Braunschweig Testbericht

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Auf yopi.de gelistet seit 09/2003
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Erfahrungsbericht von LosGatos
Ich trag den Staub von deinen Straßen
Pro:
meine Heimat
Kontra:
ich bin zu selten dort
Empfehlung:
Ja
Ich trag\' den Staub von deinen Straßen an meinen Schuhen heute noch mit mir herum.
Ich hab\' sie halt nie putzen lassen, nur aus Vergesslichkeit? Nun ja, vielleicht darum.
(Reinhard Mey, 1971 in einem Lied über seine Heimatstadt Berlin)
Wenn man mich nach meiner Heimat fragt, dann werde ich immer antworten mit „Braunschweig“. Zwar bin ich in dieser Stadt weder geboren, noch habe ich dort unmittelbar gewohnt. Und seit über 20 Jahren komme ich nur noch sporadisch dorthin, zumal meine Eltern noch in der Nähe leben. Dennoch beanspruche auch ich ein Stück Heimat, und da gibt es für mich, wie gesagt, keinen Zweifel...
1959 zog unsere Familie von Hannover in den Landkreis Braunschweig in ein Kuhdorf namens Weddel. Das war es damals tatsächlich, denn Bauernhöfe und Kühe gab es dort zu jener Zeit en masse, dafür nicht einmal Straßennamen. Unsere Anschrift bestand zu jener Zeit tatsächlich nur aus einer Ortsangabe und einer Hausnummer. Die Häuser des Dorfes wurden einfach durchnummeriert. Auch Postleitzahlen gab es damals in Deutschland noch nicht. Briefe kamen trotzdem an. Ein halbes Jahr später kam ich dort in die Grundschule, die auch damals schon 4 Jahre dauerte. Meine schulischen Leistungen erlaubten es mir, 1964 auf ein Gymnasium zu wechseln. In der Tat musste ich damals dort eine Aufnahmeprüfung mitmachen, die für meinen Jahrgang letztmalig durchgeführt wurde. Die bestand aus einer Unterrichtswoche mit vielen Prüfungen, wo ca. 10-20% der Anwärter ausgesiebt wurden. Jedenfalls war ich bereits als knapp 10jähriger mit Prüfungsstress vertraut.
Auf diese Weise kam ich 6 Tage pro Woche (ja, es gab damals noch Samstagsunterricht) in die Großstadt. Meistens brachte mich mein Vater mit dem Auto zur Schule, denn um 7Uhr45 war normalerweise Unterrichtsbeginn. Aber manchmal fuhr ich auch vom Dorf mit dem Zug in die Stadt. Das war damals die einzige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Fahrt dauerte nicht einmal 10 Minuten.
So kam ich also über den Hauptbahnhof als erstes mit Braunschweig in Berührung, und ich möchte ihn auch heute als den Ausgangspunkt für einen kleinen Rundgang durch meine Heimatstadt auswählen. Man verlässt also den Bahnhof über den Bahnhofsplatz, geht einfach geradeaus die Kurt-Schumacher-Straße entlang. Diese mündet nach 10-15 Gehminuten in einen Platz, der vor 40 Jahren auch noch Kurt-Schumacher-Platz hieß, benannt nach dem ersten Parteivorsitzenden der SPD. 1963 wurde der Platz nach der Ermordung des amerikanischen Präsidenten in John-F.-Kennedy-Platz umgetauft, Schumacher hatte ja schließlich seine Straße. Ja, es war die Zeit, als wir noch Achtung vor Amerika und seinen Präsidenten hatten. Natürlich konnte man, damals wie heute, auch mit der Straßenbahn fahren, um in die Innenstadt zu kommen. Auch wenn es wahrscheinlich nicht mehr als 20 Pfennig gekostet hätte, damals zählte jeder Pfennig. Also ging ich vom Hauptbahnhof immer zu Fuß zur Schule.
