Beamt(er/in) - Kommunalverwaltung (geh. techn. Dienst) Testbericht

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Erfahrungsbericht von Allgäuer

Beamter - verarscht - geknechtet - abgezockt, auf der Suche nach den Privilegien abgeblockt!

Pro:

immer Arbeit (sicher, vielseitiger Einsatzbereich

Kontra:

schlechte Image geprägt von Vorurteilen, unfaire Bezahlung

Empfehlung:

Nein

Als Beamter hast du einen sicheren Job haben mir meine Eltern damals gesagt und mir meine Ideen über irgendwelchen Risikoberufe ausgeredet, denn solche Jobs wie Journalist oder Fotograf wären eigentlich auf meiner Liste ganz oben gestanden. Versuch ich´s bei der Polizei? Fehlanzeige, die stellen nur 60 Anwärter ein und haben schon über 3000 Bewerbungen. Zoll und BGS? Es bot sich ein ähnliches Bild, ich gehöre nämlich zu den geburtenstarken Jahrgängen der 50er.

Kurzer Rede langer Sinn, heute bin ich als Standesbeamter bei einer kreisfreien Stadt tätig, war weit über ein dutzend Jahre lang im Personalrat Beamtenvertreter und in meiner Freizeit widme ich mich schon fast 20 Jahre lang der Gewerkschaftsarbeit als Kreisvorsitzender der KOMBA- Bayern (Kommunale Beamte und Arbeitnehmer im Bayerischen Beamtenbund). Ich habe also eine lange Berufserfahrung, verfüge durch meine Erlebnisse als Personalrat auch über einen Überblick, der mir ermöglicht die Tätigkeit eines Kommunalbeamten gut zu beurteilen. Ich will deswegen hier nicht aufzählen welche Fächer in der Ausbildung gelehrt werden, sondern wie sich der Beruf in der Praxis darstellt und wie sich die Beamten nach mehreren Dienstjahren fühlen (können).

Beamte sind in unserem System der Gewaltenteilung im Bereich der Exekutive angesiedelt. Das bedeutet, dass neben der Gesetzgebung (Politik) und der Rechtsprechung (Gerichte) den Beamten nur eine der 3 Gewalten vorbehalten ist. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass mancher Beamter Gesetze zu vollziehen hat, die er selbst so nicht für richtig hält. Nicht der Finazbeamte ist dafür verantwortlich wie viel Steuern jemand zu zahlen hat, sondern die Gesetzgebung, das gleiche gilt natürlich für alle anderen Rechtsbereiche.

Die Einsatzmöglichkeiten eines Kommunalbeamten sind so vielseitig wie in kaum einem anderen Beruf.

Bei der Geburt im Standesamt, später im Einwohnermelde- und Passamt und natürlich im Jugendamt als Träger und Verwalter von Kindergärten, im Schulamt, dann, zumindest in kreisfreien Städten, in der Führerscheistelle und der Zulassungsstelle, hoffentlich nie im Sozialamt, aber vielleicht im Bauamt und im Ordnungsamt bei größeren Vorhaben, in diesem Zusammenhang vielleicht noch im Seniorenheim im Versicherungsamt, nicht zu vergessen in Krankenhäusern und bei der Feuerwehr und ganz zum Schluß in der Friedhofsverwaltung überall ist man mit seiner Kommune konfrontiert und, möglicherweise auch dann, wenn man es gar nicht erwartet, sind Kommunalbeamte als Dienstleister für die Bürger eingesetzt. Auch in Bäderbetrieben, bei der Vorbereitung- und Abwicklung von Jahrmärkten und anderen öffentlichen Veranstaltungen, vom Oktoberfest bis zum Fußballspiel sind Beamte in Hintergrund dafür verantwortlich, dass unser öffentliches und auch privates Leben so abläuft wie wir es seit vielen Jahrzehnten gewohnt sind.

Dieses weite Einsatzfeld setzt natürlich eine große Flexibilität voraus, und zwar bezüglich der Anpassung an verschiedene Rechtsgebiete und Arbeitsbedigungen als auch bezüglich der Arbeitszeiten und Belastungen die zu bewältigen sind. Deswegen ist die Ausbildung für die Beamten der Kommunalverwaltungen in Bayern auch sehr umfangreich und qualifiziert. Durch das in den vergangenen 20 Jahren veränderte Selbstverständnis der Verwaltungen sind nicht Paragraphenreiter mit erhobenem Zeigefinger gefragt, sondern vielseitige einsetzbare Fachleute mit qualifizierter Ausbildung und mit klarem Blick über den Tellerrand hinaus. Gleichzeitig hat sich ein moderner Beamter als Dienstleister zu verstehen , der mit seinem umfangreichen Wissen in der Lage sein sollte seine Kundschaft umfassend zu beraten.

Die vorstehenden Fakten sind das große PLUS diese Berufes. Es ist durchaus möglich im Laufe eines Berufslebens mehrmals den Einsatzbereich zu wechseln und jedesmal wieder neue interessante Erfahrungen zu machen. In einer Kommunalverwaltung findet sich eigentlich für nahezu jede Interssenslage eine passende Aufgabe. Genau diese Anforderungen können aber auch als Nachteil gesehen werden, denn es ist ein äußerst umfangreiches Wissen notwendig um den aufgaben gerecht zu werden. Es ist in den letzten paar Jahren immer schwieriger geworden die Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten, weil immer differenziertere Gesetze geschffen wurden, die einen immer komplizierteren Vollzug zur Folge haben. Die Finanzmisere der Kommunen sind hinlänglich bekannt, ggf. würde ein Blick in jede beliebeige Tageszeitung Aufklärung bringen. Das bedeutet aber, dass weder die aufgabengerechte Sach- noch die ausreichende Personalausstattung zur Verfügung gestellt werden kann um die Aufgaben zu erledigen.

