Bundeswehr Testbericht

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Erfahrungsbericht von Cuchulainn1981

Meine Zeit in Uniform

Pro:

Kameradschaft, viel Bewegung, neue Erfahrungen sammeln

Kontra:

Befehl und Gehorsam, wenig selbstständiges Denken, viel Stress, Verletzungsgefahr, anstrengend

Empfehlung:

Nein

Ende Juni 2000 machte ich mein Abitur und durfte danach noch eine Woche Ferien genießen, bevor ich dann am 3. Juli nach Rennerod fuhr, um meinen zehnmonatigen Wehrdienst anzutreten. Rennerod liegt in Rheinland-Pfalz in der Nähe von Gießen und Limburg.

Warum habe ich nicht verweigert?
Diese Frage habe ich mir in den folgenden Monaten oft gestellt. Meine Freunde hatten mir alle gesagt, ich solle Zivildienst machen statt Bundeswehr. Sie behaupteten, dass dies die einzig richtige Entscheidung für mich wäre, weil ich so gerne anderen helfen würden. Ganz unrecht hatten sie nicht, aber ich wollte einfach etwas neues erleben, wollte einmal sehen wie es in einer Armee so zugeht.

Meine 10 Monate als Soldat:
In Rennerod befindet sich das Sanitätsregiment 5, ich kam zur 8. Kompanie. Dort durfte ich die ersten zwei Monate, meine Grundausbildung, verbringen. Ich hoffte, dass ich danach ins Saarland versetzt würde, wo ich auch wohne.
Um 18 Uhr kam ein kleiner Trupp aus etwa zwanzig jungen Männern zur Alsberg-Kaserne in Rennerod, bepackt mit schweren Taschen und eine ungewisse Zukunft erwartend. Niemand von uns wusste, was auf uns zukommen würde. Einige hatten schon Geschichten von anderen gehört oder solche Berichte wie diesen hier gelesen, aber es doch ein Unterschied, wenn man eine Erzählung hört oder liest oder plötzlich selbst vor dem Kasernentor steht und den Personalausweis einem Mann in Uniform zeigt. In dem Moment, in dem ich durch das Tor trat, wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab, dass sich mein Leben die nächsten zehn Monate radikal ändern würde.
Wir wurden in einen großen Raum geführt. Dort mussten wir uns setzen und warten, bis wir aufgerufen wurden. Unsere Personalien wurden aufgenommen, dann wurden wir einer Gruppe und einem Ausbilder zugeordnet. Ich kam zur 13. Gruppe (das konnte ja nur Glück bringen) zu Stabsunteroffizier W.
Nach einigen Stunden wurden wir schließlich von unserem Gruppenführer aus dem Raum geführt. Im Erdgeschoss dieses Gebäudes befahl er, uns in einem Halbkreis aufzustellen und zuzuhören. Der Satz, mit dem er sich vorstellte, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben: „Ich bin Stabsunteroffizier W., Ihr Ausbilder. Meine Aufgabe ist es, in den nächsten zwei Monaten Soldaten aus Ihnen zu machen!“ Mir wurde direkt klar, dass dieser Mann eindeutig zu viele schlechte amerikanische Filme gesehen hatte.
Dann erklärte er uns mit einem breiten Grinsen, dass Rennerod der kälteste Ort von Rheinland-Pfalz sei und deutete auf das Fenster, durch das wir strömenden Regen sehen konnte. „Normal!“
Auf dem Weg zu unserem Gebäude lernten wir dann auch schon direkt etwas Wesentliches: Bei der Bundeswehr wird nur gelaufen. Wir mussten unsere Taschen packen und zu unserem Gebäude laufen. Wer zu langsam war, erhielt den ersten Anschiss seiner Bundeswehrzeit, und es sollten noch viele folgen.
An diesem Abend füllten wir fast nur Formulare aus. Gegen 23 Uhr durften wir uns in die Stuben zurückziehen und ließen uns todmüde auf die Betten fallen. Über die Betten schreibe ich hier nur, dass die blöden Dinger ein Alptraum sind, vor allem wenn man so groß ist wie ich. Aber irgendwann gewöhnt man sich dran.
Am nächsten Tag fand unsere Einstellungsuntersuchung statt, und wir lernten die ersten militärischen Formalien kennen. W. erklärte uns wie wir unsere Betten zu machen hatten. Sie mussten praktisch identisch aussehen mit einer glatten Oberfläche. In der Decke durfte keine Falte zu sehen sein. Wir wurden durch die Kaserne geführt, wobei wir hintereinander laufen mussten, und unser Ausbilder uns immer genau sagte, wann wir in welche Richtung zu gehen hatten. Bevor nicht ein anderer Befehl kam, hatten wir nur geradeaus zu gehen.
Am dritten Tag schließlich wurden wir eingekleidet und erhielten unsere Uniformen und unsere Ausrüstung. Ich will hier keine Ausrüstungsliste niederschreiben, denn es waren eine Unmenge von Gegenständen und Kleidungsstücken, denen wir auf Anhieb keine Funktion zuordnen konnten. Nachdem wir unsere Ausrüstung erhalten hatten, wurden wir in den Spindaufbau eingewiesen. Die Hemden zum Beispiel mussten genau auf Din A 4 gefaltet werden, jedes Kleidungs- und Ausrüstungsstück hatte einen genauen Platz, an den wir es legen mussten. Für jemanden wie mich war das der reinste Alptraum.
Der Tagesablauf sah folgendermaßen aus:
5.00 Uhr: Wecken
5: 30 Uhr: Antreten und Frühstück
6.00 Uhr: Stubenreinigung
6.30 Uhr: Antreten, Begrüßung des Ausbilders, Betten- , Spind- und Anzugskontrolle
7.00 Uhr: Antreten der gesamten Kompanie vor dem Kompaniegebäude und Ausbildungsbeginn
Mittagessen: Unregelmäßig
Zwischen 18:00 Uhr und 21:00 Uhr: Dienstschluss, danach Zeit zur Stubenreinigung
22:00 Uhr: Zapfenstreich

