Das Schwert von Shannara (Taschenbuch) / Terry Brooks Testbericht

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ab 4,22
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Erfahrungsbericht von Boodil

Ein Cliche kommt selten allein

Pro:

nicht wirklich

Kontra:

flache Charaktere, unrealistische Handlung, kriminell schlecht geschrieben, viele Wiederholungen, mehr Plot-Löcher als Handlung, unheimlich viele Klischees, halb von Herr der Ringe abgekuckt, langweilig

Empfehlung:

Nein

Oh. Mein. Gott. Das hier war das langweiligste Buch, dass ich jemals gelesen habe, und das will schon etwas heißen.
Es gab kein Kapitel, in dem mir nicht mindestens alle zwei Absätze Gedanken durch den Kopf gingen wie: \"So drückt sich doch kein normaler Mensch aus!\". Oder: \"Wie soll denn diese Landschaft auf natürliche Weise entstanden sein?\". Oder: \"Sind hier eigentlich alle Leute doof?!\". Nun aber mal schön der Reihe nach...

Erstmal ein paar Worte zum Inhalt:

Die Geschichte beginnt damit, dass Flick Ohmsford, ein junger Mann, der sein ganzes Leben im idyllischen Shady Vale verbracht hat, auf dem Heimweg von der Arbeit einen Wald durchquert, in dem es zu still ist (In diesem Buch wird es praktischerweise immer zu still, wenn ein feindlicher Hinterhalt bevorsteht, so wird man wenigstens nicht übermäßig überrascht.). Vor dem Angriff durch ein mysteriöses bösartiges Wesen rettet ihn dann jedoch ein nicht weniger mysteriöser mächtiger Magier namens Allanon (Gandalf lässt grüßen...). Wieder daheim eröffnet Allanon Flicks Adoptivbruder Shea, dieser sei der letzte überlebende Nachfahre eines Elfenkönigs namens Jerle Shannara, und damit der einzige, der das Schwert von Shannara, das seit Hunderten von Jahren in einem Stein steckt, benutzen kann (auch mal ordentlich von der Artus-Sage geborgt). Das ist besonders wichtig, da das Schwert von Shannara die einzige Waffe ist, mit der man den bösen Druiden Brona, der sich nach tausendjähriger Machtabstinenz gerade mal wieder daran macht, seine Boshaftigkeit über die ganze Welt zu verteilen, endgültig besiegen kann.

Da die Handlanger des Bösen schon in der Nähe sind, machen sich Shea und Flick hastig nach Norden auf, nicht ohne dabei die obligatorischen dunklen Wälder, trostlosen Ebenen und monsterverseuchten Sümpfe zu durchqueren. In einer Stadt namens Culhaven finden die beiden und ihr auf dem Weg aufgegabelter Freund Menion Leah einen vorrübergehenden Unterschlupf und treffen auf eine Reihe Gleichgesinnter, mit denen zusammen sie sich dann ruhigen Gewissens auf die Suche nach dem Schwert begeben können.

Da in dieser Welt anscheinend ein Mangel an Pferden herrscht, müssen hier leider auch Helden, die sich daran machen, die Welt zu retten, ständig zu Fuß gehen, es sei denn, sie reiten in den Krieg. Das hat jedoch auch Vorteile: Zum einen dauert die Reise länger, was Gelegenheiten zu Zufallsbegegnungen mit verschiedenen (aus diversen Quellen zusammengeborgten) Kreaturen bietet. Zum anderen gibt es dem Autor die Chance, an einem halben Dutzend Stellen im Buch mit sehr ähnlicher Wortwahl den Effekt von Übermüdung und Nahrungsmittelentzug zu beschreiben. Damit lässt sich dann auch erklären, warum die ansonsten überperfekten Charaktere an strategischen Stellen hirnrissige Fehler machen. So gehören der Gruppe zwar Spurensucher an, die unter normalen Umständen jede noch so kleine Spur finden, egal ob sich das Gelände überhaupt dazu eignet, Spuren darauf zu hinterlassen oder nicht, aber wenn es darum geht, einen Hinterhalt mit einer interessanten Kreatur herbeizuführen oder eine plottechnisch wichtige Spaltung der Gruppe aufrechtzuerhalten, schlägt der Autor sie auch schon mal mit Blindheit. Einfacher wird das Reisen hingegen dadurch, das es den Helden möglich ist, auch in einer mondlosen Nacht ohne Lampe durch dichte Wälder zu laufen, ohne dabei gegen Bäume zu rennen, in die Brennnesseln zu stolpern oder in der völlig falschen Richtung rauszukommen.

