Bahnhof Friedrichstraße Testbericht

...als solchen hätte man ihn jedenfalls vor dem 9. November 1989 beschreiben können.

Zwischen den Bahnsteigen A;B und dem Bahnsteig C befand sich tatsächlich ein großer Blechzaun, der verhinderte, dass West-Berliner und Westdeutsche auf den "östlichen" Bahnsteig schauen und gelangen konnten und (vor allen Dingen!) umgekehrt. Dieser Bahnhof wurde sowohl von West- als auch von Ost-Berliner S-Bahnzügen angefahren und innerhalb des Bahnhofs befand sich ein Grenzübergang; Der einzige, den sowohl West-Berliner als auch West-Deutsche als auch Ausländer benutzen konnten.

Direkt neben dem Bahnhof befindet sich der "Tränenpalast", ein großes Glasgebäude, früher zur Grenzabfertigung, heute finden hier Konzerte und andere kulturelle Ereignisse statt. Seinen Namen hat er von den zahlreichen tränenreichen Abschieden, die hier stattgefunden haben, wenn Westberliner und West-Deutsche ihre Verwandten und Bekannten in der DDR besucht hatten.

Zu DDR-Zeiten gab es in dem 1882 erbauten Bahnhof einen zollfreien Intershop (von westlicher Seite aus gesehen VOR dem Grenzkontrollpunkt) in dem sich West-Berliner mit billigen Zigaretten und billigem Schnaps (Honni-Sprit) enindeckten oder ihn gleich an Ort und Stelle konsumierten. Im Rahmen des Grenzüberganges gab es zahlreiche Gänge, Labyrinthe, zugemauerte Gänge und Türen ...

All das ist nun Geschichte. Heute ist der Bahnhof Friedrichstraße ein ganz normaler S- und Regionalbahnhof. Lange Zeit war er Baustelle, 1999 wurde der neue Bahnhof Friedrichstraße fertiggestellt.

Hier gibt es zahreiche Einkaufsmöglichkeiten, darunter einen Edeka- Supermarkt, der tatsächlich 365 (manchmal auch 366) Tage im Jahr geöffnet hat. Natürlich ist er überteuert, wie fast alle Läden dieser Art. Auch eine Freßmeile gibt es hier, mir so was ähnlichem wie Nordsee (Fisch jedenfalls), Pizza Hut, Eisdiele u.a. - alles etwas nobler als am benachbarten S- Bahnhof Alexanderplatz.
Einen Fahrradschlauch bekommt man hier ebenso Sonn- und Feiertags wie einen Friseurtermin. Auch die Postfiliale hat - auch Sonntags - bis 22 Uhr geöffnet.

Was man hier allerdings vergeblich sucht ist ein Kundenzetrum der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die Monatskarten zu Wucherpreisen gibts hier nur im Automaten. Fernbahnkarten kann man in einem Kundenzentrum der Deutschen Bahn AG allerdings problemlos käuflich erwerben.

Apropos Wucherpreise - einmal "für kleine Jungs" kostet hier 1,50 (!!!!) im McClean WC-Center... Wenn ich fürs Pinkeln 1,50 abdrücken muss, nützen mir sämtliche Anglizismen dieser Welt nix mehr! Drin war ich in diesem Wucherklo noch nie, da gehe ich doch lieber ins benachbarte Kulturkaufhaus Dussmann - allerdings nix für Leute mit wenig Zeit, n Stück weg ist das schon. Naja, das gehört meiner Meinung nach als sittenwidrig verboten, so hohe Klogebühren.

Der Bahnhof Friedrichstraße ist einer DER Verkehrsknotenpunkte in Berlin. Fast alle S-Bahnlinien - egal ob Ost-West oder Nord-Süd - halten dort. Wenn Euch also mal die unbändige Lust überkommen sollte, von Oranienburg nach Strausberg zu fahren (dauert über 2 Stunden), werdet ihr mit Sicherheit an diesem Bahnhof umsteigen. Regionalzüge halten dort auch, Fernzüge allerdings nicht - dafür muss man zum ZOO, zum Ostbahnhof oder - in manchen Fällen - zum Alexanderplatz.

Bahnhof Friedrichstraße - ein Bahnhof mit sehr wechselvoller Geschichte, in die heute die Normalität des neuen Berlin eingekehrt ist.

PS: Obdachlose sieht man hier kaum - sie werden wohl alle von irgendwelchen Möchtegern-Hilfssheriffs in Phantasie-Uniformen verscheucht.