Der Alchimist (gebundene Ausgabe) / Paulo Coelho Testbericht

Erfahrungsbericht Der Alchimist / Coelho, Paulo

Einleitung:

Wenn man eine neue Partnerin hat, lernt man auch viele neue Dinge kennen, unter anderem auch gute Bücher. Eins davon, dass meine Partnerin von ihrer Tochter geliehen hat, stellte sie auch kurzerhand mir zur Verfügung. Ich muss sagen, dieses Buch hat mich tief beeindruckt. Warum, das lest ihr in meinem folgenden Bericht über dieses Buch hier: Der Alchimist von Paulo Coelho.

I. Allgemeiner Teil: Aufteilung und Inhalt des Buches

"Der Alchimist" ist in zwei große Teile aufgeteilt. Streng genommen sind sogar fünf Teile, wenn man das Vorwort des Autors, den Prolog am Anfang und den Epilog am Ende des Buches noch hinzunimmt.

1. Vorwort des Autors

Im Vorwort bedankt sich Paulo Coelho ausdrücklich bei all seinen Lesern, die ihm den Erfolg des Alchimisten erst ermöglichten. So ist er gleichermaßen erstaunt und verwundert zugleich, dass Prominente wie Bill Clinton und Julia Roberts den "Alchimisten" in den verschiedensten Winkeln der Erde gelesen haben, und sogar die Leute sich auf der Straße darüber unterhielten. Gleichzeitig stellt er die These auf, dass jeder Mensch seinen persönlichen Lebensweg gehen sollte, es jedoch vier Hindernisse auf dem Weg dorthin gebe, die die meisten scheitern ließen. Auf diese gehe ich weiter unten in Punkt II "Meine ganz persönlichen Eindrücke" ein.

2. Prolog

Im Prolog liest der Alchimist eine Geschichte aus einem Buch von Oscar Wilde: Darin geht es um den Jüngling Narziss, der sein Ebenbild in einem Teich so schön findet, dass er es täglich bewundert, dabei eines Tages das Gleichgewicht verliert und ertrinkt. An seiner Stelle wächst eine Blume im Teich, eine Narzisse.
Ein paar Waldfeen kommen vorbei und finden den ehemaligen Süßwassersee durch Tränen in Salzwasser verwandelt vor. Er weine um Narziss, sagte der See. Was kein Wunder sei, meinten die Waldfeen, habe er doch jeden Tag die Schönheit des Narziss vor Augen gehabt. Dass Narziss schön gewesen sei, habe er nie bemerkt, meinte der See. Er weine um ihn, weil sich in den Augen des Narziss doch seine eigene Schönheit widerspiegelte.
Was sagt uns das? Schönheit liegt halt im Auge des Betrachters.

3. Erster Teil: Von Andalusien nach El-Fayum (17 Kapitel)

Dieser Roman beschreibt den persönlichen Lebensweg des jungen andalusischen Schäfers Santiago. Es fängt damit an, dass er einen Traum hat: Ein Junge begegnet ihm und teilt ihm mit, er solle zu den Pyramiden zu gehen, um dort einen Schatz zu finden. Wie jeder Mensch hat auch Santiago seine Träume: So träumt er davon, die Tochter des Tuchhändlers in jenem Ort wiederzutreffen, an dem er einmal im Jahr vorbeikommt. Aber es kommt alles ganz anders: Er trifft eine alte Zigeunerin, die ihm voraussagt, er werde einen Schatz bei den Pyramiden in Ägypten finden.

Noch mysteriöser wird es, als Santiago in der Hafenstadt Tarifa auf einen alten Mann trifft, der sich ihm als Melchisedek, der König von Salem, vorstellt. Der Alte bestärkt ihn in seinen Träumen, indem er Santiago den Rat gibt, alle Herrlichkeiten dieser Welt zu sehen, ohne darüber das Wesentliche zu vergessen. Doch das Wichtigste, das ihm Melchisedek mit auf den Weg gibt, ist: "Achte immer auf die Zeichen! Sie werden Dir Deinen persönlichen Lebensweg zeigen!"

Derart beeindruckt, gibt der Jüngling dem alten Mann ein Zehntel seiner Schafherde, verkauft den Rest und begibt sich schnurstracks auf ein Schiff nach Afrika, um dort zu den Pyramiden zu gelangen und seinen Schatz zu finden.
In Tanger angekommen, ist dem Jüngling das Glück zunächst alles andere als hold: Von einem Betrüger wird er um sein ganzes Geld gebracht, und so bleibt ihm der Weg zurück nach Andalusien zunächst verwehrt.
Doch Santiago gibt nicht auf: So findet er bei einem Kristallwarenhändler Arbeit, womit der erste Teil dieses Buches endet.

