewertung:
Empfehlung an Freunde ist uninteressant, da das Profiling z.T. vom Arbeitsamt vorgeschrieben wird.
Ebenso das Preis-/Leistungsverhältnis - ich habe für insgesamt gefahrene 60 km (3x20km bzw. 3x10km auf einfache Entfernung) ca. 20 Euro rückerstattet bekommen.
Liebe Grüße
Steffen
Nach meiner Rückkehr aus Österreich und dem dadurch notwendigem Gang zum Arbeitsamt erhielt ich die Auflage, mich bei der Berufsfortbildungswerk GmbH (bfw) in Hettstedt (Sachsen-Anhalt) zwecks \"Erstellung eines Profiles zur Vorbereitung einer Eingliederungsvereinbarung lt. §§ 48 ff. SGB III\" (SGB = Sozialgesetzbuch) zu melden. Laut Auskunft meiner Arbeitsvermittlerin sei dies demnächst für ALLE als arbeitslos gemeldeten Bürger vorgesehen. Sie erklärte mir weiter, dass der Test auf drei Tage zu je 8 Stunden angesetzt sei und die Teilnehmeranzahl pro Seminar 7 Personen incl. Lehrgangsleiter betragen solle. Sinn und Zweck dieser Veranstaltung wäre es, ein komplexes Profil des Arbeitssuchenden zu erstellen - also seine Stärken und Schwächen herauszustreichen und das alles in einer Abschlussbeurteilung zu protokollieren. Diese würde anschließend dem Arbeitsamt übergeben und in meinem Beisein zu einem späteren Zeitpunkt nochmals ausgewertet werden...
Selbstverständlich wurde ich sofort darüber belehrt, dass ich bei Nichtteilnahme an dieser Maßnahme mit bis zu 3 Wochen Auszahlungssperre (Arbeitslosengeld) rechnen müsse (§§ 144 Abs. 1 Nm. 3 und 4 SGB III) und Fahrtkosten geltend machen könne, falls diese den Betrag von 6 Euro überschreiten würden. Obwohl ich mir 100%ig sicher war, auch ohne Hilfe des Arbeitsamtes schnell zu einer neuen Arbeit zu kommen, musste ich einwilligen und bekam den Anmeldebogen ausgehändigt.
Zu Hause nahm ich mir das Pamphlet etwas genauer unter die Lupe. Was genau waren Maßnahmen der Eignungsfeststellung? Ich zitiere die Antwort: \"Maßnahmen der Eignungsfeststellung und Trainmingsmaßnahmen (Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten nach §48 Abs. 1 SGB III) sollen zur Verbesserung Ihrer Vermittlungsaussichten beitragen...\" um meine Kenntnisse und Fähigkeiten, mein Leistungsvermögen, meine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und sonstige - für meine berufliche Entwicklung bedeutsame - Umstände festzustellen...
Beamtendeutsch also, in diesem Falle jedoch trotzdem einigermaßen verständlich. Ich kann nicht sagen, dass ich mit riesigen Erwartungen ein paar Tage später das besagte Berufsfortbildungswerk in Hettstedt aufsuchte. Als ich mich bei einem Spaziergänger am frühen Morgen nach dem Weg zum bfw erkundigte, musste ich allerdings das erste Mal schlucken! \"Unter der Brücke durch, zweite Querstraße links, ist ein ehemaliger Kindergarten...\" Dass in Ostdeutschland soziale Einrichtungen nach und nach geschlossenen werden, ist kein Geheimnis. Aber so richtig wohl fühlte ich mich nicht, als ich kurz darauf das Gebäude betrat, in dem früher Kinder spielten und welches nun zu einem Anlaufpunkt für arbeitslose Erwachsene umfunktioniert worden war.
In einem Einführungsgespräch wurde jeder der 6 Teilnehmer einzeln in ein Zimmer gerufen und vom Lehrgangsleiter nach Daten befragt, die dem Arbeitsamt zu 100% vorliegen mussten!! Wieso konnte sowas nicht im Vorfeld abgeklärt werden? Der \"Trainer\" - natürlich ein ehemals arbeitsloser Lehrer (wie sich später herausstellte) - konnte meine diesbezügliche Frage nur mit einem Schulterzucken beantworten. Die Datenbestände wären voneinander getrennt und er selbst erst seit Anfang 2002 in diesem Job...