Die folgenden Wochen waren durch Stress und Anstrengung geprägt.
Am Anfang hatten wir viele theoretische Unterrichtsstunden. Wir saßen in einem Schulungsraum und hörten einem Dozenten zu, der uns interessante Dinge erklärte wie Benehmen eines Soldaten in der Öffentlichkeit, Aufbau eines Alarmpostens, Aufbau und Funktionsweise des Gewehrs G3 und der Pistole P1, usw.
Wir trieben viel Sport. Meistens mussten wir eine halbe Ewigkeit über den Truppenübungsplatz laufen, ständig einen nörgelnden Unteroffizier daneben, der uns immer mehr antrieb, bis die ersten nicht mehr laufen konnten. Dann gab es Ärger und vielleicht eine Pause, wenn Stabsunteroffizier W. einen guten Tag hatte.
Die Geländetage verbrachten wir – wie der Name schon sagt – im Gelände. Morgens erhielten wir unsere Gewehre, bekamen beim Antreten eine Kampfsituation und unsere Aufgaben. Den Rest des Tages verbrachten wir entweder bei strömendem Regen oder glühender Hitze ohne genügend Wasser im Freien. Irgendwie habe ich in Rennerod immer nur diese beiden Extreme kennengelernt. Entweder war es kalt und regnerisch, so dass wir am liebsten alle Jacken gleichzeitig angezogen hätten (aber wir durften ja nur anziehen, was der Ausbilder uns befahl. Wenn er sagte „Regenschutz anziehen“ zogen wir die Regenschutzjacke an, nicht früher, nicht später), an den anderen Tagen war es so glühend heiß, aber jeder von uns hatte nur eine Trinkflasche mir Wasser gefüllt.
Zum Essen hatten wir nie wirklich viel Zeit. Wir wurden in die Kantine geschickt, mussten dort eine Ewigkeit anstehen und dann das Essen in uns hineinschaufeln, damit wir rechtzeitig wieder in den Stuben waren. An Geländetagen wurde das Essen auf den Übungsplatz gebracht. Aber da der ehrlose Feind sogar in den Pausen angreifen kann, mussten wir Wachen aufstellen und immer das Gewehr in Reichweite haben. Jederzeit mussten wir bereit sein, alles liegen zu lassen und in Deckung zu gehen. Außerdem war das Essen meistens grottenschlecht.
Gelegentlich hatten wir Märsche. Das bedeutete dann, Rucksack packen, Gewehr schnappen und mal locker zwanzig bis dreißig Kilometer marschieren. Natürlich waren das nicht einfach Wanderungen, sondern wir mussten immer auf Feindkontakt vorbereitet sein. Das hieß beispielsweise in irgendeinem Straßengraben in Deckung springen, wenn ein Auto kam, und jede Kreuzung in alle Richtungen sichern.
Eine Woche verbrachten wir komplett auf dem Schießplatz. Das war eigentlich ziemlich lustig, auch wenn der Rückschlag bei scharfer Munition noch schlimmer war als bei dieser blöden Übungsmunition.
Dann gab es noch diese grauenhafte Formaldienste. Dort lernten wir Marschieren, den militärischen Gruß und viele andere nützliche und wichtige Dinge. Die Hauptsache beim Formaldienst war das Befolgen jeden Befehls. Das Schlimmste war Marschieren. In Reih und Glied marschierten wir stundenlang durch die Kaserne, immer und immer wieder als gäbe es nichts schöneres.
