Der gute Mensch von Sezuan (Taschenbuch) / Bertolt Brecht Testbericht

Gleich VORWEG, wer Lesestoff zur leichten Unterhaltung sucht ist mit Brecht falsch beraten, nicht weil Brecht zu kompliziert oder zu schwer zu verstehen ist, sondern weil Brecht keine leichte Unterhaltung beabsichtigt.
Nicht umsonst endet sein Werk mit „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/ Den Vorhang zu und alle Fragen offen.....Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!/ Es muß ein guter da sein, muss, muss, muss!“
Denn „Der gute Mensch von Sezuan“ ist ein Paradebeispiel für Brechts episches Theater und fordert dementsprechend zum eingreifenden Denken auf, und dies hat nichts mit einem entspannten Zurücklehnen und Berieseln lassen zu tun.

Wer den "guten Menschen" aufschlägt landet zu Beginn des Theaterstücks in Sezuan, einer kleine chinesische Provinz, beim Wasserhändler Wang der die Ankunft von drei großen Göttern ankündigt, Dies drei Götter sind auf einen gefassten Beschluss hin auf die Erde gekommen um genügend gute Menschen zu finden, damit die Welt weiterhin so bestehen darf wie sie ist.
Nun hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Suche bisher vergebens war und auch die Suche nach einer Unterkunft in Sezuan gestaltet sich trotz Wangs Hilfe zunehmend als schwierig.
Doch zu Guter letzt findet sich Shen Te eine Prostituierte die „nicht nein sagen kann“ und die Geschichte nimmt ihren Lauf!

Als Dank für die Unterkunft wird Shen Te von den Göttern ausreichend entlohnt und verspricht fortan nur noch Gutes zu tun, als Grundlage soll ein Tabakladen dienen, der für die entsprechenden Einkünfte sorgen soll.
Doch schon bald wird Shen Te von der „Ellenbogen“-Gesellschaft in Sezuan ausgenutzt und sieht sich immer wieder, trotz ihrer Spenden und Gaben an die Mittellosen, der Kritik und dem Unverständnis seitens Ihrer Mitmenschen ausgesetzt.

Als Ausweg aus Shen Tes misslichen Situation, selbst nicht so viel geben zu können, wie Sezuan braucht, ohne selbst zugrunde zu gehen, erscheint der überraschend auftretende Vetter Shui Ta, dessen vermehrte Auftritte in der Geschichte immer mehr Fragen nach seiner Herkunft aufwerfen.

Der Vetter Shui Ta, führt nun ein wesentlich härteres und rücksichtsloseres Regiment, als Shen Te und scheut auch nicht davor zurück die Armen und Mittellosen in Sezuan zu seinem Vorteil auszubeuten, als er eine eigene Tabakfabrik gründet.

Auch ist Shui Ta gegen eine eheliche Verbindung zwischen Sun, dem angehenden Flieger und Shen Te, deren Liebesbeziehung tief in die Geschichte des „guten Menschen“ verwoben ist.

Die Auflösung des zuvor aufgebauten Rätsles um Shen Te und Shui Ta bringt Brecht im „guten Menschen“ auf völlig neue Art und Weise und wesentlich früher als ein normaler Spannungsbogen dies zulassen würde, doch ist dies so beabsichtigt und findet seine Begründung in Brechts epischen Theater.

Nichts desto trotz gipfelt die Geschichte zum Schluss in einer mit Spannung erwarteten Gerichtsverhandlung, die nicht nur die Götter vollends bloßstellt, sondern auch den Leser/ Zuschauer, mit Brechts Maxime „einer veränderbaren Welt“, mit voller Wucht trifft.

Ich möchte jetzt hier keine weitere Interpretation des Werkes leisten, auch wenn ich dafür durchaus genug Ideen und vor allem ein Faible hätte, handelt es sich schließlich um eine „Testbewertung“ und nicht um eine Vorlage für den Schulaufsatz.

Alles in allem ist Brechts Lehrstück ein Meisterwerk, das nicht nur zum Denken anregt und zum eingreifen auffordert sondern vor allem seines Gleichen sucht.

Die Problematik, die Brecht so altbekannt und doch verfremdet darstellt wird an Aktualität wohl nie verlieren, so lange sich die Welt dreht und sie sich leider noch nicht zu einem sozialeren Miteinander verändert hat.

Abschließend noch...
Brechts „guter Mensch“ besteht aus 10 Bildern (Brecht verwendet lieber das Wort Bild anstatt Szene), welche umrahmt von Vorspiel und Epilog zusätzlich durch Lieder und Zwischenspiele immer wieder unterbrochen werden.
Dies und die typische Aufmachung eines als Theaterstück geschriebenen Werkes inkl. Regieanweisungen, machen das Lesen des Buches zu einem kleinen Abenteuer.
Doch soll diese Beschreibung Interessierte nicht abschrecken, denn Brecht verwendet sehr zum Vorteil des Lesers eine sehr einfache und nüchterne Sprache, die leicht verständlich und sehr viel in Bildern spricht.
Aus diesem Grund auch nur ein "mittelmäßig" beim Kriterium: Niveau. Für diese Wertung habe ichmich jedoch entschlossen, da Brecht leicht und verständlich schreibt und man kein Duden und Lexikon neben sich haben muss, um das geschriebene zu verstehen.
Diese Wertung hat also nichts mit dem Inhaltlichen zu tun.

Ich selbst habe nach anfänglichem Unverständnis für Shen Te und den Verlauf der Geschichte viel beim Lesen gelernt!
Man denkt nach über das Gelesene, wie ja auch Brecht beabsichtigt und kommt zu meist einleuchtenden und schon immer da gewesenen Erkenntnissen.
Der Aufforderung vom Anfang, eine eigene Lösung zu finden, wären gerne schon viele Brecht-Leser nachgekommen, doch wurde noch keine Gefunden. Auch von mir nicht.

Ich empfehle den „guten Menschen“ auch einmal privat zu erfahren, wenn man ihn noch nicht während seiner Schulzeit behandelt hat.
Und keine Angst, wem das Buch dann immer noch nicht zusagt, ist deswegen noch lange kein „schlechter Mensch“ zumindest nicht in Brechts Sinne :)