4. Zweiter Teil: Der Alchimist (35 Kapitel)

Santiago entwickelt sich innerhalb eines Jahres bei dem Kristallwarenhändler enorm weiter: Er lernt Arabisch, entwickelt sich als wahres Verkaufstalent, poliert den Laden des Händlers im wahrsten Sinne des Wortes auf durch den Verkauf von Tee aus Kristallgläsern, und hat nach einem Jahr so viel Geld verdient, dass er sich einer Karawane anschließen kann, die auf dem Weg nach Ägypten ist.

Dort trifft er einen Engländer, der nur von einem Ziel besessen zu sein scheint: Er wird unbedingt einen Alchimisten finden. Dieser wohne angeblich in der Wüste in der Oase El-Fayum und könne ihm die Kunst der Alchimie lehren, damit er endlich das "Große Werk" vollenden könne. Was das große Werk denn sei? will Santiago wissen. Nun dieses setze sich zusammen aus einem flüssigen Teil, dem sog. "Elixier des langen Lebens", und einem festen Teil, dem sog. "Stein der Weisen".

"Seltsamer Zeitgenosse!" denkt sich Santiago. "Der Engländer sieht vor lauter Büchern nicht das wahre Leben!"
Und so gelangt der Jüngling mit der Karawane schließlich in die Oase El-Fayum.
Dort trifft er auf der Suche nach dem Alchimisten auf das Mädchen Fatima, und es kommt, wie es kommen muss: Santiago verliebt sich in das Mädchen und gesteht ihr am zweiten Tag seine Liebe.

Danach überschlagen sich die Ereignisse: In der Nacht beobachtet der Jüngling zwei Sperber, die einander angreifen. Dies deutet er als Zeichen, dass die Oase angegriffen werden würde und teilt dies auch den Stammesführern mit, doch man glaubt ihm nicht recht: Wenn seine Vorhersage stimme, würde er mit Gold belohnt. Wenn sich seine Vorhersage aber als unwahr erwiese und am nächsten Tag kein Feind in Sicht sei, dann müsse er sterben.

Derart geplättet, tritt Santiago wieder hinaus in die Wüste und begegnet dort einem schwarzen Reiter auf einem weißen Pferd: Dem Alchimisten! Und dieser hält das Schwert erhoben!

Wer er denn sei, dass er das von Allah bestimmte Schicksal ändern wolle? Nein, er habe nur eine Schlacht gesehen, nicht aber deren Ausgang. Und so treffen sich die beiden fortan in jeder Nacht.
Santiagos Vorhersage erweist sich leider als wahr: Am nächsten Morgen wird die Oase tatsächlich angegriffen. Doch der Angriff kann abgewehrt werden, und Santiago wird reich belohnt: Er erhält nicht nur 50 Goldstücke, sondern wird auch zum offiziellen Berater der Oase. Er ist so glücklich, dass er fortan für immer in der Oase bleiben möchte. Doch der Alchimist warnt: All diese Dinge - Fatima und das Gold - lägen eben nicht bei den Pyramiden.
Und so machen sich Santiago und der Alchimist auf und ziehen durch die Wüste in Richtung der Pyramiden. Auf dem Weg dorthin lernt Santiago vieles über die Sprache der Wüste und das Leben in ihr, beíde werden von Kriegern entführt und sehen dem Tod mehrfach ins Auge, bis sie schließlich bei den Pyramiden ankommen. Was wird Santiago dort finden? Etwa seinen Schatz? Mehr möchte ich eigentlich nicht verraten: Denn das steht im:

5. Epilog

Hier erfährt der geneigte Leser, ob Santiago letztendlich seinen Schatz findet. Ich möchte nicht allzu viel vorweg nehmen, nur soviel: Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt......

6. Etwas über den Autor

Paulo Coelho wurde am 24. August 1947 in Rio de Janeiro (Brasilien) geboren und hat ein bewegtes Leben hinter sich: Er besuchte eine Jesuitenschule, studierte Jura und war sowohl als leitender Angestellter einer Plattenfirma tätig als auch politisch, wo er als Gegner der Militärjunta für mehrere Tage von einer paramilitärischen Einheit gefangen gehalten und gefoltert wurde. Ebenso wurde er als junger Mann dreimal von seinen Eltern in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, da er von ihnen wegen seines damaligen Drogenkonsums und seiner Weltanschauungen für verrückt gehalten wurde. Die zwei markantesten Dinge, die sich bis heute wie ein roter Faden durch sein Leben ziehen, waren bzw. sind: Jeder solle an seinem Traum festhalten, und jedes Einzelnen persönlicher Lebensweg sei geprägt durch Zeichen, die immer wieder auftauchten.