Nach knapp 10 Minuten überquert man auf dem Weg vom Bahnhof über eine Brücke die Oker, die Lebensader Braunschweigs. Dieser hier vielleicht 10-15 Meter breite Fluss entspringt im südlich von Braunschweig gelegenen Harz und mündet später in der Lüneburger Heide in die Aller, die wiederum irgendwann und etwas weiter westlich in die Weser einfließt. Jedenfalls gibt es an dieser Stelle unter der Brücke auch heute noch einen Bootsverleih, der es einem ermöglicht, sich für eine Stunde oder länger in die Riemen zu legen und die Oker rauf unter zu rudern. Hier zeigt sich Braunschweig in der Tat von seiner schönsten Seite. So einen Bootsausflug empfehle ich bei schönem Wetter jedem Braunschweig-Besucher. Die Ufer sind meist von vielen Bäumen eingesäumt und man kommt an manch schöner alter Villa vorbei. Als Raststation kann ich in nordöstlicher Richtung (flussabwärts) das Café Okerterrassen empfehlen. Es liegt direkt am Steilufer des Flusses. Besitzer ist ein früherer Klassenkamerad von mir. Wenn ich im Sommer in Braunschweig bin, sehe ich immer zu, dass ich mal kurz reinschaue.
Als Kind habe ich den Fußmarsch vom Bahnhof nicht sonderlich geliebt. Kurz nach der Okerbrücke hat man zur rechten den Löwenwall vor sich mit zwei Reiterstatuen. In Braunschweig dreht sich halt alles um den Löwen. Er ist das Wahrzeichen der Stadt und ist Heinrich dem Löwen zu verdanken. Selbst die Fußballer von Eintracht Braunschweig werden seit eh und je als Löwen bezeichnet, auch wenn sie sich heutzutage eher von ihrer zahmen Seite zeigen. Wenn man hier ein paar Stufen raufgeht, gelangt man in eine kleine Parkanlage, dessen Mitte durch einen Obelisken geziert wird. Und etwa 100 Meter weiter liegt zur linken das Gymnasium Gaußschule, das ich von 1964 bis 1972 besucht habe. Es wurde benannt nach dem genialen Mathematiker Carl-Friedrich Gauß, der in Braunschweig geboren wurde. Außer LosGatos haben auch einige andere bekannte Zeitgenossen diese Schule besucht, u.a. der Politiker Günter Gauß, einer der Nachfahren des Mathe-Genies, oder der ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause, der 2 Klassen über mir war. Auch Mode-Designer Wolfgang Joop soll mal dort zur Schule gegangen sein (knapp vor meiner Zeit). Immerhin sind gemäß der Homepage der Gaußschule außer meinem ehemaligen Physiklehrer, der heute Direktor der Schule ist, nach wie vor eine Vorliebe für Fliegen zu haben scheint und einer der bekanntesten Politiker der Stadt ist, noch 2 oder3 Lehrer aktiv, die ich noch aus meiner Schulzeit kenne. Von der anderen Seite der Schule gelangt man über die Ritterstraße in ein sehr altes Stück Braunschweigs, das Magni-Viertel. Zu meiner Schulzeit eher zerfallen, hat man ein paar Jahre später viel Restaurierungsaufwand hineingesteckt. Heute ist das kleine Magni-Viertel ein beliebtes Ziel für einen Kneipenbummel.
Vom Magni-Viertel gelangt man schnell in den Schlosspark. Auf den Rasenflächen hatten wir uns früher nach der Schule gerne niedergelassen, über Gott und die Welt geplaudert und auf die Mädchen von anderen Schulen gewartet. Die Gaußschule war zu meiner Zeit eine reine Jungen-Schule.
Begrenzt wird der Schlosspark heute vom Kaufhaus Kaufhof und vom Bohlweg, einst eine der Hauptgeschäftsstraßen der Stadt. Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Anfang der 70er Jahre einen McDonald’s gesehen. Drin war ich da, glaube ich, nie. Überhaupt freue ich mich heute stets, wenn ich mal wieder in Braunschweig bin und noch Geschäfte entdecke, die es auch vor 20-30 Jahren schon gab. Aber vieles ist in der Beziehung Vergangenheit, dafür gibt es, wie überall, umso mehr Geschäfte für Computer- oder Mobilfunkzubehör.
