Georg Büchner Woyzeck Testbericht

Woyzeck. Das ist .............das ist ein einziger Rausch. Ein einziger Rausch aus Handlung, Zeitkritik und Zeitlosigkeit der Aussage. ........
Kurzum. Ein schlichtweg geniales Stück, wenn nicht gar das genialste und kompromisloseste überhaupt.
Und genau dieses Werke möchte ich hier und jetzt rezensieren,insofern mir das überhaupt möglich ist.

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DER HISTORISCHE HINTERGRUND

Zunächst einmal müßen wir verstehen, was damals passiert ist: Die französische Revolution von 1830 bewegte auch das deutsche Volk zu einer Welle von Widerstand, Freiheitskämpfern etc., die die bestehende Feudalherrschaft aufheben wollten. Und dass die die Herrschaft aufheben wollten, hatte auch seine Gründe,denn es gab Hungersnöte en masse,und die preußische Regierung hatte die Regulierungsmechanismen der Zünfte weitestgehend ausser Kraft gesetzt, weshalb auch viele Handwerker arbeitslos wurden. Was kommt dann daraus? Richtig, ein Großteil der Bevölkerung war entweder am Verhungern oder lag auf der Straße. Und hier kommen die Literaten ins Spiel. Grob unterteilen lassen sich diese wiederum in 2 Gruppen, die Jungdeutschen und die Literatur des Vormärz, und zum Vormärz gehört eben auch

GEORG BÜCHNER,

der zwar nur 24 gewurden ist, aber ein kurzes, intensives Leben zu leben pflegte. Obwohl er selbst aus einer gut betuchten Familie kam, machte er sich Gedanken bezüglich der bestehenden Gesellschaftsordnung, war nicht zufrieden mit dieser, und so entstanden viele Briefe an seine Familie und seine Geliebte, in denen Entwürfe zu eben einer neuen Gesellschaftsordnung dokumentiert sind.
Das literarische Werk Büchners lässt sich auf ein paar Gedichte sowie die Erzählung Lenz, das Lustspiel Lena und Leonce , Dantons Tod
sowie das Drama

WOYZECK

reduzieren. Woyzeck wurde von ihm selber nie fertiggestellt und als Fragment in seinem Nachlass gefunden. Dementsprechend ist die Szenenfolge nicht genau festgelegt, die SZenenfolge der Reclam Version entspricht weitestgehend der, auf die man sich auch für den Theatergebrauch geeinigt hat.
Nun kurz zum

INHALT

Franz Woyzeck ist ein Soldat, gehört also der unteren Sozialschicht an, er arbeitet als Diener des Hauptmanns und als Versuchskaninchen für die Experimente des Doktors. Und so schuftet er sich kaputt, um seiner Frau Marie und seinem Kind ein Leben zu ermöglichen. Als ihm seine Frau jedoch mit dem Tambourmajor fremdgeht, plagen ihn Fantasien vom Totstechen, und so besorgt er sich ein Messer und ersticht seine Frau.........

Nachdem der Inhalt kurz dargelegt wurde, merken wir schon: Die Handlung ist schlicht, schlicht wie das Leben selbst- welch Wunder, denn Büchner bediente sich als alter Realist einem Polizeibericht der ähnliches beinhaltet.
Nun lässt sich noch einiges über die

STRUKTUR

aussagen. Man muss wissen,dass es zu dieser Zeit beim Verfassen eines Dramas üblich war, eine 5 Akte-Struktur einzuhalten.
Die 5 Akte des klassischen Dramas haben eigentlich wie folgt auszusehen:
1.Akt Exposition
2.Akt Klimax
3.Akt Peripetie
4.Akt Retadierung (Verzögerung)
5.Akt Katastrophe oder untragische Lösung

Und diese Aufteilung hat natürlich, wie so vieles in der Literatur, einen tieferen Sinn:
Die Ordnung dient als Ausdruck der Fähigkeit des Menschen, die Welt zu erkennen und einen Sinn festzustellen.

