Atari ST Testbericht

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Summe aller Bewertungen
  • Benutzerfreundlichkeit:  sehr gut
  • Kultstatus:  hoch

Erfahrungsbericht von YetiChris

Mein kleiner grüner Desktop...

Pro:

einer der ersten 16Bit-Rechner, sehr gute Grafische Benutzeoberfäche, viel PD-Software, einfach KULT!

Kontra:

Schlechte Tastatur, instabiles Betriebssystem, Zu schnell von der Bildfläche verschwunden

Empfehlung:

Ja

1989 - Ach, was waren das noch für Zeiten...

***Prolog***
2 Tage vor meinem 14. Geburtstag fiel die Berliner Mauer, und ich bekam zum 14. Geburtstag meinen 2. Computer. 5 Jahre lang hatte ich mich mit einem C 128 D (steht nicht für Diesel, sondern für Diskettenlaufwerk) amüsiert und mit Datasette, 2 5¼ Zoll Floppies, 9-Nadeldrucker und einem tragbaren Fernseher zugebracht, aber jetzt sollte es etwas besseres sein. Da in meinem Bekanntenkreis vor allem Atari ST zu finden waren, standen also 2 Kartons mit dem Atari-Logo auf dem Tisch des Hauses... ein 1040 STFM und der dazugehörige Monochrom-Monitor SM 124.


***eine kleine Geschichte des Atari ST***

1985 überraschte die Firma ATARI, gerade vom Computer-Pionier Jack Tramiel übernommen, mit dem ATARI ST 520. Die CPU war ein Motorola 68000, der ebenfalls beim Apple Lisa (Vorgänger des Apple Mac) Verwendung fand. Von Haus aus wurde der 520 mit 512 KB RAM, einem 3 ½ Zoll Floppy (Einseitig, also nur 360 KB Speicher) und dem Monochrommonitor SM124 ausgeliefert, und bot etwas, das man vorher nur von Apple kannte, dort allerdings zu einem viel höheren Preis: das Betriebssystem TOS 1.0(ganz bescheiden eine Abkürzung für The Operating System) mit der grafischen Benutzeroberfläche GEM (Graphic Environment Manager) . Dies wurde allerdings auf Diskette mitgeliefert. Kurze Zeit später erschienen der ST 260, der sich dank eines HF-Modulators an einen handelsüblichen Fernseher anschließen ließ und der ST 520+ mit 1 MB Speicher.

Den Durchbruch schaffte der ST 1986 mit dem Modell 1040. Neben 1MB Speicher war das Betriebssystem (Version 1.2, ROM-TOS) endlich auf einem ROM-Chip auf der Platine verewigt, stand also beim Einschalten sofort zur Verfügung. Beim 1040 STF wurde das Floppy eingebaut und hatte endlich eine Kapazität von 720 KB. Der 1040 STFM hatte zusätzlich den aus dem 260 bekannten HF-Modulator eingebaut.

1987 erschienen die ersten Modelle der MegaST-Reihe. Diese waren für professionelle Anwendungen gedacht, hatten eine abgesetzte Tastatur und 1, 2 oder 4 MB Speicher. Außerdem wurde ein Blitter-Grafikchip eingebaut, der die Bildschirmdarstellung beschleunigte. Dies bedingte eine neue TOS-Version (1.4).

1989 kam der 1040STE mit höherer Grafikleistung und einem wieder angepassten Betriebssystem (TOS 1.8) auf den Markt. Dies war das letzte ST-Modell, 1990 erschien der Nachfolger TT. Ein paar Exoten seien nur kurz erwähnt, da sie sich nie am Markt durchsetzen konnten: die tragbaren Varianten Stacy (komplette Fehlentwicklung) und das ST Book (einfach zu teuer, ebenfalls mit Entwicklungsfehlern – kein eingebautes Floppy ;-)!!!)


***Ausstattung/Leistung***

Wie schon erwähnt, war mein Modell aus der Reihe 1040STFM. Also war mein Neuer Rechenknecht mit 1MB RAM, ROM-TOS und einem Motorola 68000-CPU ausgestattet. Dieser besitzt eine Taktfrequenz von 8 MHz und arbeitet intern mit einem 32Bit und extern mit einem 16Bit Datenbus. So erklärt sich übrigens auch die Bezeichnung ST (SixteenThritytwo). Das Betriebssystem TOS erlaubt eine freie Adressierung des RAM, anders als sämtliche DOS-basierten Windows Versionen, die schaffen nämlich nur 640 KB.

