Beamt(er/in) - Kommunalverwaltung (geh. techn. Dienst) Testbericht

No-product-image
ab 11,25
Auf yopi.de gelistet seit 08/2003

5 Sterne
(1)
4 Sterne
(0)
3 Sterne
(0)
2 Sterne
(0)
1 Stern
(1)
0 Sterne
(0)

Erfahrungsbericht von s.maki

Ausbildung im ö.D., heute noch atraktiv?

Pro:

Lesen!

Kontra:

Lesen und selbst ein Bild machen!

Empfehlung:

Ja

Erstmal bedanke ich mich für Ihr Interesse.
Dieser Bericht sollten sich insbesondere junge Menschen durchlesen, die auf der Suche nach einer adäquaten Ausbildung sind.
Ich bin zur Zeit Stadtinspektorenanwärter im öffentlichen Dienst.
Im folgenden Stelle ich die objektive und subjektive Voraussetzungen, Bewerbungsverlauf, den Ausbildungsverlauf, die Übernahmechancen und den Beruf im allgemeinem vor und hoffe somit über die Ausbildung im nichttechnischen Verwaltungsdienst ein bißchen Licht ins Dunkle zu bringen.


Beschreibung des Berufbildes aus Sicht eines Auszubildenden:

Meine Ausbildung stellt eine Ausbildung für den gehobenen nichttechnischen Dienstes dar.
Das Aufgabenfeld umfasst alle öffentlichen Hoheitstätigkeiten der Gemeinde (Sachbearbeiter im Sozialamt, Ordnungsamt, Steueramt, etc.)
Dementsprechend kann der Beruf äußerst abweckslungsreich sein. Die Anforderungen umfassen soziale Fähigkeiten (Kontaktbereitschaft, Kommunikationsbereitschaft, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Angagement, etc.) und intelektuelle Anforderungen (rechtliches Verständnis, Fähigkeit zur ständigen Weiterbildung, etc.)

Vorteile:
nach Ernennung ins Beamtenverhältnis (27.LJ und nach i.d.R. 2 1/2 J. Probezeit) auf Lebenszeit ein sicher Job
50 % Heilfürsorge
umfangreiches Aufgabengebiete
Verantwortungsreich
Umgang mit vielen Menschen
oftmals Teamarbeit

Nachteile:
geringere Vergütung (nach der Ausbildung) als in der freien Wirtschaft
-- vergleicht man berufseinsteiger mit diplom (ca. 3000,-€ Einstiegsgehalt) mit Einstiegsgehalt A9 (ca. 1700,- €)
Beförderung nur bei freien Planstellen
(inzwischen) kein Altersaufstieg, sodern nur noch Leistungsaufstieg
ständige Weiterbildung, insbesondere in Hinblick auf rechtliche Veränderungen


Einstellungsvoraussetzungen:

objektive Voraussetzungen:
- Abitur oder Fachabitur mit einjährigem einschlägigem Praktikum
- EU-Staatsangehörigkeit (Ausnahmen möglich mit Genehmigung des Innenministeriums)

subjektive Voraussetzungen:
- geordnete wirtschaftliche Verhältnisse (keine übermäßigen Schulden)
- Verfassungstreue (Bekundet durch Vereidigung bei der Ernennung)
- Zuverlässigkeit
- gewisse intelektuelle und persönnliche Voraussetzungen (s.o.)

Allgemein sind die Bewerbungszahlen sehr hoch und somit die Einstiegschancen eher gering.
Ist man jedoch motiviert, leistungsbewusst und angagiert, sieht es sicherlich schon besser aus.

Bewerbungsverlauf:
- Einstellung in Gemeinden immer zum 1.9. eines jeden Jahres
- Bewerbungsschreiben (ganz normal)
- ein oder mehrere folgende Einstellungstest (in Rechtschreibung, Mathe, logisches Verständnis, etc. - nähere Informationen gibt es in allen örtlichen Berufsinformationszentren)
- bei bestandenen Tests (i.d.R. Besten\"auslese\") folgen i.d.R. zwei Bewerbungsgespräche, in denen massiv folgende Fragen gestellt werden:
-- warum dieser Beruf
-- Vorstellung über den Beruf (vorher sollte man sich doch ausführlich informiert haben)
-- bisherigen Interessen
-- vorallem freies Sprechen und sich selbst vorstellen
- Herzlichen Glückwunsch
- es folgt die Berufung ins Beamtenverhältnis auf Widerruf
- Vereidigung und Aushändigung der Ernennungsurkunde
- es existiert kein gewöhnlicher Arbeitsvertrag (Beamtenrecht findet anwendung)