Geht man den Bohlweg hinunter, führt zur rechten der Steinweg direkt auf das Braunschweiger Staatstheater, wo z.B. ein Hansjörg Felmy 1949 seine Karriere begann. Hält man sich jedoch links, gelangt man sehr bald über die Dankwardstraße zum Burgplatz. Hier findet man die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Braunschweigs. Den Dom, die Burg Dankwarderode und das Wahrzeichen Braunschweigs, den Löwen. Die Burg habe ich zuletzt vor ca. eineinhalb Jahren anlässlich der Troja-Ausstellung besucht (siehe auch mein „ältester“ Ciao-Bericht). Ich bin und war nie ein großer Kirchgänger. Ich kann deshalb nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich jemals in einer der zahlreichen Braunschweiger Kirchen (u.a. Martini-Kirche, Katharinen-Kirche, Andreas-Kirche) gewesen bin. In den Braunschweiger Dom gehe ich jedoch auch heute noch gerne mal kurz hinein, um ein paar besinnliche Minuten zu verbringen. Hier im Herzen Braunschweigs gelangt man zu den Pfeilern der Geschichte. Braunschweig, abgeleitet aus Brunos Wik, ein Rastplatz mit Furt und der Möglichkeit, die Oker zu überqueren, wurde im 12. Jahrhundert von Heinrich dem Löwen als Residenz ausgewählt. Damit begann Braunschweigs Aufstieg zur mittelalterlichen Großstadt.
Die NSDAP erlang in Braunschweig 1930 früh Einfluss und hinterließ in den folgenden 15 Jahren viele unrühmliche Spuren. So war es auch nicht verwunderlich, dass große Teile Braunschweigs im zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe zerstört wurden.
Vom Burgplatz ist man bald in der Fußgängerzone, hält man sich links, kommt man an Karstadt (immer noch das renommierteste Kaufhaus der Stadt) vorbei zum Kohlmarkt. Von dort kann man das Gewandhaus sehen, ein historisches Gebäude im Renaissancestil, das heute ein Restaurant beherbergt. Damit ist man auch schon am Altstadtmarkt, der vom Altstadtrathaus und der Martinikirche gesäumt wird und wo regelmäßig Wochenmarkt stattfindet.
Und gar nicht weit von hier findet man am Bäckerklint eine weitere Sehenswürdigkeit, den Eulenspiegelbrunnen. Denn Braunschweig ist nicht nur eine Löwenstadt, sondern eine Eulenspiegelstadt. Der legendenumwobene Schalk wurde in der Nähe Braunschweigs geboren und soll in einer Braunschweiger Bäckerei angeblich seine berühmten Eulen und Meerkatzen gebacken haben.
In Braunschweig gibt es sogar eine „Wallstreet“. Die Wallstraße lässt hier allerdings keine Aktienhöchstkurse entstehen. Höhepunkte anderer Art sind in der angrenzenden Bruchstraße möglich, dem Braunschweiger Rotlichtbezirk. Die kleine durch Sichtwände abgeschirmte Gasse heißt seit eh und je so, und ist nicht etwa nach Dieter Bohlen benannt, weil der sich hier mal selbigen zugezogen haben könnte.
Die Braunschweiger Innenstadt ist zu Fuß schnell abgelaufen. Eine U-Bahn gibt es hier nicht, dafür Busse und Straßenbahnen, deren Preise genauso in die Höhe schnellen wie die der zahlreichen Parkhäuser. Mit kostenlosem Parkraum sieht es hingegen in der Innenstadt, wie in den meisten Städten auch, schlecht aus.
Braunschweig verfügt über viele Parkanlagen. Neben dem Schlosspark sind noch Theater- und Museumspark, der Bürgerpark, der Prinzenpark und das Franzsche Feld erwähnenswert. Etwas weiter außerhalb liegt das Kloster Riddagshausen und die nahegelegenen Teiche, die ein beliebtes Ausflugsziel darstellen.