Nun gut - um 10:30 Uhr sassen wir alle 7 in einem Raum beisammen: der Lehrgangsleiter, eine Lagerverwalterin, eine Aushilfskellnerin, ein Bauleiter, ein Maurer, ein Dreher und ein Programmierer (ich). Es wurde sich einander vorgestellt und danach ein sogenannter Psycho-Test durchgeführt (Selbsteinschätzung von Charaktereigenschaften wie z.B. Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Kritikfähigkeit usw. usf.). Reihum musste danach jeder Lehrgangsteilnehmer seine Einschätzung (warum bin ich so toll auf diesem Gebiet?) an Beispielen aus der Erfahrung begründen. Damit war der erste Tag gegen 15 Uhr gelaufen.
Am nächsten Tag wurde ein Abgleich zwischen den gemachten Angaben zur Person und den Originaldokumenten (Zeugnisse, Facharbeiterbriefe, Abschlüsse, Diplome etc.) durchgeführt. Es folgten Tipps zur Anfertigung eines professionellen Lebenslaufes, Hinweise auf das CIS (Zentrales Informationssystem des Arbeitsamtes im Internet - erreichbar über www.arbeitsamt.de), Erklärungen über den ehemaligen 630-DM-Job und Wissenswertes über Nebenverdienstmöglichkeiten. Die Zeit bis zum \"Feierabend\" wurde mit weiteren Tests überbrückt, zum Beispiel der Übersetzung von Fremdwörtern ins Deutsche (was heisst Spion auf Deutsch? Richtig - Kundschafter) oder der Beantwortung mehr oder weniger sinnvoller Alltagsfragen (wären Sie lieber in einem Labor als Chemiker oder doch besser als Hotelmanager beschäftigt?).
Am dritten Tag wurden die Tests ausgewertet (die überraschenderweise mit der Wirklichkeit ganz gut harmonierten) und die Abschlusszeugnisse ausgestellt. Während das Gros also im Seminarraum mit Streichholzspielchen (wirklich!) und Worträtseln beschäftigt war, wurde einer nach dem anderen im Nebenzimmer einzeln \"beurteilt\". Dazu wurde eine aus Nürnberg stammende und auf MS-Access basierende Software verwendet, die mir persönlich die Tränen in die Augen getrieben hat. Glücklicherweise suchte während meiner Anwesenheit im Raum die (sehr erotische) Sekretärin der Einrichtung minutenlang nach irgendwelchen Druckertreiber-Disketten.
URTEIL
Prinzipiell fand ich die Maßnahme nicht völlig daneben. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass sich das Arbeitsministerium \"kümmert\". Und der Lehrgangsleiter hat sich in seinem neuen Job wirklich alle Mühe gegeben! Ob seine Einschätzung die Erfolgschancen der Teilnehmer nun wirklich erhöht hat, bleibt abzuwarten. Mir persönlich hat allerdings der Hintern der Sekräterin am besten gefallen... *g*
Auf einige Anfragen hin: Das von mir angesprochene bfw wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund und NICHT vom Arbeitsamt finanziert. Nur jeder 10. Beschäftigte des Arbeitsamtes ist für die Vermittlung von Arbeitsplätzen zuständig und pro Besucher werden nur 15 Minuten veranschlagt (Info: TV, Kabel1 vom 7.2.02, 19:00). Die (notwendige) Zusammenarbeit liegt auf der Hand - ich kann den Erfolg leider nur noch nicht abschätzen...
WICHTIG: Wer mit dem Formular E303 des Arbeitsamtes Deutschland in Richtung Europäische Union verlässt, hat nach dem Ablauf von 90 Tagen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld/-hilfe mehr (Gesetzesgrundlage ist Artikel 69 Abs. 1c der EG-Verordnung 1408/71)! Und das weder in dem Land seiner Wahl noch nach einer eventuellen Rückkehr in die heimatlichen Gefilde. Die einzige Chance, um wieder in den \"Kreislauf\" hinein zu gelangen ist die Einstellung in ein Vollarbeitszeitverhältnis.
Ich wünsche allen mehr Ehrgeiz, als ich an den Tag gelegt habe und Erfolg - ob nun in Deutschland oder anderswo. Dann bleibt Ihnen/Euch auch so ein \"Lehrgang\" erspart...
Zur Bewertung:
Empfehlung an Freunde ist uninteressant, da das Profiling z.T. vom Arbeitsamt vorgeschrieben wird.
Ebenso das Preis-/Leistungsverhältnis - ich habe für insgesamt gefahrene 60 km (3x20km bzw. 3x10km auf einfache Entfernung) ca. 20 Euro rückerstattet bekommen.
Liebe Grüße
Steffen
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