Ausbildungsverlauf:
- die Ausbildung beträgt 3 Jahre
- unterteilt in fachpraktische und Studienzeiten
- welche sich zwischen 3 und 6 Monaten regelmäßig abwechseln

- die Ausbildung in der Praxis beinhaltet:
-- das Erlernen verwaltungstechnischer Verfahren
-- Umgang mit Bürgern
-- Umsetzung der bereits theoretischen Kenntnisse
-- eigene Arbeit als \"Sachbearbeiter\" (jedoch ohne unterschriftsbefugnis)
-- KEINE \"Kopieraufgaben\", sondern bereits von anfang an anspruchsvolle Arbeit

- die Ausbildung in der Studienzeit:
-- Studium an der FH für öffentliche Verwaltung
-- in den Fächern:
--- Bürgerliches Gesetzbuch
--- allg. Verwaltungsrecht
--- Polizei- und Ordnungsrecht
--- öffentliche Finanzverwaltung
--- Rechnungswesen
--- Organisations- und Personallehre
--- Staats- und Verfassungsrecht
--- Ordnungswidrigkeitenrecht
--- Sozialrecht
--- Grundlagen Finanzwirtschaft
--- öffentliches Dienstrecht
--- Europarecht
--- Kommunalverfassungsrecht
--- Psychologie
--- Politikwisenschaften
--- Soziologie
--- sozialwissenschaftliche Methode
-- in den o.g. Fächern werden bis zum Staatsexamen jedes Semester (S.2, S.3, S.4) Zwischenprüfungen abgenommen in Form von Klausuren (3/4) oder Fachgesprächen (1/4)
-- Erbringung einer Seminbararbeit (wissenschaftliche Arbeit)
-- Projektarbeit (\"Forschungs\"arbeit)
-- die Zwischenprüfungen, die Seminararbeit und die Projektarbeit sind Zulassungsvoraussetzungen für das Staatsexamen
-- nach drei Jahren folgt das Staatsexamen

Übernahmechancen:
- sehen äußerst gut aus: fast alle die das Staatsexamen bestehen werden auch übernommen.

die Aufstiegschancen sind m.E. eher negativ zu beurteilen, da nur Befördert werden kann, wenn eine entsprechende Planstelle frei ist

Allgemein gesagt stellt die Ausbildung eine Mischung aus Jura-, BWL- und Geistesstudium mit starken Bezügen zur Praxis dar
die Ausbildungsvergütung beträgt ca. 820,- € (für ein Studium nicht schlecht, oder?)

Nun noch ein paar Worte zur Krankenversicherung:
Als Beamter im Verwaltungsdienst bekommt man 50 % der Arztkosten von der Beihilfe erstattet, über die restlichen 50 % kann man sich (keine Pflicht) privat versichern. Als Auszubildender muß man bei der Beihilfe keine Eigenbeteiligung leisten. Danach je nach Besoldung ein gewissen Grundbetrag pro Jahr. Würde ich Ihnen jetzt einige Zahlen nennen, würde ich Lügen. Darüber kann ich (noch) keine Auskünfte geben.
Der Umgang mit der Beihilfe empfand ich bisher als unproblematisch (hatte aber bisher noch keine aus dem Rahmen fallende Behandlungen). Einzig ungewöhnlich empfand zu Beginn der Ausbildung das Prozedere, eine Arztrechnung (Original) zur Beihilfe, ein weiteres zur Privatversicherung, dann warten (ca. 1 Woche) bis Geld überwiesen ist und dann selber die Arztrechnung begleichen. Na ja man gewönnt sich an alles. Da ich bisher jedoch nur zweimal beim Arzt war, kann ich hierüber nicht mehr Informationen liefern.