Mit knapp 250.000 Einwohnern ist Braunschweig nach der Landeshauptstadt Hannover die zweitgrößte Stadt Niedersachsens. In Braunschweig ließen sich viele größere Firmen nieder. Bis in die 70er Jahre war Braunschweig als Produktionsstätte von Fotoapparaten bekannt (Rollei / Voigtländer). Die Klavierhersteller Schimmel und Grotian-Steinweg sind ebenfalls hier beheimatet, sowie Kfz-Fabrikanten wie MAN-Büssing oder VW. Die Physikalisch Technische Bundesanstalt im Braunschweiger Vorort Lehndorf sorgt u.a. für korrekte Zeit in ganz Deutschland.
In Braunschweig gibt es auch verschiedene Hochschulen und eine Technische Universität, wo auch ich von 1973 bis 1979 mein Physikstudium absolvierte. Somit war ich von 1964 bis Anfang 1980 fast täglich in Braunschweig und kenne es noch heute besser als jede andere Stadt auf dieser Welt. Und ich bin immer wieder gerne dort. Und noch lieber bin ich einer von Tausenden Braunschweigern, die im Braunschweiger Stadion mit ihrer Eintracht fiebern, in guten wie in schlechten Zeiten.
Braunschweig ist die Seele des Harz-Heide-Raumes. Man ist ebenso schnell (in weniger als einer Stunde) in Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge wie in der Lüneburger Heide. Man erreicht die Stadt mit dem Auto über die A2 (von Westen oder Osten) oder über die A7 von Süden kommend und natürlich mit der Bahn. Braunschweig hat auch einen kleinen Flughafen, der jedoch von Linienmaschinen nicht angeflogen wird. Der nächstgrößere Flughafen ist Hannover-Langenhagen.
Auf Wiedersehen in Braunschweig!
Ich trag\' den Staub von deinen Straßen an meinen Schuhen heute noch mit mir herum.
Ich hab\' sie halt nie putzen lassen, nur aus Vergesslichkeit? Nun ja, vielleicht darum.
Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 12.4.2003
Veröffentlicht außer bei Ciao derzeit nur noch bei Yopi
Ich hab\' sie halt nie putzen lassen, nur aus Vergesslichkeit? Nun ja, vielleicht darum.
(Reinhard Mey, 1971 in einem Lied über seine Heimatstadt Berlin)
Wenn man mich nach meiner Heimat fragt, dann werde ich immer antworten mit „Braunschweig“. Zwar bin ich in dieser Stadt weder geboren, noch habe ich dort unmittelbar gewohnt. Und seit über 20 Jahren komme ich nur noch sporadisch dorthin, zumal meine Eltern noch in der Nähe leben. Dennoch beanspruche auch ich ein Stück Heimat, und da gibt es für mich, wie gesagt, keinen Zweifel...
1959 zog unsere Familie von Hannover in den Landkreis Braunschweig in ein Kuhdorf namens Weddel. Das war es damals tatsächlich, denn Bauernhöfe und Kühe gab es dort zu jener Zeit en masse, dafür nicht einmal Straßennamen. Unsere Anschrift bestand zu jener Zeit tatsächlich nur aus einer Ortsangabe und einer Hausnummer. Die Häuser des Dorfes wurden einfach durchnummeriert. Auch Postleitzahlen gab es damals in Deutschland noch nicht. Briefe kamen trotzdem an. Ein halbes Jahr später kam ich dort in die Grundschule, die auch damals schon 4 Jahre dauerte. Meine schulischen Leistungen erlaubten es mir, 1964 auf ein Gymnasium zu wechseln. In der Tat musste ich damals dort eine Aufnahmeprüfung mitmachen, die für meinen Jahrgang letztmalig durchgeführt wurde. Die bestand aus einer Unterrichtswoche mit vielen Prüfungen, wo ca. 10-20% der Anwärter ausgesiebt wurden. Jedenfalls war ich bereits als knapp 10jähriger mit Prüfungsstress vertraut.