Im Laufe der Jahre reiste er viel um die Welt. Das meiste davon findet sich in autobiografischen Zügen in seinen Werken wieder.

Auch lebte Paulo Coelho für fünf Jahre zurückgezogen in einem alten spanischen Orden. Zur Schriftstellerei kam er erst spät mit 39 Jahren, als er sein erstes Buch über seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela schrieb.

Sein zweiter Roman "Der Alchimist" erschien 1988 und war zunächst erfolglos, weswegen er den Verlag wechselte. Erst 1993 interessierte sich ein amerikanischer Verlag für das Werk, und von da an war der Erfolg nicht mehr aufzuhalten: 1996 erschien "Der Alchimist" schließlich in deutscher Sprache im Diogenes-Verlag (Zürich) und wurde bis heute in über 60 Sprachen übersetzt.

Zahlreiche Ehrungen wurden im seitdem zuteil, unter anderem der Bambi in Deutschland (2001) und 1996 von der UNESCO die Ernennung zum Sonderbotschafter für interkulturellen Dialog.
Heute lebt er mit seiner zweiten Frau wechselweise in Rio de Janeiro und in Tarbes (Frankreich).

II. Meine ganz persönlichen Eindrücke

Ich bin auch jetzt noch ganz erschlagen von den Eindrücken, die "Der Alchimist" bei mir hinterlassen hat und wohl auch für den Rest meines Lebens weiter hinterlassen wird. Warum ist das so?
Zu allererst: Dieser Roman ist vollkommen zeitlos. Es wird nicht mitgeteilt, zu welcher Zeit er spielt. Es könnte heute, aber auch vor 100 Jahren gewesen sein.

Außerdem ist der ganze Roman quasi ein einziges Gleichnis, eine Geschichte in übertragenem Sinne: Allerdings eines, das wirklich JEDEN in seinen Bann zieht, erkennt sich doch wirklich JEDER in irgendeiner Weise darin wieder. Das allein übt schon einen faszinierenden Reiz für mich aus!

Es geht bereits los im Prolog: Kernaussage hier ist, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Und ist es nicht so? Jeder Mensch sieht Schönheit anders: Ein Mann verliebt sich zum Beispiel in eine Frau, die ein anderer Mann wiederum gar nicht anziehend findet. Man könnte dazu noch Tausende Beispiele im täglichen Leben finden.
Noch heftiger wurde es für mich, als von den vier Hindernissen las, die fast alle Menschen auf dem persönlichen Lebensweg davon abhielten, ihren persönlichen Traum zu erfüllen, nämlich:

1. Jedem Menschen, der Träume hat, wird irgendwann einmal gesagt, dass man diese gar nicht erreichen könne, da das Leben irgendwann vom Schicksal gelenkt werde.'' Das ist purer Unsinn, denn an einer wichtigen Stelle im Buch heißt es ganz eindeutig: "Wenn Du etwas ganz fest willst, dann wird das gesamte Universum dazu beitragen, dass Du es auch erreichst!" Das sagt Melchisedek zu Santiago (Seite 23).

2. Die Liebe halte den Menschen davon ab, seine Ziele zu erreichen, wolle man doch denjenigen, die einem am meisten nahe stehen, nicht enttäuschen. Doch dem ist gar nicht so. Viel eher inspiriert einen der Mensch, der einen am meisten liebt, am allermeisten.

Und genau hier brach ich in Tränen aus, erkannte ich mich an dieser Stelle am allermeisten selbst: War ich früher, als ich alleine war, oft träge und antriebslos, so änderte sich dies rapide, seitdem ich meine jetzige Partnerin kenne: Ich packe Ziele an, die ich jahrelang aus den Augen verloren hatte. Und jedes Mal sagt sie: "Du schaffst das, ich weiß es!" Kann es eine bessere Inspiration geben als die Liebe?

3. Auf dem steinigen Weg zum persönlichen Glück muss der Mensch oft Niederlagen ertragen. Doch die wenigsten sind dazu bereit, und noch weniger ertragen viele Menschen diese Niederlagen.Dabei sind sie - so Paulo Coelho - doch etwas, was zum Leben dazu gehört und einen erst gefestigter herauskommen lässt als zuvor. Und irgendwann sei jede Niederlage einmal überwunden.

Auch hier erkannte ich mich gnadenlos selbst: Oft habe ich in meinem Leben nach einer Niederlage die Flinte ins Korn geworfen, und ich trauere heute noch so manch vergebener Chance nach. So manches im Leben würde man anders machen, hätte man noch einmal die Gelegenheit dazu, nicht wahr?