Im klaren Kontrast dazu dient nun Georg Büchners Woyzeck,was ja auch Sinn macht, denn die klassischen Dramen der großen Dichter haben ja die Revolution eher gelähmt, und dominiert im Woyzeck
-eine lockere Szenenfolge
-keine Einteilung in Akte
-extrem kurze Szenen
Die Szenen sind also größtenteils austauschbar, und auch das alles macht durchaus Sinn: Der Aufbau hier dient als Ausdruck eines anderen Wirklichkeitsverständnisses, stellt den Menschen als Spielball und Objekt gesellschaftlicher und naturbedinger Kräfte da und negiert somit das geschlossene, harmonische Menschenbild, welches am Ende der meisten klassischen Dramen steht.

Die Analysierung der Struktur offenbart also schon vieles, und nun erscheint es durchaus sinnvoll, noch näher ins Detail zu gehen und sich die einzelnen Charaktere einmal genauer anzusehen. Als Hauptcharaktere wären da:

Franz Woyzeck
Marie
Andres (Freund von Woyzeck)
Der Hauptmann
Der Doktor

Sehen wir uns einmal die erste Szene einmal genauer an:
Als Personen treten auf: Woyzeck und der Hauptmann. DIe Handlung ist klar: Woyzeck rasiert den Hauptmann. Auch der soziale Stand ist klar: Der Hauptmann gehört zur sozialen Oberschicht, Woyzeck als dessen ,,Diener\" zur Unterschicht. Dementsprechend verhält sich der Hauptmann in dieser Szene auch: Er stellt sich klar über Woyzeck,verspottet ihn. DIe Sprache die er dazu benutzt besteht aus inhaltlosen Phrasen ohne eigenständige Leistung, ohne echten Inhalt , z.B.,, Woyzeck, er hat keine Tugend, er ist kein tugendhafter Mensch\" oder auch,, Auch moralisch,das ist,wenn man Moral hat, versteht er?\". Woyzeck setzt sich im Gegensatz dazu fast philosophisch mit den Anfeindungen des Hauptmanns auseinander, negiert die Aussagen und entgegenet sprachlich eigenständige Leistungen, ist sich aber seiner sozial niederen Position Bewußt (wenn wir in den Himmel kämen, müßten wir donnern helfen!).
Dies lässt bereits eine vage Charakterisierung des Hauptmannes zu. Er ist eben sozial hoch gestellt, hat wohl noch nie in seinem Leben richtig gearbeitet. Das er keinen richtigen Namen trägt in diesem Stück, ist auch interessant-es handelt sich hier nämlich um eine Typbezeichnung, der Hauptmann in diesem Drama kann also als Karikatur eines Hauptmannes verstanden werden.

Die darauffolgende Szene dokumentiert Woyzecks frühe Wahnvorstellung und dass sein Freund Andres sich darum kaum kümmert, er singt fröhlich während Woyzeck sich von Schatten und lichtern verfolgt fühlt.

Interessant für eine weitere Analysierung des Stücks ist jedoch die erste Szene beim Doktor. Auch der Doktor ist hier eine Karikatur eines Doktors, wirft mit wissenschaftlichen, sinnlosen Phrasen um sich und interprätiert Woyzecks philosophische Gedanken als Verrücktheit,als Wahnsinnigkeit.

Bis hier hin kann man also schon festhalten:

Woyzeck wird durch seinen niederen sozialen Rang getrieben, primär vom Hauptmann und vom Doktor.

Man könnte jetzt jede einzelne Szene derart duchgehen, doch dieses macht nicht allzu viel Sinn.

Kurz zusammengefasst die interessanten Punkte im weiteren Verlauf des Dramas:

Woyzeck geht mit Marie auf dem jahrmarkt, wo vor einer Bude ein Affe präsentiert wird. Dies ist eine Anspielung auf die Festlegung, auf die Determinierung des Menschen in der Gesellschaft: Gebt man dem Affen einen Säbel, wird er zum Soldaten. -> DIe Kleidung legt von Geburt an die Stellung des Menschen fest. Ein weiterer Beleg für die Anspielung auf die Determinierung des Menschen: Woyzeck:,, Das Kind schwitzt ja schon im Schlaf\": Das Kind schwitzt schon im Schlaf, weil die soziale Rolle schon vorbestimmt,dass er sein Leben lang hart arbeiten muss.