Auf diese Weise kam ich 6 Tage pro Woche (ja, es gab damals noch Samstagsunterricht) in die Großstadt. Meistens brachte mich mein Vater mit dem Auto zur Schule, denn um 7Uhr45 war normalerweise Unterrichtsbeginn. Aber manchmal fuhr ich auch vom Dorf mit dem Zug in die Stadt. Das war damals die einzige Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Fahrt dauerte nicht einmal 10 Minuten.
So kam ich also über den Hauptbahnhof als erstes mit Braunschweig in Berührung, und ich möchte ihn auch heute als den Ausgangspunkt für einen kleinen Rundgang durch meine Heimatstadt auswählen. Man verlässt also den Bahnhof über den Bahnhofsplatz, geht einfach geradeaus die Kurt-Schumacher-Straße entlang. Diese mündet nach 10-15 Gehminuten in einen Platz, der vor 40 Jahren auch noch Kurt-Schumacher-Platz hieß, benannt nach dem ersten Parteivorsitzenden der SPD. 1963 wurde der Platz nach der Ermordung des amerikanischen Präsidenten in John-F.-Kennedy-Platz umgetauft, Schumacher hatte ja schließlich seine Straße. Ja, es war die Zeit, als wir noch Achtung vor Amerika und seinen Präsidenten hatten. Natürlich konnte man, damals wie heute, auch mit der Straßenbahn fahren, um in die Innenstadt zu kommen. Auch wenn es wahrscheinlich nicht mehr als 20 Pfennig gekostet hätte, damals zählte jeder Pfennig. Also ging ich vom Hauptbahnhof immer zu Fuß zur Schule.
Nach knapp 10 Minuten überquert man auf dem Weg vom Bahnhof über eine Brücke die Oker, die Lebensader Braunschweigs. Dieser hier vielleicht 10-15 Meter breite Fluss entspringt im südlich von Braunschweig gelegenen Harz und mündet später in der Lüneburger Heide in die Aller, die wiederum irgendwann und etwas weiter westlich in die Weser einfließt. Jedenfalls gibt es an dieser Stelle unter der Brücke auch heute noch einen Bootsverleih, der es einem ermöglicht, sich für eine Stunde oder länger in die Riemen zu legen und die Oker rauf unter zu rudern. Hier zeigt sich Braunschweig in der Tat von seiner schönsten Seite. So einen Bootsausflug empfehle ich bei schönem Wetter jedem Braunschweig-Besucher. Die Ufer sind meist von vielen Bäumen eingesäumt und man kommt an manch schöner alter Villa vorbei. Als Raststation kann ich in nordöstlicher Richtung (flussabwärts) das Café Okerterrassen empfehlen. Es liegt direkt am Steilufer des Flusses. Besitzer ist ein früherer Klassenkamerad von mir. Wenn ich im Sommer in Braunschweig bin, sehe ich immer zu, dass ich mal kurz reinschaue.
Als Kind habe ich den Fußmarsch vom Bahnhof nicht sonderlich geliebt. Kurz nach der Okerbrücke hat man zur rechten den Löwenwall vor sich mit zwei Reiterstatuen. In Braunschweig dreht sich halt alles um den Löwen. Er ist das Wahrzeichen der Stadt und ist Heinrich dem Löwen zu verdanken. Selbst die Fußballer von Eintracht Braunschweig werden seit eh und je als Löwen bezeichnet, auch wenn sie sich heutzutage eher von ihrer zahmen Seite zeigen. Wenn man hier ein paar Stufen raufgeht, gelangt man in eine kleine Parkanlage, dessen Mitte durch einen Obelisken geziert wird. Und etwa 100 Meter weiter liegt zur linken das Gymnasium Gaußschule, das ich von 1964 bis 1972 besucht habe. Es wurde benannt nach dem genialen Mathematiker Carl-Friedrich Gauß, der in Braunschweig geboren wurde. Außer LosGatos haben auch einige andere bekannte Zeitgenossen diese Schule besucht, u.a. der Politiker Günter Gauß, einer der Nachfahren des Mathe-Genies, oder der ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause, der 2 Klassen über mir war. Auch Mode-Designer Wolfgang Joop soll mal dort zur Schule gegangen sein (knapp vor meiner Zeit). Immerhin sind gemäß der Homepage der Gaußschule außer meinem ehemaligen Physiklehrer, der heute Direktor der Schule ist, nach wie vor eine Vorliebe für Fliegen zu haben scheint und einer der bekanntesten Politiker der Stadt ist, noch 2 oder3 Lehrer aktiv, die ich noch aus meiner Schulzeit kenne. Von der anderen Seite der Schule gelangt man über die Ritterstraße in ein sehr altes Stück Braunschweigs, das Magni-Viertel. Zu meiner Schulzeit eher zerfallen, hat man ein paar Jahre später viel Restaurierungsaufwand hineingesteckt. Heute ist das kleine Magni-Viertel ein beliebtes Ziel für einen Kneipenbummel.
