Boßeln Testbericht

Bis vor zwei Jahren kannte ich das Wort \"Boßeln\" überhaupt nicht und ich wusste erst recht nicht, was sich dahinter verbarg. Erst nachdem wir an die ostfriesische Grenze gezogen sind, wurde ich in Bezug auf Boßeln aufgeklärt und das kam so.

Die Firma meines Mannes lud im letzten Jahr alle Mitarbeiter mit Familie zu einer Weihnachtsfeier ein. Gegen eine gemütliche Weihnachtsfeier mit Kerzen und leckerem Essen hatte ich nichts einzuwenden. Doch dann hiess es, wir gehen Bosßeln. Die einzigen Infos die wir erhielten waren, zieht euch warm an und seid bloß gut drauf. Uns schwante bereits, dass es ein Aufenthalt an der frischen Luft würde.

Wir trafen uns an einem Samstagvormittag gegen 11Uhr und schon als wir ankamen hatte ich das Gefühl, dass einige Kollegen sich bereits tüchtig in Form gebracht hatten. Und dann sah ich zwei Handkarren, auf denen so einige handfeste Getränke standen und ein paar Knabbereien. Diese Handwagen beherbergten die nötige Marschverpflegung, die zu jedem Boßeln dazu gehört, erlärte man uns.

Boßeln
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Die Anwesenden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Wir waren 34 Leute also ergaben sich zwei Gruppen zu je 17Personen. Jede Gruppe erhielt eine Holzkugel und einen eigenen Handkarren mit der Marschverpflegung und eine Stange mit Käscher.

Am Tag zuvor hatte der Gastgeber eine Strecke abgesteckt, die zu bewältigen war. Hier in Ostfriesland gibt es viele endlos lange und unbefahrenen Straßen mitten im freien Feld. Der Start begann da, wo später der Zieleinlauf war. Zuerst braucht man zwei Schreiber, für jede Gruppe Einen, der die Namen der Mitstreiter notiert und später aufpasst, dass diese Reihenfolge immer eingehalten wird.

Nun kann es beginnen. Der erste Teilnehmer der Mannschaft A rollt die Kugel so weit er kann die Straße entlang und die gesamte Gruppe spaziert gemächlich mit dem Handkarren hinter der Kugel her, bis zu dem Punkt, wo die Kugel stehn bleibt. Von hier wirft dann der zweite aus der Gruppe A und auch dann setzt sich die ganze Gruppe in Bewegung Richtung Kugel. Nachdem die erste Gruppe ca. 150 mtr. Vorsprung erzielt hat, läuft die zweite Gruppe los. So kommt man den anderen nicht in die Quere.
Hier wird natürlich kräftig gemogelt, dass sich die Balken biegen.
Sobald man ein wenig ausser Reichweite ist, und die andere Gruppe nicht so genau sieht was beim Gegner passiert, bekommt die Kugel schon mal einen kleinen Stoss mit dem Fuss und rollt zufällig noch ein paar Meter weiter.
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Wie ihr seht ist Boßeln ein Kinderspiel. So lange der Blick klar und ungetrübt ist, gibt es keine Probleme. Die kommen erst, wenn die Marschverpflegung ins Spiel kommt und sich der klare und scharfe Boßelblick langsam trübt. Die Stimmung wird immer ausgelassener und die Würfe immer ungenauer. Jede Pause wird gut benutzt, um der geistigen Nahrung zuzusprechen. Nun haben die Staßen in Ostfriesland an den Seiten oft tiefe morastige Gräben und in der winterlichen Jahreszeit steht dort oft das Wasser relativ hoch. Mit dem Schwund der flüssigen Verpflegung steigen die Fehlwürfe. So rollen die Kugeln im Zickzack-Kurs über die Straße und landen immer öfter im matschigen Graben. Und nun kommen die Stangen zum Einsatz. Der Verursacher hat nämlich die Pflicht, die Kugel aus dem Morast heraus zu holen, damit das Spiel weiter gehen kann. Das geschieht natürlich unter den lauten Anfeuerungsrufen der anderen Teilnehmer, die diese Gelegenheit nicht ungenutzt vorüberstreichen lassen und sich einen kräftigen Schluck \"Moorwater\" genehmigen. Das einige Teilnehmer später nicht mehr ganz salonfähig sind, liegt wohl auf der Hand.*g*

Solche Zwangspausen sind sehr gern gesehen, wie ihr euch denken könnt und sie verlängern das Spiel um eine gewaltige Zeit. Solch eine Boßelpartie dauert meistens mehrere Stunden. Wenn das Wetter mitspielt und es trocken bleibt, macht es viel Spaß. Doch wird man von einer Schlechtwetterfront erwischt, kann es recht ungemütlich werden. Doch wer ein echter Ostfriese ist, lässt sich nichts anmerken und steht seinen Mann (Frau!).

Der Sieger ergiebt sich zwangsläufig von ganz allein. Die Gruppe, die das Ziel mit den wenigsten Würfen überrollt, hat gewonnen und muss eine Runde spendieren, wenn noch was da ist. Während des Boßelns ergibt es sich immer wieder, dass sich die Gruppen gegenseitig überholen. Solch ein Zusammentreffen muss natürlich kräftig begossen werden. Ihr seht, Boßeln ohne Flüssignahrung gibt es nicht. Die Würfe fallen oft sehr unterschiedlich aus, da nicht jeder als Boßelkünstler geboren wurde. Auch auf seine Füße sollte man achten. Denn rutscht die Holzkugel aus der Hand und trifft den Fuss, wird das sehr schmerzhaft.

So verlief unsere erste Boßelpartie. Obwohl es ziemlich schwer ist, sich vor der angebotenen Marschverpflegung zu drücken, gelang es uns sehr gut und mein Mann und ich kamen sicher und wohlbehalten am Ziel an. Doch damit war die Weihnachtsfeier noch nicht beendet, denn zu einer anstrengenden Boßeltour gehört anschliessend ein deftiges Grünkohlessen mit Kohlwurst. Dazu wurden wir alle in ein alteingessenes Lokal geführt. Bei einigen bin ich mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch wussten, was sie sich da in den Mund schoben. Vielleicht wäre es besser gewesen das Grünkohlessen vor die Boßelpartie zu legen Doch so richtige Friesenjungs und Friesenmädchen sind hart im Nehmen.

Auf jeden Fall hat es allen Beteiligten einen Mordsspaß gemacht und als man sich in der neuen Arbeitswoche wiedertraf sprachen alle von einer Bomben-Weihnachtsfeier! Na, dann ist ja alles im grünen Bereich.*gg*

Liebe Grüße

Catty