Nun noch ein paar Worte über meine eigene Erfahrung:
Vorerst muß ich sagen, dass dieser Beruf mein einziger Berufswunsch war und ich daher vielleicht nicht ganz objektiv bin.
Ich bin zur Zeit am Ende des 2. Ausbildungsjahres und habe daher schon zwei Praktika und (fast) 3 Studienabschnitte hinter mir.
Zu Praktika gibt es nicht viel zu berichten. Man wird einem bestimmten Fachbereich (Amt) zugeteilt, z.B. Fachbereich Steuer, Sozialhilfe, Jugend und Familie, etc. In diesen Praktika besteht zu Beginn die Arbeitet darin, sich in diesen Bereich einzulesen. Das ist notwendig und lässt sich nicht vermeiden, da die theoretische Ausbildung in der FHöV nicht alle Gebiete oder nur zum Teil abdeckt. So muß man sich zu Beginn eben die Mühe machen, sich vor allem in die Rechtsmaterie des jeweiligen Fachbereiches einzuarbeiten. Hierbei wurde ich jedoch immer von den Kollegen unterstützt, welche mir bei Fragen und Unverständnis stets weitergeholfen haben. Hierzu muß auch gesagt werden, dass ein Auszubildender für diese eine immense Mehrbelastung bedeutet (zumindest zu Beginn des Praktika), eben weil sie ständig Fragen beantworten müssen. Hat man sich aber eingearbeitet und die wesentlichen Züge dieses Arbeitsbereiches angenommen (dies galt zumindest bisher für mich), so kann man, Arbeiten des Sachbearbeiters stellenweise übernehmen. Aber man ist noch nicht unterschriftsbefugt, d.h. meine Arbeit lief immer über den Schreibtisch des zuständigen Sachbearbeiters, der dies i.d.R nur noch zu unterschreiben brauchte. Dies hat zwei große Vorteile, zum einem wird die geleistete Arbeit kontrolliert und man hat die Möglichkeit „durch Fehler zu lernen“ und zum anderen bot dieses „System“ mir eine gewisse Sicherheit bei der Bearbeitung verschiedenster Sachverhalte.
Ich möchte jedoch auch nicht unterschlagen, dass die Arbeit nach einer gewissen Zeit eintönig werden kann, oder dass man auch mal weniger attraktive und anspruchsvolle Arbeit zugeteilt bekommt. Aber das gehört dazu, denn wäre ich nicht vor Ort, würden diese Tätigkeiten genauso zum Aufgabenbereich des jeweiligen Sachbearbeiters gehören wie die anspruchsvollen. Meiner Erfahrung ist jedoch, dass ich bisher noch nie nur für Kleintätigkeiten missbraucht wurde. Hierauf wird auch geachtet, denn 1. kostet unsere Ausbildung eine menge Geld und 2. sollen wir nach unserer Ausbildung befähigt sein entsprechende Tätigkeiten war zunehmen.

So komme ich nun zur theoretischen Ausbildung:
Wie bereits oben deutlich wurde, umfasst die theoretische Ausbildung ein Blockstudium an einer extra für diese Fachrichtung vorgesehene Fachhochschule.
Wie ebenfalls an der Fächerauflistung deutlich wurde (s.o.) ist das Studium mit Schwerpunkt rechtlich ausgerichtet. Und es ist ein Studium, dementsprechend muß man auch einiges dafür tun. Das meine ich ernst, es ist von den Anforderungen nicht zu unterschätzen. Aber ist man regelmäßig anwesend, wozu man aufgrund seiner Stellung außerdem verpflichtet ist, und schön nacharbeiten und den nicht vermittelten Bereich im Selbststudium sich aneignet, dürfte man gut durchkommen. Schon richtig verstanden, i.d.R. werden in jedem Fach nur die Grundlagen vermittelt, den Rest muß man sich mit Literatur und Lehrbüchern selbst erarbeiten.
Bis zum Staatsexamen muß man zwei große Zwischenprüfungen, eine Seminararbeit und eine Projektarbeit als Zulassungsvoraussetzung ablegen. Problem ist hierbei jedoch, dass man diese nur bestehen muß und das die Noten nicht mit in das Endergebnis mit einlaufen. Daher nehmen einige die Zwischenprüfungen, welche im Schnitt jeweils aus 10 – 15 Prüfungen bestehen, auf die leichte Schulter und „mogeln“ sich so durch. Das böse Erwachen steht dann aber beim Staatsexamen bevor.
Die Durchschnittsnoten liegen im Staatsexamen ca. bei 8-9 Punkten (= Noten 3-, 4+).
Das Studium ist wirklich schwer, wer sich aber für Recht interessiert und ein wenig Motivation und Lernbereitschaft mitbringt, kann und wird es schaffen.



Ich hoffe ich konnte mit diesem Bericht einen kleinen Einblick in das Ausbildungsprozedere des gehobenen nichttechnischen Dienstes geben und habe einige für diesen Ausbildungszweig begeistert.

Falls Sie sich für eine Ausbildung im öffentlichen Dienst interessieren, kontaktieren Sie bitte das Arbeitsamt, Berufsinformationszentren oder Ihre Gemeinde. Ich bin mir sicher, dass Ihnen an den entsprechenden Stellen weitere Informationen vermittelt werden.

Falls noch sonstige Fragen bestehen, stehe ich gerne zur Verfügung:
- [email protected] oder
- Gästebuch

Ich werde mich in jedem Fall mit Ihrer Anfrage, bzw. Frage befassen und Ihnen dann, wenn möglich weiterhelfen

Mit freundlichen Grüßen
s.maki

17 Bewertungen