Vom Magni-Viertel gelangt man schnell in den Schlosspark. Auf den Rasenflächen hatten wir uns früher nach der Schule gerne niedergelassen, über Gott und die Welt geplaudert und auf die Mädchen von anderen Schulen gewartet. Die Gaußschule war zu meiner Zeit eine reine Jungen-Schule.
Begrenzt wird der Schlosspark heute vom Kaufhaus Kaufhof und vom Bohlweg, einst eine der Hauptgeschäftsstraßen der Stadt. Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Anfang der 70er Jahre einen McDonald’s gesehen. Drin war ich da, glaube ich, nie. Überhaupt freue ich mich heute stets, wenn ich mal wieder in Braunschweig bin und noch Geschäfte entdecke, die es auch vor 20-30 Jahren schon gab. Aber vieles ist in der Beziehung Vergangenheit, dafür gibt es, wie überall, umso mehr Geschäfte für Computer- oder Mobilfunkzubehör.
Geht man den Bohlweg hinunter, führt zur rechten der Steinweg direkt auf das Braunschweiger Staatstheater, wo z.B. ein Hansjörg Felmy 1949 seine Karriere begann. Hält man sich jedoch links, gelangt man sehr bald über die Dankwardstraße zum Burgplatz. Hier findet man die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Braunschweigs. Den Dom, die Burg Dankwarderode und das Wahrzeichen Braunschweigs, den Löwen. Die Burg habe ich zuletzt vor ca. eineinhalb Jahren anlässlich der Troja-Ausstellung besucht (siehe auch mein „ältester“ Ciao-Bericht). Ich bin und war nie ein großer Kirchgänger. Ich kann deshalb nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich jemals in einer der zahlreichen Braunschweiger Kirchen (u.a. Martini-Kirche, Katharinen-Kirche, Andreas-Kirche) gewesen bin. In den Braunschweiger Dom gehe ich jedoch auch heute noch gerne mal kurz hinein, um ein paar besinnliche Minuten zu verbringen. Hier im Herzen Braunschweigs gelangt man zu den Pfeilern der Geschichte. Braunschweig, abgeleitet aus Brunos Wik, ein Rastplatz mit Furt und der Möglichkeit, die Oker zu überqueren, wurde im 12. Jahrhundert von Heinrich dem Löwen als Residenz ausgewählt. Damit begann Braunschweigs Aufstieg zur mittelalterlichen Großstadt.
Die NSDAP erlang in Braunschweig 1930 früh Einfluss und hinterließ in den folgenden 15 Jahren viele unrühmliche Spuren. So war es auch nicht verwunderlich, dass große Teile Braunschweigs im zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe zerstört wurden.
Vom Burgplatz ist man bald in der Fußgängerzone, hält man sich links, kommt man an Karstadt (immer noch das renommierteste Kaufhaus der Stadt) vorbei zum Kohlmarkt. Von dort kann man das Gewandhaus sehen, ein historisches Gebäude im Renaissancestil, das heute ein Restaurant beherbergt. Damit ist man auch schon am Altstadtmarkt, der vom Altstadtrathaus und der Martinikirche gesäumt wird und wo regelmäßig Wochenmarkt stattfindet.