Und sonst immer und immer wieder Stubenreinigung. Das wurde dann kontrolliert, und es durfte kein Staub mehr zu finden sein. Sogar die Steckdosen wurden auf Staub untersucht. Mindestens genauso nervtötend waren die Reinigungen der Waffen. Selbst wenn wir sie nicht benutzt hatten, mussten wir abends mindestens zwei Stunden reinigen. Und das schlimme war, dass man die blöden Dinger niemals sauber bekam. Wenn die Ausbilder suchten, fanden sie immer Dreck. Also waren die Waffen erst sauber, wenn die Ausbilder keine Lust mehr hatten, und das konnte manchmal sehr lange dauern.
Der ätzende Formaldienst diente hauptsächlich dem Zweck, uns auf das Gelöbnis vorzubereiten. Beim Gelöbnis standen wir in Reih ung Glied auf dem Sportplatz, marschierten ein wenig, sangen die Nationalhymne und gelobten Treue. Da durfte dann kein Fehler mehr passieren.
Die Grundausbildung endete mit der Rekrutenprüfung und einem Biwak. Die Prüfung bestand aus einem Marsch mit mehreren Stationen, an denen wir Prüfungen ablegen mussten. Das Biwak schließlich verbrachten wir im Wald und sollten so eine Art Kriegseinsatz üben mit allem drum und dran. Wache, Alarmposten, Bergung von Verletzten. Der Höhepunkt war der Nachtangriff unseres Hauptmanns.Wir haben uns verbissen verteidigt. Wie durch ein Wunder hatten wir während des Biwaks wunderbares Wetter, und so war es eigentlich recht angenehm, so weit man das angenehm nennen konnte.
Über die restliche Zeit kann man eigentlich nicht mehr viel schreiben, denn nach der Grundausbildung passierte nicht mehr viel.
Nach der Grundausbildung kam ich einen Monat nach Montabaur zur Sanitätsausbildung. Dort war mit einem Schlag alles anders. Die Ausbilder waren nicht mehr so streng, wir hatten längere Pausen, und der Dienst war kaum noch anstrengend.
Danach wurde ich nach Saarlouis in den San-Bereich versetzt, also in die Kaserne, in die ich wollte. Den Dienst dort kann ich mit nur einem Wort beschreiben: langweilig. Oder mit zwei Wörtern: total langweilig.
Ich saß den ganzen Tag im Büro und wartete auf Arbeit. Das ist schlimmer als wenn es viel zu tun gibt, weil die Zeit einfach nicht rum geht. Zwischendurch bin ich wieder einen Monat nach Rennerod gekommen für einen Führerscheinlehrgang (C1) und im Winter war ich als Sanitätspersonal bei einer Übung in Ingolstadt dabei. An diese zehn Tage habe viele äußerst unangenehme Erinnerungen.
Es tut mir leid, dass der Bericht jetzt so kurz ausfällt, aber über diese Zeit kann man wirklich icht viel schreiben. Wenn es euch interessiert, bin ich aber gerne bereit, den Bericht noch ein wenig zu erweitern und vielleicht noch einige Geschichten aus der Zeit hinzuzufügen.
Am 27. April 2001 war meine Wehrdienstzeit zu Ende. Ich gab meine Uniform und meine Ausrüstung ab und verließ die Kaserne. Damit war der wohl unangenehmste aber auch interessanteste Abschnitt meines bisherigen Lebens zu Ende, und ich wusste, dass ich diese Kaserne in Zukunft nur noch als Besucher würde betreten dürfen.