Einzelne Kritikpunkte:
*** Vorsicht, kann Spoiler enthalten!***
(Das ist aber auch relativ egal, da die gesamte Handlung sowieso zu 95 % vorhersehbar ist)

Die Handlung ist fundamental unrealistisch. Die Geschichte, die hier erzählt wird, erscheint nicht wie eine Folge von Ereignissen, die (in einer anderen Welt) tatsächlich passieren könnten; stattdessen bewegt sich der Plot gradlinig zum Happy-End hin, selbst vermeintliche Rückschläge machen den Eindruck, als seien sie nur dazu da, um die Geschichte ein wenig zu verlängern. Die Welt und ihre Bewohner kamen mir nicht „echt“ vor, weil der Autor an zu vielen Stellen die Wahrscheinlichkeit zu arg strapaziert, um das Happy-End auf einfache und nicht übermäßig kreative Weise zu erreichen.

Die Charaktere sind allesamt flach und klischeebeladen. Man erfährt viel zu wenig darüber, was sie im Einzelnen denken und fühlen, stattdessen erfolgt die Charakterisierung zu einem großen Teil über die Beschreibung des Gesichtsausdrucks. Das ist möglich, weil sich in diesem Buch jede innerliche Regung sofort im Gesicht zeigt, und viele Charakterzüge sich in den Augen widerspiegeln, wo jeder beliebige andere Charakter sie lesen kann wie ein Buch. Die Leute erbleichen, weichen angstvoll zurück und starren sich mit bewundernswerter Ausdauer gegenseitig minutenlang hasserfüllt an. Niemand hier scheint auch nur die geringste Selbstbeherrschung zu besitzen. Und selbst wenn eine Szenerie noch so oft als undurchdringlich dunkel beschrieben worden ist, reicht das angeblich nicht vorhandene Licht im kritischen Moment doch noch aus, um Einzelheiten des Gesichtsausdrucks eines Gegenübers zu erkennen.

Wenn dann doch einmal der eine oder andere Charakterzug deutlich wird, wie z.B. Menions Abenteuerlust, Hendels Verlässlichkeit oder Dayels jugendliche Offenheit, kann man sich darauf verlassen, dass der darauf hinweisende Abschnitt noch mehrere Male leicht umformuliert auftaucht, für den Fall, dass es beim ersten Mal jemand verpasst hat.
Frauen sind in dieser Welt anscheinend sehr selten, jedenfalls taucht Shirl, die erste und einzige weibliche Nebenrolle, erst im letzten Drittel des Buches auf. Sie ist zwar wunderschön (was man nicht übersehen kann, da der Autor einen jedes Mal, wenn Shirl die Szene betritt, erneut darauf hinweist), scheint aber keinen erkennbaren Charakter zu haben, ein Schicksal, dass vielleicht dadurch ertragbarer wird, dass sie es mit den meisten männlichen Charakteren teilt.

Zudem hat Brooks die Chance vertan, einem faszinierenden Bösewicht zu erschaffen. Stattdessen hätten wir da Brona, einen Druiden, der sich mit schwarzer Magie beschäftigt...und ein paar hundert Jahre später plötzlich als quasi-untotes, spirituelles Wesen wieder auftaucht und versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen – ohne die geringste Angabe von Beweggründen, Charakter oder Hintergrund.

Überhaupt sind die „Bösen“ eine der größten Logiklücken des ganzen Buches, was schon etwas heißen will, da man Logik und Realismus in diesem Buch ohnehin mit der Pinzette suchen muss.
Zunächst einmal wird nie erklärt, warum die Völker der Trolle und Gnome überhaupt auf Bronas Seite kämpfen, da sie nicht an sich böse sind und auch einige recht kluge Individuen zu sich zählen. Daher sollte man meinen, dass allein schon die Tatsache, dass seit Brona seine Herrschaft auf das Nordland ausgedehnt hat, dort die gesamte Vegetation eingegangen und das Wetter ständig schlecht ist (von der dunklen, von Untoten bewohnten Grenzzone, die man durchqueren muss, um ins Umland zu gelangen, reden wir erst mal gar nicht), einen ausreichenden Wink mit dem Gartenhäuschen darstellt, um den smarteren Troll- und Gnom-Anführern klarzumachen, dass es vielleicht nicht in ihrem Interesse liegt, diesen Herrscher auch noch zu unterstützen.