Und gar nicht weit von hier findet man am Bäckerklint eine weitere Sehenswürdigkeit, den Eulenspiegelbrunnen. Denn Braunschweig ist nicht nur eine Löwenstadt, sondern eine Eulenspiegelstadt. Der legendenumwobene Schalk wurde in der Nähe Braunschweigs geboren und soll in einer Braunschweiger Bäckerei angeblich seine berühmten Eulen und Meerkatzen gebacken haben.
In Braunschweig gibt es sogar eine „Wallstreet“. Die Wallstraße lässt hier allerdings keine Aktienhöchstkurse entstehen. Höhepunkte anderer Art sind in der angrenzenden Bruchstraße möglich, dem Braunschweiger Rotlichtbezirk. Die kleine durch Sichtwände abgeschirmte Gasse heißt seit eh und je so, und ist nicht etwa nach Dieter Bohlen benannt, weil der sich hier mal selbigen zugezogen haben könnte.
Die Braunschweiger Innenstadt ist zu Fuß schnell abgelaufen. Eine U-Bahn gibt es hier nicht, dafür Busse und Straßenbahnen, deren Preise genauso in die Höhe schnellen wie die der zahlreichen Parkhäuser. Mit kostenlosem Parkraum sieht es hingegen in der Innenstadt, wie in den meisten Städten auch, schlecht aus.
Braunschweig verfügt über viele Parkanlagen. Neben dem Schlosspark sind noch Theater- und Museumspark, der Bürgerpark, der Prinzenpark und das Franzsche Feld erwähnenswert. Etwas weiter außerhalb liegt das Kloster Riddagshausen und die nahegelegenen Teiche, die ein beliebtes Ausflugsziel darstellen.
Mit knapp 250.000 Einwohnern ist Braunschweig nach der Landeshauptstadt Hannover die zweitgrößte Stadt Niedersachsens. In Braunschweig ließen sich viele größere Firmen nieder. Bis in die 70er Jahre war Braunschweig als Produktionsstätte von Fotoapparaten bekannt (Rollei / Voigtländer). Die Klavierhersteller Schimmel und Grotian-Steinweg sind ebenfalls hier beheimatet, sowie Kfz-Fabrikanten wie MAN-Büssing oder VW. Die Physikalisch Technische Bundesanstalt im Braunschweiger Vorort Lehndorf sorgt u.a. für korrekte Zeit in ganz Deutschland.
In Braunschweig gibt es auch verschiedene Hochschulen und eine Technische Universität, wo auch ich von 1973 bis 1979 mein Physikstudium absolvierte. Somit war ich von 1964 bis Anfang 1980 fast täglich in Braunschweig und kenne es noch heute besser als jede andere Stadt auf dieser Welt. Und ich bin immer wieder gerne dort. Und noch lieber bin ich einer von Tausenden Braunschweigern, die im Braunschweiger Stadion mit ihrer Eintracht fiebern, in guten wie in schlechten Zeiten.
Braunschweig ist die Seele des Harz-Heide-Raumes. Man ist ebenso schnell (in weniger als einer Stunde) in Deutschlands nördlichstem Mittelgebirge wie in der Lüneburger Heide. Man erreicht die Stadt mit dem Auto über die A2 (von Westen oder Osten) oder über die A7 von Süden kommend und natürlich mit der Bahn. Braunschweig hat auch einen kleinen Flughafen, der jedoch von Linienmaschinen nicht angeflogen wird. Der nächstgrößere Flughafen ist Hannover-Langenhagen.
Auf Wiedersehen in Braunschweig!
Ich trag\' den Staub von deinen Straßen an meinen Schuhen heute noch mit mir herum.
Ich hab\' sie halt nie putzen lassen, nur aus Vergesslichkeit? Nun ja, vielleicht darum.
Copyright LosGatos
Erstveröffentlichung 12.4.2003
Veröffentlicht außer bei Ciao derzeit nur noch bei Yopi
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