Im Gehäuse integriert sind oben die Tastatur und auf der rechten Seite das Diskettenlaufwerk. Auf der Rückseite befinden sich die Anschlüsse für Peripherie: eine Drucker-Schnittstelle, eine Serielle Schnittstelle (RS232), ein DMA-Port für den Anschluss einer Festplatte, einen Anschluss für ein 2. Diskettenlaufwerk, der Stecker für das Stromkabel sowie ein Monitor- und ein Antennenausgang. Nicht zu vergessen sind der Ein- und Ausschalter und der Resetknopf, auch zu ATARI - Zeiten nicht unwichtig. Auf der Linken Seite des Gehäuses findet man einen ROM-Port für Erweiterungskarten (Basic-Interpreter o.ä.), sowie 2 MIDI-Ports für den Anschluss von Synthesizern. Ungeschickterweise befinden sich die Anschlüsse für Joysticks und Maus in einer Ausparung an der UNTERSEITE des Gehäuses – darauf musste man wohl auch erst mal kommen.

Die Grafikleistungen des 1040STFM sind leider etwas bescheiden, nicht nur aus heutiger Sicht, sondern auch damals im Vergleich zum Direkten Konkurrenten Commodore AMIGA. Der 1040 bietet 3 Auflösungsstufen:

1. 640 x 400 Pixel (schwarz/weiß)

2. 640 x 200 Pixel (4 Farben aus 256)

3. 320 x 200 Pixel (16 Farben aus 256)

Der STE konnte bei der Geringsten Auflösungsstufe übrigens 4096 Farben darstellen und erreichte damit endlich die Leistung des AMIGA.

Die Monochromauflösung war und ist die große Stärke des Atari ST. Vor allem in Verbindung mit dem mitgelieferten Monochrom-Monitor SM 124 ist es immer noch eine der besten Darstellungsleistung auf dem Computersektor. Der Monitor hat eine 0,17-Lochmaske und eine Frequenz von 71 Hz, was das Arbeiten im Schwarzweiß-Modus ermüdungsfrei und angenehm macht. Allerdings gibt es auch hier einen Nachteil: der SM 124 hat eine Bildschirmdiagonale von 14 Zoll, und das Dargestellte Bild ist nur 12 Zoll groß. Ergo: man hat rundherum ca. 2 cm Breite, schwarze Trauerränder um das Bild, übrigens auch bei den beiden Farbauflösungen beim Anschluss an einen Fernseher oder an einen Farbmonitor (Das Atarieigene Modell SC 1224 war sehr teuer, Modelle von Fremdanbietern mussten Multisync-tauglich sein).


***Meine Peripherie / Umbauten***

Neben dem schon erwähnten SM124 und einer ziemlichen Schrotmaus, der bald eine Logitech Pilot-Maus folgte, standen auf meinem Schreibtisch neben dem ATARI ein 24Nadeldrucker STAR LC24-10 und ein kleines Gehäuse mit einer 300 MB großen Festplatte und einem Syquest- 40MB-Wechselplattenlaufwerk. Beides konnte ich billig gebraucht erstehen. Natürlich genügte der Computer auch leistungstechnisch irgendwann nicht mehr meinen Vorstellungen, so das ein paar Umbauten fällig wurden: Die Anschaffung der Festplatte bedingte eine neue TOS-Version (1.4), da die alte eine so große Festplatte nicht ansprechen konnte. Das RAM wurde auf 4 MB aufgestockt, und der Floppycontroller übertaktet, so dass das Diskettenlaufwerk die inzwischen üblichen HD-Disketten mit 1,44 MB Speicherplatz verarbeiten konnte. Zum Spielen benutzte ich meinen kleinen Fernseher.