Ein weiteres Zitat aus dem Buch passt gar vortrefflich dazu: "Maktub - Es steht geschrieben!" So sagt der Alchimist bei ihrer ersten Begegnung auch zu Santiago: "Sei vorsichtig mit den Vorhersagen! Wenn die Dinge geschrieben stehen, dann kann man sie nicht verhindern!" Und genau so ist es ja auch im wirklichen Leben, nicht wahr?

4. Der Mensch bekommt kurz, bevor er seinen Traum erreicht, meist Angst davor, sein Ziel tatsächlich zu erreichen, und gibt auf.

Auch das passiert einem im täglichen Leben immer wieder: Man wird nervös, wenn man ein Ziel dicht vor Augen hat. Meist geschieht dies vor einer wichtigen Prüfung, sei es die Führerscheinprüfung, ein Diplom oder Examen. So war es jedenfalls bei mir. Oder manche Braut oder manchen Bräutigam hat vor dem Altar plötzlich der Mut verlassen.

5. Ein weiteres Merkmal: Die Kraft der Liebe

Eine weitere Stelle, die mich tief beeindruckt hat, findet sich im zweiten Teil des Buches, als Santiago und der Alchimist in der Wüste von Kriegern gefangen genommen werden. Nur wenn er - Santiago - seine Macht beweisen und sich in Wind verwandeln könne, dann würden sie freigelassen. Denn der Alchimist gibt nicht sich selbst, sondern Santiago als Alchimisten, eine Art Wüstenzauberer, aus.

Und tatsächlich gelingt es ihm am dritten Tag: Er spricht mit der Wüste und taucht in sie ein. Warum schafft er das? Weil er ihr erklärt, was Liebe ist. "Ich gebe Dir meinen Sand, damit der Wind hineinblasen kann. Aber alleine kann ich nichts tun. Bitte den Wind um Hilfe!" Und genau das tut der Jüngling. Besonders treffend ist dieses Zitat, wie ich finde:

"Das nennt man Liebe", sagte der Jüngling, als er bemerkte, dass der Wind seinem Wunsch beinahe nachgab. "Wenn man liebt, kann man nahezu alles in der Schöpfung sein. Wenn man liebt, ist es nicht notwendig zu verstehen, was vor sich geht, denn alles spielt sich in uns selber ab, und Menschen können sich in Wind verwandeln (Seite 129)".
"Wenn Du die Liebe kennst, kennst Du auch die Weltenseele, die aus Liebe besteht! (Seite 130)"
Mehr muss ich zur Kraft der Liebe wohl nicht mehr sagen, oder?

Überhaupt ist der "Alchimist" voll von Gleichnissen (z. B. ist Melchisedek, der König von Salem, kein anderer als Gott), von denen ich hier nur einige genannt habe. Jeder - und ich betone wirklich JEDER - kann aus diesem Buch etwas mitnehmen für sein weiteres Leben und für den Alltag. DAS ist das für mich Faszinierende, was den "Alchimisten" für mich ausmacht!!!

III. Ein paar Daten über das Buch:

Verlag: Diogenes-Verlag AG, Zürich, www.diogenes.ch
Seitenanzahl: 144
ISBN 13: 978 3 257 06554 1
ISBN 10: 3 257 06554 X
Preis: 8,90 Euro für die gebundene Ausgabe bei amazon.de

IV. Kaufempfehlung und Fazit

Tja, wie ihr seht, bin ich voll des Lobes über dieses Buch. So emotional ergriffen hat mich selten ein Werk: Es enthält zig Weisheiten für den Alltag, von denen die eine oder andere für jeden zu gebrauchen ist. Darüber hinaus erkennen sich viele Menschen - zumindest ich selbst - von seinem Charakter in dem Buch wieder. Man kann also auch tief in sich selbst hineinblicken. Direkt spannend ist "Der Alchimist" zwar nicht, doch die Tiefsinnigkeit dieses in Gleichnissen abgefassten Romans hat mich in höchstem Maße beeindruckt! JETZT verstehe ich, warum der Alchimist eines der erfolgreichsten Bücher der neueren Literatur geworden ist.

Ich mache es daher ganz kurz mit meinem Fazit: Ich vergebe die Höchstnote - also alle fünf Sterne - und vergebe eine ganz glasklare Kaufempfehlung!

In diesem Sinne einen lieben Gruß an alle Yopi-Mitglieder und an alle Gäste von draußen:-)!
Euer "in tiefstem Maße beeindruckter Druide" Miraculix1967 aus dem gallischen Dorf:-)

Düsseldorf, den 6. September 2010 (in einer älteren Version für Ciao bereits am 24.08.2010 veröffentlicht)