Chrysler Sebring Testbericht

Chrysler-sebring
Abbildung beispielhaft
ab 40,61
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Erfahrungsbericht von Seneca_X1

Think big!

Pro:

-

Kontra:

-

Empfehlung:

Ja

\"Built with quality and pride!\" steht auf einem Aufkleber auf der hinteren linken Seitenscheibe des längsten Gross-Seriencabrios auf dem deutschen Markt. Dass in bezug auf amerikanische Autos der Slogan \"Think big!\" immer noch Gültigkeit hat, beweist der Sebring in eindrucksvoller Manier. Eine ausgiebige Testfahrt hat mich davon überzeugt, dass die Amis durchaus gute Fahrzeuge zu Wege bringen.

Der 4,92m lange Chrysler ist eine sehr stattliche Erscheinung und bietet mit seinem geradlinigen Design und der progressiven Front einen gefälligen Anblick. Das abgerundete Heck enthält einen Kofferraum mit immerhin 320 Litern gut nutzbarem Fassungsvolumen. Die grossen Türen dürften in engen Parklücken einige Probleme beim Ein- und Ausstieg verursachen - ver- und entriegelt werden sie mit einer (leider) vom Schlüssel separierten Fernbedienung. Das zweilagige Verdeck mit Glasheckscheibe macht einen äusserlich soliden Eindruck, ist aber nicht so dick gefüttert wie das des bereits beschriebenen Audi A4 Cabrio.

Beginnen wir mit der Fahrt. Der 2,7 Liter grosse V6 klingt angenehm kernig, wenn auch verhalten in den Innenraum. Eine veraltete Viergangautomatik mit manueller Schaltfunktion (\"Autostick\" genannt) treibt den Sebring vorwärts. Diese Automatik ist der einzige Nachteil, der mir antriebsseitig aufgefallen ist. Die mittlerweile nicht mehr zeitgemässe Beschränkung auf vier Gänge führt zu grossen Drehzahlsprüngen beim Herunterschalten und hinterlässt bei forcierter Gangart einen unharmonischen Eindruck. Beim sanften Gleiten hingegen überzeugt sie durch unmerkliche Schaltvorgänge. Die 149kW Leistung sind spürbar, doch verschwindet eine Menge Energie im Drehmomentwandler. Im Durchschnitt laut Bordcomputer liegt der Verbrauch bei 11,5 Litern Normal Bleifrei bei gemässigter Fahrweise. Laut Aussage des Verkäufers seien auch 9 Liter möglich, doch halte ich das für einigermassen schwierig. Der Leichtmetall-V6 ist eine gut drei Jahre alte Konstruktion und wird auch im 300M verbaut. Die Einstufung in Schadstoffklasse Euro 3 sorgt für eine jährliche Steuer von €138,--.

Die Innenausstattung des grossen Chrysler hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die grossen Ledersessel sind sehr bequem, doch die nur teilweise elektrische Verstellung über leicht verwechselbare und zu kleine Schalterchen ist nicht besonders gelungen. Die Rückenlehne lässt sich nur manuell einstellen - nicht etwa über ein Rändelrad, sondern über das Körpergewicht. Bei gezogenem Hebel drückt man den Rücken gegen die Lehne und kippt schnell nach hinten weg, wenn man nicht aufpasst. Während der Fahrt sollte dieser Hebel also tunlichst in Ruhe gelassen werden. Die Bedienelemente liegen aus ergonomischer Sicht gut zur Hand, alles ist an gewohnter Stelle. Die Instrumente im klassischen Design sind sehr gut ablesbar und sehen einfach schick aus. Das Lenkrad enthält die Bedientasten für den serienmässigen Tempomaten. In der Mittelkonsole finden sich ein Reiserechner mit Kompass sowie die Bedienelemente für die Klimaanlage. Die Regelung derselben muss nach Gefühl erfolgen, da keine Temperaturskala auf der Einstellscheibe vorhanden ist. Die Luftverteilung erfolgt automatisch und wie bei US-Fahrzeugen üblich, zugfrei und effizient. Das ebenfalls serienmässige Radio mit Infinity-Boxen klingt sehr überzeugend, stellt aber mit seinen altertümlichen Bedienelementen aus den 80ern einen gewissen Kontrast zum Zeitgeist dar. Ein Navigationssystem wird nicht ab Werk angeboten. Das Handschuhfach ist leidlich geräumig, doch ein grosses Staufach in der Mittelarmlehne entschädigt dafür.