Der Mord an Mariewird vorgezeichnet durch einige Szenen, in denen Woyzeck Monologe übers Totstechen abhält, z.B. ,,Stich,stich die Zickwolfin tod\".
Die Handlungsmotive für den Mord sind auch klar:
Seine Frau ist das einzige was er hat , der Umstand,dass sie fremdgeht, sowie sein natürlicher Trieb und die sozialen Disparitäten treiben ihn zum Mord. Das führt uns gleichweg zur Interprätation des Stücks und der zentralen Frage:

IST WOYZECK OPFER,TÄTER ODER GETRIEBENER?

Ich möchte mich an dieser Stelle soweit wie möglich von den normalen Interprätationen,die es in Lektrürenhilfen und Lehrbüchern en masse gibt, entfernen und bin stolz, hier meine
eigene Version vorstellen zu dürfen.
Woyzeck ist getriebener, und zwar von 4 Elementen getrieben:
Vom sozialen Umfeld
Von gesellschaftlichen Konventionen
Von natürlichen Trieben
und............Von sich selbst!!!!!!!!!!
Belege für den Trieb durch das soziale Umfeld: Der Hauptmann sowie der Doktor nehmen Woyzeck jegliche Lebensgrundlage, jeglichen Lebenssinn, reduzieren sein Leben auf die Liebe, machen ihn auf das fremdgehen seiner Frau aufmerksam und sticheln ihn zusätzlich an.
Die gesellschaftlichen Konventionen bringen ihn zum halten an seine Frau,lassen ihm im Glaubn,an sie halten zu müßen,
und die natürlichen Triebe tuen dieses auch. interessant ist jedoch, wie er selbst sich treibt. Meine These lautet nämlich hierzu: Woyzeck ist schitzophren! ja, und die zweite Hälfte seiner Persönlichkeit ist meiner Ansicht nach Andres. WIe ich dazu komme? Es gibt eine Szene, wo beide rumhängen, und Woyzeck wird angeschissen vom Hauptmann, Andres nicht!
Für mich ist Andres also Woyzecks zweite hälfte, die sich um seine Probleme einen Dreck schert und am liebsten garnicht imaginär vorhanden wäre, und Woyzecks desinteresse an sich selbst bringt in selber zum Mord.............

So, nun noch ein paar Worte dazu,wie das Stück zu verstehen ist.
Für mich beinhaltet das stück klare nihilistische Züge: Es verneint jeden Sinn des Lebens und jeden Sinn aller Existenz durch die Negierung sämtlicher bestehender Werte, gleichzeitg ist es ein Apell an die Gesellschaft und eine Kritik an dieser.
Und sehen wir uns mal in unserer Gesellschaft um, so ist das Stück aktuell wie eh und je!!!!!! Den Arbeitslosigkeit oder Druck von oben bringt auch heute noch viele Menschen zum Mord, ob an sich selbst oder an anderen ist dabei irreleveant, und eine soziale Determinierung gibt es auch heute noch!

Achja, fast hätte ichs vergessen: Die Sprache ist zwar dialektisch, zeigt aber dennoch auch neben dieser Tatsache ihre Eigenarten: Jeder benutzt die für seinen Sozialstand typische Sprache , die so bis zur Karikatur getrieben wird, was die Kritik an den Ständen noch weiter verdeutlicht!

Anmerkungen: Dieser Bericht war eigentlich für die 2te Runde des BBB Cups vorgesehen, doch da ich ja eh rausgeflogen bin,konnte ich ihn etwas ausführlicher schreiben.

Die Reclam Ausgabe beinhaltet zusätzlich da Lustspiel Leonce und Lena, über das ich bei Gelegenheit auch noch etwas schreiben werde, und ist in jeder Buchhandlung für 2,10€ erhätlich, und die sollte man auf jeden Fall locker haben wir dieses geniale Meisterwerk.

ERSTVERÖFFENTLICHUNG BEI CIAO!