Praktischerweise macht die Gegenseite es unseren Helden auch noch so richtig einfach zu gewinnen, indem sie, z.B. eben mal mitten im Kampf versehentlich Teile ihrer eigenen Armee angreift (obwohl der Gegner einer anderen Spezies angehört), nichts dagegen tut, dass nachts ein Trupp Feinde durchs Lager latscht und mal eben so sämtliche Belagerungstürme in Brand steckt (waren wahrscheinlich sowieso schon in Öl getränkt, damit´s schön schnell geht, und keiner der zigtausend Leute drumrum aufwacht) oder auch tausende von Soldaten opfert, indem sie den Vordereingang einer physikalisch unmöglichen belagerten Stadt einrennen (die angeblich auf allen Seiten von Steilklippen umgeben ist – wie diese Konstruktion entstanden oder wie die ersten Siedler da raufgekommen sind, fragen wir lieber mal nicht), wo sie eh nur mit siedendem Öl übergossen werden, anstatt den Feind erst mal auszuhungern.

Auch der obligatorische manipulative königliche Berater (Grima Schlangenzunge lässt grüßen) ist in diesem Fall etwa so subtil wie ein Boxhandschuh, so dass man sich fragt, warum der Mann überhaupt erst in eine Machtposition befördert wurde, anstatt schon bei seinem ersten Besuch in der Stadt wegen übermäßig boshaftem Gesichtsausdruck festgenommen zu werden.


Ich habe mich immer gefragt, woher eigentlich die ganzen Cliches in der Fantasy-Literatur kommen, und siehe da, hier sind sie alle. Zugegeben, da das Buch 1977 geschrieben worden ist, waren manche Beschreibungen und Plotelemente damals wahrscheinlich noch neu(er), aber das macht das Ganze heute nicht einfacher zu lesen.

Schon von Anfang an fällt eine gewisse inhaltliche Nähe zu „Herr der Ringe“ auf. Dieses Buch hat einfach all die üblichen Sachen, die man schon teils aus dem Original und teils aus all den anderen Fantasy-Sagen, die ebenfalls beim Herr der Ringe abgekupfert haben, kennt: Einen unwissenden jungen Mann aus einer abgeschiedenen Gegend, der vor einer Gefahr aus seiner Heimat fliehen muss und dabei unabsichtlich ein Held wird (hier stellt er sich als kleiner Bonus auch noch als Nachfahre eines Königs heraus); seinen loyalen Begleiter; Elfen, Zwerge, Gnome, Trolle; einen alten, weisen, mysteriösen Berater, der äußerst sparsam mit Informationen ist, und dann wütend wird, wenn Leute aufgrund mangelnder Information Fehlentscheidungen treffen; einen bösen königlichen Berater, der den König vergiftet; wahre Liebe auf den ersten Blick; das ultimative Böse, dass nach einem vorrübergehenden Rückschlag noch einmal versucht, die Welt zu erobern; usw. usw...und die in meinen Augen schlimmste Sünde eines Fantasy-Autors: Totgeglaubte Charaktere, die nach einer melodramatikfördernden Trauerzeit wieder auftauchen.

Was Herr der Ringe betrifft, so war ich schon vom Original ziemlich enttäuscht (ich schätze, epische Kämpfe zwischen Gut und Böse sind einfach nicht so mein Ding); das letzte was ich brauche, ist dieser fade Abklatsch.

Ich hätte über dieses Buch gerne einen objektiveren und vielseitigeren Bericht geschrieben, aber mir ist trotz aufmerksamen Suchen beim besten Willen kein Vorteil eingefallen. Zwischendurch zeigt Brooks von Zeit zu Zeit minimale Ansätze schriftstellerischen Talents und ich hatte immer wieder mal Hoffnung, dass es besser wird, aber zu früh gefreut. Der einzige Grund, warum ich überhaupt über die ersten 150 Seiten hinaus gelesen habe, war damit ich jetzt diesen Bericht schreiben kann, der so eine Art therapeutische Wirkung hat.

Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Falls jemand dieses Buch trotzdem lesen will (aus morbider Neugier vielleicht), würde ich die englische Originalausgabe empfehlen. Da ist das Buch nicht – wie in der deutschen Übersetzung – in mehrere Bände unterteilt, so dass man wenigstens nicht unnötig Geld ausgibt, und großartige Englischkenntnisse braucht man dafür auch nicht. Man ist schon halb da, wenn man nur die Wörter \"ominous\" und \"mysterious\" kennt, die mit qualvoller Häufigkeit benutzt werden.

11 Bewertungen, 2 Kommentare

  • Amana_Blech_Blech

    07.03.2005, 17:17 Uhr von Amana_Blech_Blech
    Bewertung: sehr hilfreich

    Bin Scarface, dein Werber, Mach weiter so, schau doch auch mal bei mir vorbei. Lose kommen umgehend (muss grad selbst noch warten)

  • knudly

    07.03.2005, 17:12 Uhr von knudly
    Bewertung: sehr hilfreich

    Super Bericht-weiter so *g*!