Da sind wir schon bei den Nachteilen dieses Berufes. In unserem Standesamt wurde doch tatsächlich schon im Jahre 2000 schon der erste Computer aufgestellt. Bis dahin arbeitete man dort mit ganz normalen Schreibmaschinen (1994 z.T. noch mechanisch). Eingravierender Nachteil in meinen Augen ist auch das Ansehen des Berufes. Entweder durch Vorurteile oder durch die oft reisserischen Aufmachungen in den Medien und natürlich durch ungerechtfertigte Schuldzuweisungen der Politik glauben die meisten Bürger die Märchen von den Beamtenprivilegien. Wer solche Privilegien kennt (nicht glaubt zu kennen), der möchte sie mir doch bitte detailiert darlegen, wenn möglich mit präziser Beschreibung. Das Sprüchlein mit dem sicheren Arbeitsplatz gilt nämlich nicht, denn die Länder und Gemeinden wollen die einkommen der Beamten um bis zu 18 % (in Worten: achtzehn) reduzieren um so ihre Haushalte zu sanieren. Darüber hinaus arbeiten Beamte in Bayern seit Jahren 40 Stunden, in Berlin mittlerweile 42 Stunden pro Woche und durch die verschiedensten Strukturreformen, die in ihrer Substanz reine Sparmaßnahmen sind wurden den Beamten Belastungen in Milliardenhöhe auferlegt. Ein Einkauf bei Aldi hat es zu Tage gebracht. Am Ausgang hat der Kassiererin meine Ernennungsurkunde zum Beamten auf Lebenszeit nicht ausgereicht, wollte sie doch tatsächlich Geld sehen. Mein Hinweis, dass ich ja zwischenzeitlich erheblich weniger Geld verdiene wegen meines sicheren Arbeitsplatzes hat auch die Höhe der Rechnung nicht beeinflußt. Daran erkennt man unschwer, dass nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes, sondern die Sicherheit des Einkommens wichtig ist. Diese sicherheit hat jedoch in Deutschland KEIN Beamter mehr. Für immer mehr Leistung wird immer weniger Gegenwert von Seiten der Dienstherren gewährt.

Das besondere Treueverhältnis, das den Arbeitsvetrag beim Beamtenverhältnis ersetzt, ist in der jüngsten Vergangenheit einseitg von den Dienstherren so extrem strapaziert worden, dass sogar die sehr duldsamen, und wie häufig behauptet, trägen Beamten langsam auf die Barrikaden gehen. Letztendlich arbeiten die Beamten auch nur um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, d.h. um ein Auskommen für ihre Familien zu erwirtschaften. Nun werden ungerechtfertigte Sparmaßnahmen übertrieben hat umgesetzt ohne Perspektiven aufzuzeigen, wie es denn weitergehen soll. Langfristig angelegte Planungen – die angeblichen Privilegien des Beamtentums – sind nicht mehr möglich, weil ein sicherer Arbeitsplatz kein sicheres Einkommen mehr bedeutet. Dazu kommen neidvoll vorgebrachte Angriffe gegenüber den Beamten immer häufiger vor, weil immer noch von den Privilegien berichtet wird, die 1970 schon nicht mehr da waren und weil viele Bürger Politik (also Gesetzgebung) und Verwaltung = Beamte (also Gesetzesvollzug) in eine Schublade stecken.

Ein faire Berichterstattung kann nicht erwartet werden. Das konnte ich feststellen, als unsere örtliche Tageszeitung etwa halbseitig über angeblich unverhältnismäßig hohe krankheitsbedingte Ausfälle der Beamten berichtet hat. Eine Anfrage im Stadtrat hat dann ergeben, dass die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage viel geriger war wie in der freien Wirtschaft in den günstigsten Fällen. Eine Klarstellung dieses Sachverhaltes konnten wir nach zähen Verhandlungen nur als 2-Zeiler durchsetzen.

Nichts desto trotz ist der Beruf des Beamten in seiner Aufgabenstruktur hochinteressant. Man kann gestalten und verantwortlich in den verschiednesten Bereichen mitarbeiten. Führungspositionen sind, insbesondere natürlich auch wegen der strukturellen Mängel, von besonderm Reiz, denn dadurch liegt in der Mitarbeiterführung und –motivation eine besondere Verantwortung. In Krisen- und Ausnahmesituationen, die insbesondere bei äußerst dünner Personaldecke, starkem Bürgerkontakten und hohem Erwartungsdruck durch Bürger und Vorgesetzte immer häufiger vorkommen, sind Stressbewältigung und hohes Arbeitspensum genauso gefragt wie Kreativität und Entscheidungsfreude. Darüberhinaus ist der Umgang mit Menschen ein wichtiges Kriterium, denn gerade in den Kommunalverwaltungen werden die Beschäftigten in ihrem Arbeitsrhytmus durch den Bürgerkontakt in hohem Maße fremdbestimmt.

Das ist jetzt immer noch kein vollständiger und abgeschlossener Bericht, kann aber, so glaube ich, die Stimmung nach vielen Dienstjahren ganz gut darzustellen. Ich freue mich auf qualifizierte Kommentare und eine angeregte Diskussion.

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