***Meine Erfahrungen***

Unumwunden: Natürlich habe ich in erster Linie mit dem Computer gespielt. In der ersten Zeit gab es fast alle Spiele wie Sim City, Elite, Dungeon Master etc. auf dem Atari. Meine absoluten Lieblingsspiele waren OIDS und Pang. Nach und nach trat aber auch das Arbeiten in den Vordergrund. Mit Schreibprogrammen wie 1ST Word oder Signum!2 schrieb ich meine Hausaufgaben, später mit dem WYSIWYG-Fähigen Script 2. Im Jahr meiner Abiturprüfung erwarb ich das DTP-Programm CALAMUS 1.09, Ein echter Meilenstein, selbst auf dem PC habe ich bislang kein Programm gefunden, das so einfach und leicht zu bedienen ist. Jetzt konnte ich Referate professionell layouten, Grafiken einbinden und und und. Mit dem Programm MultiGEM wurde mein ST multitaskingfähig.
Allerdings hatte der Niedergang des ATARIS schon begonnen: Nicht nur, das PCs langsam aber sicher zu Spielmaschinen wurden und viele Titel nicht mehr umgesetzt wurden, auch die Leistung der PCs stieg immer schneller. Durch WIN 3.1 war außerdem endlich eine nutzbare Grafische Benutzeroberfläche für DOS auf dem Markt, und der PC holte in dieser Domäne des Atari deutlich auf!
Auch das Betriebssystem TOS konnte mich manchmal zur Weißglut treiben. In bester Terroristenmanier warf es bei Systemabstürzen Bomben auf dem Bildschirm, aber auch die berühmten, nichtssagenden Fehlermeldungen gibt es nicht erst seit Windows 95. Ein weiteres großes Manko ist die mangelnde Abwärtskompatiblität von TOS. Nach dem Umstieg von 1.2 auf 1.4 wollten einige Spiele und Programme partout nicht mehr laufen. Die Benutzeroberefäche GEM war allerdings prima. Nicht so verspielt wie Windows, sondern schlicht und intuitiv benutzbar.
Auch mit Viren machte ich meine ersten Erfahrungen, aber das Ausgesprochen gute Public Domain (PD) - Virenschutzprogramm „Sagrotan“ (Später „ToXiS“) verhinderte schlimmeres. Überhaupt war der PD-Markt mit seinen Free- und Sharewareangeboten das einzige, was den Atari ST noch lange überleben ließ. So konnte man quasi jede Art von Programmen für den Atari bekommen, mit „Lynx“ sogar einen Internet-Browser, der allerdings rein textbasiert ist (Gibt es auch in einer PC-Version).
Sehr ärgerlich war die Qualität der Tastatur und die der mitgelieferten Maus. Die Tastatur war schwammig und ungenau, was bei meinen Schulischen Aktivitäten mehr als störend war. Die Maus (ein einfaches Kugelmodel mit 2 Tasten) verdreckte schnell und wurde Bis zu einer Reinigung unbenutzbar, die einfach Druckschalter gingen schnell kaputt. Erst die Anschaffung einer Logitech Pilot Maus schaffte hier Abhilfe.
1995 Bekam ich zum Abi meinen ersten PC, aber erst 1998 mottete ich meinen ST ein. Weggeben werde ich ihn auf keinen Fall, dieses Gerät hat viel mit mir durchgemacht und ist für mich einfach KULT. Inzwischen habe ich sogar 2 Weitere zum ausschlachten. Irgendwann, wenn ich Platz habe, wird er wieder aufgebaut. Das er noch funktioniert kontrolliere ich regelmäßig.

My ATARI ST never Dies!!!


***Fazit***

Vor 18 Jahren eine High-End - Maschine, heute ein rührseliges Andenken an alte Zeiten. Der ATARI ST ist und bleibt kult und wird für mich ewig leben. Trotz oder grade wegen der vielen kleinen Kinderkrankheiten und der Unvollkommenheit hab ich ihn in mein Herz geschlossen. Es war und ist eben ein Computer mit Charakter!!!


P.S.: Wer ein paar Einblicke in Benutzung, Geschichte und Software des ST haben will, sollte sich mal die Seite „My Little Green Desktop“ (http://www.atari.st) ansehen (Leider ist sie komplett auf englisch, dafür gibt es aber sogar ST-Emulatoren ;-)

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