Meine Meinung:
Ist es jetzt empfehlenswert zur Bundeswehr zu gehen? Ehrliche Antwort: Ich weiß es nicht. Es war eine sehr unangenehme Zeit, vor allem für einen Abiturienten, der selbstständiges Denken gewöhnt ist. Man kommt zum Bund, und plötzlich muss man dieses Denken abschalten und darf nur noch tun, was die Vorgesetzten einem befehlen.
Die härteste Zeit war die Grundausbildung, und die war manchmal wirklich hart. Danach kam nicht mehr wirklich viel, weswegen ich dazu auch nicht mehr viel geschrieben habe. Nach der Grundausbildung hatte ich einen normalen Bürojob mit schlechten aber geregelten Arbeitszeiten.
Vorteile der Bundeswehr sind die vielen neuen Erfahrungen, die man macht, und die Kameradschaft. Ich hatte noch das Glück, dass ich 10 Monate machen musste. Deswegen durfte ich noch einen zusätzlichen Führerschein machen und hatte so noch etwas von der Zeit. So viel ich weiß, werden die Wehrpflichtigen mit neun Monaten nicht mehr auf einen Führerscheinlehrgang geschickt.
Die Nachteile liegen auch auf der Hand: Es ist eine Zeit voller Anstrengung, teilweise Demütigung, Stumpfsinn, Befehlen, usw. Man darf es sich nicht als Spaziergang vorstellen, sondern als das, was es ist: Militär. Und viele Klitschees sind auch vollkommen korrekt. Einfaches Beispiel: Bei Dienstantritt muss man das Gehirn an der Wache abgeben. Anders kann man einen großen Teil dieser Zeit einfach nicht überstehen.
Man sollte in der Lage sein, Autoritäten ohne Widerspruch zu akzeptieren und die eigene Meinung zu unterdrücken, wenn man nicht bestraft werden möchte. Außerdem sollte einem körperliche Anstrengung, wenig Essen, wenig Schlaf und lange Dienstzeiten nichts oder nicht viel ausmachen. Und wichtig ist auch, dass eine Trennung von zu Hause kein Problem ist. Je nachdem, wohin man versetzt wird, kann diese Trennung sehr lange sein, denn von bestimmten Standorten aus lohnt es sich am Wochenende im Allgemeinen nicht, nach Hause zu fahren. Wer glaubt, dass er mit diesen Dingen nicht zurecht kommt, sollte auf gar keinen Fall diesen Weg wählen.
Wenn von euch jemand vor dieser Entscheidung steht, kann er sich gerne mit Fragen an mich wenden.

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