Die äussere Eleganz spiegelt sich im Innenraum leider nur teilweise wieder, da das Armaturenbrett nach US-Manier \"cheesy\" wirkt. Die verwendeten Kunststoffe wirken speckig, das Holzimitat sieht leider mehr nach Imitat als nach Holz aus. Die hellen Teppiche des erst 3.000km alten Testwagens waren bereits stark verdreckt. Auf den hinteren Plätzen ist reichlich Raum vorhanden, doch fehlen unverständlicherweise die Kopfstützen. Seitenairbags sind auch nicht vorhanden - schlichtweg unzeitgemäß! Gurtstraffer und ein Überrollschutz sind nicht lieferbar.

Das Verdeck macht von innen einen weniger soliden Eindruck als von aussen, denn die Mechanik liegt am seitlichen Scheibenrahmen teilweise offen. Durch die nur lose verbauten Abdeckungen lässt sich die Hand in das Dachgestänge führen. Hier wirkt der Audi im Vergleich wie eine feste Burg. Die Fensterscheiben liegen an ihrer oberen Kante nur von aussen am Dichtungsgummi an - die Frage der Langzeitqualität muss auch hier unbeantwortet bleiben.
Beim Blick in das halb geöffnete Verdeck fällt die relativ dünne Isolierschicht auf, über deren Wintertauglichkeit mir aber die Erfahrung fehlt. Das Öffnen des Verdecks bedarf einer manuellen Entriegelung von zwei Spannhaken am Frontscheibenrahmen, die sich unter den Sonnenblenden verstecken. Das Dach faltet sich in eine bei geschlossenem Verdeck als Ablage nutzbare Vertiefung hinter den Fondsitzen zusammen. Wie in guten alten Zeiten muss eine Persenning montiert werden, da die Spannhaken eine Verletzungsgefahr darstellen. Das geöffnete Dach liegt zum Glück relativ flach und kompakt in seiner Höhle, so dass die Persenning wohl meistens unbenutzt im Kofferraum bleibt. Der Öffnungsvorgang dauert nur wenige Sekunden, da keine Verdeckklappe geöffnet und geschlossen werden muss - der einzige Vorteil gegenüber dem Audi.

Die Sicherheitsausstattung des Chrysler ist nach deutschen Masstäben gemessen mittlerweile ungenügend, da zusätzlich zu den fehlenden Airbags weder Traktionskontrolle noch ESP lieferbar sind. Erstere wäre auf jeden Fall sinnvoll, da der Sebring gerade bei Nässe sehr schnell mit Traktionsproblemen zu kämpfen hat. Von elektronischen Schmankerln wie Bremsassistent oder anderen aktiven Fahrwerksregelungen scheinen unsere amerikanischen Freunde weniger zu halten als von Dosenhaltern und 12-Volt-Steckdosen, denn diese sind reichlich vorhanden. Eine etwas schnell angegangene Kurve bei Nässe quittierte der schwere Chrysler mit sturem Untersteuern - typisch für einen nicht elektronisch eingebremsten Fronttriebler. Wenigstens sind die Bremsen sehr kräftig - laut Testbericht werden aus Tempo 100 nur 37,5 Meter bis zum Stillstand benötigt - ein guter Wert!

Das Fazit fällt mir nicht leicht, denn der Chrysler Sebring ist eine Ausnahmeerscheinung. Der schöne Cruiser zum sehr günstigen Preis macht einige der genannten Nachteile wett, dennoch bin ich nicht sicher, ob ich mit diesem Auto auf Dauer glücklich werden könnte. Die kurzen Wartungsintervalle von nur 12.000km und der vermutlich sehr hohe Wertverlust heben den Preisvorteil zum Teil auf, doch wer ein geräumiges und individuelles Cabrio sucht, sollte den Sebring in seine Auswahl einbeziehen. Ein Rabatt von 10% auf den ohnehin günstigen Kaufpreis von €33.700,-- zzgl. €500,-- Überführungskosten und €750,-- für eine nachzurüstende Einparkhilfe (unbedingt empfehlenswert!) war ohne Diskussionen schnell gewährt.

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